Freitag, 31. Juli 2020

Oma Jette weiß Rat







Oma Jette weiß Rat






Wenn Amelie hier oben auf ihrer Bank saß und ins Tal hinunter schaute, dann schien ihr alles so friedlich zu sein da unten.
Doch leider täuschte der Schein. Gar nichts war friedlich dort, wieder hatte sie Schelte von ihrer Stiefmutter bekommen. Das war so ungerecht, dabei hatte sie gar nichts gemacht, für das man sie hätte ausschimpfen müssen.
Aber egal was sie machte, alles war falsch.
Dabei hatte sie sich so gefreut, als Papa nach Mamas frühen Tod wieder geheiratet hatte und schon ihm zuliebe wollte sie sich bemühen ihre neue Mutter lieb zu haben. Doch leider spürte sie sofort, dass die neue Mutter sie nur als Störenfried empfand und ganz schlimm war, dass Papa ihren bösen Einflüsterungen glaubte.
"Mein Lieber", hatte sie erst heute zu Papa gesagt, "du musst dringend mit deiner Tochter sprechen.
Sie hat schon wieder das Waschbecken nicht sauber gemacht, nachdem sie ihre Zähne geputzt hatte!"
Dabei hatte sie die Wörter 'deiner Tochter' besonders betont und in die Länge gezogen, dass es Amelie fast weh in den Ohren getan hatte, obwohl sie im Nebenzimmer war.
Ganz leise hatte sie das Nebenzimmer verlassen, denn sie wollte gar nicht hören was ihr Papa dazu sagte.
Zu oft schon hatte sie erlebt, dass er ihren Lügen glaubte. Sie bemühte sich doch so sehr es allen Recht zu machen, aber nie war es genug.
Und heute bekam sie zufällig ein Telefongespräch mit, das ihre Stiefmutter mit ihrer Freundin führte,
"Ich habe ihn bald soweit, ab September wird die lästige Göre im Internat sein und ich werde schon dafür sorgen, dass er sie vergisst. Jedenfalls will ich sie auch in den Ferien nicht mehr hier haben,"
Entsetzt hatte sie das Haus verlassen und war hierher zu ihrer Bank gelaufen.
Die Tränen kullerten nun unaufhörlich von ihren Wangen und Amelie wusste nicht, wie es nun weitergehen sollte. Ins Internat sollte sie - für immer. Die Stiefmutter wollte sie nie mehr zurückhaben. Das konnte doch ihr Vater nicht gutheißen, er liebte seine Tochter doch.
Aber wenn er all die Lügen glaubte, die ihm seine neue Frau auftischte, dann war es sicher für Papa immer schwieriger, sie, seine einzige Tochter, zu lieben.
Energisch wischte sie sich die Tränen ab. Wenn man sie hier nicht mehr wollte, dann würde sie eben gehen.
Es waren ja Ferien! Aber wohin sollte sie gehen, die Oma wohnte ja weit weg im Schwarzwald.
Jetzt müsste sie auf jeden Fall erstmals nach Hause gehen und dann wollte sie sich etwas überlegen. vielleicht konnte sie vom Nachbarhaus die Oma einmal anrufen, die möglicherweise einen Rat für sie hätte.
Traurig machte sich Amelie auf den Heimweg.
Frau Mahler, die Nachbarin stand in ihrem Garten.
"Guten Morgen, Amelie. Deine Mutter ist eben zum Einkaufen gefahren, willst du nicht herein kommen."
Das Mädchen nickte und folgte der alten Frau ins Haus.
Frau Mahler tat das Mädchen sehr leid, sie hatte oft erlebt, wie die Stiefmutter die Kleine behandelte und deshalb wunderte sie sich auch nicht, als Amelie sie bat ob sie ihre Oma anrufen dürfte.
Diskret verließ sie das Zimmer. als die zehnjährige den Telefonhörer nahm und wählte.
Als Amelie die liebe Stimme der Oma hörte, sprudelte alles aus ihr heraus, was sie die letzten Monate seit der Hochzeit mit der Stiefmutter erlebt hatte und was sie jetzt vorhatte.
Ein Weile war es still, dann meinte die Oma.
"Liebes sei nicht traurig ich werde mir etwas einfallen lassen. Denk daran du bist nicht allein."
Getröstet legte Amelie den Hörer auf. Sie bedankte sich bei Frau Mahler und ging still nach Hause, wo sie gleich wieder eine Schimpftirade der Stiefmutter über sich ergehen lassen musste.
"Habe ich dir nicht gesagt, dass du gefälligst pünktlich zu Hause sein sollst. Du trödelst den ganzen Tag herum und ich muss alle Arbeit allein machen. Nicht einmal die Einkäufe nimmst du mir ab. Warte nur, das werde ich deinem Vater sagen, wenn er nachher von der Arbeit heimkommt."
Dieses Mal weinte Amelie nicht. Das Gespräch mit der Oma hatte ihr gut getan, vor allem, weil sie sich einmal alles von der Seele gesprochen hatte.
Oma hatte versprochen, sich zu kümmern und das würde sie gewiss tun.
Still verrichtete sie die Arbeit, die die Stiefmutter ihr auftrug.
Nach dem Abendessen ging sie in ihr Zimmer. Das Telefon läutete und sie hörte ihren Vater;
"Hallo Mama," sagen.
Fest drückte sie beide Hände auf ihr stark klopfendes Herz. Und als ihr Vater sie rief, lief sie mit einem bangen Gefühl nach unten, das sich noch verstärkte, als sie ein bösen Blick ihrer Stiefmutter traf.
Doch ihr Vater rief ihr fröhlich entgegen. "Oma Jette hat angerufen, sie lädt dich ein, die Ferien bei ihr zu verbringen, was hältst du davon."
Amelie lief auf ihn zu und umarmte ihn, das hatte sie schon lange nicht mehr gemacht.
"Das werte ich mal als Zustimmung!", Papa lachte und Amelie stimmte ein.
Lediglich Elvira machte ein missmutiges Gesicht. Dabei hatte sie doch gesagt, sie sei froh, wenn sie Amelie mal wegschicken könnte.
"Du wirst sie doch nicht etwa dorthin bringen?", keifte sie. "Die kann mit dem Zug fahren!"
"Die ist meine Tochter und selbstverständlich werde ich sie fahren. Komm doch mit, dann machen wir drei einen schönen Ausflug und du könntest meine Mutter auch einmal wiedersehen.", schlug Papa vor.
Obwohl sie ihre Schwiegermutter überhaupt nicht leiden konnte beschloss sie doch mitzufahren, fürchtete sie doch ,Amelie könnte etwas ausplaudern.
Also ging es am Wochenende in den Schwarzwald.
Oma stand schon an der Haustür, als die drei am Samstag angefahren kamen. Amelie sprang aus dem Auto und stürmte auf ihre Oma zu.
"Unmöglich, dieses Kind!", schimpfte Elvira. Sie konnte es sich einfach nicht verkneifen, Amelie zu kritisieren und erntete einen erstaunten Blick ihres Mannes.
"Sie freut sich eben, das ist doch ganz normal!", sagte er und lief ebenfalls einen Schritt schneller auf seine Mutter zu, umarmte und küsste sie herzlich auf beide Wangen.
Nach einem gemütlichen Kaffee mit Kuchen, sagte Oma Jette lächelnd zu Amelie:
"Willst du nicht hinüber zu Christina gehen, die freut sich schon so sehr auf dich,"
Als Amelie zu ihrer Freundin gegangen war, führte
Oma Jette ein ernstes Gespräch mit ihrem Sohn und dessen Frau.
"Mir ist zu Ohren gekommen, dass du Amelie loswerden willst!", sagte sie. "Red dich nicht raus, ich weiß es genau!", fügte sie hinzu.
Elvira war kreidebleich geworden und Amelies Papa wich auch jede Farbe aus dem Gesicht. Was hatte seine Mutter da gerade gesagt? Das war ja ungeheuerlich!
Oma Jette meinte versöhnlich, sie wollte keinen Knacks in die Ehe ihres Sohnes bringen.
" Ich weiß es ist nicht einfach in einer jungen Ehe sich auch noch um eine Zehnjährige zu kümmern, obwohl du wusstest, Elvira, dass Bernd eine Tochter mit in die Ehe bringen würde.
Und auch für Amelie war die Situation nicht ganz so leicht. Sie wurde aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen, wo sie seit dem frühen Tod ihrer Mutter lebte und alle ihre Freunde hier hatte.
Und in ihrem neuen Zuhause war ihr nur ihr Vater vertraut. deshalb mache ich euch auch einen Vorschlag.
Lasst sie die Ferien über jetzt mal bei mir, das wird auch eurer jungen Ehe gut tun.
Nach den Ferien kann sie weiter hier zur Schule gehen, und ihr könnt sie am Wochenende so oft ihr Lust habt besuchen, die Ferien verbringt Amelie bei euch. So ist beiden Teilen geholfen.
Mit strahlendem Gesicht kam Amelie von ihrer Freundin zurück, doch als sie das blasse Gesicht ihrer Stiefmutter und das ernste Gesicht ihres Vaters sah, wurde ihr ganz ängstlich zumute.
Sie sah zu ihrer Oma und als diese ihr zuzwinkerte wurde es ihr wieder leichter ums Herz.
Bernd trat zu seiner Tochter und legte ihr den Arm um die Schulter.
Komm`, wir gehen in den Garten und setzen uns auf die Hollywoodschaukel.“
Mit bangem Herzen folgte Amelie ihrem Vater.
Hör mal mein Kind, ich weiß von Oma, dass du und Elvira euch nicht so gut vertragen. Schuld bin wohl ich auch ein bisschen, Die Heirat, der Umzug und mein neuer Job waren für uns alle ein Problem, das wir nicht gleich erkannt haben.
Dir fiel es nicht leicht dich einzugewöhnen, Elvira hatte sich ihr junge Ehe anders vorgestellt und ich hatte viel zu wenig Zeit für euch beide, da ich mich in meinem neuen Job erst einarbeiten musste.
Und darum war Elvira auch eifersüchtig und hat wohl etwas falsch reagiert. Ich bitte dich, gib ihr noch eine Chance.
Amelie nickte.
Und erzählte Bernd seiner Tochter, was die Oma vorgeschlagen hatte.
Und bei jedem seiner Worte begann das Mädchen mehr zu strahlen, dann fiel sie ihrem Vater um den Hals.
Natürlich komme ich in den Ferien zu euch, dass ist eben umgekehrt wie jetzt und außerdem können wir ja uns ja über Video unterhalten.“
Als sie wieder ins Wohnzimmer zurück gingen, trat Amelie
auf ihre Stiefmutter zu und streckte ihr die Hand entgegen.
Es tut mit leid, wir beide hatten wohl einen schlechten Anfang , in Zukunft wollen wir es besser machen.“
Mit Tränen in den Augen nickte Elvira und drückte fest die Hand ihre Stieftochter.
Oma Jette schmunzelte zufrieden und dachte sie:
Der Anfang wäre gemacht!“



