Freitag, 28. November 2025

Respekt



 (c)LP





Vor einigen Tagen saß ich auf der Terasse und habe gelesen.

Es war abends gegen vier Uhr und die Nachbarsfamilie kam von der Arbeit, setzte sich auf die Terrasse unterhielt sich und ab und lachten sie, was mir auch ein Lächeln entlockte.
Da kam der alte Mann, der über mir wohnte auf seinen Balkon und brüllte. "Ruhe ich will schlafen!"
Die junge Tochter meiner Nachbarn meinte: "Dann gehen sie ins Altersheim!"
Im ersten Moment war ich schockiert, denn wir wurden noch zu Respekt vor älteren Leuten erzogen und so eine Antwort hätte mir wohl eine Ohrfeige meines Vaters eingetragen.
Doch dann ging mir durch den Kopf:
'Wieso soll man zu älteren Leuten immer höflich und respektvoll sein wenn sie es gar nicht verdienen.'
Respekt ist etwas, was man nicht geschenkt bekommt, sondern Respekt muss man sich verdienen.
Und dieses Rentnerpaar über uns schikaniert alle Mieter hier im Haus, mein Mann nannte sie immer unsere 'Blockwarts'.
Uns ließen sie ja in Ruhe, nachdem ihnen mein Mann mal ordentlich die Meinung gesagt hatte und die anderen Mieter belächeln sie nur.
Ich bin ja auch ein älteres Semester, aber mich mögen die Leute im Haus und Kinder und Jugendliche haben es mir gegenüber noch nie an Respekt fehlen lassen.
Vielleicht liegt es auch daran weil auch ich ihnen mit Respekt begegne?

(c) Lore Platz  2015


 
Carl Spitzweg

 
Das Generationsverhalten


Wenn wir nach dem Alter gefragt,
dann sind wir jung – aber hoch betagt,
die Jungen sagen, die Alten spinnen,
unsere Lebensfreude kommt ja von innen.

Was früher war zählt heute nicht mehr,
für alles muss heute was Neues her,
wir alten sagen, es ist eine verrückte Welt,
die Jungen verstehen nicht, was uns nicht gefällt.

Wir wollen unseren Tagesablauf gedanklich gestalten,
bei den Jungen ist es anders als bei uns Alten,
ich stelle es, man verzeihe mir, übertrieben dar,
vielleicht ist das Eine oder Andere auch wahr.

Was macht der Wecker morgens für einen Krach,
die Jungen werden trotzdem nicht wach,
unterm Kissen macht das Handy Alarm,
es wird Zeit und es drückt der Darm.

Zum Frühstück stehen oder sitzen sie separat,
während zischt und blubbert der Vollautomat,
der Blick auf das Display ganz besessen,
sie haben wieder mal die Reinigung vergessen.

Zum Glück wird eine Tasse voll geschenkt,
nun schnell, die Zeit drängt,
das Iphone gibt schon wieder ein Signal,
da müssen sie schauen, sie haben keine Wahl.

Aber noch schnell zum Computer rüber,
Morgens bleib keine Zeit über,
noch an die E-mails schnell ran,
dann zur Arbeit ist der Gang.

Dort gibt es Stress mit Citymobbimg,
andere sind Online Shopping,
jeder zeigt so seinen Willen,
und sie drängen abends wieder mal zu Grillen.

Wie ist das nun bei uns Alten,
den Tagesablauf wollen wir ruhig gestalten,
wir setzen uns täglich zur gleichen Stunde,
gemütlich in die Frühstücksrunde.

Früher wurden wir auch früh geweckt,
das Frühstück hat uns gut geschmeckt,
wir waren ruhig und besonnen,
haben den Arbeitstag frisch begonnen.

Wir hatten immer die Thermoskanne dabei,
belegtes Brot mit Salat und Ei,
von Smartphone wurden wir nicht abgelenkt,
und wussten auch wo der Hammer hängt.

Den Feierabend taten wir Alten,
immer noch sehr sinnvoll gestalten,
ohne Computer, nicht auf Facebook gepostet,
wir haben nur mit einem Bierchen geprostet.

Wir stellten uns damals in Briefen vor,
das nennen sie uns schon Antiqua,
wir gaben uns Mühe in Schrift und Form
die Rechtschreibung heute, ist enorm.

Mit dem heute verwendeten Begrifflichkeiten,
kommen wir schon echt in Schwierigkeiten,
ein E-Book-Reader mit Touchscreen Funktion,
war früher ein Buch, aber wer glaubt das schon.

Ein Fernseher hatte im Bild auch mal Schnee,
heute haben sie HDTV und Full HD,
wir kennen weder gif noch SAP oder zippen,
wir lernten noch auf der Schreibmaschine das Tippen.

In der Ehe ging man früher durch dick und dünn
wenn es schwierig wird, schmeißt man heute alles hin,
Zwei oder drei Hunde, das ist modern,
sind wir noch normal, oder auf einem anderen Stern?

Wir wollen heute unsere Ruhe genießen,
und mit Jedem unseren Frieden schließen,
wir arbeiteten ruhig und mit bedacht,
die Jugend heute oft nur darüber lacht.

