Freitag, 28. Oktober 2022

Paulchen verlässt den Wald

 Hase, herrlich, Hof, hart, heimelig, das sind die heutigen Reizwörter

 Sicher wollt ihr wissen was Regina (Regina hat Verspätung, ihre Geschichte kommt wohl erst am Abend) und Martina dazu geschrieben haben

Viel Spaß beim Lesen!



Paulchen verlässt den Wald

 

Paulchen  schlenderte durch den Wald,  herrlich war es hier, so ruhig und es duftete auch so gut. Fröhlich pfeifend schritt er weiter und ließ die Augen umher schweifen. unter einem Baum entdeckte er Walderdbeeren. Als würden die roten Beeren ihn anlocken eilte er darauf zu und bückte sich.  

Ein Geräusch ertönte und eine Stimme rief: "Vorsicht!"  und er verspürte  einen Schlag im Rücken und purzelte ins Gras . Im selben Moment stürzte ein schwerer riesiger Ast vom Baum und begrub die Walderdbeeren unter sich.

 " Oje, das ist noch einmal gut gegangen." 

 


Der Kopf eines Eichhörnchen beugte sich über ihn.. Paulchen setzte sich auf. 

"Hast du mich umgeworfen" " Ja und gerade noch zur rechten Zeit, sonst wärst du zusammen mit den Erbeeren unter dem Stamm begraben." "Aber warum fiel der Stamm vom Baum?" 

" Hörst du die Stille?" " Ja, kein Vogel pfeift und du bist der erste Waldbewohner, dem ich bisher begegnet bin. Als wäre der Wald ausgestorben." "Nun das ist er auch, seit dem letzten Sturm ist es hier so gefährlich geworden, dass alle Tiere in den Gemeindewald ausgewandert sind. Dabei war es hier früher so heimelig, da kaum ein Mensch hierher kam."

" Ist der denn nicht gefährlich?" "Nein, der wird von Förster Hubertus gehegt, während dieser Wald einem alten Mann gehörte, der letztes Jahr verstarb ." 

" Und warum bist du geblieben?" "Ich wohne jetzt auch im Gemeindewald, aber hier habe ich noch viele Verstecke und inzwischen kenne ich alle sicheren Wege hier. Welch ein Glück, dass ich dich gesehen habe , als du gerade den Wald betreten hast. Ich bin wohl so etwas wie ein Schutzengel für dich." 

 


Paulchen grinste . "Haben Schutzengel nicht Flügel." "ha du sollst mal sehen wie ich von Baum zu Baum fliegen kann." 

Noch immer lachend machten sie sich auf den Weg nach draußer. Paulchen schloss einen Moment geblendet die Augen, als  er aus dem dunklen Wald auf die sonnenbeschienene Wiese trat., die einen Abhang hinunter führte. "Komm, wer zu erst unten ist" 

Das Eichkätzchen hüpfte in großen Sprüngen davon. Paulchen lachte übermütig ließ sich fallen und kugelte den Abhang hinunter. Fast gleichzeitg kamen sie unten an. 

 


Ein Jaghund lief über den Hof.  "Ach die rote freche Göre" 

Paulchen klopfte sich das Gras von seiner Hose und warf dem  Eichkätzchen einen verschmitzten Blick zu. "Jetzt  weiß ich endlich wie du heißt". 

"Ich heiße Fuchsia und nicht rote freche Göre. " Empört sah sie dem Hund an. Dieser grinste nur und wandte sich an den Bären.

 "Ich bin Harras,"  " und ich bin Paulchen, schön dich kennen zu lernen." Fuchsia machte nur."Pah." 

 


Harras hob den Kopf und schnüffelte. " "Da kommt der Bürgermeister,versteckt euch." Fuchsia sprang auf einen Baum, Paulchen schlüpfte hinter einen Busch und der Hund lief dem Bürgermeister entgegen, der gerade die Gartentür öffnete. Dieser kraulte ihn an den Ohren. 

"Grüaste Sepp," Der Förster kam aus dem Haus mit zwei Bierkrügen." Grüaste Franz, muss was mit dir bspreche." "sitz de hi." 

Der Bürgermesiter nahm einen tiefen Schluck aus dem Krug, wischte sich über den Mund und meinte. 

" Es gäht um unser Sorgenkind, den Holzinger Wald. Seit der alte Holzinger tot is, ist es gefährlich worn do drinna , wegen der Sturmschäden. des woast ja. Dös ganz Wild is jetzt in den Gemeindewald abgwanderr. Eiso ham ma de Erben gschriebm, ob sie den Woald an uns verkaufa won. Gestern ham ma an Vertrag gmacht, jetzt kert er da Gemeinde und foalt in deinen Breich." 

" Guat is, dann kem ma ja auframme bevor no woas passiert. Kummst mit eine, d Annamirl haoat a Brotzeit für uns gricht." 

Die beiden Männer verschwanden im Haus.

 


Harras raste den Zaun entlang vor dem schon seine beiden Freunde warteten. 

"Habt ihr alles gehört." "Ja ich habs auch gehört" ruft ein Stimmchen. 

Der Hund zog die Lefzen hoch und knurrte, als er den Hasen sah, der sich erschrocken duckte,

 "Gib nicht so an, du jagst dem Kleinen ja Angst ein, "rief Fuchsia empört und zu dem  Hasen gewandt. "Keine Angst, der tut nur so hart." 

Paulchen lachte. "Ich finde das prima, bald könnt ihr wieder zurück in euren Wald". Bdauernd sah er seine neuen Freunde an. "Ich muss nun aber weiter wandern"

Nach einem herzlichen Abschied, marschierte er fröhlich pfeifend davon.

(c) Lore Platz





Die Prophezeiung







Die Prophezeiung

Keuchend läuft ein Zwerg auf seinen kurzen stämmigen Beinen durch den Wald und ruft immer wieder:
Sie sind da, sie sind da, die gelben Drachen sind da!“
Ringsum wird es lebendig und Tiere, Pilzmännchen und Wurzelwichtel kommen aus dem Gebüsch.
Was ist los, was ist los?“
Kommt mit zum Versammlungsort!“
Die kleine Lichtung inmitten des Waldes füllt sich und der Zwerg klettert auf den großen Stein in der Mitte.
Einen Moment stützt er sich auf den Knien ab und atmet keuchend ein und aus, dann aber sieht er sich um und verkündet mit düsterer Stimme.
Ich habe sie gesehen, die gelben feuerspeienden Drachen, die das Orakel vor hundert Jahren prophezeit hat. Sie sind gekommen, um unser Land zu vernichten!“
 

 
 
Ach Unsinn!“ ruft eine Blaumeise, die sich mit den anderen Vögeln auf den Bäumen niedergelassen hat, „ das sind Baumaschinen, keine Drachen, ich habe solche Dinger schon in der Stadt gesehen!“
Trotzdem werden sie unser kleines Reich vernichten!“
Ein alter Mann mit langem weißem Haar betritt die Lichtung und ehrfürchtig machen die Versammelten ihm Platz.
Es ist der Zauberer Marlin, der schon viele hundert Jahr lebt und sehr weise und klug ist.
Es stimmt, die Drachen sind längst ausgestorben, aber den Menschen ist es gelungen ihre eigenen Drachen zu bauen. Es sind feuerspeiende Maschinen, die die Luft verpesten und viel zerstören können.