© Lore Platz






Mittwoch, 29. Juli 2020

Meine erste Liebe





Meine erste Liebe

Meiner ersten Liebe begegnete ich, als ich gerade mal acht Jahre alt war.
Er war hässlich, hatte ein beschädigtes Ohr und war so mager, dass man die Rippen zählen konnte.
Unsere erste Begegnung fand im Heu statt.
Mit meinen Freunden Klaus, Rita, Vroni und Heinzi spielte ich „Verstecken“.
Klaus musste mit dem Rücken zu uns an einen Baum gelehnt laut bis Hundert zählen und wir schwirrten auseinander, um uns zu verstecken.
Ich wählte den Heustadl gegenüber, schlich vorsichtig die knarrende Holztreppe hinauf und kroch dann unter das aufgeschichtete Heu.
Mit angehaltenem Atem wartete ich nun, dass Klaus mit dem Zählen fertig war.
Am Quietschen von Rita und Vroni hörte ich, dass sie entdeckt worden waren und kicherte leise vor mich hin.
Die zwei lernten es nie. Immer machten sie alles gemeinsam, so auch das Verstecken.
Neben mir raschelte es plötzlich und ich dachte schon an eine Maus, da ragte der Kopf eines Katers aus dem Heu.
Dass es ein Kater war erfuhr ich erst später.
Er sah mich aus grünen traurigen Augen an und ich begann ihn auszugraben.
Erschrocken sah ich, dass das halbe rechte Ohr fehlte und bedeckt war mit verkrustetem Blut.
Als ich seine rechte Hinterhand streifte, miaute er qualvoll auf und vorsichtig streichelte ich seinen Kopf, den er drehte, um mir die Hand zu lecken.
Viel zu sehr mit dem verletzten Kater beschäftigt, überhörte ich, dass Klaus die Treppe hoch trampelte. „Gefunden!“
Da sah er die Katze und kniete sich mitleidig neben sie.
Glaubst du sie stirbt?“ fragte ich ängstlich.
Er zuckte mit den Schultern.
Am besten bringen wir sie zum Tierarzt.“
Er zog seinen Janker aus und wickelte das verletzte Geschöpf hinein und trug es vorsichtig die Treppe hinunter.
Vroni und Rita kamen angelaufen und streichelten mitleidig den Kopf der Katze, der aus der Jacke ragte.
Klaus aber steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen schrillen Pfiff ertönen.
Wie ich ihn darum beneidete, mir gelang es nie einen Ton heraus zu bekommen.
Es raschelte in der alten Kastanie, zwei Beine wurden sichtbar und Heinzi sprang herunter.
Er grinste übers ganze Gesicht.
Gibst du auf?“
Dann sah er die die Katze und das Spiel war vergessen.
Wir standen alle um den Tisch herum, als Dr. Berger den Kater untersuchte.
Das gebrochene Bein wurde geschient, das Ohr gereinigt und er bekam noch eine Spritze.
Dann wurde er in das Hinterzimmer getragen in denen einige Käfige standen.
Hier durften die Tiere sich erholen bis sie wieder gesund waren.
Zum Spielen hatte ich keine Lust mehr und lief nach Hause.
Jeden Tag besuchte ich nun mein Katerle, so hatte ich ihn getauft, und es kam mir vor, als würde er schon auf mich warten.
Anfangs hob er nur müde den Kopf, doch von Tag zu Tag ging es ihm besser und eines Tages humpelte er an das Gitter und als ich meinen Finger durch den Maschendraht steckte und ihn streichelte, begann er laut zu schnurren.
Als ich eines Tages wieder in die Praxis kam winkte mich der Tierarzt in das Hinterzimmer, öffnete die Tür des kleinen Verschlags und Katerle kam noch etwas steifbeinig, aber ohne Gips auf mich zu gehumpelt, schmiegte sich an meine Beine und schnurrte laut.
Ich bückte mich und nahm ihn auf den Arm und sein Schnurren wurde noch lauter und ich bekam nasse Küsschen ins Gesicht.
Doktor Berger lachte vergnügt: „Wenn das nicht Liebe ist!
Hast du deine Eltern gefragt, ob du ihn behalten darfst?“
Ich nickte glücklich.
Einfach war es nicht gewesen und eigentlich hatte ich es meiner Oma zu verdanken.
Die meinte nämlich: „Wenn man jemand das Leben rettet, ist man für ihn verantwortlich!“
Katerle blieb viele Jahr bei uns und war ein guter Mäusefänger.
Einmal hat er sogar meine Tante Anna erschreckt.
Als sie mal wieder bei uns für einige Tage zu Besuch war und am Sonntag frühmorgens in die Kirche gehen wollte, lagen auf dem Fußabtreter vor der Tür fein säuberlich aufgereiht drei tote Mäuse.
Der gellende Schrei meiner Tante hat auch den letzten Langschläfer aus dem Bett geworfen.
Katerle aber marschierte stolz mit hoch erhobenem Schwanz an ihr vorbei, als wollte er sagen:
Wozu die Aufregung, ich wollte euch doch bloß zeigen wie fleißig ich die Nacht war.“