Die Nachtigall mein seit vielen Jahren verstobener Internetfreund





 

Donnerstag, 27. November 2025

Jasper findet das Weihnachtsland

 


Viele Tage ist Jasper nun schon unterwegs. Wenn er einer Herde begegnet versteckt er sich und zieht dann wieder allein weiter.
Nahrung zu finden unter Schnee und Eis ist sehr schwer und oft schläft er abends hungrig ein.
Eines Tages überschreitet er, ohne es zu merken die magische Grenze zum Reich des Weihnachtsmanns.
Als er durch den tiefen Schnee trottet steigt ihm der Geruch von Pilzen in die Nase.
 
 (c) Werner Borgfeldt

Pilze im Winter?
Doch da erblickt er viele Steinpilze unter einem kahlen Baum und läuft darauf zu.
Endlich nach langem kann er sich wieder richtig satt fressen.
Als er fertig ist, senkt sich der Baum und auf seinen kahlen Ästen erblühen junge frische Triebe.
Jasper wird ganz vergnügt und marschiert fröhlich weiter.
Auf einmal hört er Stimmen und sieht vor sich einen dicken Schneemann und um ihn herum sitzen viele Schneeflöckchen, die fröhlich kichern. Als der Schneemann ihn sieht, winkt er mit seinem roten Regenschirm.
Komm zu uns, ich erzähle den Kleinen gerade eine Geschichte.“
Vorsichtig und auch ein wenig ängstlich tritt Jasper näher und sein Geweih flackert unruhig auf und ab.

Die Schneeflöckchen jubeln ,fliegen zu ihm und setzen sich auf Geweih und Rücken.
Das ist ja schön, wie machst du das?“ wollen sie wissen.
Der Schneemann lacht dröhnend, dass es vom Berg widerhallt.
Das ist ja schön, das gefällt mir. Übrigens bin ich Anton und wer bist du?“
Ich heiße Jasper, und wie das mit meinem Geweih funktioniert, das weiß ich nicht. Dort wo ich herkomme nannte man mich eine Missgeburt.“
Missgeburt, was für ein dummes Wort! Du bist etwas Besonderes, sonst hättest du nicht die magische Grenze überschreiten können.“
Wo bin ich denn hier?“
Anton lacht vergnügt.
Na, beim Weihnachtsmann und wir alle hier sind etwas ganz Besonderes.“
Meine Mutter hat das auch immer gesagt, dass ich etwas Besonders bin,“ murmelt das Rentier.
Siehst du, Mütter wissen so etwas!“
Jasper betrachtet den gemütlichen dicken Kerl Was ist denn an dir so besonders, du siehst aus wie ein ganz gewöhnlicher Schneemann.“
 

Anton lacht. „Gewöhnlicher Schneemann? Hast du schon mal einen Schneemann gesehen, der Beine hat.?“
Er springt auf und läuft auf seinen langen Beinen davon und die Schneeflocken folgen ihm kichernd.
Jasper sieht ihnen grinsend nach.
Hier gefällt es ihm.
Und vergnügt trabt er weiter.
Einige Zeit ist er schon gegangen, da hört er hinter sich rufen:
Achtung da vorne, weg da.“
Erschrocken springt Jasper zur Seite und haarscharf an ihm vorbei flitzt ein schneeweißes Männchen auf Holzskiern.
Es bremst scharf und der aufwirbelnde Schnee hüllt Jasper ein und sein Geweih beginnt wieder heftig zu blinken.
Das Männchen schlägt einen Bogen und kommt auf ihn zu.
Aufmerksam betrachtet er Jasper.
Tolles Ding hast du da auf dem Kopf. Wie funktioniert das?“
Weiß nicht genau? Immer wenn ich eine Gemütsbewegung habe, dann blinkt es.“
Gefällt mir, komm mit, das müssen die Anderen auch sehen.“
Er wendet seine Ski und fährt davon.
Jasper grinst und läuft hinterher.
Vor einem großem Berg hält das Männchen mit der weißen Pelzkappe an und zieht an einer großen Glocke.
Wie von Zauberhand öffnet sich das große Tor. Staunend folgt Jasper seinem Begleiter in die große Halle. 
Wohlige Wärme empfängt ihn und überrascht sieht er auf das bunte Treiben.
Unzählige Kobolde und Elfen sind beschäftigt mit allerlei Arbeiten.
Die Einen hämmern und klopfen an Spielzeugen herum.
Elfenmädchen sitzen an schnurrenden Nähmaschinen. Kobolde mit Kochmützen laufen mit Backblechen voller Plätzchen herum.
Und die Luft ist erfüllt mit köstlichen Düften, fröhlichem Singen und Lachen und Rufen.
Jaspers Geweih beginnt vor Freude zu blinken und plötzlich wird es still im Raum.
Dann hört man das Trappeln von kleinen Füßen und alle die Winzlinge stürzen auf Jasper zu und umringen ihn.
Oh wie ist das schön, wie machst du das, kannst du es uns noch einmal zeigen,“ so schwirrt es durcheinander.
Und Jasper spürt dass die freundlichen kleinen Wesen ihn nicht verspotten und so blinkt er voller Freude.
Viele „Aaah“und „Ooooh“ ertönen.
Was ist denn hier los!“ ertönt eine laute Stimme und ein dicker Kobold bahnt sich einen Weg durch die Menge.
Nachdenklich betrachtet er Jasper, dann nickt er und murmelt.
Das ist die Lösung unseres Problems!“
Dann wendet er sich an das Männlein, das Jasper in die Halle gebracht hat.
Sag mal Schneemännchen, wo stecken eigentlich deine Schneeflocken wieder, Frau Holle sucht sie schon ganz verzweifelt.“
Dieses seufzt: „ Ach Knurrjan, ein Sack Flöhe ist leichter zu hüten als diese Gören. Sicher sitzen sie bei dem dicken Anton und lassen sich Geschichten erzählen. Ich werde sie holen.“
Er dreht sich um und verlässt die Halle.
Knurrjan dreht sich um und klatscht in die Hände.
Auf, auf, geht zurück an eure Arbeit, oder sollen die Kinder weinend unter einem leeren Weihnachtsbaum stehen?“
Bald wird wieder gehämmert, geklopft, gescherzt, gelacht und die Nähmaschinen schnurren.
Und du,“ wendet sich Knurrjan an das Rentier, „ kommst mit zum Weihnachtsmann. Wie heißt du überhaupt?“
Jasper!“
Gut Jasper, dann komm!“
Er führt ihn durch die Halle in einen langen Flur, von dem rechts und links mehrere Türen abgehen. An der letzten Tür bleibt er stehen und klopft an.
Ein kräftiges „Herein!“ ertönt.
Wie staunt Jasper, als er das Zimmer betritt.
Der Weihnachtsmann sieht Jasper lächelnd an.
 
