Gibt
es etwas schöneres als den Kinderglauben.
Als
Kind glaubt man noch, dass die Welt voller Wunder ist und manchmal
wenn man Glück hat geschieht tatsächlich ein Wunder.
Wie`s
Gritele mit dem Christkind sprach
Gritele
liegt bäuchlings auf dem Boden vor sich ein Blatt weißes Papier, in
der Hand einen blauen Stift.
Eigentlich
heißt sie ja Brigitte, aber jeder nennt sie nur Gritele.
Jetzt
scheint sie eine Idee zu haben, denn der Stift fährt eifrig über
das Blatt und zaubert ein blaues Strichmännchen.
Dann
setzt sie noch eine Reihe „Os“ unter die Zeichnung, denn das ist
der einzige Buchstabe den sie kennt.
Zufrieden
betrachtet sie ihr Werk, springt auf und läuft in die Küche.
Die
Mutter strickt und der Vater liest Zeitung.
Gritele
legt die Zeichnung stolz vor die Mutter und klettert auf einen Stuhl.
„Wie
schön, du hast mir ein Bild gemalt!“ ruft die Mutter erfreut.
Gritele
schüttelt den Kopf.
„Nein,
das ist ein Brief an das Christkind, du musst ihn zusammen falten und
auf die Fensterbank legen, damit die Englein ihn holen können. Ich
wünsche mir nämlich ein Puppe zu Weihnachten.“
Die
Mutter wird etwas blass und der Vater hebt den Kopf.
„Das
Christkind bringt keine Puppe,“ meint er barsch und Gritele sieht
ihn mit großen Augen an.
„Aber
warum denn nicht? Ich war doch ganz brav?“
Der
Vater sieht in die Augen seines Kindes und es schmerzt ihn, deshalb
sagt er schroffer, als er
wollte.
„Weil
das Christkind nicht zu armen Leuten kommt, also schlag dir die Idee
aus dem Kopf.“
Doch
Gritele gibt nicht nach.
„Das
Christkind kommt zu allen Kindern, ob arm oder reich, denn es liebt
die Kinder, so hat der Herr Pfarrer gesagt.“
„Was
weiß denn der schon!“ grollt der Vater und die Mutter wirft ihm
einen warnenden Blick zu.
„Es
gibt keine Puppe und nun will ich nichts mehr davon hören!“
Gritele
sieht ihn an, Tränen sammeln sich in ihren Augen und die Unterlippe
bebt.
„Du
bist gemein, ich mag dich gar nicht mehr leiden!“
Sie
springt vom Stuhl und verlässt die Küche.
„Musste
das sein?“ fragt die Mutter vorwurfsvoll.
„Glaubst
du denn, es tut mir nicht weh, dass ich dem Kind seinen Wunsch nicht
erfüllen kann!“
Er
springt auf und verlässt ebenfalls die Küche.
Die
Mutter aber vergräbt den Kopf in beiden Händen und ihre Schultern
zucken.
Seit
die große Fabrik schließen musste waren die meisten hier im Viertel
arbeitslos und ihr Mann konnte schwer damit fertig werden.
Energisch
richtet sie sich auf und wischt sich die Tränen ab.
Dann
blickt sie auf den großen Korb mit aufgetrennter Wolle.
Sie
hatte zwei ihrer Pullover aufgetrennt, um für Gritele etwas zu
stricken, damit wenigstens ein Päckchen unter dem alten Plastikbaum
lag.
Die
Wolle würde doch bestimmt noch für einen kleinen Teddybären
reichen.
Und
bald klappern die Stricknadeln mit dem Ticken der alten Kuckucksuhr
um die Wette.
Gritele
aber sitzt auf der Fensterbank und sieht den Schneeflocken zu, die im
Licht er Straßenlaternen tanzen.
Auf
ihren Wangen sind noch die Tränenspuren zu sehen und ihr Blick ist
traurig.
Die
Abendmesse ist vorbei und die Menschen strömen aus der
gegenüberliegenden Kirche.
Sie
bleiben auf den Stufen stehen, schlagen ihre Mantelkrägen hoch und
gehen mit eingezogenen Köpfen die Straße entlang.
Und
dann hat Gritele eine Idee.
In
der Kirche wohnt doch das Christkind.
Sie
wollte hinüberlaufen und mit dem Christkind persönlich sprechen,
das war ja noch besser als ein Brief.
Im
Flur schlüpft sie in die Stiefel und Jacke und verlässt ganz leise
die Wohnung.
Bevor
sie über die Straße geht, sieht sie erst nach rechts, dann nach
links, wie ihr Mama das beigebracht hat.
Die
schwere Kirchentür bereitet ihr etwas Mühe, aber irgendwie schafft
sie es einen kleinen Spalt zu
öffnen,
durch den sie hindurch schlüpfen kann.
In
der Kirche ist es still und es riecht nach abgebrannten Kerzen und
Weihrauch.
Vorne
am Altar ist die Hl. Familie aufgebaut und zielstrebig geht das
Mädchen auf die Krippe mit dem Jesuskind zu.