© Lore Platz



Dienstag, 28. Juli 2020

Der Märchenkönig und Richard Wagner

2020 fallen zum ersten Mal seit vielen Jahren die Bayreuther Festspiele aus.



Der bayrische Kabinettssekretär Franz Seraph von 

Pfistermeister verließ am 14. April 1864 die 

Hauptstadt München mit einem schwierigen Auftrag.

Er sollte Richard Wagner zu König Ludwig II.
bringen.
Doch das war gar nicht so einfach, denn der Komponist war vor seinen Gläubigern aus Wien geflohen.
Erst zwei Wochen später fand ihn der Beauftragte des Königs in Stuttgart und brachte ihn am 3. Mai nach München.

Am Nachmittag des 4. Mai kam es dann zu der ersten Begegnung des 51jährigen Komponisten und dem 18jährigen König.
Noch am gleichen Tag schreibt Richard Wagner
an eine Freundin:

Sie wissen, dass mich der junge König von Bayern aufsuchen ließ.
Heute wurde ich zu ihm geführt.
Er ist leider so schön und geistvoll, seelenvoll
und herrlich, dass ich fürchte sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum an dieser gemeinen Welt zerrinnen.
Er liebt mich mit der Innigkeit und Glut der ersten Liebe und weiß alles von mir.
Von dem Zauber seines Auges können sie sich keinen Begriff machen.
Wenn er nur leben bleibt.“

Man hat Richard Wagner oft als Scheusal bezeichnet, doch dies sind nicht die Worte eines Scheusals.




Am 1o. Juni 1865 wird im Hof und Nationaltheater in München die Oper
Tristan und Isolde „ aufgeführt.
11 Jahre hat der Komponist darauf gewartet.
Nachdem erst in Karlsruhe und Wien die Uraufführung nicht zustande kam, hatte nun München die Chance für 56 500 Gulden.
Auch plante Ludwig ein Theater für seinen verehrten Freund zu bauen wofür der
Architekt Gottfried Semper die Pläne zeichnete.
Doch die Münchner wehrten sich gegen das
5 Millionen teure Wagner-Theater.
Der König gab auf.


Richard Wagners Zeit in München war nur von kurzer Dauer.
Schon lange war er den Münchnern ein Dorn im Auge.



Die teuren Geschenke, die Ludwig ihm machte, das Haus das er ihm mietete und
dann auch noch das geplante Theater passte den Münchnern gar nicht.
Doch als Richard Wagner begann sich auch noch in die bayrische Politik einzumischen, musste der König seinen Freund bitten das Land zu verlassen.
Aber er ließ ihn nicht im Stich.
Er schickte ihm Geld, damit er den
Ring der Nibelungen“ beenden konnte.
Das Theater wurde nun in Bayreuth gebaut.
Am 22.4. 1872 wurde unter strömendem Regen der Grundstein gelegt.
Da weder Bismarck noch der Kaiser sich sonderlich interessiert zeigten, scheiterte der Bau beinahe an Geldmangel.
Und wieder war es Ludwig, der dem Freund aus der Patsche half.
Er schickte 100 000 Taler.



Am 13.8.1876 werden mit der Oper„Rheingold“
die Bayreuther Festspiele eröffnet.
Hinter der Bühne aber saß Richard Wagner in seinem Zimmer und weigerte sich vor das
applaudierende Publikum zu treten, denn zu viele peinliche technische Pannen waren während der Aufführung passiert.
Obwohl die ersten Festspiele mit viel Erfolg und Applaus stattfanden, so endeten sie doch
mit 148 000 Talern Schulden.
Und wieder war es Ludwig der half.

Richard Wagner starb am 13.2.1883 in Venedig an Herzversagen.
Als König Ludwig vom Tod seines Freundes erfährt kann er mit Recht sagen:
Den Künstler, um den die ganze Welt jetzt trauert habe ich zuerst erkannt und der Welt gerettet.“




Montag, 27. Juli 2020

Quäle nie ein Tier zum Scherz ...



Als kleines Mädchen träumt man davon einen Frosch zu küssen, der sich dann in einen Prinzen verwandelt wie im Märchen:  "Der Froschkönig".
Doch später legt sich das, bestimmt aber bei den beiden Damen in Maisondheim bei Kitzingen, die jetzt wegen der Frösche vor Gericht gehen.
Begonnen hat alles letzten Sommer als ein Frosch in den Teich eines Grundstücks einwanderte und da es ihm so gut gefiel, folgten ihm noch andere seiner Artgenossen.
Das abendliche Balzkonzert störte die Nachbarin und sie forderte, dass die Frösche verschwinden sollten.
Da sich die beiden Damen nicht einigen konnten, landete die Sache jetzt vor dem Gericht. Ungefähr 28 Zeugen werden verhört.
Fazit: Die Dame, die ihren Teich an die Frösche vermietet hat, muss ihre Untermieter entfernen.
Übrigens hat sie ihr neu gebautes Haus mitsamt dem Teich inzwischen verkauft, nicht wegen den Frösche, sondern wegen der
Nachbarschaft.
Dass Frösche in Gefahr leben, nein nicht vom Storch verspeist zu werden, sondern durch einen wohlgezielten Gewehrschuss das Leben zu verlieren, zeigte die besonders tragische Geschichte von
"Knötti".
Am 1.10.2010 wurde der Frosch Knötti das Opfer eines Anschlags, den ein genervter Nachbar auf ihn ausübte, weil er sich durch den Lärm gestört fühlte.
Besonders tragisch daran war, dass Knötti wegen einem Gendefekt gar nicht quaken konnte und also völlig unschuldig war.
Ach jaaa!





