Donnerstag, 29. Dezember 2022

Der Weihnachtsbaum muss raus

 

 

    

                    

Der Weihnachtsbaum muss raus!



Elke hielt mit beiden Händen die Kaffeetasse und sah glücklich lächelnd auf den leuchtenden Weihnachtsbaum.

Wie sie ihn liebte, diesen Duft nach Tanne und die bunten Lichter, die sie so sehr an früher erinnerten, als sie noch Kind war und glücklich. Noch nicht gefangen in einer kalten Ehe.

Die ersten Jahre waren noch schön, doch dann hatte sich etwas verändert. Es war genauso, als wäre sie ein Zombie.

Vielleicht war sie ja auch schuld, denn sie hatte viel zu viel aufgeben und sich zu sehr untergeordnet.

Erst war es ihr geliebter Beruf, denn Sebastian wollte, dass sie nur für ihn da war.

Dann hatte er nach und nach ihre Freundinnen vergrault, weil er sie ganz für sich haben wollte.

Und ihren Kinderwunsch hatte er einfach ignoriert, denn er war viel zu egoistisch, alles sollte sich nur um ihn drehen.

Und nun hatte sie erfahren, dass er auch noch eine Geliebte hatte, die neue Nachbarin, die in die Vogelvilla am Ende der Straße eingezogen war.

Aber seltsamerweise berührte sie das kaum, sie hatte sich schon lange innerlich von ihrem Mann entfernt.

Sie hörte ihn die Treppe herunter poltern und dann rief er auch schon.

Warum steht das Frühstück nicht auf dem Tisch!“

Elke nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und grinste.

Wieso sitzt du hier und glotzt den dämlichen Weihnachtsbaum an, statt mir ein Frühstück zu machen.“

Elke drehte sich um und warf ihrem Mann einen spöttischen Blick zu.

Der Kaffee ist in der Kanne, im Kühlschrank sind Eier und Speck, wie man einen Toast in den Toaster steckt wirst du ja wissen.“

Was soll das! Ich arbeite Tag und Nacht , damit du ein schönes faules Leben hast und da kann ich doch wenigstens verlangen, dass du mir ein gutes Frühstück bereitest!“

Elke zuckte nur die Schultern.

Sebastian wurde noch wütender.

Außerdem der Weihnachtsbaum muss raus, warum steht er immer noch hier, willst du vielleicht an Ostern die Eier dran hängen. Verrückt genug bist du ja, mit deinem dämlichen Weihnachtsfimmel!“

Langsam stellte Elke ihre Tasse ab und wandte sich ihrem Mann zu.

Ja, ich liebe Weihnachten, weil dieses Fest etwas Wärme in mein Leben bringt, denn sonst erfriere ich neben dir.



Vielleicht hätte ich weiter gemacht und

wäre nicht zur Vernunft gekommen. Aber da du dir nun eine Geliebte zu gelegt hast, finde ich, es ist Zeit für dich zu gehen.“

Sebastian wurde blass: „Du weißt von Angela!“

Denkst du wirklich, das bleibt geheim, wie naiv bist du denn,“ spöttisch zog Elke die Brauen hoch.

Übrigens deine Koffer stehen gepackt in der Diele, ich möchte, dass du noch heute das Haus verlässt. Wie du weißt, gehört dieses Haus meinen Eltern.

Und mein Anwalt wird sich demnächst mit dir in Verbindung setzen und die Scheidung besprechen.“

Elke schloss die Augen und dankte dem guten Geist, der sie davor bewahrt hatte, das Angebot ihres Vaters anzunehmen, der ihnen das Haus überschreiben wollte.

Aber du kannst mich doch nicht einfach raus schmeißen, wo soll ich denn hin.“

Nun deine Geliebte wird dich sicher mit offenen Armen empfangen,“ grinste seine baldige Exfrau.

Wütend drehte er sich um und knallte die Tür zu.

Der Tannenbaum ließ vor Schreck ein Häufchen Nadeln fallen.

Bedauernd sah Elke ihn an.

Armer Kerl ich denke auch wir beide müssen uns schön langsam trennen.“

Die Haustür fiel ins Schloss und gleich darauf heulte der Motor des Autos auf.

Elke sprang auf und tanzte ausgelassen durch das Wohnzimmer.

Frei endlich frei!


© Lore Platz

 

Montag, 19. Dezember 2022

Die kleine Schneeflocke *




Elli M.



Der Tanz der Schneeflocken

Hurtig Nordwind spiele auf,
stimme deine Geigen
Schneeflocken wollen dir
den neusten Tanz nun zeigen
In zartem Schmelz die weißen Flöckchen
so wirbeln sie hernieder
Und dreh`n vergnügt nach der Musik
die zarten feinen Glieder