Der Enkel des Jungen, der vor hundert Jahren versprochen hat, dass er und seine Nachkommen unsere kleine Welt schützen werden, liegt im Sterben und sein Sohn ist bereits vor ihm ins andere Reich gewechselt.
Der Schwiegersohn des Sterbenden aber ist ein böser Mann und er hat mit dem Bürgermeister ausgehandelt eine große Straße hier zu bauen.“
Was sollen wir denn tun?“
Große Unruhe macht sich breit.
Wir müssen sie aufhalten! Wir könnten die Hexen zu Hilfe rufen!“
Der alte Zauberer lächelt traurig.
Und wenn wir alle zusammen unsere Zauberkräfte einsetzen, die Maschinen sind zu stark.“
Der Sohn des alten Mannes aber hatte eine Tochter!“ ruft eine kleine Elfe.
 
 

 
Der Zauberer sieht sie mit einem scharfen Blick an und erschrocken zieht sie ihr Köpfchen ein und das kleine Stückchen Apfel, das sie hält, fällt ihr aus der Hand.
Du kennst ein Menschenkind?“
Ja, sie heißt Elsbeth und ich traf sie einmal im Wald, als sie Beeren pflückte und seitdem sind wir Freundinnen.“
Das ist wunderbar, denn im Orakel heißt es auch, wenn in hundert Jahren noch ein Menschenkind mit einem Wesen aus unserer Welt befreundet ist, dann kann die Gefahr abgewendet werden. Flieg zu deiner Freundin Belablu, vielleicht kann sie uns helfen. Aber beeile dich, denn die Todesfee ist schon auf dem Weg zu dem alten Mann.“
Die Elfe schwirrt los und erreicht nach kurzer Zeit die schöne große Villa.
Da sie schon öfter ihre Freundin besucht hatte wusste sie, wo deren Zimmer lag.




Sie hat Glück, das Fenster ist offen und die kleine Elsbeth
sitzt auf ihrem Bett und weint bitterlich.
Belablu setzt sich auf ihre Schulter und spricht leise tröstende Worte in das Ohr des Mädchens.
Elsbeth wischt sich über die Augen und schnieft.
Wie schön, dass du gekommen bist, ich bin so furchtbar traurig, mein Opa wird sterben und dann bin ich ganz allein.“
Nein, ich bin doch auch noch da und außerdem du hast doch noch deine Tante Luise.“
Ja,sie ist nett, aber Onkel Willi ist ein Ekel und meine Tante fürchtet sich vor ihm und ist viel zu schwach sich gegen ihn zu wehren. Sobald Opa tot ist komme ich weit weg in ein Internat und dann können wir uns auch nicht mehr sehen.“
Das werden wir sowieso nicht mehr, wenn nicht ein Wunder geschieht.“
Und nun erzählt die kleine Elfe ihrer Freundin in welcher Gefahr das Reich der 'Kleinen Leute' schwebt.
Elsbeth springt so schnell auf, dass Belablu auf das Bett purzelt.
Kichernd folgt sie ihrer kleinen Freundin in das Schlafzimmer ihres Opas.
Der alte Mann liegt mit geschlossen Augen da und atmet leise.
Am Kopfende des Bettes steht die Todesfee, die aber nur Belablu sehen kann.
Elsbeth beugt sich über den Sterbenden und flüstert eindringlich:
Opa bitte wach auf, das Land der 'Kleinen Leute' ist in großer Gefahr, Onkel Willi möchte es dem Erdboden gleich machen und eine Straße bauen.“
Der alte Mann öffnet die Augen:
Was sagst du da?“ krächzt er mit schwacher Stimme.
Und nun erzählt ihm das Mädchen was es von der Elfe erfahren hat, auch dass Onkel Willi sie ins Internat stecken will.
Die Augen des Sterbenden blitzen auf und für einen Moment kehrt seine Kraft wieder.
Lauf Kind und hole Notar Baumgartner, die Suppe wollen wir ihm versalzen.“
Elsbeth springt auf und hätte beinahe ihre Tante umgerannt, die mit einer Tasse Tee das Zimmer betritt.
Während sich die müde und verhärmt aussehende Frau an das Bett ihres Vaters setzt, fliegt Belablu hinüber zu der Todesfee.
Du hast gehört, dass unser Reich in Gefahr ist, bitte warte noch.“
Seine Uhr ist abgelaufen, er muss jetzt gehen!“
Dann halte sie noch ein wenig an, bis er Vorsorge für uns getroffen hat.“
Die Todesfee sieht sie lange und ernst an, dann nickt sie.
Danke.“
Ein Mann betritt das Zimmer und blickt unwirsch auf das Bett.
Lebt der Alte immer noch!“
Wilhelm, wie kannst du nur so gemein sein, er ist mein Vater!“ ruft Luise entsetzt.
Ach was, ein alter Querkopf ist er, aber sobald er die Augen endlich geschlossen hat, werden wir mit dem Bau der Autobahn beginnen!“
Die Frau schlägt schluchzend beide Hände vors Gesicht.
Ja flenne nur, mehr kannst du ja doch nicht, das einzig gute an dir ist, dass du eine reiche Erbin bist!“
Der alte Mann hat die Augen geschlossen, nur das zucken der Lider und der zusammengepresste Mund zeigen, wie wütend er ist.
Als sein Schwiegersohn das Zimmer verlassen hat, öffnet er die Augen und seine Hand tastet nach der seiner Tochter und dann beginnt er leise und eindringlich auf sie einzureden.
Belablu aber folgt dem Mann.
Draußen im Hof steht der Bürgermeister.
Ist er tot?“
Nein, der Alte ist zäh wie Leder. Aber ich habe so ein komisches Gefühl, vorhin ist die Kleine an mir vorbei gelaufen. Sie werden uns doch im letzten Moment nicht noch einen Strich durch die Rechnung machen wollen.
Wir holen jetzt die Bauarbeiter und walzen alles nieder, dann können sie gar nichts mehr machen!“
Belablu erschrickt und schnell fliegt sie zu ihren Freunden in den Wald.
Diese freuen sich, als sie hören, dass der alte Mann ihnen helfen will, aber als die Elfe ihnen erzählt was Wilhelm vorhat, da sind sie betroffen.
Dann ist alles verloren, mein Zauber ist zu schwach gegen diese Monstermaschinen,“ murmelt der Zauberer niedergeschlagen.
Unsinn!“ ruft der Marder, der auf den Stein gesprungen ist, „ ich weiß, wie wir sie aufhalten können.“
Und was willst du dafür oder ist dein Rat völlig uneigennützig!“ ruft die Eule, die den Marder nicht leiden konnte.
 