Quäle nie ein Tier zum Scherz ...


Ulrich von Wiesenteich war ein eher ernster Geselle. Ganz im Gegensatz zu seinen Brüdern, die durch die Bank fröhlich und ausgelassen feiern konnten.
Besonders die lauen Sommerabende eigneten sich prima für Konzerte. Wenn Frösche musizieren, dann vergessen sie die Welt um sich herum, leider leben in dieser Welt aber Wesen, denen der Froschgesang so gar nicht gefällt.
Ulrich sah Schlimmes auf sich zukommen und er versuchte noch, seine Brüder zu warnen, als plötzlich eines dieser Wesen vor ihm Stand.
Es war mit Gummistiefeln bekleidet und trug ein Fangnetz mit sich.
"Ich hab wieder einen!", kreischte es.
Und schon zappelte Ulrich im Netz. Nun bekamen es seine Brüder mit und hüpften schnell ins sichere Wasser und ließen ihn ganz allein.
"Verflixt Rudi, hättest du nicht so laut geschrien, hätten wir viel mehr fangen können," schimpfte Hardy.
"Blödmann, immer ist es meine Schuld, wenn du nichts fängst!", wehrte sich Rudi, konnte sich ein fettes Grinsen aber nicht verkneifen.
Währenddessen zappelte Ulrich von Wiesenteich im Netz herum und ärgerte sich. Warum musste dieser verflixte Rudi, oder wie immer der auch hieß, unbedingt ihn, den adeligsten aller Wiesenfrösche, einfangen.
Da kam ihm ein Gedanke, vielleicht hatten sie es extra auf ihn abgesehen und wollten Lösegeld erpressen. Doch dann ließ er wieder den Kopf hängen, wer sollte denn für ihn zahlen.
Sein Herz begann zu klopfen, als eine schmutzige Bubenhand ihn packte und ihn in ein Glas mit Schraubdeckel steckte,
Empört begann er zu quaken und begann an der Wand hochzuklettern, rutschte aber immer wieder ab.
"Lass mich sofort hier wieder raus, du Bengel, verdammt, ich bin doch kein Wetterfrosch und ich eigne mich auch nicht zum Einkochen! Und mach gefälligst Löcher in den Deckel, wenn du mich schon nicht rauslässt. Ich bekomme ja keine Luft mehr!"
Rudi lachte. "Guck dir das nur an, wie der sich aufregt da in seinem Glas!"
Hardy fand das nicht so komisch, da regte sich doch die Tierliebe.
"Lass ihn raus, sonst bekommt er gleich einen Herzinfarkt, mach schon, bevor es zu spät ist!",
schrie er.
Es regt ihn mächtig auf, dass der Rudi so blöd lachte und sich an der Not des Tieres weidete.
Wütend riss er ihm das Glas aus der Hand, schraubte es auf und schwupps Ulrich sprang heraus, in großen Sprüngen zum Teich und verschwand im Wasser.
"Sieh nur was du gemacht hast, du Döskopp , jetzt ist er weg.!" brüllte Rudi.
Hardy grinste.
"War sowieso eine dumme Idee und außerdem ist es Tierquälerei!"
Spöttisch fügte er hinzu :"Quäle nie ein Tier im Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.."
"Du immer mit deinen weisen Sprüchen von deiner Oma," brummte Rudi
Hardy schulterte das Netz und ging pfeifend davon.
Rudi folgte ihm mit nachdenkliche Gesicht.



© Lore Platz






Donnerstag, 23. Juli 2020

Nicht standesgemäß









Nicht standesgemäß

 

Elena betritt neben Direktor Zimmermann das Klassenzimmer und sieht sich zweiundzwanzig erwartungsvollen Gesichtern gegenüber.
Fräulein Hartleitner, das ist ihre neue Schülerin Elena von Straten. Ihre Eltern haben das Gut Waldblick übernommen und den dazu gehörigen Ponyhof.“
Freundlich nickt die Lehrerin dem Mädchen zu, trotzdem war sie Elena nicht sehr sympathisch.
Sie setzt sich auf den ihr angewiesenen Platz und packt ihre Schultasche aus.
Die Tür wird leise geöffnet und ein Mädchen drückte sich herein.
Entschuldigung,“ murmelt sie und hastet in die hinterste Bank.
Das ist Bärbel, sie ist strohdoof und außerdem hässlich angezogen.“ flüstert Rita Elena zu.
Diese betrachtet unauffällig das Mädchen, dessen Kleider geflickt sind, und deren Haare unordentlich aus den Zöpfen hängen.
Direktor Zimmermann hat inzwischen das Zimmer verlassen und der Unterricht beginnt.
Elena beobachtet, dass die Lehrerin das Mädchen in der letzten Bank vollkommen ignoriert und in der Pause wird sie von den anderen Kindern gehänselt.
Elena gefällt das gar nicht und sie fragt Rita „ was hat euch das Mädchen denn getan?“
Ach,“ meint diese schnippisch, „ schau sie dir doch an wie hässlich sie angezogen ist, bestimmt hat sie auch Läuse, außerdem wohnt sie in einer ärmlichen Hütte mit ihrer Oma und mein Opa, der ja Bürgermeister ist, hat gesagt, die beiden sind der Schandfleck in unserem schönen Dorf.“
Elena runzelt die Stirn und nimmt sich fest vor zu Bärbel besonders nett zu sein.
Doch das war nicht so einfach, denn Bärbel lässt niemand an sich heran und so gibt Elena allmählich auf.