 (c) Monika Mandelk
 
Einen Sessel kann ich dir wohl nicht anbieten, aber wie wäre es, wenn du dich da vor dem Kamin ausstrecken würdest.“
Jasper legt sich vor das wärmende Feuer und sein Geweih blinkt voll Wohlbehagen.
Es klopft und eine stämmige Koboldfrau, die ein Tablett mit Kastanien, einer Schale Wasser und einem großen Pott mit Kakao mit beiden Händen trägt, betritt das Zimmer.
Sie stellt das Tablett auf dem kleinen Tisch beim Kamin ab, die Tasse Kakao vor dem Weihnachtsmann und Kastanien und Wasser auf die Erde vor Jaspers Nase.
Dann klemmt sie sich das Tablett unter den Arm und geht zur Tür.
Becky, bekomme ich denn keine Kekse?“
Stirn runzelnd wendet sich die Koboldfrau um.
Ihr hatte heute bereits einen großen Teller voll,“ meint sie streng.

Der Weihnachtsmann tätschelt seinen Bauch.
Aber Becky, der Weihnachtsmann muss doch einen Bauch haben.“
Ja aber er braucht nicht dem dicken Anton Konkurrenz machen,“ meint diese schnippisch und die Tür knallt hinter ihr ins Schloss.
Der Weihnachtsmann lacht dröhnend.
Siehst du Jasper, nicht einmal der Weihnachtsmann darf machen was er will.“
Er nimmt einen kräftigen Schluck aus der Tasse und lächelt voller Wohlbehagen.
Dann streckt er die Füße, die in flauschigen Pantoffeln stecken dem Feuer entgegen und faltet die Hände über dem Bauch.
Nun Jasper, jetzt will ich dir erzählen, warum ich seit deiner Geburt schon auf dich warte. Seit die Menschen sich den Traum vom Fliegen verwirklicht haben, schwirren immer mehr von diesen eisernen Vögeln durch die Luft. Auch schießen sie ständig irgendwelche Satelliten ins Weltall. Und das Fliegen an Weihnachten ist für meine Rentiere sehr gefährlich geworden, besonders wenn die Sterne nicht durch die dicken Schneewolken scheinen können.
Wir haben Laternen am Schlitten angebracht, doch ihr Licht reichte nicht bis vorn.“
Der Weihnachtsmann nimmt wieder einen Schluck von seinem Getränk.
Dann haben wir jedem meiner sechs Rentiere eine Laterne um den Hals gehängt, doch die waren zu schwer und hinderten sie am Fliegen. 
Als ich von deiner besonderen Begabung hörte habe ich dich beobachtet und gewartet bis du den Weg zu uns findest. Nun bist du hier und wir freuen uns. Willst du meine Rentiere anführen und ihnen leuchten?“
Fragend sieht der alte Mann das Rentier an.
Jasper hebt den Kopf und seine Augen leuchten, doch dann meint er leise.
Aber ich kann doch gar nicht fliegen?“
Der Weihnachtsmann lacht laut und dröhnend.
Keines meiner Rentiere kann fliegen, das ist alles Magie. Bevor die Reise los geht streuen wir Sternenstaub auf ihren Rücken.
Nun willst du bei uns bleiben als leuchtender Anführer meiner fliegenden Rentiere?“
Jasper nickt und sein Geweih blinkt so schön, wie es bisher noch nie geblinkt hat.

(c) Lore Platz  2024

Mittwoch, 26. November 2025

Hermann, Herminchen , Niki und der kleine Engel

 


Als ich mit dieser Geschichte zu schreiben begann, stolperte ich buchstäblich über den Engel.

Die Engel gibt es nur in der Mehrzahl, ansonsten heißt es der Engel.

Aber nun wollte ich über einen weiblichen Engel schreiben.

Doch wie bezeichnet man dieses Wesen.

Engelin, klingt doch scheußlich.

Also gab ich Nikis kleiner Freundin aus dem Himmel einfach einen weiblichen Namen.





Hermann, Herminchen , Niki und der kleine Engel


Niki, der kleine Wichtel tollt mit den Hasenkindern im Schnee herum.

Die Frau, die man Oma nannte, hat ihm einen dicken warmen Pullover, einen kuscheligen Schal und Handschuhe gestrickt.