 

 
Der Marder wirft ihr einen ärgerlichen Blick zu.
Ja, schließlich geht es auch um meine Heimat, du dummer Vogel!“
Hört auf mit dem Gezanke, wir haben wenig Zeit.“ grollt Marlin.
Der Marder berichtet ihnen nun wie man die Maschinen lahm legen kann, nämlich indem man die Gummischläuche einfach durchbiss.
Nun laufen sie alle zu der Wiese, auf der in einer Reihe mehrere große Baummaschinen standen.
Ratten, Mäuse, Eichhörnchen, Hasen und Marder schlüpften schnell unter die „Drachen“ und gerade noch rechtzeitig haben sie alle Schläuche beschädigt, bevor mehrere Autos auf die Lichtung fahren.
Während der Bürgermeister und Wilhelm mit zufriedenen Gesichtern da stehen, klettern die Arbeiter auf die Maschinen.
Ein mehrfaches kreischendes Geräusch ertönt, dann ist Stille.
Was ist los ! Macht endlich!“ brüllt Wilhelm.
Er springt nicht an, meiner auch nicht!“ rufen die Arbeiter und einer der Männer,der unter seinen Bulldozer geschaut hatte ruft:
Die Schläuche sind alle durchgebissen!“
In dem Moment fährt ein Auto vor und Notar Baumgartner, Luise und Elsbeth kommen auf die kleine Gruppe zu.
Was tun sie hier, sie sind widerrechtlich auf fremden Land.“
Unsinn, das Land gehört mir, sobald der alte Mann tot ist,“ prahlt Wilhelm.
Da täuscht du dich, mein lieber Mann,“ sagt Luise spöttisch, „bevor Vater starb, hat er alles Elsbeth hinterlassen und ich bin einverstanden damit.“
Sie streckt die Hand aus und der Notar gibt ihr einen Briefumschlag.
Mit einem traurigen Lächeln betrachtet sie diesen, dann sagt sie leise, während sie ihrem Mann in die Augen sieht.
Ich habe es nie geschafft, mich von dir zu trennen, denn ich fürchtete einsam zu sein, doch inzwischen habe ich erkannt, einsamer, als mit dir zusammen kann ich gar nicht werden. Mein Vater hat mir eine monatliche Rente ausgesetzt und lebenslanges Wohnrecht in der Villa, aber nur unter der Bedingung, dass ich mich von dir scheiden lassen.“
Sie drückt ihm die Scheidungspapiere in die Hand und wendet sich ab.
Das wirst du bereuen!“ knirscht Wilhelm und stapft zu seinem Auto.
Der Bürgermeister und die Arbeiter haben sich inzwischen längst verdrückt.
Elsbeth aber ist zu ihren kleinen Freunden gelaufen und jubelnd wird sie umringt.




Immer wieder danken sie ihr und das Mädchen erklärt ihnen, dass sie niemals wieder Angst haben müssen und verspricht sie recht oft zu besuchen.
Marlin aber verspricht, dass alle zur Beerdigung ihres Großvaters kommen werden, natürlich wird nur Elsbeth sie sehen können.
Viele Menschen begleiten den allseits geachteten Mann auf seinem letzten Weg.
Und als Elsbeth an ihre Tante geschmiegt am offenen Grab ihres Opas steht, sieht sie auch die 'Kleinen Leute', die ihr aufmunternd zulächeln und sie fühlt sich getröstet in ihrem großen Kummer.
Der Bürgermeister aber fühlt sich nicht wohl in seiner Haut.
Denn wenn er die schadenfrohen Blicke sieht, die ihm gelten, dann weiß er:
' Die nächste Wahl wird er nicht gewinnen'

© Lore Platz


 
 

Dienstag, 25. Oktober 2022

Reise in die Vergangenheit

Mein liebstes Unterrichtsfach war Geschichte. 
Es hat mich fasziniert, wie die Menschen früher lebten und auch wie Erfinder obwohl sie oft verlacht wurden, trotzdem weitermachten.
Ich weiß noch wie ich mich freute, als wir in der Schule lernten, dass Robert Koch den Tuberkulosebazillus entdeckte.
Obwohl ich heute weiß, sobald eine Krankheit besiegt ist, eine neue auftaucht.
Das Leben ist ein ewiger Kreislauf.

Helmut Kohl der studierter Historiker war, sagt einmal:

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.

Heute will ich euch  mitnehmen ins Mittelalter. Als ich für diese Geschichte im Internet recherchierte wurde erwähnt, dass auf einem Markt auch ein Kamel mal zu bestaunen war.
Das habe ich in diese Geschichte mit eingebaut.
Viel Spaß beim lesen!

 
(c)  meine Tochter

Reise in die Vergangenheit


Sebastian sitzt neben seinem Freund Rudi in der Schulbank und sieht angestrengt nach vorne.
Frau Kebinger erzählt über das Mittelalter und wie die Menschen damals lebten. Recht anschaulich schildert sie gerade einen mittelalterlichen Markt.
Und Sebastian denkt, was für ein tolles Erlebnis das doch wäre so einen Markt zu besuchen. Oh ja, das würde ihn schon reizen!
Doch ihm fällt es schwer sich zu konzentrieren.
Sein Hals schmerzt, seine Ohren sausen und sein Kopf fühlt sich an wie Gummi.
Hatschi!
Gesundheit!“ ruft die ganze Klasse und auch die Lehrerin schmunzelt.
Doch dann wird ihr Blick ernst und mit drei langen Schritten ist sie bei dem Jungen und legt ihm die Hand auf die Stirn.
Du glühst ja vor Fieber! Rudi begleite Sebastian in das Sekretariat. Frau Hagemann soll seine Mutter anrufen!“
Kurze Zeit später liegt Sebastian zu Hause im Bett, Doktor Waller beugt sich über ihn und der Junge muss bittere Medizin schlucken.
Viel trinken und schlafen,“ hört er noch, dann fallen ihm schon die Augen zu.