Nach einigen Wochen hat Elena sich eingewöhnt und viele Freunde gefunden. Jeder möchte ihre Freundin sein, war sie doch die Tochter des reichen Gutsbesitzer und die Kinder durften auf den Ponys reiten, wenn sie Elena besuchten.
Bärbel kam jeden Morgen zu spät und huschte schnell auf ihren Platz von niemand beachtet. Die Kinder hänselten sie auch nicht mehr, hatten sie doch schnell gemerkt, dass das Elena gar nicht gefiel und mit dieser wollte es sich keiner verderben.
Und die Lehrerin kümmerte sich überhaupt nicht um das Mädchen. Bärbel wurde niemals aufgerufen und selbst ihre Hausaufgaben wurden nicht eingesammelt.
Als wäre sie überhaupt nicht anwesend.
Manchmal warf Elena einen heimlichen Blick nach hinten und sah, dass das Mädchen sehr aufmerksam verfolgte was vorne geschah. Wenn ihre Blicke sich trafen sah Bärbel scheu weg und spielte mit ihrem Bleistift.
Elena war gerade von der Schule nach Hause gekommen und lief in die Küche, wo Martha, die Köchin ihr lächelnd das Essen servierte und erzählte, dass ihre Mutter in die Stadt gefahren war und ihr Vater eine Besprechung mit dem Bürgermeister hatte.
Martha sah dabei sehr grimmig aus und Elena fragte sie
was denn los sei.
Ach den Bürgermeister hier kann ich gar nicht leiden, so ein Unmensch, will das arme Weiblein und ihre Enkelin aus dem Haus werfen. Sind ein Schandfleck für das Dorf behauptet er.“
Was will er denn von Papa?“
Der Wald gehört doch zu dem Gut und das alte Häuschen ist nur gemietet. Also soll der Herr seine Macht als Vermieter demonstrieren und ihnen kündigen.“
Das wird doch Papa nicht machen!“ rief Elena erschrocken.
Als der Bürgermeister abgefahren war, schlüpfte Elena in das Arbeitszimmer ihres Vaters.
Lächelnd sah Herr von Straten sein Töchterlein an. „Was hast du denn auf dem Herzen?“
Papa, du willst doch nicht Bärbel und ihre Oma aus dem Haus werfen?“
Kennst du sie denn?“
Ja, Bärbel geht mit mir in dieselbe Klasse.“ Und dann erzählt sie ihrem Papa, was ihr aufgefallen war und wie die Lehrerin und auch die Kinder mit dem armen Mädchen umgehen.
Ihr Vater nickte nachdenklich.
Die Menschen vergessen viel zu schnell, wenn es ihnen gut gut, dass nicht jeder soviel Glück hat.“
Aber hast du nicht immer gesagt, wir sollen dankbar sein, dass es uns so gut geht und die nicht vergessen, denen es nicht so gut geht.“
Ja, meine Kleine und daran wollen wir uns auch halten, habe keine Angst um deine Freundin.“
Elena widerspricht nicht, denn eigentlich wollte sie gerne mit Bärbel befreundet sein.
Im Stall trifft sie auf Justus, den Stallmeister, der an seiner alten Pfeife kaut. Er wollte sich nämlich das Rauchen abgewöhnen, aber von seiner geliebten Pfeife konnte er sich nicht trennen.
Na Prinzessin willst wohl ausreiten, Triumph muss bewegt werden.“
Elena ging an die Box, holte aus ihrer Hosentasche ein Stück Zucker und hielt es auf der flachen Hand dem weißen Pony hin.
Bald trabten die beiden über den Hof, begleitet von Gina dem schwarzweiß gefleckten Mischling.
Der Hund umsprang sie freudig bellend, dann spitzte er plötzlich die Ohren und sauste los und verschwand im Wald.
Ärgerlich rief Elena den Hund,natürlich hörte er nicht, sicher hatte er wieder ein Kaninchen aufgestöbert.
Das Mädchen band das Pony an einen Baum und folgte dem Hund in den Wald.
Sie hörte ein komisches Geräusch, das konnte nur Gina sein.
Als sie den seltsamen Lauten folgte, sah sie Bärbel, die auf einem Baumstamm saß, Tränenspuren auf dem Gesicht, und mit offenen Mund Gina betrachtete.
Die Hündin hatte die Schnauze nach oben gerichtet und heulte Herz erweichend.
Als Bärbel Elena sah wollte sie aufspringen, doch dann fiel ihr Blick wieder auf den Hund und sie prustete los.
Elena ließ sich neben ihr auf dem Baumstamm nieder und auch sie konnte sich nicht mehr halten.
Weißt du, Gina ist ein besonders mitfühlender Hund, wenn sie jemand weinen sieht, weint sie gleich mit.
Wieder prusteten sie los und der Hund, der die Beiden lachen sah, drängte sich schwanzwedelnd zwischen sie.
Die Mädchen streichelten den Hund.
Warum hast du geweint?“
Bärbel wurde rot und wandte das Gesicht ab.
Elena ergriff ihre Hand.
Du brauchst keine Angst haben, mein Vater hat nicht vor euch zu vertreiben, auch wenn der Bürgermeister es so will.“
Er war gestern bei meiner Oma und hat ihr angedroht, dass der neue Besitzer uns rausschmeißen wird. Wir sind der Schandfleck des Dorfes. Aber meine Oma hat doch nur eine kleine Rente. Außerdem hat sie Arthritis und kann nicht mehr so arbeiten. Ich helfe ihr so gut ich kann, deshalb komme ich auch morgens immer zu spät in die Schule. Eigentlich will ich gar nicht mehr in die Schule gehen. Frau Hartleitner will sowieso nichts mit mir zu tun haben, sie mag nur die reichen Kinder.“
Elan umarmte Bärbel spontan. „ Ich mag dich und wäre so gerne deine Freundin.“
In diesem Moment entstand eine Freundschaft fürs Leben und für Bärbel und ihre Oma begann eine Zeit des Glücks.
Herr von Straten hatte auf seinem Besitz ein kleines unbewohntes Häuschen, das es herrichten ließ und in dem Bärbel und ihre Oma in Zukunft leben konnten.
Zuerst aber schickte er die alte Frau in ein Heilbad zur Erholung und während dieser Zeit durfte Bärbel bei Elena wohnen.
Martha, die Köchin verwöhnte das arme Mädchen mit Leckerbissen und Elenas Mutter sorgte für passende Kleider.
Elena und Bärbel aber waren unzertrennlich und mit Elenas Hilfe wurden auch deren Leistungen in der Schule besser.
Nichts erinnerte mehr an das zerlumpte Kind, das der Außenseiter in der Schule war.
Anfangs zögernd aber dann wurde Bärbel in die Klassengemeinschaft aufgenommen.


© Lore Platz

Wenn ihr noch mehr sehr schöne Geschichten lesen wollt, dann besucht doch den unten stehenden Blog, kann ich nur empfehlen.