© Lore Platz


Die kleine Schneeflocke

Glitzerchen sieht bewundernd an sich herunter. Wie wunderschön ihr Kleidchen doch ist.
Zum ersten Mal ist sie nun eine Schneeflocke.
Vor kurzem noch lag sie mit ihren Geschwistern in einer schmutzigen Pfütze.
Doch dann kam Mutter Sonne und saugte sie alle auf.
Ach wie herrlich warm war es da, doch je höher sie stiegen umso kälter wurde es, bis es richtig schrecklich war und sie für einen Moment das Bewusstsein verlor.
Als sie wieder erwachte befand sie sich in dieser Wolke und trug ein herrlich glitzerndes weißes Kleid.
Mit spitzen Fingern hebt sie das Röckchen und dreht sich wie ein kleine Ballerina.
Fröhliches Lachen reißt sie aus ihrer Verzückung.
Kristalla, die schon oft den Kreislauf der Natur durchlebt hat und zur Schneeflocke wurde, fragt lächelnd.
Es gefällt dir wohl dein neues Kleid, das ging mir genauso beim ersten Mal, aber nun komm, das große Wolkentor wird geöffnet.“
Sie nimmt die Jüngere an der Hand und sie laufen zum Tor, an dem sich tausende von zarten weißen Flöckchen kichernd und schwatzend versammelt haben.
Frau Holle kommt aus ihrem Zimmer und klatscht in die Hände.
Ruhe meine Damen, etwas mehr ernst bitte!“
Sie drängt sich durch die kleine Schar nach vorne und winkt ungeduldig die naseweisen Flöckchen etwas zurück.
Tretet zur Seite, sonst kann ich ja das Tor nicht öffnen,“ ruft sie ärgerlich.
Langsam schwingen die beiden Flügel des schneeweißen Wolkentores auf und vor ihnen erscheint der graue Himmel.
Das lustige Gesicht des Windes taucht auf und fröhlich ruft er.
Nun denn auf, wir wollen tanzen!“
Mit einem Jubelschrei stürzen sich tausend und abertausend weiße zarte Schneeflocken in die Tiefe.
Frau Holle tritt schnell zurück, damit sie nicht mitgerissen wird.
Kristalla aber fasst Glitzerchen fest an der Hand, damit sie nicht getrennt werden.
Diese jubelt begeistert, wie schön war dieser freie Fall in die Tiefe.
Unter ihnen wird ein Wald sichtbar und Kristalla zieht ihre Freundin zu einem Baum, auf dessen Ast sie sich nieder lassen.
Viele ihrer Schwestern haben dieselbe Idee und bald sind die Bäume schneebedeckt.
Ein Eichkätzchen lugt neugierig aus seinem Kober und springt dann von Ast zu Ast und kichernd fallen die Schneeflocken, die dort geruht haben zu Boden.
Auch Kristalla und Glitzerchen sind unter ihnen.
Glitzerchen gefällt das gar nicht, von hier unten konnte man doch gar nichts sehen.
Kristalla aber winkt dem Wind.
"Wir wollen in die Stadt lieber Freund"
Zu Diensten meine Damen.“
Und er pustet in den Schneehaufen, wirbelt die vergnügten Flöckchen empor und treibt sie vor sich her in die Stadt.
Auf einem Dach lassen sie sich nieder.
Glitzerchen sitzt neben ihrer Freundin und sieht hinunter auf die beleuchteten Straßen, dann deutet sie auf den Weihnachtsbaum, der mitten auf dem Marktplatz steht.
Oh wie bunt und schön, ganz anders als die Bäume im Wald.“
Das ist ein Weihnachtbaum!“
Und Kristalla erzählt nun der aufmerksam lauschenden Glitzerchen, dass die Menschen jedes Jahr am
24. Dezember die Geburt des Herrn Jesus Christus, dem Sohn Gottes feiern.
Dass sie geschmückte Tannenbäume in ihren Zimmern aufstellen und Geschenke darunter legen.
Das Schreien von Kinderstimmen lässt sie zusammen zucken und vorsichtig lugen sie hinunter.
Eine Menge Kinder stürmt jubelnd aus dem Haus und bewirft sich mit Schneebällen.
Hier wohnen aber viele Kinder,“ staunt Glitzerchen.
Kristalla lacht. „Wir sitzen auf dem Schulhaus“ und geduldig erklärt sie , was eine Schule ist.
Ein Mädchen fängt laut zu weinen an und Glitzerchen ruft staunend:
Sieh, es kommt Wasser aus ihren Augen.“
Das sind Tränen, du weißt aber auch gar nichts,“ lacht ihre Freundin.
Na entschuldige, wenn man die erste Zeit seines Lebens in einer Wasserpfütze verbracht hat bekommt man nicht so viel von der Welt zu sehen.“ ruft Glitzerchen empört.
Das Klingen einer Glocke ertönt und leise murrend verschwinden die Kinder im Schulhaus.
Komm wir wollen mal in das Klassenzimmer sehen!“
Kristalla nimmt ihre Freundin an der Hand und sie rutschen zum Fenster.
Die Kinder stürmen lärmend in den Raum und nach einigem Gerangel sitzen sie bald alle auf ihrem Platz.
Die Tür öffnet sich und ein Mann mit einer Gitarre in der Hand kommt ins Zimmer.
Die Kinder stehen auf und brüllen im Chor.
Guten Morgen Herr Berger!“
Dieser winkt ab und meint nur: „Setzt euch!
Heute studieren wir ein Lied für die Weihnachtsfeier ein.“
Und er erzählt den aufmerksam lauschenden Kindern von der schlesischen Lehrerin Hedwig Haberkern (1837 – 1902) die als „Tante Hedwig“ Erzählungen für Kinder schrieb.
Und in der „Geschichte von der Schneewolke „ kam dieses Lied vor, das sie heute einstudieren wollten.
Ein Junge teilt nun die Zettel mit dem Text aus, der Lehrer lässt einige Akkorde auf seiner Gitarre erklingen und dann singen die Kinder:

Schneeflöckchen, Weißröckchen, jetzt kommst du geschneit.
Du kommst aus den Wolken dein Weg ist so weit“

Die singen ja ein Lied über uns,“ staunt Glitzerchen.
Der Wind taucht neben ihnen auf.
Wollen die Damen weiter fliegen?“

Und bald wirbeln sie wieder durch die Luft!

© Lore Platz

Donnerstag, 24. November 2022

 Liebe Leser,


leider ist Lores Computer defekt, so dass sie sich hier nicht zu Wort melden kann. Sobald es wieder möglich ist, meldet sie sich hier.