Laut gähnend reckte Sebastian beide Arme, öffnete die Augen und staunte.
Er lag auf einem Strohsack in einem kleinen Raum.
In der Mitte war eine Feuerstelle und der Rauch kroch wie eine Schlange nach oben und verschwand durch das Dach.
Ein Tisch und grob gezimmerte Stühle nahmen die Hälfte des Zimmers ein und in der Ecke stand eine große Truhe.
Seine Mutter kam aus einem Nebenraum, aus dem das Muhen einer Kuh und das Grunzen von Schweinen drang.
Guten Morgen, du Faulpelz, nun aber geschwind, treib die Kuh auf die Weide, bring die Schweine in den Pferch, Futter habe ich dir schon vorbereitet. Dann gehst du mit den Gänsen auf die obere Wiese.
Vater ist schon längst auf dem Feld und du weißt, er sieht es gar nicht gern, wenn du so lange schläfst.“
Seufzend kroch Sebastian unter der Felldecke hervor, ging in den Hof und steckte den Kopf unter die Pumpe.
Das kalte Wasser vertrieb den letzten Rest Schlaf und er lief in den Stall.
Er gab der Kuh einen Klaps auf das Hinterteil und sie trottete los. Nachdem er das Gatter der Weide geschlossen hatte, rannte er zurück und trieb die Schweine in den Pferch.
Grunzend und schmatzend stürzten sich diese auf den Trog in den er den Eimer mit Essensresten kippte.
Seine Mutter kam aus dem Haus und reichte ihm einen Lederbeutel mit seinem Frühstück.
Vergnügt pfeifend hängte er sich die Tasche um, riss von einem Busch eine Gerte und öffnete die Tür des Schuppens.
Schnatternd und mit hoch erhobenen Köpfen watschelten die zehn Gänse auf den Hof und Sebastian trieb sie mit der Rute wedelnd vor sich her, den Hang hinauf.
Da er Hunger hat setzte er sich unter einen Baum und biss mit kräftigen Zähnen in den harten Kanten Brot und das Stück Käse, während die Gänse schnatternd und nach
Futter suchend sich auf der Wiese tummelten.
Bäuchlings vor dem kleinen Bach liegend schlürfte er das klare Wasser.
Dann legte er sich ins Gras und guckte in die Wolken.
Er liebte die Stunden am Vormittag, wenn er nur auf die Gänse aufpasste, denn am Nachmittag musste er dann mit dem Vater aufs Feld.
Lautes Bellen war zu hören und die Gänse schnatterten aufgeregt.
Grinsend setzte der Junge sich auf und blickte seinem Freund Rudi und dessen Hund Wolf entgegen.
Der Hund erreichte ihn als erster und begrüßte ihn stürmisch.
Rudi ließ sich neben ihm ins Gras fallen. Rudi war der Sohn des reichen Bürgermeisters und konnte den ganzen Tag durch die Gegend stromern. Er musste nicht mitarbeiten, denn seine Eltern konnten sich Knechte und Mägde leisten. Auch hatte er einen Hauslehrer, der ihm Lesen und Schreiben beibrachte.
Hast du heute keinen Unterricht?“
Rudi grinste.
Mein Lehrer muss heute in der Amtstube helfen.
Stell dir vor ein Ritter ist im Dorf. Er kommt aus dem Morgenland und hat ein gar seltsames Tier dabei, das ein Mann führt, der komisch gekleidet und im Gesicht ganz schwarz ist.
Das kommt von der heißen Sonne im Morgenland.“
Ach das würde ich gerne sehen,“ rief Sebastian voller Sehnsucht.
Rudi sprang auf. „Das kannst du doch, sie wollen das Tier auf dem Markt zeigen. Wenn wir den Weg über den Hang nehmen sind wir in einer Viertelstunde im Dorf!“
Aber die Gänse?“
Rudi winkte ab. „Wolf passt auf sie auf!“
Der Hund, der seinen Namen hörte, sprang
schwanzwedelnd hoch.
Rudi sah ihn ernst an und hob den Finger.
Wolf du passt auf die Gänse auf!“
Der Hund bellte kurz und legte sich wieder nieder.
Als hätte er verstanden was sein Herrchen wollte, ließ er das Federvieh nicht mehr aus den Augen.
Beruhigt lief Sebastian neben seinem Freund den Hang hinunter, denn er weiß, dass Wolf ein guter Wachhund ist.
Etwas atemlos kamen sie auf dem Markt an.
Das Gackern der Hühner und Schnattern der Gänse, die in Käfigen auf dem Boden neben einem Eselskarren standen vermischten sich mit dem Lärmen der Marktschreier, die mit derben Sprüchen ihre Ware anpriesen.
Der Gesang des Bänkelsängers ging dabei fast unter und man musste ihm schon ziemlich nahe sein, um seine in Reim gefassten schaurigen Lieder zu verstehen.
Beim Refrain sangen die Umstehenden lautstark mit.
Auch Sebastian und Rudi blieben eine Weile stehen und betrachteten schaudernd die grausigen Bilder, die der bunt gekleidete Sänger bei jeder Strophe zeigte.
Doch dann zogen sie weiter an Ständen mit Gemüse, Brot, Eiern, Fisch, Geschirr und Kleidern vorbei.
Sogar vergoldete Marienstatuen gab es zu sehen.
An einem Stand kaufte Rudi für sie beide einen der leckeren kleine Honigkuchen und während sie genussvoll das klebrige Gebäck verspeisten, sahen sie den Gauklern und Jongleuren zu.
Das Plärren eines Quacksalbers zog sie in ihren Bann, der während er mit einem Stößel in einer Schale Kräuter zermalmte, seine Wundersalbe anpries.
Doch dann zog Rudi seinen Freund weiter, denn er hatte das seltsame Tier entdeckt.
Und wenig später standen sie staunend vor dem goldbraunen Tier, das ein Mann mit einem breiten Grinsen und rabenschwarzen Gesicht an einer Leine hielt.
Mit offenem Mund starrte Sebastian das komische Tier an.
Auf einem Hals, der wie eine Schlange geformt war befand sich ein kleiner Kopf der spitz nach vorne lief.
Auf seinem Rücken saßen zwei Berge, durch ein tiefes Tal getrennt, die bei jeder Bewegung etwas wackelten.
Das Tier stand mit hoch erhobenem Kopf da und blickte arrogant auf die ihn umgebende Menge.
Der dunkle Mann, der ein seltsam geformtes Tuch auf dem Kopf trug, fragte nun mit einem breiten Grinsen und in gebrochenem Deutsch, ob jemand Lust hätte auf dem Kamel zu reiten, doch niemand traute sich.
Da schwang er sich selber hinauf und verließ den Markt von den johlenden Kindern begleitet.
Sebastian hielt Rudi zurück, denn eben hatte die Turmuhr elf Uhr geschlagen.
Die beiden wollten gerade den Markt verlassen, da sahen sie Lisa, die auch das Tier sehen wollte und Sebastian stellte ihr ein Bein.
Das Mädchen stürzte und heulte los und die Jungen lachten aus vollem Hals.
Da wurden sie plötzlich an den Ohren gepackt und ein Ritter in einem Kettenhemd und einem großen Schwert an der Seite, musterte sie finster.
Junge Herren, das war nicht sehr ritterlich von euch, wisst ihr nicht, die größte Tugend eines Ritters ist es, die Damen zu schützen, zu ehren und vor Gefahren zu bewahren.“
Er reichte Lisa seine Hand und zog sie hoch, dann hielt er ihr ein sauberes weißes Taschentuch, in das ein Monogramm gestickt war, hin.
Trocknet euch die Tränen, holde Maid, das Tuch dürft ihr behalten und ihr...“ wandte er sich an die Buben, die mit betretenem Gesicht zu Boden starrten.
Werdet euch jetzt bei dieser jungen Dame entschuldigen und wehe, ihr tut ihr noch einmal etwas zuleide, dann komme ich über euch.“
Sebastian und Rudi murmelten eine Entschuldigung.
Lisa streifte sie nur mit einem verächtlichen Blick, dem Ritter aber schenkte sie ein strahlendes Lächeln und lief davon.
Der Ritter schmunzelte und gab den beiden einen Klaps auf den Kopf, dann schritt er Sporenklirrend zu seinem Pferd.
Die Jungen aber verließen still und beschämt den Marktplatz.
Bevor sie sich trennten, schworen sie, das Abenteuer zu verschweigen.