/https://sommergeschichten.wordpress.com/2020/07/03/begegnung-unterm-apfelbaum/

 

Montag, 20. Juli 2020

Hieronymus und der Stift des Glücks






Hieronymus und der Stift des Glücks


Lena springt aus dem Schulbus und läuft die paar Meter zu dem alten Mietshaus. Ihr Schulranzen auf dem Rücken hüpft dabei fröhlich auf und ab.
Nachdem sie die ausgetretenen Holzstufen bis zum zweiten Stock hinter sich hat, klingelt sie an der Tür von Henriette Ohlsen.
Henriette wohnt gleich gegenüber von Lena und ihrer Mutter und passt auf das Mädchen auf, bis deren Mutter von der Arbeit kommt.
Die alte Frau öffnet und Balduin, der alte Dackel, drängt sich an ihr vorbei und begrüßt das Mädchen freudig.
Er bellt und hechelt etwas kurzatmig und wedelt heftig mit dem Schwanz.
Lena krault ihn zwischen den Ohren und stellt dann ihren Schulranzen ab.
Lena gehst du schon in die Küche, ich möchte nur noch die Glühbirne in meiner Nachttischlampe auswechseln.“
Das Mädchen nickt vergnügt und gefolgt von Balduin hüpft sie in die Küche, in der es herrlich duftet.
Auf dem Ofen blubbert ein Gemüseeintopf und in einem Topf schwimmen Würstchen.
Lena holt zwei Teller aus dem Küchenschrank und deckt flink den Tisch, während Balduin sich in sein Körbchen verzieht und sie von dort aus beobachtet.
Nach dem Essen holt Henriette ihr Strickzeug und das Mädchen macht ihre Hausaufgaben.
Es ist still in der warmen gemütlichen Küche, in der noch ein leichter Essensgeruch liegt. Nur das gleichmäßige Ticken der alten verschnörkelten Uhr und das leise Schnarchen des Dackels ist zu hören.
Lena klappt aufatmend das Heft zu. „Fertig nun muss ich nur noch ein Herbstbild malen.“
Sie holt aus ihrem Schulranzen den Zeichenblock und wühlt in ihrem Schlampermäppchen.
Tante Henriette hast du einen Bleistift?“
Sieh mal in der Krimskrams-Schublade nach Kind.“
Lena springt auf.
Sie liebt die Krimskrams-Schublade, in der Dinge sind, die man nicht mehr, aber vielleicht doch noch einmal gebrauchen konnte.
Eifrig wühlt Lena zwischen den alten Knöpfen, Resten von Garn und einer alten Schnur, einem abgebrochenem Schraubenzieher, Nägeln und noch so allerlei und zieht schließlich einen Bleistiftstummel heraus.
Zweifelnd betrachtet sie ihn.
Ob man den noch benutzen kann?“
Aber sicher,“ meint Henriette lakonisch, die nicht gerne etwas weg warf, bevor es total unbrauchbar war.
Lena schließt die offene Schublade und kommt zurück zum Tisch.
Erzählst du mir eine Geschichte während ich male?“
Henriette überlegt einen Moment und ihr Blick ruht auf dem Mädchen, das mit hochkonzentrierten Gesicht mit dem Stift über das Papier fährt.
Möchtest du die Geschichte von einem Stift hören, der Glück brachte ?“
Lena nickt und Henriette beginnt zu erzählen.

In einem alten Mietshaus, ganz oben unterm Dach wohnte Hieronymus Notnagel, ein junger Künstler.
Viele Möbel hatte er nicht.
Auf dem Boden lag eine Matratze mit einer Decke. Daneben stand eine alte Holzkiste, auf der ein alter Teller mit einer Kerze stand, denn man hatte ihm mal wieder den Strom abgestellt.
Auf einem alten wackeligen Tisch, dessen linkes Bein mit einem dicken Telefonbuch gestützt war, lagen kreuz und quer eine Menge Zeichnungen, die Ronny, wie man ihn nannte, angefertigt hatte.
Ein Stuhl, aus dem die Lehne herausgebrochen war, vervollständige die Einrichtung.
Vielleicht sollte man den Eimer in der Ecke noch erwähnen, denn, wenn es regnete, dann regnete es durch das löchrige Dach.
Den jungen Mann störte das Alles nicht. Er war ein fröhlicher Typ mit einem goldenen Herzen und durch kleine Aushilfsjobs verdiente er sich das Wenige, das er zum leben brauchte.
Und die Menschen mochten ihn wegen seiner fröhlichen unbekümmerten Art.
Ronny glaubte fest an seinen großen Durchbruch als Maler und in letzter Zeit mehr denn je, denn er war verliebt und wollte dem Vater seiner Liebsten imponieren.
Der reiche Bäckermeister Gottfried Semmel sah es gar nicht gern, dass der arme Hungerleider seiner Tochter Else schöne Augen machte. Das Mädel war sowieso schon so verdreht, seit sie aus dem feinen Internat zurück gekommen war.
Einen Bäcker sollte sie heiraten, der einmal das Geschäft übernahm.
So hatte das Liebespaar also wenig Aussichten.




Else brachte jeden Morgen einen Korb mit frischen Brötchen und allerlei Leckereien zu dem Kiosk an der Ecke. Denn die alte Berta war ihre Verbündete.
Berta kochte in dem kleinen Raum hinter dem Kiosk einen guten Kaffee und frühstückte mit dem jungen Mann, der dann seufzend den Liebesbrief seiner Else las, der jeden
Morgen zwischen den frischen Brötchen steckte.
Bevor er dann in die Arbeit ging, schlenderte er an dem Haus des Bäckers vorbei und Else winkte ihm von ihrem Fenster aus zu.
So vergingen die Tage, der Herbst hatte schon längst die Blätter bunt gefärbt und sein Spießgeselle, der stürmische frostige Wind, hatte sie von den Bäumen gepustet.
Manchmal wollte Ronny die Hoffnung aufgeben jemals als Maler berühmt zu werden und überlegte sogar eine Bäckerlehre zu machen, denn er wollte seiner Else nahe sein.
Als er eines Tages von einem seiner zahlreichen Jobs nach Hause ging sah er vor sich eine alte Frau, die tief gebeugt immer wieder kurz stehen bleibend, durch den Park schlurfte.
Mitleidig sprach Ronny sie an.
Gute Frau, wohin müssen sie denn gehen, kann ich sie nach Hause bringen.“
Die alte Frau blieb stehen und ihre erstaunlich jungen Augen in dem von Runzeln übersäten Gesicht sahen ihn freundlich an.
Danke junger Mann, wenn sie mir ihren Arm reichen könnten.“
Sie zog fröstelnd das zerschlissene Schultertuch um ihre mageren Schultern.
Der junge Mann zog seine Jacke aus und hängte sie ihr über, dann legte er seinen Arm um die Alte, um sie zu stützen.
Als sie den Park verlassen hatten, blieb die Frau stehen, schlüpfte aus der Jacke und reichte sie Ronny.
Danke junger Mann von hier aus kann ich alleine weiter gehen. Aber weil sie so ein gutes Herz haben, will ich ihnen etwas schenken. Denken sie niemals daran ihren Traum aufzugeben, denn sie können Großes erreichen. Hier dieser Stift wird ihnen Glück bringen.“
Ronny betrachtete den einfachen unansehnlichen Kohlestift und steckte ihn in die Jackentasche, denn er wollte die alte
Frau nicht kränken.
Als er sich umwandte, um ihr zu danken, war sie verschwunden.



