Dienstag, 18. November 2025

Erinnerungen








Erinnerungen

Hannelore ging langsam den Kiesweg entlang und blieb dann vor dem Grab ihrer Oma stehen.
Sie legte den bunten Blumenstrauß ab und zog die gläserne Vase aus der schwarzen weichen Erde inmitten des steinernen Vierecks.
Am nahegelegenen Kompost entsorgte sie die verwelkten Blumen, spülte die Vase aus und füllte sie mit frischem Wasser.
Während sie die Blumen liebevoll arrangierte, liefen ihr die Tränen über das Gesicht.
Oma, ich vermisse dich so, hast dich einfach still und heimlich davon geschlichen, während ich mitten im Examen steckte. Nichts gesagt hast du mir, wie krank dein armes Herz war, wolltest mich nicht belasten.
Aber wenigstens hat der Arzt gesagt, du bist ganz friedlich eingeschlafen. Dabei wollte ich dir doch Lutz vorstellen, du hättest ihn sicher gemocht. Ach Omi, ich lieb dich so!“
Das Mädchen erhob sich, faltete die Hände zu einem stummen Gebet und verließ mit gesenktem Kopf den Friedhof.
Wenig später hielt ihr Auto vor dem kleinen ärmlichen Häuschen der Oma.
Beide Hände auf dem Lenkrad betrachtete sie den verwilderten Garten, den Apfelbaum an dem noch die Schaukel hing, die der Opa ihr aufgehängt hatte, als sie damals nach der Scheidung ihre Eltern von ihrer Mutter bei
deren Eltern abgeliefert wurde wie ein lästiges Paket.
Weder der Vater noch die Mutter wollten sie in ihr neues
Leben mitnehmen.
Mit unendlicher Liebe hatten sich die Großeltern dem verstörten Kind angenommen.
Nach dem Abitur hatte sie dann weiter entfernt einen Studienplatz bekommen und konnte nur noch gelegentlich zu Besuch kommen, denn das Fahrgeld war teuer und sie hatte auch noch einen Job als Kellnerin in einem Studenten- Cafe.
Als sie im zweiten Semester war, starb der Großvater und sie war sofort nach Hause geeilt, um der Großmutter zur Seite zu stehen.
Als alles erledigt und vorüber war, hatte die Oma sie energisch weg geschickt, denn der Opa würde sich freuen wenn sie ein gutes Examen machte.
War er doch so stolz auf seine kluge Enkelin.
Und sie hatte sich noch mehr in ihre Studien gestürzt, erstens, um zu vergessen, aber auch um ihren Großeltern zu danken, die soviel für sie getan hatten.
Dann hatte sie ihr Examen mit Eins gemacht und gerade ihre Koffer gepackt, Lutz, den sie ihrer Oma vorstellen wollte wartete schon unten in seinem alten VW-Käfer, da kam das Telegramm.
Verzweifelt und entsetzt hatte sie dagesessen bis Lutz herauf kam und sie in die Arme nahm.
Und statt auf Besuch waren sie zu einer Beerdigung gefahren.
Da kein Testament vorhanden war, hatte ihre Mutter das Haus geerbt und schnellst möglichst verkauft.
Sie hatte ihre Tochter aufgefordert, ihre persönlichen Sachen und das der Oma aus dem Haus zu holen, bevor am Montag die Firma, die das Haus ausräumen würde, kommt.
Hannelore nahm den Schlüssel aus dem Blumentopf neben dem Eingang und betrat das Haus.
Im Flur hingen mehrere Mäntel und Jacken übereinander auf den Hacken. Verschiedene Schuhe lagen kreuz und quer darunter.
Liebevoll lächelnd betrachtete das Mädchen das Chaos. Von Ordnung hielt Oma nie viel.
Eine Wohnung ist keine Schonung, man muss sehen, dass darin das Leben stattfindet,“ pflegte sie zu sagen, wenn der Opa über ihre Unordnung meckerte.
Hannelore ging in die kleine beige geflieste Küche. Wie viele gemütliche Stunden hatten sie drei hier verbracht. Opa hatte die Oma immer geneckt, und die sich vergnügt zu wehren gewusst.
Hannelore hatte gekichert und sich gewünscht, auch einmal so eine glückliche Ehe zu führen.
Sie ging hinüber in die kleine Wohnstube, öffnete das Fenster, um die abgestandene Luft hinaus zu lassen.
Eine Biene kam summend herein geflogen, prallte gegen die Wand, dann gegen die Scheibe und fand endlich wieder den Weg in den Garten.
Hannelore strich liebevoll über die Lehne des alten Sessels. Hier hatte die Oma immer gesessen und ihr aus einem alten zerfledderten Märchenbuch vorgelesen, während sie auf dem Fußbänkchen saß, den Kopf an Omas Knie gelehnt und lauschte.
Der Opa war am Tisch gesessen, die geliebte Pfeife im Mund und tat als würde er Zeitung lesen.
In Wirklichkeit hörte er auch zu, aber dass hätte er niemals zugegeben.
Hannelores Blick wanderte zum Schrank, auf dessen unterer Ablage große ziemlich schiefe Stapel alter Zeitungen sich türmten.
In dem Regal darüber lagen kunterbunt durcheinander einige Bücher.
Das Mädchen holte das Märchenbuch heraus und blättert versonnen darin.
Träumst du mal wieder, Sprösschen,“ erklang Lutz Stimme hinter ihr.
Jubelnd fiel sie ihm um den Hals.
Wo kommst du denn her!“
Hab mir frei genommen, konnte dich doch nicht allein
lassen mit dem ganzen Kram hier.“
Grinsend sah er sich um.
Jetzt weiß ich woher du deinen Hang zur Unordnung hast.“
Spielerisch knuffte sie ihn in die Seite.
Nun begannen sie alle Dinge, die Hannelore gern behalten wollte in die Umzugskartons zu packen.
Die Schubladen, die vor Papieren überquollen schütteten sie in einen Wäschekorb.
Den Papierkram wollten sie zu Hause erledigen.
Die Fotoalben und Bücher legten sie dazu.
Zwei Stunden später lümmelten sie erschöpft aber froh auf dem alten Sofa.
Lutz ließ grinsend seinen Blick durch den Raum gleiten.
Gemütlich hier!“
Trotz Unordnung?“ spottete Hannelore.
Lutz küsste sie auf die mit Sommersprossen übersäte Nase, deshalb nannte er sie auch Sprösschen, und erklärte.
Seit ich dich kenne, liebe ich Unordnung geradezu!“
Das Mädchen rammte ihm den Ellbogen in die Seite.
Aua!“
Dann legte sie ihren Kopf an seine Schulter und Lutz schmiegte seine Wange auf ihr Haar.
Hannelore war, als hörte sie ihre Oma kichern.
Oh ja, Lutz hätte der Oma gefallen.