Das Fieber ist gesunken, er ist über den Berg,“ hört Sebastian eine Stimme und öffnet die Augen. Seine Mutter beugt sich über ihn und Tränen rinnen aus ihren Augen.
Das blasse sorgenvolle Gesicht seines Vaters erscheint hinter ihr und auch das vergnügte Gesicht von Doktor Waller.
Ich hab Hunger!“
Dröhnend lacht der Arzt: „Na geben sie ihm mal eine kräftige Hühnerbrühe und später etwas Grießbrei!“
Eine Woche später darf Sebastian wieder zur Schule gehen und wird begeistert von seinen Mitschülerin umringt.
Etwas abseits steht Lisa, die von Sebastian immer nur geärgerte wurde.
Der Junge bahnt sich einen Weg zu ihr und streckt dem Mädchen die Hand hin.
Guten Tag, Lisa, es tut mir leid, dass ich dich immer an den Zöpfen ziehe, oder ein Bein stelle.
In Zukunft werde ich mich wie ein echter Ritter benehmen.“
Lisa starrt ihn an, dann prustet sie los.
Du spinnst! Das Fieber ist dir wohl nicht bekommen!“
Alle lachen!

© Lore Platz




Montag, 24. Oktober 2022

Der Plan Gottes

 

Gerade in schlechten Zeiten stellt man sich die Frage:" Gott warum lässt du das zu"Hinter mir liegt ein langes Leben und sehr oft war es nie leicht, ich wurde  betrogen, verletzt oder es ging so oft etwas schief, dann kam ich auch oft ins zweifeln an Gott, obwohl ich ein gläubiger Mensch bin. Heute wenn ich zurück blicke , fällt mir auf, das alles seinen Sinn hatte. Die Stürme die mein Lebensschiff bedrohten, die Richtung und Umwege die es immer wieder ändern musste haben mich am Ende doch zu dem Leben geführt das mir bestimmt war, 

Viel Spaß beim Lesen!





Die alte Frau lag in dem weißen Krankenbett und sah aus dem Fenster. Die Sonne schien und hatte den letzten Schnee zum Schmelzen gebracht. Seufzend betrachtete sie ihr Bein, das in einem Gips in einer Schlinge hing. Leichtsinnig war sie gewesen, als sie in Pantoffeln zur Mülltonne lief. Auf einmal lag sie da, und ihr Bein lag in einem schiefen Winkel. Eine schmerzvolle Erfahrung.

Es kopfte und ein fröhliches junges Mädchen trat ein, küsste sie, holte sich einen Stuhl und setzte sich neben das Bett. "Oma, was machst du denn für Sachen?" " Naja, war zu faul um extra in die Schuhe zu schlüpfen. Hatte Glück im Unglück, hätte mir ja auch die Hüfte brechen können, da habe ich mir aber nur einige blaue Flecken geholt." Tina schüttelte den Kopf, "Oma, für dich ist das Glas immer halbvoll."  

Doch dann runzelte das Mädchen die Stirn und meinte vorwurfsvoll: " Warum habt ihr mich denn nicht verständigt?"  " Du stecktst doch jetzt mitten in den Prüfungen, woher weißt du überhaupt davon." "Von Andreas, er arbeitet doch zur Zeit in München als Assistenzarzt und wenn er frei hat besucht er mich und frägt mich ab." 

Die Oma schmunzelte und Tina wurde ein wenig rot. Hastig sprang sie auf. "Ich muss dann auch gleich wieder los, wann darfst du denn nach Hause. " Ende nächster Woche, wenn die Heilung gut voran schreitet." " Prima, dann beginnen ja die Semsterferien und ich kann dich gesund pflegen." sie beugte sich nieder und drückte einen kräftigen Schmatz auf die Wange der alten Frau und verschwand fröhlich winkend.

Die alte Frau lehnte sich ihn ihr Kissen und ihre Gedanken wandern 25 Jahre zurück. Damals war ihr Sohn Richard freudestrahlend aus München gekommen und hatte ihnen stolz sein Diplom als Ingenieur präsentiert. Eine Flasche Sekt hatten sie geköpft und auf seinen Erfolg angestoßen, dabei hatte er ihnen  auch noch seinen Arbeitsvertrag bei einer großen Maschinenfabrik gezeigt. 

Einige Monate später hatte er Isabella mitgebracht und sie als seine Braut vorgestellt. Sie war die Tochter seines Chefs. Obwohl das Mädchen freundlich und liebenswürdig war, hatte sie kein gutes Gefühl. Und auch ihrem Mann Emeran ging es so. Doch Hauptsache der Junge war glücklich und als die kleine Tina zur Welt war er sogar überglücklich. 

Und dann geschah das große Unglück. Ein Heizkessel in der Fabrik explodierte und fünf Mitarbeiter starben, darunter auch Richard, die kleine Tina war gerade zwei Jahre alt.

Für sie und Emeran brach eine Welt zusammen. Sie bgeriffen nicht warum ihr einziger Sohn so früh sterben musste.  Pfarrer Gietl meinte, manchmal begreife man nicht wenn etwas schreckliches passierte, dass Gott dies zugelassen hat, doch Gott hat immer einen Plan. Da hatte sie den Geistlichen angeschrien, was das denn für ein Plan sein sollte, dass Gott ihren einzigen Sohn so früh sterben ließ. Und sie war ohne Mantel hinaus in den strömenden Regen gestürzt, zum Friedhof gelaufen und auf dem Grab ihres Sohnen weinend zusammengebrochen.

Emeran hatte sie nach Hause geholt, danach war sie sehr krank geworden und eines Nachts sah sie in ihren wirren Fieberträumen ihren Sohn Richard. Er blickte sie mit ernsten Augen an und sagte: "Mama deine Zeit ist noch nicht gekommen, willst du Papa denn ganz alleine lassen und eines Tages wird die Zeit kommen, da Tina dich braucht."  Von da an war es aufwärts mit ihr gegangen und sie wurde wieder gesund. Später wusste sie nicht, ob sie wirklich von ihrem Sohn geträumt hatte, aber der Satz: `Tina wird dich brauchen` , kam ihr immer wieder in den Sinn.

