Montag, 23. Januar 2023

Als meine Schwester einmal einen Hund retten wollte ( Erinnerungsgeschichte )





Hinter dem Haus, in dem wir damals wohnten war ein langgezogener Garten in dem wir Kinder spielen durften.
Eines Tages wurde am oberen Ende ein Zwinger gebaut und eine schöne Schäferhündin mit dem
Namen Bella zog dort ein.
Meine Schwester Karin war eine absolute Hundefreundin und vollkommen begeistert.
So oft es ihre Zeit zuließ besuchte sie den Hund und ich, die ja immer an ihren Fersen klebte, war dabei.
Doch während meine mutige Schwester in den Zwinger ging, blieb ich lieber draußen.
Wir waren damals zehn und fünf Jahre alt und der ängstlichen kleine Norle kam so ein Schäferhund riesig vor.
Leider wussten wir nicht, dass die alte Magd, die den Hund versorgen sollte, öfter mal vergaß den armen Kerl zu füttern.
Wir hätten bestimmt etwas unternommen.
In den Sommerferien fuhren wir mit unseren Eltern ins Saarland, der Heimat meiner Mutter.
Als wir zurück kamen, erfuhren wir, dass sich Bella durch den Zwinger gegraben hatte und ausgebüxt
war.
Natürlich besuchten wir sie sofort und sie freute sich sichtlich.
Jeden Tag liefen wir nun hinauf zu Bella und nahmen auch unsere Spielkameraden mit, die alle ohne Angst in den Zwinger gingen und oft ihr Butterbrot mit dem Hund teilten.
Nie hat die schöne Bella uns ein Leid getan.
Die Ferien gingen zu Ende und ich wurde eingeschult.
Statt draußen zu spielen saß ich nun in der Küche mit sorgenvoller Miene vor meiner Schiefertafel, den Griffel krampfhaft haltend und versuchte den
störrischen Buchstaben Ordnung bei zu bringen.
Aber immer wieder verspotteten sie mich.
Einmal neigten sie sich nach links oder sie begannen vor Lachen zu zittern und wurden ganz krumm.
Und immer wieder kam der unerbittliche nasse Schwamm in der Hand meines Vaters und wischte die Unholde wieder weg und meine Qual begann von vorne.


Auch Karin musste viel lernen, denn in puncto Schule war mein Vater sehr streng.
So hatten wir wenig Zeit für Bella und eines Tages grub sie sich wieder unter dem Zwinger durch.
Und auf ihrem Streifzug durch die Gegend biss sie eine Frau.
Das war das Todesurteil für Bella.
Und mein Vater wurde zum Henker bestimmt.
Da er Polizist war und der Hund unserem Vermieter gehörte, wurde auf der Gemeinde
beschlossen, dass er ihn erschießen soll.
Als wir davon hörten, fingen wir an zu weinen und flehten unseren Vater an, den Hund doch zu verschonen.
Aber er schüttelte nur den Kopf und meinte, es täte ihm selber leid.
Bella wäre so ein schönes Tier, aber sie sei eine Streunerin und hätte eine Frau angefallen und wäre deshalb eine Gefahr.
Karin aber handelte.
Zusammen mit ihrem Freund Josef entführte sie den Hund und versteckte ihn.
Mir erzählte sie nichts davon, denn sie wusste, dass ich nicht lügen konnte und wenn unsere Eltern zu bohren anfingen, dann bekamen sie alles aus mir heraus.
Vati ahnte, dass Karin den Hund versteckt hatte, aber diese hielt dicht.
Die Polizisten und einige Knechte durchkämmten die Gegend und natürlich fanden sie Bella und ein kurzer Schuss beendete ihr Leben.
Wir schmollten und redeten längere Zeit nicht mehr mit meinem Vater.
Meine Schwester aus Wut und Trotz und ich aus
Solidarität zu Karin.

Dieses Bild von seinem Hund Laky wurde  mir freundlicherweise von Werner Ganter zur Verfügung gestellt.

(C) Lore Platz