Hermann tritt aus der Tür und streckt sich. Bautsch trifft ihn ein Schneeball und er sieht gerade noch wie Niki hinter einem Baum verschwindet.

„Na warte du Schlingel!“

Mit zwei Schritten ist der Troll bei seinem Sohn und reibt, den sich kichernd windenden mit Schnee ein.

Herminchen von dem Lärm angelockt kommt vor die Tür und betrachtet kopfschüttelnd ihren Mann.

Männer sie werden doch nie erwachsen.

„Wenn ihr fertig seid mit spielen, dann kommt zum frühstücken.“

Den jungen Hasen aber rief sie zu: Sagt eurer Mutter, der Mann ohne Haare hat gestern abend die Futterkrippen neu gefüllt.“

„Hurra!“ jubeln diese begeistert und hoppeln wie der Blitz davon.

Ein Kichern ertönt und hinter einem Baum kommt eine kleine Gestalt hervor, barfuß, gekleidet in ein schneeweißes Kleid.

Langes lockiges helles Haar umhüllt die zierliche Gestalt und wenn man genau hinsieht, erkennt man auf dem Rücken leichte fedrige Flügel .

Niki stutzt, dann juchzt er: „Sabrina!“ und umarmt das Wesen stürmisch.

„Niki, du erdrückst mich ja!“

Der Wichtel lässt sie los, nimmt ihre Hand und führt sie zu seinen Adoptiveltern.

„Das ist Sabrina, meine beste Freundin im Himmel!“

Hermann kratzt sich am Kopf.

„Und ich dachte immer, es gibt keine weiblichen Engel!“

„Gibt es doch“, ruft Sabrina schnippisch und wendet sich mit blitzenden Augen an ihren Freund.

„Du hast ihnen also nichts von mir erzählt, so schnell hast du mich vergessen!“

Niki wird etwas rot.

„Ich habe meinen neuen Freunden sehr wenig vom Himmel erzählt, weil,“ er deutet auf sein Herz,

„es hier so weh tut.“

„Ach ja und ich habe mich in Lebensgefahr gebracht, nur um dich zu besuchen!“

„Nun kommt herein zum frühstücken.“ unterbricht Hermine das Geplänkel.

Niki holt für Sabrina, die ihn keines Blickes würdigt, ein Gedeck und erklärt ihr, dass es hier fast dasselbe Essen gibt wie im Himmel.

Aufgeregt erzählt er nun von seinem Leben auf der Erde und den vielen Freunden, die er hier gefunden hat und bemerkt gar nicht, wie Sabrina immer stiller wird und auf einmal purzeln Tränen aus ihren Augen.

„Warum weinst du?“ ruft der Wichtel erschrocken und Hermine fährt tröstend über den Lockenkopf des Engels.

„ Weil, weil du mich und alle deine Freunde im Himmel vollkommen vergessen hast.“

„Das stimmt nicht, ich denke jeden Tag an euch, ich spreche nur nicht darüber, weil ich meinen Eltern nicht weh tun möchte.“

„Warum sollte uns das weh tun!“ rufen Hermann und Hermine.

„Weil ich dachte, dass es euch traurig macht und vielleicht denkt ihr dann, ich wäre nicht glücklich bei euch.“

Niki umarmt abwechselnd seine Eltern und Hermann brummt.

„Du dummer Bub, als St Nikolaus dich als Baby hier im Wald fand, da wurde der Himmel deine Heimat, obwohl du spürtest, dass du nicht dahin gehört.

Als du letztes Jahr zu uns kamst und uns erlaubt wurde, dich als unseren Sohn zu behalten, da waren wir sehr glücklich, denn wir hatten dich lieb gewonnen. Und wir spürten, dass du bei uns glücklich bist.

Wir wunderten uns zwar, weil du nie über dein Leben im Himmel gesprochen hast, aber wir dachten es würde dir weh tun.“

Hermine sieht ihren Mann erstaunt an.

„Soviel hast du noch nie gesprochen.“

„Naja, wenn der Bub sich doch so unnötige Gedanken macht.“

Sabrina, die eben noch geweint hat, fängt schallend zu lachen an.

„Was seid ihr doch komisch, ihr wollt Niki nicht verletzen und Niki wollte euch nicht verletzten.

Da ist es ja gut, dass ich gekommen bin und das geklärt ist.“

Nun fangen sie alle zu lachen an.

Die praktische Hermine steht auf und erklärt:

„Niki und Sabrina, ihr räumt den Tisch ab und spült das Geschirr. Hermann und ich beladen den Schlitten.“

Niki erzählt Sabrina unterdessen von dem Mann ohne Haare, der Frau die man Oma nennt und den beiden Langhaaren Renate und Susanne.

Der Engel ist sehr neugierig auf die Menschen und als sich die Tür öffnet, denkt sie aha. Das ist der Mann ohne Haare und die Dame dahinter, die Frau die man Oma nennt.

Dass sie die beiden Mädchen erst am Wochenende kenne lernen wird hat ihr Niki schon gesagt.

Hermann stellt seinen kleinen Gast seinen Freunden vor. Als Sabrina das Zimmer betritt, staunt sie.

„Das glitzert ja wie bei uns im Himmel.“

Frau Schinkel strahlt. „Das freut mich, wenn du denkst meine Wohnzimmer ähnelt dem Himmel.“

Als sie alle gemütlich sitzen will Herr Schinkel wissen, wie Sabrina denn auf die Erde gekommen ist.