Doch zunächst sah es nicht so aus. sie hörten weder von Isabell noch von Tina etwas. An ihrem vierten Geburtstag zündete sie in der Kirche  eine Kerze für ihre Enkelin an. Kurz darauf, es war ein schöner Sommertag und sie saßen draußen vor ihrem Häuschen auf der Bank, hielt ein roter Sportwagen vor ihrem Haus. Ein junger Mann sprang heraus und stellte einige Koffer und Kartons auf die Straße, während ihre Schwiegertochter, das Kind hinter sich herziehend, auf sie zukam. " Hier ihr könnt euer Enkelkind haben , ich will wieder heiraten und uns ist das Balg nur ein Klotz am Bein." Sie deutete auf die Straße: " Das ist ihr ganzer Besitz, euer Sohn war ein armer Schlucker, als ich ihn geheiratet habe, dem Kind steht also nichts zu." Sie drehte sich um und Tina stand da mit hängenden Armen und sah ihr nach.

Die ersten Wochen waren schwer für alle drei, doch durch ihre Freunde, den Landarzt Pankratz und seiner Familie und den Lehrer Rudolf und dessen Familie, taute Tina langsam auf. Besonders der siebenjährige Andreas, der Sohn von Pankratz hatte sich sofort zum Beschützer des kleinen schüchternen Mädchens berufen gefühlt.

Die alte Frau schmunzelte. Und nun schien aus dieser Kinderfreundschaft Liebe zu werden, einen besser Mann konnte sie sich für ihre Tina nicht denken.

Isabell hatten sie nie mehr gesehen. Vor einigen Jahren hörten sie, sie wäre zum dritten Mal geschieden und gondle in der Weltgeschichte herum. Sie hatte kein Mitleid mit ihr, denn ihre Schweigertochter hatte sich ja für dieses Lebn entschieden.

Damals hatte sie Gotte Plan verstanden. Früher oder später hätte Richard den schlechten Charakter seiner Frau entdeckt und da ihm das Sakrament der Ehe heilig war, hätte er nie in eine Scheidung eingestimmt. Isabell hätte ihm das Leben zur Hölle gemacht und in dieser vergifteten Atmosphäre hätte sich Tina nicht zu diesem fröhlichen unbeschwerten Mädchen entwickeln können.

Die Tür des Krankenzimmers öffnete und sich Schwester Babette rief fröhlich: "Abendessen Frau Brunntaler!"


(c) Lore Platz









 

Freitag, 21. Oktober 2022

Und plötzlich ist man Oma

Mit der heutigen Geschichte wünsche ich euch ein schönes Wochenende.
Viel Spaß beim Lesen!


(c) Elli M.



Und plötzlich ist man Oma


Luise Brunner band sich die Schürze um das Dirndl und schaute in den Spiegel.
Müde Augen sahen ihr entgegen, wie so oft in den vergangenen zehn Jahren war sie lange wach gelegen und hatte sich dann immer wieder schlaflos herum gewälzt.
Und wenn sie dann schlief, dann kam es ihr vor als wären es nur Sekunden gewesen.
Vor zwölf Jahren hatte ihr einziger Sohn nach einem bitterbösen Streit mit ihrem Mann den Hof verlassen.
Bertl war dahinter gekommen, dass Andreas statt Landwirtschaft Medizin studierte, weil er unbedingt Arzt werden wollte.
Sein Vater hatte ihn vor die Wahl gestellt, Landwirt oder Medizin.
Die beiden Hitzköpfe hatten sich angeschrien und ein Wort gab das andere und dann hatte Andreas seinen Rucksack gepackt und war gegangen.
Zwei Jahre hatte sie ihm Geld fürs Studium geschickt, denn Bertl hatte die Unterstützung für seinen Sohn eingestellt.
Doch dann war ihr Mann dahinter gekommen und es hatte einen fürchterlichen Krach gegeben und er hatte ihr die Vollmacht für das Konto entzogen.
Seitdem hatte sie auch nichts mehr von ihrem Jungen gehört.
Seufzend wendete sie sich um und ging die knarrenden Holzstufen hinunter.
(c) Helge T.


Aus der Küche klang das Klappern von Geschirr und das Lachen der Mägde.
Luise setzte ein Lächeln auf und trat mit einem Gruß ein.
Guten Morgen,“ klang es fröhlich zurück und Kathi, die
Jungmagd brachte ihr eine Tasse dampfend heißen Kaffee.
Die alte Theres brockte Brot in ihr Haferl Kaffee und warf
unter ihren buschigen Augenbrauen einen prüfenden Blick zur Bäuerin.
Sie bemerkte als einzige die müden traurigen Augen.
Theres war schon über achtzig und war schon auf dem Hof, als der Bauer noch in den Windeln lag, und durfte sich mehr erlauben als manch andere und sie hatte dem Bertl damals ordentlich die Meinung gesagt, als er den Buben vom Hof jagte, aber genutzt hatte es auch nichts.
Sture Dickschädel sind sie eben alle Beide.
Der Bauer kam in die Küche, brummte einen kurzen Gruß und ließ sich auf seinem Platz nieder.
Kathi brachte auch ihm ein Haferl Kaffee.
Während Bertl sich reichlich von der Erdbeermarmelade auf sein Butterbrot schmierte warf er einen besorgten Blick zu seiner Frau.
Er hatte mitbekommen, dass sie sich wieder ruhelos im Bett gewälzt hatte und wie so oft hatte er ein schlechtes Gewissen.
Es tat ihm doch auch schon leid, die Sache mit dem Buben und er hätte es gerne ungeschehen gemacht, denn der Andi fehlte ihm, aber er wusste nicht wie.
Er war halt so ungeschickt, wenn es um Gefühle ging.
Deshalb sagte er barscher, als er wollte.
Luise, die Selma wird bald kalben, behalte sie ein wenig im Auge und ruf den Tierarzt, wenn etwas sein sollt. Das letzte Mal hat sie sich auch so schwer getan.
Ich bin mit dem Loisl und dem Xaver auf der oberen Wiese, da kann man net mit'm Mähdrescher hin, müssen also mit der Sense mähen.
Und du Kathi, nachher wenn' st im Stall fertig bist, kimst aufi und hilfst beim zsamm recha. Und Alma du bringst die Kühe auf die Weide.“