Derweil gibt es viele Geschichten hier zu lesen, die ihr vielleicht noch nicht kennt. Schaut einfach oben unter "Weihnachtsgeschichten" und haltet Lore die Treue!


Vielen Dank und euch allen eine gute Zeit

Regina



Donnerstag, 10. November 2022

Brief an das Christkind

Briefe schreiben ist ja inzwischen fast aus der Mode gekommen.
Was wird einst von den Handynachrichten übrig bleiben. Mein Mann, fuhr nach unserer Hochzeit noch zur See und aus dieser Zeit habe ich noch einen ganzen Ordner unserer Briefe und nun, da er nicht mehr an meiner Seite weilt, sind diese Briefe eine kostbare Erinnerungen.
Auch schrieb ich ihm jedes Jahr zu Weihnachten einen Brief, in dem ich das vergangene Jahr Revue passieren und  ihm dankte. 

 

 


 

 Der Brief an das Christkind


Der Weihnachtsmarkt in K war immer ganz besonders liebevoll gestaltet. Es gab mehr als zwanzig weihnachtlich geschmückte Buden, in denen man von Kleidung bis selbst gebasteltem Weihnachtsschmuck alles erwerben konnte. Auch ein Glühweinstand lud zum Verweilen ein, besonders da man einen
Zimstern gratis bekam.




Mitten drin aber stand ein riesiger Weihnachtsbaum, geschmückt mit goldenen Kugeln, Strohsternen und goldenem Lametta.
Die kleinen elektrischen Kerzen funkelten in allen Farben.
Ganz versteckt auf einem Zweig saßen zwei Engel und beobachteten das Treiben unter ihnen.
Warum, mussten wir hierher kommen,“ wollte Engelshaar wissen, sie wurde so genannt, weil sie ganz besonders schönes welliges blondes Haar hatte.
Doch Gesine, ihre Begleiterin und auch beste Freundin im Himmel, achtet nicht auf sie und ließ aufmerksam ihren Blick umher schweifen.
Dann lächelte sie plötzlich und deutete auf ein kleines Mädchen, das an der Hand eines großesn Mannes vor einer Bude mit Lebkuchen stehen geblieben war.
Deshalb! Siehst du das kleine Mädchen mit der blauen Mütze. Es hat einen Brief an das Christkind geschrieben, dass es sich zu Weihnachten eine Mutter wünscht, die ihr Geschichten erzählt und Plätzchen mit ihr bäckt und sie ganz doll lieb hat. Ihre Mutter
starb bei ihrer Geburt“
Und wir sollen ihr eine Mutter besorgen, wie denn? “
Gesine beachtete sie gar nicht und ließ wieder den Blick über den Platz schweifen.
Da ist sie und auch sie trägt eine blaue Mütze!“




Die beiden Engel tauschten einen verschmitzen Blick. Sie wissen, dass es nicht Zufall war, sondern im Himmel so beschlossen wurde.
Beide flogen los und dann kam ein heftiger Windstoß auf.
Petra hielt ihre Mütze fest und kämpfte sich mit gesenktem Kopf durch die Menge. Plötzlich stieß sie gegen ein Hinderniss und eine sonore Stimme meinte lachend. „Hoppla nicht so stürmisch!“
Das junge Mädchen blickte auf und sah in zwei warme braune Augen, die sie lächelnd musterten.
Wie er gekommen so plötzlich ist der Wind auch wieder verschwunden.
Verlegen löste sich Petra aus den Armen des Mannes, der sie immer hoch umfangen hielt.
Das kleine Mädchen, das neben ihm stand rief:
Du hast ja genauso eine blaue Mütze wie ich, hat dich das Christkind geschickt.“
Petra lachte, „nein das Christkind wohl nicht, aber der Wind hat mich zu euch geweht.“
Den hat bestimmt das Christkind gesandt.“
Vertrauensvoll nahm sie ihre Hand.
Ich bin Andrea, fünf Jahre alt und immer brav.“ Nachdem sie einen Blick auf ihren Vater geworfen hatte, meinte sie leise „meistens.“
Petra lachte fröhlich und beugte sich zu der Kleinen hinunter.
Ich bin die Petra und bin auch meistens immer brav.“
Andrea strahlte sie an.“ Willst du mit uns zur Eisbahn gehen, wir wollen noch Schlittschuh fahren?“
Ich habe keine Schlittschuhe dabei,“ bedauerte Petra.
Das macht nichts, man kann sie dort leihen, du kannst doch
Schlittschuhe laufen?“
Sicher, aber ...“
Andrea, du weißt doch gar nicht, ob Fräulein Petra Zeit hat und vielleicht ist sie gar nicht alleine hier?“ wandte der Vater, mit einem entschuldigendem Blick auf das junge Mädchen, ein.
Diese wird etwas rot. „Ich bin allein hier, bin erst vor kurzem nach K gezogen und kenne hier noch niemanden.“
Siehst du!“ meinte Andrea triumphierend, „ außerdem hat sie das Christkind geschickt, denn sie hat genauso so eine blaue Mütze wie ich. Petra kannst du eigenlich Plätzchen backen?“
Ja, aber natürlich und ich habe sogar einige besonders tolle Rezepte noch von meiner Großmutter.“ lachte Petra.
Andrea strahlte, „Prima, dann kannst du ja mit mir zusammen Plätzchen backen, weißt du meine Mama ist schon lange ein Engel im Himmel.“
Die Blicke er beiden Erwachsenen treffen sich und Andreas Vater meinte entschuldigend.
Bitte verzeihen sie meiner Tochter, ich bin übrigens Hans Brauer, Lehrer und Vater einer vorwitzigen Tochter.“
Petra lachte herzlich und Hans wurde ganz warm ums Herz.
Sie haben eine entzückende Tochter, Herr Brauer.“
Nennen sie mich doch Hans.“
Petra!“
Zwei Hände treffen sich mit warmen Druck.
Das kleine Mädchen aber betrachtet die beiden verschmitzt.
Dann nimmt sie energisch jeden an der Hand und zieht sie mit sich fort.
Mich friert und außerdem will ich noch Karusell fahren bevor wir auf die Eisbahn gehen.“
Die beiden Erwachsenen lassen sich zu gerne mitziehen.
Zu dritt erleben sie noch einen schönen Nachmittag.
Die beiden Engel aber waren zurück in den Himmel geflogen und Gesine zeigte ihrer Freundin den Brief des kleinen Mädchens.