Diese grinst verschmitzt und erzählt ihnen, dass sie unbedingt Niki besuchen wollte. Also hat sie sich an eine Sternschnuppe gehängt, die gerade auf den Weg zur Erde.

Leider hatte sie vergessen, dass diese ja unterwegs verdampft und beinahe wäre es schlimm für sie ausgegangen,wenn nicht der gute Papa Mond alles beobachtet hätte und ihr blitzschnell einen silbernen Mondstrahl gesandt hätte, der sie hier Wald absetzte.

„Na dann ist ja alles noch einmal gut gegangen.“ lächelt Opa Schinkel.

Sabrina achtet gar nicht auf ihn, sondern beugt sich zu Niki und flüstert. „Warum sieht die Frau, die man Oma nennt, mich immer so an.

Der Wichtel kichert. „Sie nimmt Maß!“

„Was?“

„Sie strickt für ihr Leben gern und wird dich bald von Kopf bis Fuß neu einkleiden, damit du es schön warm hast.“

„Aber Engel frieren doch nicht!“

„Das stört die Oma nicht, warte nur ab.“

In dem Moment sagt Frau Schinkel:

„Wie wäre es, wenn ihr hier übernachtet,die Mädchen kommen Morgen und würden sich riesig freuen und außerdem könnte ich für unseren kleinen Gast etwas warmes zum Anziehen stricken.“

Sabrina will schon protestieren und erklären, dass Engel nicht frieren, doch Niki wirft ihr einen bittenden Blick zu und flüstert.

„Nun lass ihr doch die Freude.“



Sabrina schnaubt nur, folgt aber dann doch der alten Frau ins Nebenzimmer, um sich Maß nehmen zu lassen.

 „Sie kommen, sie kommen!“ aufgeregt hüpft Niki auf und ab, als das Auto vorfährt.

Sabrina stellt sich neben ihn und beobachtet wie die Mädchen aus dem Wagen springen und ihr Vater ihnen langsam folgt.

„Dann sollte ich mich wohl verstecken,“ und schnell schlüpft sie hinter dem langen Vorhang.

„Oma, Opa, wir sind daaa!“ erklingt es zweistimmig und die Mädchen stürzen herein.

„ Hermann, Hermine, oh wie schön ihr seid auch da, ist Niki auch mitgekommen.“

„Ja, er ist im Wohnzimmer,“ brummt Opa und begrüßt seinen Sohn mit Handschlag.

Oma küsst ihren Jungen auf die Wange.

„Willst du noch mit frühstücken?“

„Nein Mama, aber ich und Ulla kommen doch Morgen und ich freue mich schon auf deinen Sauerbraten.“

Ein Kuss, ein Winken und weg ist er .

Renate und Karin haben inzwischen Niki stürmisch begrüßt und die Trolle sitzen bereits am Tisch.

Hermann linst begehrlich zu den Brötchen, doch als er seine Hand ausstreckt, erhält er einen Klaps von Herminchen.

„Willst du wohl warten bis alle am Tisch sitzen.“

„ja gib‘s ihm nur, lange habe ich versucht ihm Benehmen beizubringen.“ lacht die Oma.

Hermann wird rot.

„Hermann kann sich sehr wohl benehmen, er ist ein richtiger Gentleman!“ rufen die Mädchen empört.

Herminchen schnaubt und die Oma kichert.

„Lasst den armen Hermann in Ruhe, setzt euch lieber.“ brummt der Opa.

Karin fällt es als erstes auf.

„Oma, du hast dich verzählt,oder dachtest du Papa bleibt zum Frühstück.“

Die Oma lächelt geheimnisvoll.

„Das Gedeck ist für unseren Gast.“

„Wo ist er denn?“

„Hier!“ ruft Sabrina und kommt aus ihrem Versteck.

„Bist du das, was ich denke,“ flüstert Renate ehrfürchtig und betrachtet staunend die Flügel.

Sabrina nickt lächelnd und die Mädchen springen auf und bestürmen den Engel mit Fragen.

Hermann aber wird immer trauriger, das konnte ja lange dauern und dabei hatte er doch so Hunger.

Opa, der Mitleid mit ihm hat, ruft energisch.

„Schluss jetzt, erzählen könnt ihr später, jetzt wird gefrühstückt,“ und an Hermann gewandt, „du hast so lange warten müssen, du darfst dir das erste Brötchen nehmen.“

Hermann strahlt.

 (c) L.P:


Am Nachmittag gehen Opa, die Mädchen , Niki und Sabrina in den Wald.

Es war Tradition im Hause Schinkel, dass am Samstag vor dem ersten Advent, der Weihnachtsbaum im Wald ausgesucht wird.

Opa zieht den Schlitten, der voll beladen mit Futter für die Tiere ist.

Die Kinder helfen ihm voller Freude beim Abladen an der Futterkrippe.

Die Tiere, die schon lange keine Angst mehr vor ihren Menschen haben, kommen herbei und sehen ihnen zu.

Ganz vorwitzige versuchen sogar vom Schlitten zu naschen.

„Nan,na,“ brummt Opa Schinkel gutmütig, „so ausgehungert könnt ihr doch gar nicht sein.“

Sabrina betrachtet das alles mit großen Augen und denkt: Nun kann ich verstehen warum es Niki hier unten so gut gefällt, bei diesen netten Menschen.

Und sie wird ein wenig traurig, denn sie weiß, dass Niki und sie nun in zwei verschiedenen Welten leben, denn niemals könnte sie hier auf der Erde glücklich sein. Ihre Heimat ist der Himmel.