 
(c) Werner B.
Er verließ die Küche.
Luise folgte den Mägden in den Stall.
Während Kathi die Melkmaschine säuberte, ließ Alma die Tiere aus der Box und trieb sie den Gang entlang ins Freie.
Luise aber ging zu Selma, die mit müden Augen in ihrem Pferch stand.
Nicht wahr es ist schon ein Kreuz mit den Kindern. Schmerzen hat man bis sie auf der Welt sind und dann machen sie einem immer wieder mal Sorgen und Kummer.“
Später ging Luise in den großen Gemüsegarten.
Sie kniete nieder, um das Unkraut zu rupfen.
Grüß Gott!“
Die Frau sah auf und sah ein kleines etwa vierjähriges Mädel am Zaun.
Grüß Gott,“ antwortete sie freundlich.
Was machst du da?“
Ich rupfe Unkraut.“
Warum?“
Damit das Gemüse mehr Platz zum Wachsen hat.“
Darf ich dir helfen?“
Gerne, komm nur rein, dort vorne ist die Tür.“
Bald knieten die beiden einträchtig nebeneinander und rupften das Unkraut aus der Erde.
Dabei stand das Mündchen der Kleinen keinen Moment still.
Und so erfuhr Luise, dass sie Fiona hieß, aber jeder sie nur Pünktchen rief, wegen ihrer Sommersprossen.
Dass sie bei Doktor Bauer wohnten und ihr Papa aber noch in Berlin sei, weil er seinen Vertrag noch einhalten müsse.
Aber in einigen Wochen würde er dann nachkommen und dann blieben sie immer hier.
Ein weißer Spitz kam bellend an den Zaun, ihm folgte ein etwa achtjähriger Junge.
Pünktchen sprang auf
(c) Roswitha, B.

Das ist Flocke und mein Bruder Tobias.“
Pünktchen,“ schimpfte der Junge, „ du sollst doch nicht allein losgehen, wenn du dich nun verirrst?“
Quatsch!“
Das Mädchen deutete mit dem Finger auf den Kirchturm.
Ich gehe immer in Richtung Kirche und nicht weit davon ist dann das Haus von Onkel Pankratz.“
Willst du herein kommen? Wir wollten gerade eine Pause machen. Es gibt Kirchweihnudeln.“
Wat it dat?“
Du sollst doch nicht berlinern,“ schimpfte Pünktchen ihren Bruder.
Luise aber lachte und meinte: „Kirchweihnudeln sind so ähnlich wie Berliner.“
Bald saßen sie alle in der Küche bei Kakao und dem Schmalzgebäck.
Luise hörte amüsiert dem Geplänkel der Kinder zu und stellte erstaunt fest, dass sie so viel wie heute die vergangenen zehn Jahre nicht mehr gelacht hatte.
Später brachte sie die Kinder hinaus und winkte ihnen noch lange nach.
Als sie ins Haus zurück kehrte wurde sie von der alten Theres, die auf der Bank in der Sonne saß, aufgehalten.
Die Kinder gefallen dir wohl?“
Ja,“ Luise lächelte versonnen,“ weißt, es ist seltsam, aber mir ist, als würde ich sie schon immer kennen.“
Das ist die Stimme des Blutes,“brummte die alte Magd.
Sie klopfte auf den Platz neben sich.
Setz dich zu mir, ich muss mit dir reden.“
Und nun erfuhr Luise, dass Andreas seinen Doktor gemacht und als Internist in der Charité in Berlin arbeitete.
Dort hat er auch sein Frau Friedel kennen gelernt, die als Krankenschwester ebenfalls dort tätig war.
Aber warum hat er nie mehr geschrieben?“ klagte Luise.
Weil er dir keinen neuen Ärger mit dem Vater bereiten wollte, deshalb hat er sich an mich gewandt und wollte i
immer wissen wie es euch geht.“
Und warum hast du mir nicht gesagt, dass ich zwei Enkelkinder habe?“
Das hätte dich doch nur noch trauriger gemacht und gegen den Bertl hast du dich doch noch nie durchsetzen können.“
Luise sah still vor sich hin. Dann straffte sie die Schultern und eilte los.
Wohin willst' denn?“
Zum Doktorhaus!“
Theres schmunzelte.
Wird Zeit Bäuerin, dass du mal Rückgrat zeigst.“
Eine hübsche junge Frau öffnete auf ihr Klingeln.
Der Herr Doktor ist nicht da, er macht gerade einen Hausbesuch.“
Ich will auch nicht zum Pankratz, sondern zu dir. Ich bin die Alpenhofbäuerin.“
Die junge Frau errötete leicht und meinte verlegen.
Ich weiß, wollen sie herein kommen?“
Gern, aber wir sagen uns gleich du, nicht wahr.“
Friedel lächelte, „ willst du einen Kaffee?“
Luise folgt der jungen Frau in die große geräumige Küche und während sie sich den Kaffee schmecken ließen, stellte sie viele Fragen, die Friedel bereitwillig beantwortete.
Bald war es als würden sie sich schon ewig kennen.
Die Tür ging auf und die Kinder und hinter ihnen Pankratz kamen in die Küche.
Hm hier duftete es nach Kaffee.“
 Zufrieden ließ er sich von Friedel eine Tasse einschenken.
Weißt Luise, seit die Friedel hier ist geht es mir gut, die verwöhnt mich und kochen kann die.“
Er küsste seine Fingerspitzen und alle lachten.
Und wenn erst der Andreas da ist, dann hab ich auch Hilfe in der Praxis und später wird der Bub sie dann ganz übernehmen. Aber vorher gibt es wohl noch einiges zu machen, hier wie auch anderswo.“
Er zwinkerte Luise zu.
Pünktchen die sich an ihr Knie geschmiegt hatte fragt nun:
Tante Luise bleibst du zum Abendessen?“
Prima, es jibt Buletten, di magst sicher und Mama macht so nee große, da wirste kieken.“
Tobias, du sollst doch nicht berlinern!“ riefen Friedel und Pünktchen.
Pankratz aber lachte.
Luise hast du alles verstanden? Er meint Fleischpflanzerl riesig große und du wirst staunen.“
Ich habe ihn schon verstanden.“ 
Liebevoll strich sie dem Jungen über das Haar.
Nach dem Abendessen brachte Luise zusammen mit Friedel die Kinder ins Bett, dann setzten sich die drei Erwachsenen mit einem Glas Rotwein zusammen und überlegten wie sie den Bertl auf Andreas Rückkehr vorbereiten sollten.
Schließlich kamen sie überein, dass es wohl am besten wäre es über die Kinder zu versuchen.
Da sowieso der Maler kam, um die Zimmer zu renovieren, wäre das eine gute Ausrede, wenn Luise sich in der Zeit um die Kinder kümmerte.
Es war schon zehn Uhr, als Luise sich auf den Heimweg machte.
Sie fühlte sich so glücklich und beschwingt, wie schon lange nicht mehr.
Bertl war noch wach, als sie in die Schlafstube trat.
Wo warst du denn so lange?“
Beim Pankratz!“
Fehlt dir was?“
Nein jetzt nimmer!“
Luise legte ihre Kleider ordentlich auf den Stuhl, schlüpfte ins Bett und war gleich darauf eingeschlafen.
Bertl aber lag noch lange wach und grübelte über seine Frau, die ihm heute so verändert vorkam, nach.
Wie staunte er aber als er wach wurde und Luise leise summend aus dem Bad kam.