Liebes Christkind

du bauchst mir gar geine geschenke bingen ich wünsche mir nur eins und das gans doll bitte bitte bing mir eine neue mutti die mich lieb hat mir geschichtn erzählt und pläzchen bakt wie monis mami das auch tut

und damit ich sie erkene soll sie so eine blaue mitze tragen wie ich


© Lore Platz



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Montag, 7. November 2022

Herr Siebenpunkt in Not



(c) Werner Borgfeldt


Herr Siebenpunkt in Not

Kater Moritz fährt mit seiner rauen Zunge eifrig durch seine Futterschüssel, bis sie blitzblank ist, dann streckt er sich zufrieden und stolziert hinaus in den Garten.
Eifrig beginnt er sich zu putzen, bis er ein leises Weinen hört.
Als er sich erstaunt umsieht erblickt er seine Freundin Frau Siebenpunkt, die bitterlich weinend auf einem Rosenblatt sitzt.
Lautlos schreitet er näher, bis seine Nase fast das Blatt berührt und fragt. „Aber liebe Siebenpunkt, was ist denn geschehen?“
Die Marienkäfer-Dame schnieft und deutet auf das Blatt hinter sich.
Heute Nacht sind meine Kinder geboren und mein lieber Mann ist nicht dabei gewesen. Seit gestern ist er spurlos verschwunden. Ach meine armen Kleinen, sie werden ihren Vater niemals sehen!“
Wieder bricht sie in ein jämmerliches Schluchzen aus.
Moritz wirft einen Blick auf die klebrigen orangen Kugeln und kann sich nicht vorstellen, dass diese überhaupt etwas sehen können.
Er zuckt die Schultern und sucht sich ein ruhigeres Plätzchen.
Frau Siebenpunkt aber betrachtet traurig ihre Eier und bange Gedanken quälen sie.

 
(c) Irmgard Brüggemann

Ein Schmetterling lässt sich in der Nähe nieder.
Gratuliere liebe Freundin, eine prächtige Schar und sie haben Glück, denn wenn in ein paar Tagen die Larven schlüpfen, habe sie große Chancen zu überleben.
Ein gutes Jahr, denn es gibt viele Blatt- und Schildläuse!
Aber wo ist der gute Siebenpunkt?“
Da perlen wieder die Tränen aus den schwarzen Äuglein und schluchzend ruft sie.
Ach Tausendschön, er ist seit gestern verschwunden und dabei wollte er doch unbedingt bei der Geburt dabei sein!“
Eine Hummel kommt brummend angeflogen und lässt sich schnaufend auf einem Blatt nieder, das ein wenig unter ihrem Gewicht wankt.
Aber liebe Siebenpunkt, Tränen?, sie sollten sich doch freuen über ihre prächtigen Kinder.“
Ihr Mann ist verschwunden,“ informiert ihn der Schmetterling.
Eine Heuschrecke hüpft durch das Gras und bleibt bei ihnen stehen.
Guten Tag, alle zusammen, habe euer Gespräch gehört.
Im Nachbarhaus wohnt ein böser Junge, der macht immer Jagd auf unsereins und stopft uns dann in eine Schachtel mit Löchern und vergisst uns. Viele meiner Freunde sind so schon verendet.“
Frau Siebenpunkt fällt in Ohnmacht.
Wie kannst du sie nur so erschrecken!“ ruft Tausendschön.
Na und, hab doch nur die Wahrheit gesagt!“
Beleidigt hüpft die Heuschrecke weiter.
Hermann Hummel hat inzwischen einen Tautropfen geholt und lässt ihn auf die Marienkäfer-Dame fallen.
Diese öffnet langsam die Augen und dann erhebt sie sich energisch.
Wir müssen nachsehen, kommt ihr mit!“
Die Drei fliegen nun auf das Nachbargrundstück.
Die Hummel war schon einmal im Haus gewesen und weiß wo das Zimmer des Jungen ist.
Sie haben Glück, denn das Fenster steht offen.

 
(c) RMzV



Doch wie sieht es hier aus! 
Kleider und Schuhe sind über den Boden verstreut, eine Schultasche liegt umgekippt auf dem Fußboden und Hefte
und Bücher sind herausgefallen.
Der Schreibtisch ist übersät mit Papieren, Stiften, einer
Schnur, einem Taschenmesser und mittendrin eine Coladose und ein angebissenes Brot.
Wie sollen wir hier meinen lieben Mann nur finden,“ seufzt Frau Siebenpunkt mutlos.


