Mittwoch, 8. Juli 2020

Hexe Liliput und die Drachenjäger





Hexe Liliput und die Drachenjäger



Liliput saß auf der kleinen Bank vor ihrem Häuschen,

den Kopf in die Hände gestützt, die Stirn sorgenvoll 

gerunzelt.

Tinchen an einem Grashalm knabbernd, warf ihr 

einen mitleidigen Blick zu.

Liliput stieß einen langen von Herzen kommend 

Seufzer aus.

Warum sagst du nicht, ich habs dir ja gesagt,“ 

fragte sie bitter.

Die Schildkröte krabbelte auf sie zu und die kleine 

Hexe hob sie hoch und setzte sie neben sich auf die 

Bank.

Was hätte das jetzt für einen Sinn.“

Liliput seufzte wieder, „er ist doch nicht böse, nur 

tolpatschig.“

Ja aber für die Bauern, deren Kühe er geraubt und 

deren Scheunen er in Brand gesetzt hat, ist er böse.“

Sie werden die Drachenjäger holen und diese 

werden ihn jagen.“

Liliput sprang auf.

Ich muss ihn finden bevor sie ihn töten.“

Das wird gefährlich, wenn sie dich mit dem Drachen 

in Verbindung bringen, dann werden sie auch dich 

jagen.“

Ich weiß Tinchen, aber Tolpatsch ist mein Freund 

und außerdem bin ich für ihn verantwortlich. Ich 

muss ihn finden bevor er einen Menschen verletzt, 

denn dann kann auch ich ihm nicht mehr helfen.“



Vorsichtig umkreiste Liliput das Dorf, dann ließ sie 

sich auf der Spitze der großen Kastanie nieder, die 

mitten im Hof von Mariannes Verwandten steht.

Niemand hielt sich unten auf, nur ein paar Hühner 

liefen herum. Eine Katze kam aus dem Stall, dehnte 

sich, machte dann einen Buckel und lief mitten durch 

die Hühnerschar, die empört auseinander liefen.

Ein junges Mädchen kam aus dem Haus und leerte 

die beiden Eimer mit Abfällen in den Schweinetrog 

und schmatzend machten sich die Tiere darüber her.

Marianne erschrak, als Liliput neben ihr auf ihrem 

Besen balancierte.

Bist du allein?“

Ja sie sind in der Stadt.“

Ich brauche deine Hilfe.“

Dann komm mit ins Haus.“

Kaum hatten sie das Haus betreten, fing Liliput 

bitterlich zu weinen an.

Tröstend nahm ihre Freundin sie in die Arme und 

führte sie zu dem Sofa.

Liliput erzählte Marianne nun von Tolpatsch.

Ich verstehe dich ja, aber dein Drache hat schon 

viel Unheil angerichtet. Die einzige Kuh von Lukas 

Eltern hat er verschlungen und dabei sind die doch 

so arm und können sich keine neue kaufen. Und die 

Ziege der alten Grete hat er auch geraubt.

Und dem reichen Mooshofbauern hat er mitten aus 

der Herde eine Kuh gestohlen.

Deshalb haben sich gerade beim Mooshofbauern alle 

versammelt, sie wollen die Drachenjäger kommen 

lassen.“

Oweh, Oweh. Oweh“!

Liliput sprang auf, „ ich muss Tolpatsch finden, bevor 

es die Drachenjäger tun.“

Sie umarmte ihre Freundin, öffnete die Tür, sah 

vorsichtig hinaus und setzte ich auf ihren Besen.

Wenn ich etwas erfahre, lege ich eine Nachricht in 

unser Versteck.“

Die Hexe winkte ihr zu, fuhr mit der Hand über den 

Besen und war unsichtbar.





Sie flog zu dem Anwesen von Lukas Eltern. Marianne 

und Lukas liebten sich hatten aber kein Geld, um 

jetzt schon zu heiraten.

Als sie auf dem Hof landete, liefen die Hühner laut 

gackernd auseinander.

Ein alter Mann kam aus dem Haus und setzte sich 

auf die Bank neben seine Frau.

Liebevoll legte er den Arm um ihre Schultern.