Diese hatte wunderbar geschlafen wie schon lange nicht
mehr und während sie ihre lange Haare flocht und zu einem Knoten am Hinterknopf zusammen rollte, meinte sie.
Heute geh ich zum Frisör und lass mir die Haare schneiden, die machen viel zu viel Arbeit.“
Nein, du weißt doch wie sehr ich deine langen Haare liebe, das erlaube ich nicht!“
Luise schenkte ihrem Mann ein strahlendes Lächeln.
Mich stören sie aber schon lange und deshalb müssen sie ab!“
Vergnügt summend verließ sie die Schlafstube und betrat die Küche mit einem Scherzwort.
Die Mägde starrten sie erstaunt an und Theres kicherte vor sich hin.
Noch mehr aber staunten sie, als Luise erklärte sie würde nachher zum Frisör gehen.
Der Bauer war heute noch schweigsamer als sonst und warf immer wieder verstohlene Blicke auf seine Frau die heute so verändert wirkte.
Und als er die Arbeit verteilte für den heutigen Tag, da fiel sie ihm ins Wort.
Mit mir brauchst du heute nicht rechnen, ich gehe zum Frisör und anschließend fahre ich mit dem Besuch vom Pankratz in die Kreisstadt. Ich brauche ein paar hundert Euro und außerdem, habe ich keine Lust mehr um jeden Cent zu betteln. Ab heute will ich wieder Vollmacht über unser Konto.“
Mit diesen Worten verließ sie die Küche.
Bertl sah ihr mit offenen Mund nach und Theres kicherte.
Mit der neuen Kurzhaarfrisur sah Luise wirklich hübsch aus und es schien als wäre sie um Jahre jünger, vielleicht aber lag das auch an dem Strahlen, das von ihr ausging.
Mit Friedel und den Kindern verlebte sie einen schönen Nachmittag in der Stadt und sie kleidete die drei von Kopf bis Fuß neu ein.
Als ihre Schwiegertochter protestiert, meinte sie nur, sie hätte so viele Jahre nachzuholen.
Nachdem sie noch ein großes Eis gegessen hatten fuhren
sie wieder nach Hause.
Wieder schlief sie wunderbar diese Nacht und am nächsten Tag beim Frühstück teilte sie mit, dass das Doktorhaus renoviert werde, damit die Familie des neuen Arztes einziehen könnte und sie sich angeboten hat, sich in der Zeit um die Kinder zu kümmern.
Mach was du willst,“ brummte Bertl nur, dem seine plötzlich so selbstbewusste Frau ein wenig unheimlich wurde.
Und von nun an kamen die Kinder jeden Tag und auch Bertl begann sich mit ihnen anzufreunden.
Ja er ertappte sich sogar dabei, dass er frühmorgens schon Ausschau nach ihnen hielt.
Pünktchen hatte ihn bereits um ihren kleinen reizenden Finger gewickelt und nur allzu gern beantwortete er die Fragen von Tobias, der alles über die Landwirtschaft wissen wollte.
Nur dass der Bub immer wieder in seinen Berliner Dialekt zurück fiel, störte ihn ein wenig.
Bald war es als gehörten die Kinder schon immer zum Alpenhof und auch Friedel, die abends wenn sie die Kinder abholte noch ein wenig blieb, gehörte bald dazu.
Inzwischen waren die Zimmer im Doktorhaus alle fertig und ein großer Möbelwagen war aus Berlin gekommen.
Begeistert erzählten die Kinder wie schön es jetzt wäre und jeder hätte wieder sein Zimmer genau wie in Berlin.
Trotzdem aber kamen sie jeden Tag, denn der Alpenhof war ihre zweite Heimat geworden.
Die Dörfler aber hatten neugierig den Umzugswagen beobachtet, doch noch immer war von dem neuen Doktor nichts zu sehen.
Und wenn sie den alten Pankratz fragten, dann meinte der
nur, der kommt schon noch oder könnt ihr es nimmer erwarten bis ihr mich los seid.
Luise aber hatte schon öfter mit ihrem Sohn telefoniert und
wusste, dass er bald kommen würde.
Sein Vertrag mit der Charité war jetzt ausgelaufen, die Wohnung hatte er verkauft und nun musste er nur noch ein paar Behördengänge machen, dann könnte er los.
Es war Sonntag und wie immer waren Friedel und die Kinder da und sie alle saßen bei Kaffee und Kuchen, als die Tür aufging und ein junger gut aussehender Mann die Stube betrat.
Papa!“ jubelte Pünktchen und die Kinder liefen zu Andreas der sie fröhlich umfing.
Luise presste beide Hände auf die Brust und Tränen traten in ihre Augen.
Friedel schenkte ihrem Mann einen zärtlichen Blick
Bertl aber saß wie erstarrt und über sein Gesicht zuckte es wie Wetterleuchten und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Andreas setzte Pünktchen vorsichtig auf den Boden und trat an den Tisch.
Er streckte die Hand aus und sagte leise.
Grüß Gott, Vater, willst mich denn nicht willkommen heißen?“
Bertl rührte sich nicht und alle hielten den Atem an.
Pünktchen aber kletterte auf die Bank, schmiegte ihre Wange an die raue Backe des Bauern und fragte:
Warum willst du denn dem Papa nicht 'Grüß Gott' sagen?“
Behutsam reichte der das kleine Dirndl an seine Frau weiter, die neben ihm saß, dann stand er auf und drückte fest die Hand seines Sohnes.
Die beiden Männer umarmten sich und schämten sich nicht der Tränen, die in ihren Augen standen.
Luise und Friedel aber liefen die Tränen über das Gesicht und die Kinder sahen mit großen staunenden Augen auf die Erwachsenen.

Noch mehr aber staunten sie, als sie erfuhren, dass Luise und Bertl ihre Großeltern waren.
Nun aber ging es ans erzählen, viele Jahre waren aufzuholen.
Pünktchen war längst im Arm ihres Vaters eingeschlafen und Tobias stand am Fenster und schaute mit gerunzelter Stirn hinaus.
Dann drehte er sich um und rief:
Opa, kieck mol, gleich wird’s zu pladdern (stark regnen) afange und dös Vieh is no uff der Weide“
Der alte Bauer stand auf und meinte gemütlich:
Dann wollen wir es rein holen, bleibt nur sitzen,“ winkte er zu Luise und Andreas.
Dann legte er die Hand auf die Schulter von Tobias.
Der Bua und ich wir schaffn des scho. Der wird moa a guater Landwirt, nur des berlinern, des muss i eam no abgwöhna!“
Fröhliches Lachen folgte den Beiden, als sie hinaus gingen.

© Lore Platz