 
(c) eigenes Foto


Da erspähen sie eine Maus die über den Schreibtisch huscht und sich schnüffelnd mit erhobenen Pfötchen an der Dose aufrichtet.
Enttäuscht wendet sie sich ab und entdeckt dann das Brot in das sie mit einem wohligen Seufzer ihre Nase steckt. Käse!
Die drei Freunde fliegen zum Schreibtisch und lassen sich am Rande nieder.
Die Maus hebt den Kopf und funkelt sie an.
Ich habe es zuerst entdeckt!“
Keine Sorge, wir wollen ihnen ihre Beute nicht streitig machen,“ beschwichtigt Tausendschön.
Wir sind nur auf der Suche nach unserm Freund Herrn Siebenpunkt.“
Meint ihr den Marienkäfer?“
Ja! Habt ihr meinen Mann gesehen?“ Frau Siebenpunkt wird ganz aufgeregt.
Der ist dort hinten in der Schachtel,“ meint die Maus gleichgültig und knabbert an dem Brot weiter.
Nun erst bemerken sie den kleinen Karton, der auf der Kommode steht und fliegen dorthin.
Im Deckel sind Löcher und Frau Siebenpunkt beugt sich ganz tief darüber und ruft durch ein Loch.
Zuckerbärchen, bist du da drin?“
Ein leises Rascheln und dann hört man eine schwache Stimme jubeln: „Zuckerpünktchen, ja , ja, der böse Junge hat mich hier eingesperrt. Es ist so dunkel hier und ich bekomme kaum Luft! Kannst du mich befreien?“
Tausendschön und dein Freund Hermann - Hummel sind bei mir. Wir wollen es versuchen.“
Frau Siebenpunkt wendet sich an die Maus.
Mein liebes Fräulein können sie uns helfen?“
Die Maus lässt nur unwillig ihre Mahlzeit im Stich und klettert auf den Karton, doch auch sie kann diesen nicht bewegen.


(c) Irmgard Brüggemann

Moritz muss uns helfen!“ ruft der Schmetterling.
Wer ist Moritz?“ fragt das Mäuse - Fräulein neugierig.
Ein Kater!“ brummt Hermann Hummel.
Dann will ich mich lieber verziehen,“ murmelt die Maus, springt auf den Boden und verschwindet in einem Loch.
Frau Siebenpunkt will bei ihrem Mann bleiben.
Tausendschön und Hermann Hummel haben Bedenken, dass der Junge zurückkommt und sie auch noch in die Kiste sperrt.
Da spitzt die Maus aus ihrem Loch und ruft: „ Keine Bange, der ist mit seinen Freunden zum Baden an den Weiher gegangen und kommt so schnell nicht wieder.“
Kater Moritz liegt auf der Veranda und lässt sich die Sonne auf den Pelz brennen.
Unwillig öffnet er ein Auge, als er eine leichte Bewegung vor seiner Nase spürt.
Was wollt ihr?“ brummt er ungnädig, als er den Schmetterling und die Hummel bemerkt.
Du musst uns helfen, Siebenpunkt wurde von einem Jungen in eine Kiste gesperrt und wir sind zu schwach ihn zu befreien!“ ruft Hermann Hummel und Tausendschön nickt bestätigend.
Kann mir schon denken, wer das ist,“ brummt Moritz,
„ der Bengel von nebenan, hat schon mit Steinen nach mir geworfen und einmal packte er meinen Schwanz und wollte
ein Blechdose daran hängen. Da habe ich ihn aber tüchtig gekratzt, da hat er geheult!“
Moritz grinst zufrieden und begleitet von seinen Freunden springt er über den Zaun.
Er klettert die große Kastanie hinauf, die direkt vor dem Fenster steht und dann sind sie auch schon im Zimmer.
Die Maus, die sich mit Frau Siebenpunkt unterhalten hat, verschwindet blitzschnell in ihrem Loch, als der Kater durch das Fenster kommt.
Doch dieser beachtet sie gar nicht, springt auf die Kommode und stupst mit der Nase die Schachtel herunter.
Der Deckel springt auf und dürres Gras fliegt heraus und mittendrin Herr Siebenpunkt.
Grinsend sieht er seine Freunde an. „Danke!“
Dann spreizt er die Flügel und sie fliegen durch das Fenster in die Freiheit.
Zufrieden grinsend folgt ihnen Moritz.
Die kleine Maus aber huscht aus ihrem Loch und vergnügt sich wieder mit dem Käsebrot.





Herr und Frau Siebenpunkt sitzen wenig später eng umschlungen auf dem Rosenblatt und betrachten verzückt ihre Kinderchen.
Tausendschön und Hermann Hummel sind schon weitergeflogen.
Moritz aber betrachtet das verliebte Elternpaar und ihm wird ganz eigen zumute.

 
(c) Werner Borgfeldt


Er denkt an seine letzte Flamme Susi, die ihm vor einigen Wochen drei Kinder geschenkt hat, zwei Mädchen und einen Jungen.
Er könnte sie ja mal wieder besuchen und so streift er am Zaun entlang und als er die Straßenseite erreicht, springt er elegant darüber.
Während er durch die Gasse stolziert denkt er an Susi.
Sie war schon eine sehr Hübsche, der die Mädchen sehr ähneln und der Junge, nun der war ein richtiger Tunichtgut.
Moritz grinst.
Eben ganz der Vater!


© Lore Platz






Donnerstag, 3. November 2022

Ulli wünscht sich einen großen Bruder

In Medien und Internet hört und liest man nur noch Schreckensnachrichten und das könnte einem wirklich Angst machen und die Lust am Leben vergällen.

Doch dies ist nur ein Bruchteil eines großen Ganzen, unsere Welt ist wunderschön und das Leben ist lebenswert.

Es gibt noch so viele wunderbare Menschen, die bereit sind, sich den Problemen zu stellen, die nicht nur meckern, sondern machen und vor allem die sich die Freude am Leben nicht nehmen lassen.

Es gibt sie noch die Fröhlichkeit, die Liebe und das Lachen und vor allem der Mut zum Leben.

Da ich ein sehr postiver Mensch bin möchte ich etwas davon an euch weitergeben.