Sie
beugt sich hinunter und gibt dem Baby einen Kuss.
Dann
steht sie da und weiß nicht wie sie beginnen soll.
Doch
dann gibt sie sich einen Ruck und erzählt dem Christkind, dass es
ihm einen Brief geschrieben hat, weil sie sich eine Puppe wünscht,
aber Papa böse geworden ist und gesagt hat: „Das Christkind kommt
nicht zu armen Leuten.“
„Nicht
wahr, das stimmt nicht und Papa hat nicht recht, du liebst alle
Leute, auch die armen. Bei uns ist es gar nicht mehr schön zu Hause,
Papa ist immer schlecht gelaunt, seit er keine Arbeit mehr hat.“
Gritele
kraust die Stirn und ruft:
„Ich
hab`s, kannst du dem Papa nicht eine neue Arbeit schenken, damit er
wieder lachen kann.
Du,
du...,“ Es fällt ihr nicht leicht dies zu sagen:
„Du
brauchst mir auch keine Puppe bringen!“
Dann
beugt sie sich über das Kind und gibt ihm einen Abschiedskuss.
Noch
jemand hat die Unterhaltung belauscht.
Der
Pfarrer wollte gerade aus der Sakristei treten, als er das Mädchen
mit dem Jesuskind sprechen
hörte
und blieb stehen, um es nicht zu stören.
Jetzt
tritt er heraus.
„Hallo
Gritele, bist du ganz allein über die Straße gelaufen.“
Das
Mädchen nickt ernsthaft.
„ Ich
musste etwas ganz Wichtiges mit dem Christkind besprechen.“
Der
Pfarrer nickt.
„Das
Christkind wird dir sicher helfen. Aber nun komm, ich bringe dich
nach Hause.“
Frau
Berger erschrickt, als der Pfarrer mit dem Gritele vor der Tür
steht, sie hat noch gar nicht bemerkt, dass die Kleine weg war.
Der
Pfarrer lädt sie ein, nach der Kindermette am Heiligen Abend, doch
zu der Weihnachtsfeier zu kommen und Frau Berger verspricht es.
Endlich
kommt der lang ersehnte Tag und voller Freude öffnet Gritele das
Päckchen, das unter dem kleinen Plastikbaum liegt.
Bei
der Strickmütze, dem Schal und den Handschuhen liegt auch ein
putziger gestrickter Teddybär.
Frau
Berger beobachtet etwas ängstlich ihre kleine Tochter, doch diese
drückt voller Freude den kleinen Bären an ihr Herz.
Dachte
sie doch, das Christkind hätte ihr keine Puppe gebracht, weil sie
einen viel größeren Wunsch erfüllen würde. Verschmitzt blickt sie
zu ihrem Vater.
Was
er wohl sagen würde, wenn das Christkind ihm eine neue Arbeit
schenkt.
Nach
der Mette geht es hinüber ins Gemeindehaus.
Unter
einem großen, bis zu Decke reichender Baum
der
herrlich geschmückt ist mit bunten Kugeln, Engeln, und Lametta
liegen viele bunte Päckchen.
Nachdem
sich alle an die großen Tische gesetzt
haben,
die auch weihnachtlich dekoriert sind, tritt Pfarrer Jürgens ans
Mikrofon.
„Wie
ihr seht war das Christkind bei uns und hat für jedes Kind ein
Geschenk da gelassen.
Ich
werde jetzt jeden einzelnen aufrufen und ihm sein Paket überreichen.
Es
dauerte etwas bis auch Gritele aufgerufen wird. Sie bedankt sich mit
einem Knicks und trägt vorsichtig das Paket an den Tisch zu ihren
Eltern.
Was
da wohl drin war.
Als
sie das Papier entfernt lacht ihr eine Puppe entgegen.
Sie
erschrickt ein wenig, würde nun Papa sein Geschenk nicht erhalten?
Sie
schiebt die Puppe weg, nein sie will sie gar nicht haben.
„Gefällt
sie dir nicht?“ flüstert ihre Mama und Papa will schon wieder los
schimpfen, von wegen undankbar, aber da klopft der Herr Pfarrer an
das Mikrofon und ruft:
„Bitte
um eure Aufmerksamkeit!
Heute
ist Weihnachten, die Zeit der Wünsche und Wunder.
Und
heute hat das Christkind nicht nur die Kinder beschenkt, es hat auch
an die Erwachsenen gedacht.
Die
Firma Grossmann und Co hat einen Käufer gefunden und wird nächstes
Jahr wieder eröffnet
und
jeder erhält seinen Arbeitsplatz zurück.“
Jubel
brandet auf und Gritele schmiegt sich erschrocken an ihre Mutter.
„Warum
brüllen die denn alle so?“
„Kind
dein Vater wird wieder seine Arbeit bekommen,“ jubelt die Mutter
und drückt Gritele ganz fest.
Die
aber beginnt zu strahlen und nun endlich nimmt sie ihre Puppe in den
Arm.
Das
Christkind hatte ihr beide Wünsche erfüllt.
©
Lore Platz
Ich hab 2 Tränen im Auge liebe Lore.
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