Doch von diesem Tag an, schien das Glück in sein Haus zu kommen.
Berta musste zum Zahnarzt und Ronny wollte in dieser Zeit auf den Kiosk aufpassen.
Es war nicht viel los. Die Menschen hasteten vorbei, ohne stehen zu bleiben und zwei Jungen spielten Fußball mit einer Blechbüchse, während ein Hund sie umsprang.
Ronny holte seinen Zeichenblock, um dieses Bild festzuhalten. Und wie durch Zauberhand lag plötzlich der Stift der alten Frau in seiner Hand. Mit schnellen gekonnten Strichen fuhr Hieronymus über das Blatt.
Aufatmend betrachtete er das Bild, das ihm besonders gut gelungen war, da begann der Stift in seiner Hand zu blinken, als würde er ihm zuzwinkern.
Ein Mann in einem teuren Pelz kam auf den Kiosk zu und verlangte eine Tasse Kaffee.
Ronny ließ die Espressomaschine laufen.
Zucker und Milch?“
Als er keine Antwort bekam, drehte er sich um und sah wie der Herr seine Zeichnung betrachtete.
Junger Mann sie haben Talent, das ist wunderschön und sehr detailgetreu. Malen sie auch Porträts?“
Rony nickte.
Auch in Öl?“
Ja.“
Der gut gekleidete Herr reichte ihm eine Visitenkarte.
Ich bin Kommerzienrat Goldner, kommen sie morgen zu dieser Adresse, ich möchte, dass sie ein Porträt meiner Frau malen.“
Dann ging er, ohne seinen Kaffee getrunken zu haben.
Rony malte das Porträt und es wurde in der feinen Gesellschaft bewundert.
Bald konnte er sich vor Aufträgen nicht mehr retten.
Er heiratete seine geliebte Else und niemand war stolzer auf seinen berühmten Schwiegersohn, als Bäckermeister Semmel.“
Das war schön und mein Bild ist auch fertig, gefällt es dir?“
Henriette bewundert das schöne Herbstbild.
Balduin aber verließ sein Körbchen und lief zur Tür.
Ich glaube Lena, wir drehen noch eine Runde mit Balduin, bevor deine Mutter kommt.“

© Lore Platz


Donnerstag, 9. Juli 2020

Hexe Liliput und die Drachenjäger 2




Er winkte. „Kommt mit!“
Sie folgten ihm in die Felsenspalte durch viele verschlungene Gänge und kamen in eine große Höhle.
Tolpatsch sank erschöpft nieder.
Die kleine Hexe sah sich erstaunt um.
Hast du es aber schön hier, ich bin Liliput und das ist mein Freund Tolpatsch. Hast du Wasser, ich muss die Wunde reinigen.“
Der Junge eilte in eine Nebenhöhle und kam mit einer Schüssel Wasser und einem Bund Arnika zurück.
Liliput wusch die blutende Wunde, während der Junge aus der Heilpflanze einen Brei machte, den die Hexe vorsichtig auftrug.
Sie schnippt mit dem Finger und ein großes Pflaster legt sich über die Verletzung.
Du kannst zaubern, warum hast du dann nicht die Wunde geheilt?“
Weil ich noch Lehrling bin und nur die kleinen Zauber kann. Der Heilzauber ist einer der schwersten Zauber und man braucht eine lange Ausbildung dafür. Auf dem Hexenberg gibt es nur eine Heilerin und das ist meine Lehrerin Frau Kassandra.“
Der Junge hatte inzwischen ein kleines Feuer gemacht und kramte in einer Kiste.
Was machst du denn da, wie heißt du überhaupt?“
Du kannst es dir aussuchen; Missgeburt, Scheusal, Wechselbalg, Teufelsbrut, pfui-igitt.“
Das sind ja scheußliche Namen, ich meine deinen Taufnamen, ihr Menschen habt doch Taufnamen.“
Ich nicht,“ lachte der Junge bitter, „ als der Pfarrer mich sah weigerte er sich mich zu taufen. Teufelsbrut nannte er mich.
Ich mache uns was zu essen, ich hoffe du magst Kartoffel in der Schale, mehr habe ich leider nicht.“
Nein, leg sie zurück, setz dich zu mir.“
Als der Junge saß, sagte Liliput.
Ich werde mir einen Namen für dich ausdenken. Aber nun machen wir ein Spiel. Schließ die Augen, du darfst sie erst aufmachen, wenn ich es sage.“
Der Junge nickte.
Nun stell dir vor was du gerne essen willst.“
Ein gebratenes Hähnchen.“
Liliput grinste, schnippte mit dem Finger und ein Teller mit einem gebratenem Hähnchen stand vor ihm auf dem Boden.“
Der Junge kicherte: „ Das ist schon was tolles mit der Fantasie, ich kann das Hähnchen sogar riechen.“
Ja, aber halte die Augen nur geschlossen. Wir wollen ein ganzes Menü zusammenstellen. Was willst du als Beilage?“
Kartoffelbrei und Bohnengemüse!“ kam es wie aus der Pistole geschossen.
Schon stand eine Schüssel Kartoffelbrei und eine Schüssel Bohnen vor ihm.
Nachtisch?“
Hmmm,“ der Junge leckte sich genießerisch über die Lippen, „Schokoladenpudding.“
Nun darfst du die Augen öffnen.“
Aber, aber,“ stammelte er, „ das ist alles wirklich.“
Liliput grinste.“ Der Essenszauber ist das erste was wir lernen, nun guten Appetit.“
Sie freute sich wie sehr es ihm schmeckt.
Er lehnte sich zurück und strich über seinen Bauch.
Das war lecker! Aber warum guckt dein Freund mich so an?“
Liliput warf einen Blick auf Tolpatsch und lachte.
Er hat Hunger, kann ich ihm die Reste geben?“
Als der Junge nickte, ließ die kleine Hexe die übrige gebliebenen Speisen in den weit geöffneten Rachen des Drachens fliegen.
Willst du mir nun erzählen warum du hier wohnst und nicht im Dorf. Wie alt bist du denn?“
Zehn Jahre. Und hier wohne ich seit zwei Jahren.
Als meine Mutter starb war ich sechs Jahre. Sie war die einzige, die lieb zu mir war und mich getröstet hat, wenn mein Vater, die Kinder und viele Erwachsene im Dorf böse zu mir waren.
Doch dann bekam sie ein schlimmes Fieber und starb.
Mein Vater heiratete sofort wieder und seine neue Frau wollte mich nicht im Haus haben.
Ich musste im Schweinestall wohnen und auch das Essen mit ihnen teilen.
Marianne vom Nachbarhof kam ab und zu vorbei, brachte mir etwas zum anziehen und essen.“
Marianne, das ist meine Freundin,“ rief Liliput.
Aha, dann bist bestimmt auch du für das oft leckere Essen zuständig.“
Als ich sie kennenlernte war sie halb verhungert. Ihre Tante ließ sie den ganzen Tag schuften, aber sie bekam kaum zu essen.
Also habe ich einen Zauber in ihr Zimmer gelegt, wenn sie abends müde in ihre kleine Dachkammer kam, dann konnte sie sich wünschen was sie essen wollte.“
Als ich eines nachts in den Garten ging, um mir einen Apfel zu holen, entdeckte mich mein Vater und prügelte mich halb tot.
Marianne die meine Schreie gehört hatte holte mich und brachte mich zu den Eltern ihres Freundes Lukas. Diese pflegten mich gesund.
Lukas und Marianne aber richteten mir hier diese Höhle ein.
Im Dorf konnte ich nicht mehr bleiben.“
Dein Vater ist ein böser Mensch!“ rief Liliput wütend.
Der Junge zuckte traurig die Schultern.
Aber nicht alle Menschen sind böse!“
Sie sahen sich an und lachten, denn sie hatten gleichzeitig dasselbe gesagt.
Weißt du was meine Mutter immer gesagt hat, wenn ich weinend zu ihr lief, weil die Dörfler wieder mal böse zu mir waren.
Fünf bösen Menschen stehen fünf gute Menschen gegenüber. Das ist Gottes Ausgleich.“
Eine Weile schwiegen sie.
Ich hab einen Namen für dich. Du bist gut und edel wie ein Prinz und du wohnst hier umgeben von Wäldern. Ich werde dich Waldprinz nennen. Gefällt dir der Name?“
Waldprinz nickte strahlend, doch dann wird er wieder ernst.
Was machen wir mit dem Drachen?“
Ich werde Frau Kassandra um Hilfe bitten.“
Und mich mit dem Ungetüm alleine lassen. Er wird meine Wohnung abfackeln.“
Unsinn, ich bin ja bald wieder da.“
Liliput schwang sich auf ihren Besen und verließ die Höhle.
Draußen warf sie einen Unsichtbar-zauber um sich und flog zum Hexenwald.
Sie erzählt nun Frau Kassandra alles.
Diese sah sie ernst.
Du hast wieder einmal nicht gedacht und unverantwortlich gehandelt. Nun haben wir wieder einmal den Zorn der Menschen erregt.“
Aber ich bin doch so allein und wollte nur einen kleinen Bruder. „
Mitleidig sah Frau Kassandra sie an.
Ich weiß, du bist die einzige hier, die keine Familie hat. Also bring mich zu deinem Drachen.“
Wenig später betraten sie die Höhle.
Liliput schrie entsetzt auf.
Was hast du getan, wie konntest du nur!“
Trotzig sah Waldprinz sie an.
Sollte ich vielleicht meine Wohnung abfackeln lassen!“
Die kleine Hexe warf ihm einen finsteren Blick zu.
Und deshalb hast du sein Maul mit einem Seil zugebunden und seinen Schwanz an einem Felsen gekettet.
Ich hätte dich statt Waldprinz lieber Wirrkopf nennen sollen.“
Der Junge verschränkte die Arme und blickte genauso zornig zurück.
Er hat bereits zwei Tassen mit seinem Schwanz kaputt gemacht und ich wollte nicht warten bis er auch noch meine Möbel versengt.“
Frau Kassandra hatte schmunzelnd zugehört.
Nun legte sie die Hand auf Waldprinz Schulter.
Dieser sah sie schüchtern, aber auch etwas ängstlich an. Wie würde sie auf seinen Anblick reagieren?
Doch die Hexe lächelte ihn freundlich an.
Das hast du sehr gut gemacht. Du hast klug und überlegt gehandelt. Tolpatsch ist zwar nicht bösartig, trotzdem gefährlich.“
Liliput hatte den inzwischen den Drachen befreit. Dieser sprang freudig auf, sein großer Schwanz schlenkerte und aus seinem Mund kam Feuer.
Frau Kassandra hob die Hand und ließ ihn erstarren.
Siehst du nun, wie gefährlich dein Freund ist.“
Liliput ließ den Kopf hängen und Tränen glitzerten in ihren Augen.
Bittend hob sie die Hände.
Tötet ihn nicht. Es ist alles meine Schuld, lasst ihn nicht dafür büßen. Ich werde ein neues Versteck für ihn suchen.“
Du kannst ihn nicht immer einsperren. Hm, sein einziger Fehler ist seine Größe.“