Jeden Tag werde ich versuchen eine positive Veränderung die ich finde an euch weiter zu geben und zwar unter dem Motto :


 

 wie Hoffnung

 

 

 

 

Vor einigen Jahren hörte man ständig von dem schrecklichen und gefährlichen Loch in der Ozonschicht.

Schon lange wird dies nicht mehr erwähnt, dabei hat sich die Ozonschicht der Erde wieder erneuert und das UV Schutzschild ist so klein wie es 1989 war. 

Warum werden Schreckensnachrichten so breit getreten und dann kaum erwähnt, wenn es wieder besser wird.

 Nun wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen!

 

 
 
Ulli wünscht sich einen großen Bruder


Der Wagen der Wellenbrinks verließ die Ausfahrt und Ulli kniete auf der Rückbank und winkte heftig seinem Cousin Bernd und dessen neuem großen Bruder Jochen.
Gestern hatte nämlich seine Tante Agnes geheiratet und nun hatte Bernd einen neuen Papa und auch einen großen Bruder bekommen.
Ulli, setzt dich und schnall' dich an,“ mahnte der Vater.
Der Fünfjährige rutschte auf den Sitz und ließ den Gurt einschnappen.
Jochen ist ein cooler Typ, er hat uns gezeigt wie man Steine über das Wasser springen lässt und hat Bernd ein Boot geschnitzt und mir will er ein Pferd schnitzen, wenn wir das nächste Mal wieder kommen.“
Ulli seufzte und meinte sehnsüchtig:“ Ich möchte auch einen großen Bruder haben.“
Seine Eltern schmunzelten.
Warum mussten wir denn heute schon wieder heim fahren, wir hätten ruhig noch bleiben können, Oma hat das auch gesagt.“
Brigitte Wellenbrink wendete sich um und schenkte ihrem Sohn ein tröstendes Lächeln.
Du weißt doch, dass heute Nachmittag die Stute kommt, die Papa vor einigen Wochen bei Scheich Abdul Hamit gekauft hat und da muss Papa unbedingt dabei sein. Und du freust dich doch auch darauf.“
Ulli war schon ein genauso großer Pferdenarr wie sein Vater und war sehr stolz auf ihr Gestüt. Vor einigen Monaten war Papa zu seinem Freund dem Scheich Abdul geflogen und hatte dort eine Araberstute gekauft mit dem Namen Hadia, das bedeutete Sonnenaufgang.
Plötzlich bremste Herr Wellenbrink und Ulli wurde auf seinem Sitz zurück geschleudert.
Verfluchter Mist, ein Stau, wir werden es nie rechtzeitig schaffen, ich habe gesagt, wir hätten gestern zurückfahren sollen, He, du lahme Ente, da vorne ist noch Platz, so ein
Sonntagfahrer man sollte dich in den Allerwertesten treten.
So jetzt ist Stillstand, so eine sch...!“
Arthur der Junge!“
Herr Wellenbrink sah schuldbewusst in den Rückspiegel, Ulli grinste und zwinkerte seinem Vater zu.
Das kannte er schon, denn sein Papa konnte ganz schön böse werden beim Autofahren und fürchterlich schimpfen.
Da wollte er doch mal die Ohren spitzen, vielleicht hörte er noch ein Wort das er noch nicht kannte.
Der Stau hielt sie tatsächlich ziemlich lange auf und als sie am Gut ankamen bog gerade der Pferdetransporter in die Einfahrt ein.
Herr Wellenbrink parkte das Auto an der Hauswand, sprang heraus und lief über den Hof zum Transporter, gefolgt von seinem Sohn.
Frau Wellenbrink sah den beiden Pferdenarren kopfschüttelnd hinterher, winkte einem der neugierig herumstehenden Knechte und bat ihn die Koffer in das Haus zu tragen. 
Sie selbst aber ging in die große Gutsküche, wo die Köchin Martha hantierte, ließ sich auf einen Stuhl fallen und stöhnte: „Jetzt brauche ich einen Kaffee.“

 

Aufgeregt beobachtete Ulli wie der Fahrer des Transporters und sein Begleiter, die Ladeklappe herunter ließen und dann nach oben stiegen.
Die rotbraune Stute, die nun erschien war wunderschön, doch weigerte sie sich die Rampe hinunter zu gehen. Sie wieherte nervös und stemmte sich mit den Hufen fest und soviel die beiden Männer auch zerrten und zogen, sie ging keinen Schritt vorwärts.
Doch auf einmal wie durch Zauberhand schritt sie plötzlich los und stand wenig später brav und ruhig auf dem Hof, als hätte sie nicht gerade einen Zirkus veranstaltet.
Der neue Pferdeknecht Georg wollte nach dem Halfter greifen, aber Ullis Vater meinte:
Lass nur, ich bringe sie selbst in den Stall, sieh zu, dass alles vorbereitet ist.“
Dann wandte er sich an die Herumstehenden:
Geht wieder an eure Arbeit, es gibt nichts mehr sehen.“
Und die beiden Fahrer wies er an, sich im Büro das Geld zu holen und dann in der Gutsküche Brotzeit zu machen.
Grinsend verschwanden die beiden im Haus.
Von früheren Transporten wussten sie, dass auf Gut Linderhof das Trinkgeld, sowie die Verpflegung reichlich war.
Ulli aber folgte seinem Vater und Hadia in den Stall.
Kurz bevor er diesen betrat sah er sich noch einmal um und bemerkte einen Jungen, der den Transporter verließ und in dem Schuppen verschwand.