Annamierl sei net traurig. Wir haben doch soviel 

schon gemeinsam geschafft. Wir werden auch mit 

diesem Verlust fertig werden. Der Herrgott lässt uns 

nicht im Stich.“

Die alte Frau legte müde ihren Kopf an seine 

Schulter.

Liliput aber schlich leise in den Stall, der leer und 

verlassen war.

Sie murmelt leise vor sich hin und auf einmal stand 

eine große kräftige Kuh mit dick gefüllten Eutern in 

der Box und muhte laut.

Die Tür des Stalls flog auf und die Eltern von Lukas 

starrten auf das Tier.

Annamierl, das is ja unsere Lies, die hat gar net der 

Drache gholt, de hoat sie blos verlaafa. Schau woas. 

für dicke Euter sie hoat, die muss unbedingt gmolker 

wern.“ jubelt der Bauer.

Ja Josef,“ schluchzte die Frau und holte 

Melkschemmel und Eimer.

Die kleine Hexe aber verließ leise und glücklich 

lächelnd den Stall.

Sie flog weiter zur alten Grete, deren armseliges 

kleines Anwesen am Rande des Dorfes liegt.

Den von Tolpatsch verbrannten Zaun konnte sie 

nicht reparieren, das würde zu viele Fragen 

aufwerfen.

Aber mit spitzbübischem Lächeln nahm sie doch 

einige Verbesserungen am Haus vor, die nicht gleich 

ins Augen fielen.

Dann ließ sie eine weiße Ziege mit lautem Gemecker 

auf das Haus zu laufen und freute sich als Grete die 

Haustür öffnete und fassungslos die Hände über dem 

Kopf zusammenschlug.

Als sie über den Moorhof flog hörte sie laute 

Stimmen und wieder erklang das Wort Drachentöter.

Mit großer Sorge flog Liliput zurück in den 

Hexenwald.

Jeden Tag flog Liliput durch die Gegend auf der 

Suche nach Tollpatsch. Über das Dorf zu fliegen 

wagte sie sich nicht mehr.

In einem Brief, den Marianne in ihrem Versteck 

hinterlegt hatte, stand, dass die Drachentöter 

angekommen waren und dass die Wut der Dörfler 

sich auch gegen die Hexen gewandt hätte.

Sie gaben ihnen die Schuld.

Die kleine Hexe bekam ein schlechtes Gewissen.

Eigentlich war es ja ihre Schuld, dass es den 

Drachen gab und nun mussten alle darunter leiden.

Jeden Tag flog Liliput zum Versteck und wirklich fand 

sie eines Tages einen Brief , in dem Marianne ihr 

mitteilte, dass der Drache in der Nähe der Felsen 

gesehen worden war und die Drachentöter auf dem 

Weg dorthin waren.

Liliput machte sich sofort auf den Weg und dann 

entdeckte sie Tolpatsch, der müde auf die Felsen 

zusteuerte.

Doch auch die Drachentöter hatten ihn entdeckt.

Los Bruno du bist der beste Schütze, hol ihn 

herunter !“

Dieser hob seine Armbrust, der Pfeil schnellte auf 

den Drachen zu, dieser zuckte zusammen und ein 

riesige Flamme schoss aus seinem Mund.

Getroffen!“ jubelten die Jäger, „ los ihm nach!“

Doch plötzlich tauchte eine große Nebelwand vor 

ihnen auf.





He, wo kommt der Nebel plötzlich her! Wir werden 

nicht sehen wo er herunter fällt. Die Prämie wird uns 

verloren gehen!“ so brüllten sie durcheinander und 

versuchten die Nebelwand zu durchbrechen.

Liliput aber hatte inzwischen ihren Freund erreicht.

Aus einer tiefen Wunde tropfte Blut.

Schaffst du es bis zu den Felsen?“

Tolpatsch nickte und mit letzter Kraft sank er auf 

den felsigen Boden.

Hier könnt ihr nicht bleiben. Die Drachenjäger 

haben den Nebel verlassen und sind auf dem Weg 

hierher.“

Ein kleiner Junge trat aus dem Gebüsch. Er sah 

seltsam aus, hatte große Segelohren, ein schiefes 

Gesicht und wirre rote Haare.


Fortsetzung folgt