Mittwoch, 11. Dezember 2019

Die Weihnachtsansprache











Die Geschichte, die ich euch heute erzählen möchte, beruht auf einer wahren Begebenheit.
Aus Gründen des Datenschutzes werde ich keine Namen nennen.
Die betreffenden Zeilen aus der Weihnachtsansprache werden ich nicht wörtlich zitieren, sondern nur sinngemäß weiter geben.
Ich erzähle euch diese Geschichte, um zu zeigen, dass Weihnachten immer noch Wunder bewirken kann.

Es wurde mir erlaubt diese Geschichte zu schreiben.




Die Weihnachtsansprache

Der alte Mann sitzt in seinem braunen Ledersessel
mit hoher Lehne.
Auf einem Tischchen vor ihm steht ein Glas Rotwein, und in einem Aschenbecher glimmt eine dicke Zigarre vor sich hin.
Der alte Mann aber ist tief in Gedanken versunken und wie es aussieht sind es keine guten Gedanken, nach dem grimmigen Ausdruck seines Gesichtes zu schließen.
Sieht man sich um in dem großen Zimmer, das wohlhabende Gemütlichkeit ausstrahlt, kann man sich nicht vorstellen, dass jemand hier nicht glücklich und zufrieden ist.
Doch einen glücklichen Eindruck macht der Mann auf dem Lehnstuhl nicht.
Die Augen hinter den Gläsern der Brille blicken finster und mürrisch und bittere Linien haben sich in seine Mundwinkel eingegraben.
Man kann sich nicht vorstellen, dass dieser Mann jemals gelacht hat.
Auch seine Körperhaltung drückt arrogante Überheblichkeit aus.

Es klopft leise an der Tür und eine ältere Frau fragt schüchtern.
Ich gehe jetzt, brauchen sie noch etwas?“
Nein gehen sie nur. Ich werde nur noch die Weihnachtsansprache unseres Bundespräsidenten anschauen, dann gehe ich ins Bett.
Gute Nacht,“ die Frau schließt die Tür.
Der Mann hat inzwischen das Fernsehgerät eingeschaltet, den Ton aber auf leise gestellt.
Heute hielt ihn eine eigenartige Stimmung umfangen
und seine Gedanken wandern in die Vergangenheit.
Seine Frau war ein verschüchtertes kleines Ding, das ihm niemals widersprach aber loyal zu ihm hielt, selbst als er seinen jüngsten Sohn aus dem Haus wies.
Ob sie glücklich an seiner Seite war, darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht.
Er hielt nicht viel von Gefühlen, damit konnte man keine Firma aufbauen.
Warum fühlte er sich heute nur so seltsam.
Unsinn! Schnell verwarf er diesen Gedanken.
Zwei Söhne hatte seine Frau ihm geschenkt.
Wie stolz war er, als er seinen Erstgeborenen zum ersten Mal auf dem Arm hielt.
Pläne hatte er für ihn, zu seinem Erben und Nachfolger wollte er ihn aufbauen.
Als sein zweiter Sohn geboren wurde, hielt sich seine Freude in Grenzen, denn er wusste einfach nicht was er mit ihm anfangen sollte.
Hatte er doch schon einen Sohn als Nachfolger, der ihn auch nicht enttäuschte und heute die Firma führte und auch die richtige Frau aus ihren Kreisen geheiratet hatte, auch wenn sie inzwischen geschieden sind.
Im Gegensatz zu seinem jüngsten Sohn, der blutjung noch, eines Tages ein Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen mitbrachte, dass so gar nicht in ihre Familie passte.
Er verbot ihm den Umgang, doch sein Sohn hielt zu ihr und die beiden sind noch heute zusammen.
Und als er sein Studium beendet hatte, heiratet er das Mädchen und sie bekamen einen Sohn.
Doch das Verhältnis blieb angespannt.
Und als seine Frau vor zehn Jahren starb, sein Enkel war damals 11 Jahre alt, wurde das Band endgültig zerschnitten.
Sein Sohn zog mit seiner Familie viele Kilometer weit weg und seitdem hatten sie keinen Kontakt mehr.



Das sympathische,freundliche Gesicht des Bundespräsidenten taucht auf dem Bildschirm auf.
Der alte Mann stellt den Ton lauter, lehnt sich zurück und lauscht den Worten.
Lange nachdem die Ansprache zu Ende war und er den Fernsehapparat abgeschaltet hatte, saß der alte Mann immer noch in seinem Sessel und sinnierte vor sich hin.
Die Worte des Bundespräsidenten hatten etwas in seinem Inneren zum klingen gebracht.
Er dachte an seinen jüngsten Sohn, den er seit zehn Jahren ignoriert hatte, nicht mal, als dieser schwer krank war und sein Leben am seidenen Faden hing, konnte er sich überwinden, seine Schwiegertochter anzurufen.
Wie gut, dass sein Ältester sich mit der Familie seines Bruders in Verbindung setzte und wie froh war er innerlich, als er ihm mitteilte, dass es seinem Bruder wieder besser ging.
Mühsam stemmte er sich aus dem Sessel und langsam verließ er das Zimmer.
Unruhige Träume quälten ihn und als er morgens erwachte führte ihn sein erster Weg in sein Arbeitszimmer.
Er hob den Hörer vom Telefon, tippte die Nummer seines jüngsten Sohnes ein und als er seine Stimme hörte, fing sein Gesicht zu strahlen an.




Es war nicht einfach für mich, diese Geschichte zu schreiben, da ich den alten Mann nicht persönlich kenne und auch sehr spärliche Informationen über ihn habe.
Doch mein Weihnachtswunsch für diesen Mann, der die achtzig bereits überschritten hat, ist :

Dass ihm noch soviel Zeit bleibt, um einige seiner Fehler wieder gut zu machen, damit er als guter Mensch und besonders als guter Vater in der Erinnerung seiner Familie erhalten bleibt.

© Lore Platz