Aber wie sollte sie eigentlich in den Himmel zurück kommen?

Aus ihren Gedanken heraus fragt sie die Mädchen:

„ Kommt St. Nikolaus in der Stadt zu Euch oder hier bei euren Großeltern?“

„ Er kommt hierher und wenn wir Schule haben, stellen Oma und Opa unsere Schuhe vor die Tür und wir kommen dann am nächsten Tag mit unseren Eltern.“ erklärt Renate und Karin ruft.

„Diesmal fällt der Nikolaustag auf Freitag, sodass Papa uns schon nach der Schule ins Forsthaus bringt und wir unsere Schuhe selber raus stellen dürfen. Warum fragst du?“

„Ich dachte, vielleicht könnte ich mit St. Nikolaus in den Himmel zurück kehren.“

„Nein! Willst du denn nicht hier bleiben.“ ruft Niki erschrocken.

„Das geht doch nicht , meine Heimat ist der Himmel und deine Heimat ist jetzt hier.“

„Nun ihr habt doch noch eine ganze Woche, die ihr gemeinsam verbringen könnt.“ tröstet Karin.

„Kinder kommt, wir wollen nun den Baum aussuchen,“ ruft Herr Schinkel, der inzwischen fertig ist.

Sie streifen lange durch den Wald, bis sie einen Baum finden der allen gefällt.

Der Mann ohne Haare holt einen Stift aus seiner Hosentasche und kennzeichnet den Baum.

„Warum macht er das?“ flüstert Sabrina und Niki erklärt: „Damit die Holzfäller, die den Baum am Samstag vor dem vierten Advent bringen, ihn auch finden.“

„ Und im Frühjahr dürfen wir helfen Opa einen neuen Baum zu pflanzen.“ erklären die Mädchen.

Auf den fragenden Blick des Engels sprechen sie weiter.

„Opa gehört dieser Wald und er muss ihn hegen und pflegen. Jedes mal wenn ein Baum gefällt wird, muss ein neuer Baum gepflanzt werden, so bleibt der Kreislauf der Natur erhalten.“



Als sie nach Hause kommen wartete Oma schon mit Kakao und Plätzchen.

Die Kinder schwärmen von dem schönen Baum und freuen sich schon darauf ihn zu schmücken.

Denn zur Tradition Schinkel gehörte auch, dass am vierten Advent, die gesamte Familie den Weihnachtsbaum schmückt.

Auch Hermann, Herminchen und Niki strahlen, denn sie gehörten inzwischen ja auch zur Familie.

Oma hatte sich aus dem Gespräch heraus gehalten, sondern versonnen in ihrer Tasse gerührt.

Nun hebt sie den Kopf und lächelt Sabrina an.

„Als ich noch ein Kind war, haben wir den Baum mit Engelshaar geschmückt.“

„Haben die Engel euch ihre Haare geschenkt?“

„Nein , du bist der erste Engel, denn ich kenne.

Die Haare wurden künstlich hergestellt doch als Kind glaubte ich, dass sie echt wären.“

„Das muss sehr schön ausgesehen haben, schade, dass es das heute nicht mehr gibt,“ seufzt Karin.

„Ja, es war wunderschön und ich glaubte mich dem Himmel noch näher.“

Niki und Sabrina verbringen eine schöne Woche miteinander, doch viel zu schnell vergeht die Zeit.

Am Freitag treffen sich alle im Forsthaus und jedes der Kinder darf seine Schuhe selbst vor die Tür stellen.

Sabrina würde auf den Nikolaus warten.

Karin, hat bemerkt, dass Nikis Schuhe so klein sind, dass nur ein Bonbon hinein passt.

Sie nimmt Sabrina beiseite und schlägt ihr vor sie den Nikolaus zu bitten doch ein Säckchen neben die Schuhe des Wichtels zu legen.

Der kleine Engel verspricht es.



Das Haus ist still, alle sind schlafen gegangen, nur Sabrina steht am Fenster und blickt hinauf in den sternenklaren Himmel.

Sie lächelt, als sie einen silbernen Mondstrahl zwischen den Bäumen sieht.

Bald würde St. Nikolaus hier sein und schnell eilt sie vor die Tür.

Bald war das lustige Klingeln des Schlittens zu hören und der heilige Mann lacht schon von weitem.

„Na, du Racker, habe mir schon gedacht, dass du Niki besuchen wolltest, das nächste Mal frag doch einfach mich, jaja, der Mond hat mir schon berichtet welch gefährlichen Weg du genommen hast.“

Sabrina wird ein wenig verlegen und streichelt den weißen Schimmel, während St. Nikolaus vom Schritten springt.

Als er die Schuhe sieht lacht er schallend.

„Wie ich sehe hat Niki auch seine Schuhe heraus gestellt, hm sind ein bisschen klein.“

„Ja, deshalb bitten dich auch die Mädchen, dass du doch einen kleinen Sack neben die Schuhe stellst.“

„Sind liebe Mädchen, haben den Kleinen wie einen Bruder aufgenommen, deshalb sollen alle drei die gleichen Säckchen bekommen.“

Bald steht neben jedem Schuh ein Säckchen gefüllt mit Leckereien.

Dann schnippt er mit dem Finger und an jeden Sack baumelt links und rechts ein Schuh.