Die Sonne kitzelte Ulli an der Nase und er öffnete die Augen.
Vom unten drang bereits der alltägliche Lärm zu ihm herauf.
Er lief ans Fenster und sah hinunter.
Auf dem Hof herrschte wie immer das morgendliche Durcheinander.
Rufe erklangen, Stimmen schallten, dazwischen klang das Kichern der Mägde und das Klirren der Milcheimer.
Aus der Schmiede war das rhythmische Klopfen des Hammers zu hören und die Stallburschen Luk und Piet brachten gerade die Pferde aus dem Stall.
 
 

 
Auf dem Weg zu den Koppeln wurden sie von Harras, dem Hofhund überholt, der ein Kaninchen entdeckt hatte, das gerade gemütlich an einem Löwenzahn knabberte und als es den Hund sah in schnellen Sprüngen davon hoppelte.
Ulli reckte sich, konnte aber Hadia nirgendwo entdecken. Sie durfte noch nicht auf die Weide, weil sie sich erst eingewöhnen musste.
Der Junge lief ins Badezimmer, kleidete sich an und polterte die Treppe hinunter.
Die alte Martha sah ihm lächelnd entgegen.
Während Ulli seinen Kakao trank und die frisch gebackenen Rosinenbrötchen aß, erzählte er Martha aufgeregt von der Hochzeit und dem großen Bruder, den Bernd jetzt hatte.
Vorsorglich steckte er noch zwei Rosinenbrötchen für später in die Hosentaschen, bevor er über den Hof stromerte.
Doch als er Hadia im Stall besuchen wollte, scheuchte ihn Georg weg. Ulli verließ mit finsterem Gesicht den Stall.
Den neuen Pferdeknecht konnte er gar nicht leiden.
Als er sah, wie die Katze Minka im Heustadel verschwand, fiel ihm der Junge wieder ein, den er gestern gesehen hatte.
 
 