Frau Kassandra hob lächelnd die Hand und der Drache begann zu schrumpfen, bis er so klein wie eine Eidechse war.
Das ist ja toll!“ rief Waldprinz und Liliput jubelte,
So groß und niedlich war er, als er aus dem Ei schlüpfte!“
Sie hob den Drachen hoch und dieser schmiegte sich an sie.
Frau Kassandra nickte zufrieden.
Der Zauber kann nie mehr rückgängig gemacht werden, es besteht also keine Gefahr und Tolpatsch kann nun für immer bei dir bleiben.“
Dann wandte sich die Hexe an den Jungen.
Möchtest du bei uns im Hexenwald leben?“
Aber er ist doch ein Mensch!“
Sicher, aber im Testament von Graf Herold von Trutzingen steht, dass das Schloss und die umliegenden Wälder eine Heimat für alle Verfolgten und Verstoßenen sind und unser Waldprinz wurde doch von den Menschen verstoßen.“
Liliput hüpfte vor Freude auf und ab.
Und wohnen kannst du bei mir, ich habe mir schon immer einen Bruder gewünscht.“
Dass ihr streiten könnt wie Geschwister habt ihr ja eben schon bewiesen,“ schmunzelte Frau Kassandra,
willst du denn bei uns leben, du wärst nicht mehr so allein und niemand würde dich deines Aussehens wegen übel behandeln. Außerdem wo sonst sollte ein Waldprinz leben als Wald.“
Waldprinz sah sie mit großen Augen an.
Sprechen konnte er nicht, aber er nickte heftig mit dem Kopf.
Dann komm. Liliput du nimmst Tolpatsch auf deinem Besen und ich unseren Waldprinzen.“
Als sich der Junge in der Wohnung umsah, meinte die Hexe. „Wir kommen später noch einmal hierher und holen deine Sachen.“
Sie setzten sich auf ihre Besen und sausten durch die Luft.
Waldprinz, der hinter Frau Kassandra saß, hatte keine Angst, er genoss es, wie der Wind ihm durch die Haare fuhr und beobachtetet staunend wie die Welt unter ihm immer kleiner wurde. Und zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich wirklich frei.
Sie landeten in Liliputs Garten und dieser blieb vor Staunen der Mund offen.
Aber mein Haus ist ja viel größer.“
Ich habe es durch einen Anbau erweitert, wollt ihr ihn euch nicht mal ansehen?“
Als sie den Raum betraten staunten sie noch mehr.
Aber das sind doch alle meine Sachen aus der Höhle!“
Ich dachte, das würde dir das Eingewöhnen leichter machen,“ lächelte Frau Kassandra, „ nun muss ich aber ins Schloss zurück.“

Liliput aber nahm, ihren Bruder an der Hand und stellt ihm Trinchen vor.
Während Waldprinz der Schildkröte sanft über den Kopf strich, ließ Liliput versonnen den Blick über Tolpatsch, Trinchen und Waldprinz gleiten.
Glücklich lächelte sie.
Nun hatte sie auch eine Familie.

Da der Drache verschwunden, wurden die Drachenjäger nicht mehr benötigt. Da sie aber keinen Erfolg hatten, verweigerte der Moorhofer die Bezahlung.
Als die wilden Kerle abzogen, zerstörten sie aus Rache alle Felder des geizigen Bauern.


© Lore Platz