„Dann weiß jeder gleich welcher Sack ihm gehört!“

Sabrina winkt ihm, sich zu ihr herunter zum beugen und flüstert ihm etwas ins Ohr, worauf St. Nikolaus herzlich lacht.

 (c) Irmgard Brüggemann


Wie freuen sich die drei, als sie am nächsten Morgen ihre Säckchen finden, nur etwas traurig sind sie, dass Sabrina nicht mehr bei ihnen war.

Als Oma ins Wohnzimmer geht, um den Tisch zu decken stößt sie einen überraschten Ruf aus und alle kommen angelaufen und betrachteten erstaunt das große Paket, das mitten auf dem Tisch liegt.

„Von wem das wohl ist?“wollen die Mädchen wissen.

„Sehen wir doch einfach nach,“ brummte Opa und hebt das Paket an.

Er zieht eine Karte hervor.

„Von Sabrina.“

Alle nicken, denn so etwas haben sie schon geahnt.

„Liebe Familie ,“

Hermann stößt die Faust in die Luft und ruft, „das sind auch wir.“

Der Mann ohne Haare warf ihm einen strafenden Blick zu und begann von vorne.


„Liebe Familie Schinkel,


ich möchte mich von ganzem Herzen bedanken für die liebevolle Aufnahme in eurer Mitte und die schöne Zeit, die ich bei euch erleben durfte. Schade, dass wir den heiligen Abend nicht gemeinsam feiern können. Aber ich schenke euch etwas, das euch immer an mich erinnern wird.


In Liebe Sabrina


Oma öffnet das Paket und goldblonde Locken kommen ihr entgegen.

„Sie hat ihr Haare abgeschnitten, damit wir den Baum damit schmücken können.“ flüstert die alte Frau ehrfürchtig.

Und in allen Augen stehen Tränen.


Am Hl. Abend als sie bei Punsch und Plätzchen den wunderschön geschmückten Baum betrachteten, da ist ihnen als würde ein Engel durch den Raum gehen.

Und sie fühlen sich sehr sehr glücklich.


© Lore Platz 2019







Dienstag, 25. November 2025

Oma und Lena und ihre besonderen Geschichten Kastanie

 


 

  



                        

Als meine Tochter acht Jahre alt war, durfte sie sich ein Wort oder 

Tier ausdenken und ich machte daraus eine Geschichte.


Dasselbe Spiel spielen Oma und Lena.

Vor einigen Jahren schrieben wir schon einmal Reizwortgeschichten und aus einigen entwickelten sich Serien, weil ich mich in die Hauptdarsteller verliebt habe.

Ich denk auch Oma und Lena gehen in Serie.

 

Viel Spaß beim Lesen!

 

Oma und Lena und ihre besonderen Geschichten



Hui!, pfeift der Herbstwind und wirbelt den Staub auf.

Er taucht ein in den aufgehäuften Berg bunter Blätter, treibt sie vor 

sich her, bläst sie in die Luft und lässt sie wieder herunter fallen.

Dann jagt er weiter, um an Regenrinnen und Fensterläden zu

 klappern.

Eine alte Frau sitzt in ihrem Lehnstuhl, ihre geliebte Kuscheldecke 

über die Knie und lauscht versonnen dem rauen Gesang des Windes.

Leise öffnet sich die Tür und ein kleines Mädchen tritt herein.

Ihre Augen sind fest auf die Tasse gerichtete, damit ihr ja kein

Tropfen verloren geht.

Aufatmend stellt sie den Tee auf den kleinen Tisch neben dem 

Sessel.

Ich habe keinen Tropfen verschüttet!“, verkündet sie stolz.

Die alte Frau lächelt sie liebevoll an.

Oma, du musst den Tee trinken, solange er noch heiß ist.“

Eine junge Frau öffnet die Tür und steckt den Kopf herein:

Mama. Ich gehe einkaufen, brauchst du was?“

Nein Gisela, danke.“

Ich brauche auch nichts, Mama,“ trompetet Lena.

Ihre Mutter lacht und zieht sich zurück.

Lena aber lehnt sich an das Knie ihrer Oma und bettelt.

Erzählst du mir eine Geschichte?“

Frau Jomson lüftet die Decke und die Kleine macht es sich

gemütlich.

Liebevoll streicht die alte Frau über das seidenweiche Haar ihrer

 Enkelin.

Was möchtest du denn heute für eine Geschichte?“

Von einer Kastanie!“

Einer Kastanie?“

Ja, wir haben heute im Kindergarten Kastanien gesammelt und

 Morgen dürfen wir damit basteln.“

Ihre Oma schließt einen Moment die Augen, lächelt und beginnt:








Die kleine Kastanie


Vor einem kleinen Haus stand ein Kastanienbaum. Stolz reckte er seine Zweige, denn er war sehr eingebildet und hielt sich für was besseres.
Hochmütig erklärte er seinem Nachbarn dem Apfelbaum, dass einer seiner Vorfahren ein Canstano Santo gewesen wäre und dieser Baum in Andalusien als heilig gelte.
Der Apfelbaum konnte weder etwas vornehmes noch heiliges an seiner Nachbarin entdecken, aber er war viel zu gutmütig, um etwas zu sagen.
Die Kastanie aber hatte sich schon längst abgewandt und betrachtete voller stolz ihre vielen Früchte. In jedem der stacheligen behaarten Fruchtbecher wohnten drei ihrer Kinder. Braun, dick und wohlgestaltet hatten sie die grünen Becher schon ein wenig gesprengt.
Sie runzelte die Stirn und missmutig betrachtete sie einen der weiter unten hängenden Fruchtbecher.
Was war denn das, neben zwei herrlich prallen Früchten, saß ein mickriges kleines Ding.
Das war ja entsetzlich, schämen musste sie sich, was würden die Leute sagen.