 
Ob er noch da war?
Ulli schlüpfte durch den Türspalt in den Schuppen, der erfüllt war mit dem Duft des frisch gemähten Heus.
Durch die schmutzige Scheibe des Fensters kroch ein Sonnenstrahl und Hunderte von kleinen Staubpartikelchen tanzten im Sonnenlicht.
Von dem fremden Jungen aber war nichts zu sehen.
Minka kam auf Ulli zu und schmiegte sich schmeichelnd an seine Beine, plötzlich spitzte sie ihre Ohren, drehte sich um und hüpfte auf den Heuhaufen.
Ein Kichern ertönte und ein brauner Kopf mit schwarzen Wuschelhaaren tauchte auf.
Der fremde Junge klopfte sich das Heu von der Kleidung und verneigte sich dann grinsend vor Ulli.
Guten Morgen, kleiner Sahib.“
Ich heiße Ulli und bin kein Sahib,“ kicherte dieser, der wusste, dass Sahib soviel wie Herr bedeutete.
Komm Ulli setzen dich zu mir, ich bin Ahmed.“
Der kleine Junge setzte sich und sah Ahmed neugierig an, dieser grinste und seine weißen Zähne blitzten in dem gebräunten Gesicht.
Du sicher wissen wollen, warum ich sein hier?“
Ulli nickte und der arabische Junge erzählte ihm nun, dass sein Onkel, der ihn nach dem Tod seiner Eltern aufgenommen hatte, Stallmeister bei Scheich Abdul war und dass Ahmed dabei war als Hatia geboren wurde und seitdem hatte sich zwischen ihm und der Stute eine große Freundschaft entwickelt.
Deshalb war er auch sehr traurig, als sie nach Deutschland verkauft wurde und hatte sich heimlich auf das Schiff geschlichen.
Aber macht dein Onkel sich denn keine Sorgen?“
Nein, er denken ich wäre bei meinem Freund Yusuf und er mich lassen, weil weiß wie traurig ich bin.“
Du kannst dich doch nicht immer verstecken?“
Ich wissen, aber ich muss auf Hatia aufpassen, Mann der Georg heißt sein sehr böse zu ihr und knuffen und treten wenn niemand sieht, ich aber habe gesehen. Auch trinken er heimlich aus Flasche, die sein in seiner Hosentasche, sehr böser Mann. Schlimm zu Pferden.“
Aber wenn du das Papa erzählst?“
Nein, ich noch ein paar Tage warten wollen,
Sahib Wellenbrink vielleicht nicht glauben, da ich erst gestern gekommen. Kleiner Freund Ulli mir versprechen, Ahmed nicht verraten werden?“
Ehrenwort!“ Sie hoben die Hände und klatschten ab.
Da fiel Ulli ein, dass er ja noch die beiden Rosinenbrötchen in der Hosentasche hatte.
Ahmed hatte sicher Hunger.
Dieser biss auch heißhungrig hinein und gestand mit verklärten Gesicht, dass er solche Köstlichkeit noch nie gegessen hatte.
Unsere Köchin Martha backt sie jeden Tag frisch, ich werde dir immer welche bringen und was du noch möchtest zum Essen.“
Schritte waren zu hören und knarrend öffnete sich die Tür des Schuppens.
Ahmed war plötzlich verschwunden, nur das angebissene Brötchen lag noch neben Ulli.
Luk, der Stallbursche stutzte, als er Ulli sah.
Vor wem versteckst du dich denn?“
Dann sah er das Brötchen und grinste. „Hast dir wohl eins von Marthas leckeren Rosinenbrötchen gemaust und wolltest es hier in Ruhe auf futtern. Keine Angst ich verrate dich nicht.“
Luk, beeile dich, es gibt noch mehr zu tun!“ hörte man die Stimme des Stallmeisters.
Alter Leuteschinder!“ brummte Luk, häufte aber doch schnell das Heu auf die Schubkarre, Ulli half ihm dabei.
Kaum war er draußen, tauchte Ahmeds Kopf aus dem Heu auf.
Er wird gleich wieder kommen,“ warnte Ulli.
Ich weiß,“ grinste Ahmed und biss in das Brötchen, dann deutete er auf die Leiter.
Ich werde gehen nach oben und still sein wie Maus.“
Ulli aber suchte den Garten auf und kletterte auf den Apfelbaum.
Denn hierher kam er immer, wenn er besonders viel zum Nachdenken hatte.
Beim Mittagessen meinte der Vater besorgt, dass Hadia so nervös sei.
Die Mutter tröstete: „ Sie ist doch noch nicht lange hier und hat eine weite Fahrt hinter sich, sie muss sich sicher erst eingewöhnen.“
Arthur nickte, aber man sah ihm an, dass er sich Sorgen machte.
Nach dem Essen ging die Mutter ins Büro und der Vater nach draußen.
Ulli wartete bis Martha sich in ihr, mit altmodischen Möbeln eingerichtetes, Zimmer zurück gezogen hatte, um einen Mittagsschlaf zu halten.
Dann holte er sich den kleinen Rucksack in seinem Zimmer und schlich in die Küche.
Ahmed hatte ihm gesagt, dass ihm sein Glaube verbiete Schweinefleisch zu essen, also ließ er die Wurst liegen und packte zwei Hähnchenkeulen, Käse und Butter ein.
In der Speisekammer holte er ein Glas mit Kompott und fand auch noch einige Rosinenbrötchen.
Aus der Schublade holte er noch Besteck und dann brachte er die Schätze zu seinem neuen Freund.
Mit Begeisterung machte sich Ahmed über das Essen her.
Die nächsten Tage versorgte Ulli seinen Freund.
Herr Wellenbrink zeigte sich immer noch besorgt, weil Hadia sich überhaupt nicht eingewöhnen konnte.
So rief er Scheich Abdul an.
Dieser war genauso erstaunt wie er und dann erzählte er ihm, dass der Neffe seines Stallmeisters verschwunden sei.
Als Herr Wellenbrink dies beim Essen erwähnte, bekam Ulli einen knallroten Kopf.
Zum Glück fiel es seinen Eltern nicht auf.
Später aber, als er Ahmed besuchte, erzählte er ihm, dass sein Verschwinden bemerkt worden sei.
Und sein Freund versprach ihm, noch heute mit seinem Vater zu sprechen.
Doch dazu sollte es nicht kommen, denn beinahe wäre ein großes Unglück geschehen.
Der Gutsherr hatte sich nun endlich entschlossen, Hadia auf die Koppel bringen zu lassen.
Der Pferdepfleger Georg führte das nervös tänzelnde Pferd aus dem Stall.
Wütend zog er immer wieder an der Kandare und fügte dem empfindlichen Maul damit große Schmerzen zu.
Hadia wieherte, riss sich los und stürmte davon, geradewegs auf Ulli zu, der eben aus dem Haus kam und vor Schreck erstarrt stehen blieb.
Herr Wellenbrink lief los, doch er war zu weit entfernt, um noch rechtzeitig eingreifen zu können.
Da aber stürzte Ahmed aus dem Schuppen und riss Ulli zu Boden.
Hadia donnerte an ihnen vorbei und blieb nach ein paar Metern mit zitternden Flanken stehen.
Keiner wagte sich an das Pferd heran.
Herr Wellenbrink kniete neben seinem Sohn und als er erleichtert bemerkte, dass er außer ein paar blauen Flecken und Abschürfungen keine Verletzungen davon getragen hatte, überließ er ihn seiner Mutter und trat zu Ahmed.
Dieser hatte inzwischen die Kandare gelockert und redet in arabischer Sprache beruhigend auf das Pferd ein.
Du bist Ahmed?“
Ja, Kandare war viel zu fest, Hadia Schmerzen, Mann böse!“
Arthur Wellenbrinks Gesicht verfinsterte sich.
Er wandte sich an Georg.
Pack deine Sachen, lass dir im Büro deinen Lohn auszahlen, du bist fristlos entlassen. Für Pferdeschinder ist auf Linderhof kein Platz.“
Der Pferdepfleger zog den Kopf ein und schlich davon. Manch schadenfroher Blick folgte ihm, denn er war nicht sonderlich beliebt.
Und du mein Junge kommst mit, ich denke du hast mir eine Menge zu erzählen.“
Einträchtig marschierten sie mit Hadia dem Stall zu.


Nur widerstrebend folgte Ulli seiner Mutter ins Haus, die ihn verarzten wollte.
Ungeduldig wartete er dann auf seinen Freund und seinen Vater.
Endlich betraten die beiden in eine angeregte Unterhaltung vertieft das Zimmer.
Frau Wellenbrink aber streckte Ahmed beide Hände entgegen.
Mein Junge, ich danke dir!“
Der junge Araber grinste.
Nichts besonderes getan, Ahmed liebt kleinen Freund.“
Ulli sah mit bangen Augen auf seinen Vater.
Dieser schmunzelte.
Wir haben eben mit Scheich Abdul und Ahmeds Onkel Raschid telefoniert.
Ahmed wird vorerst als Gast bei uns bleiben und sich persönlich um Hadia kümmern.
In einigen Wochen wird Raschid kommen und seine Papiere bringen, dann machen wir einen Lehrvertrag. Denn Ahmed wird auf Linderhof zum Stallmeister ausgebildet.“
Ulli jubelte, dann nahm er die Hand seines großen Freundes und zog ihn zur Küche.
Herr Wellenbrink schmunzelte.
Nun hat Ulli statt eines großen Bruders einen großen Freund bekommen.“
Die Eheleute sahen sich lächelnd an.
In einigen Monaten würde Ulli ein kleines Brüderchen oder Schwesterchen bekommen.
Dann war er der große Bruder!

© Lore Platz