Als würde sie den Missmut der Mutter spüren versuchte die kleine winzige Kastanie sich noch kleiner zu machen. Was konnte sie denn dafür, wenn ihre Brüder immer dicker wurden und ihr keinen Platz ließen.
Eine einsame kleine Träne kullerte über ihre Gestalt, doch niemand sah sie.

Es war Herbst und früh schon begann die Dämmerung ihre Schleier über das Land zu breiten.
In der Küche des kleinen Hauses saß die Familie beim Abendbrot.
Der Vater Klaus Ortner war Waldarbeiter und in der Försterei angestellt.

Margarete seine Frau half vormittags, wenn die Kinder in der Schule waren, in der Gutsküche aus. Nachmittags kümmerte sie sich um die kleine Landwirtschaft, die aus einigen Hühnern, einer Ziege und einem großen Obst und Gemüsegarten bestand.

Ihr Sohn Jochen ging bereits in die vierte Klasse und seine kleine Schwester Annegret in die zweite.

Nun saßen sie alle vier in der Küche und ließen sich die leckere Gemüsesuppe schmecken.
„Papa, die Kastanien müssten doch bald reif sein,“ fragend sah Jochen seinen Vater an.
Dieser nickte bedächtig und wischte mit einem Stück Brot den Rest der Suppe aus dem Teller.
Ich denke am Samstag ist es soweit.
„Juchhu,“ jubelte Annegret, „bekommen wir welche zum basteln?“
„Ja ihr dürft euch jeder vier Stück aussuchen. Den Rest brauche ich für die Wildschweinfütterung
„Och,“ maulte Jochen, „ damit kann man ja nix richtiges basteln.“
Der Vater grinste und zwinkerte ihm zu:
„Wenn du sie halbierst hast du acht Stück.“
Das Gesicht des Jungen hellte sich auf.
„Ich werde eine Raupe basteln!“
„Ich werde eine Puppe basteln!“ trompetete Annegret.
„Und ich,“ sagte die Mutter, die gerade die Teller zusammen stellte, “werde euch eine Schachtel Streichholz spendieren. Nun aber helft mir den Tisch abräumen, es gibt noch Pudding.“
„Pudding!“ jubelten die Kinder und für den Moment waren die Kastanien vergessen.

Zwei Tage später lagen alle Kastanien unter dem Baum auf der Wiese.
Es war Sonntag und nach dem Mittagessen holte der Vater den großen Korb aus dem Schuppen und zusammen mit Jochen sammelte er die Kastanien auf.
Annegret aber, mit einem kleinen Körbchen am Arm. umrundete den Baum und suchte die schönsten Kastanien für ihre Puppe. Drei lagen schon in ihrem Korb, es fehlte nur noch eine für den Kopf.
Da sah sie zwei ganz dicke braune Kugeln liegen und daneben eine ganz kleine.
Vorsichtig hob sie die kleine Kastanie auf.
„Oh was bist du hübsch, du wirst ein schöner Kopf für meine Puppe.“
Der kleinen Kastanie klopfte das Herz voller Glück. Hübsch hatte sie das Menschenkind genannt.
Annegret aber legte ihren Fund vorsichtig ins Körbchen.
Dann bückte sie sich und hob auch die ganz dicken Früchte auf. Diese wollte sie dem Papa bringen.
„Schau, Papa, hier habe ich zwei ganz dicke Kastanien gefunden, davon werden die Wildschweine bestimmt satt.“
Nachdem alle Kastanien geerntet, wird der Korb im Schuppen verstaut und sie gehen ins Haus.
Der Vater zündete seine Pfeife an und setzte sich mit der Zeitung in seinen gemütlichen Sessel. Im Sessel neben ihm ließ die Mutter ihre Stricknadeln klappern.
Die Kinder aber breiteten ihre Schätze auf dem Tisch aus.
Jochen zerteilte vorsichtig mit seinem Taschenmesser seine Kastanien, steckte sie zusammen und malte dann seiner Raupe noch ein lustiges Gesicht.
Dann half er seiner Schwester, die sich vergeblich bemühte ein Streichholz durch die Kastanie zu pressen.
Die Puppe bekam auch ein fröhliches Gesicht und nun stellten die Kinder ihre Kunstwerke ganz vorsichtig auf das Regal.




    


       


Die Nacht hatte ihre Schleier über das Land gebreitet und nur der pausbäckige Mond spendete etwas Licht.
Auf dem Regal stand die kleine Kastanie und sah sich glücklich in der vom Mond beschienenen Küche, um.
Nun durfte sie bei den freundlichen Menschen wohnen. Sie, die kleine Kastanie, die von ihrer Mutter verächtlich als hässlich und mickrig bezeichnet wurde.“







Eine Weile bleibt es still. Dann legt Lena beide Arme um den Hals
ihrer Oma und küsst sie auf die Wange.
„Das war eine schöne Geschichte.“
Liebevoll lächelnd streichelt die alte Frau ihrer Enkelin über
das Haar.
Sie öffnet die Kuscheldecke.
„Es duftet nach Kaffee, deine Mutter ist zurück.“
Hand in Hand gehen die Beiden in die Küche.


© Lore Platz 2022