© Lore Platz 27.05.2014








Montag, 17. November 2025

Die Mondscheinprinzessin






Niemand weiß, was uns erwartet, werden wir gesund bleiben
bis ins hohe Alter oder wird uns eine unheilbare Krankheit
treffen.
Ich habe so viele wunderbare Menschen in meinem Leben getroffen, die wirklich krank waren und Schmerzen hatten und trotzdem fröhlich und voller Lebensfreude ihr Schicksal annahmen bis zum letzten Atemzug.
Als wir die Diagnose Krebs und nicht heilbar für meinen Mann bekamen, sagten wir es unserer Tochter. 
Sie verließ die Küche, etwas später kam mein Mann zu mir und sagte leise:
"Die Claudia sitzt auf der Terrasse und weint."
Ich ging zu ihr und nun weinten wir beide. 
Da kam mein Mann mit einem - Mensch ärgere dich nicht Spiel - und forderte uns zu einem Match heraus.
Er der Todkranke hat uns getröstet und aufgemuntert.
 




Die Mondscheinprinzessin

Urlaub, ich hab Urlaub!“ trällert Gerlinde.
Vier Wochen Urlaub in den Bergen liegen vor ihr, weit weg vom Stress des Alltags. Einfach nur entspannen, wandern und die Seele baumeln lassen.
Die Sonne verschwindet langsam vom Horizont, aber in einer Stunde ist sie ja am Ziel.
Ihr guter alter Monty gibt plötzlich seltsam hustende Geräusche von sich, naja er ist ja nicht mehr der Jüngste, und dann ein langgezogenes gequältes Stöhnen und das Auto bleibt stehen.




Was nun?
Gerlinde startet, doch nur ein gequältes Knirschen ist zu hören. Seufzend kramt sie nach ihrem Handy, super, kein Empfang!
Die junge Frau springt aus dem Wagen, läuft ein paar Schritte, hebt das Telefon in die Höhe und dreht sich im Kreis.



Ein paar Kühe, die auf der Weide stehen, glotzen sie neugierig an. Was die wohl denken?
Gerlinde verdreht genervt die Augen.
Na toll, sie befindet sich mitten in einem Funkloch.
Der Urlaub fängt ja gut an.
Dann muss sie wohl auf Schusters Rappen weiter.
Aus dem braunen nicht mehr ganz neuen Koffer holt sie einige Dinge, die sie für eine Übernachtung braucht und stopft sie in ihren Rucksack.
Vorsichtshalber holt sie auch noch die Tafel Schokolade aus dem Handschuhfach.
Soweit das Auge reicht nur Kornfelder, Wiesen und weiter hinten ein großer Wald.
Hoffentlich muss sie nicht im Wald übernachten, denn die Dämmerung senkt sich bereits über das Tal.
Am besten sie nimmt auch noch die Taschenlampe mit.
Dann stiefelt sie los.
Immer mehr nähert sie sich dem Wald, dann bleibt sie überrascht stehen.
Mitten auf einer Wiese dreht sich eine Lichtgestalt, mit einem Blumenkranz im Haar, barfuß im Mondlicht.
Gerlinde schüttelt den Kopf, narren sie ihre Augen.
Feen gibt es doch nicht.
Hallo!“ ruft sie.
Das Mädchen hält inne, sieht sie erschrocken an und läuft davon.
Als Gerlinde ihr folgt steht sie plötzlich vor einem kleinen Gehöft an dessen Eingangstür eine Lampe hängt.
Da sie keine Klingel findet, klopft sie kräftig an.
Die Tür öffnet sich knarrend und eine alte Frau sieht sie unfreundlich an.
Entschuldigen sie, aber ich habe eine Autopanne, kann ich bei ihnen telefonieren?“
Die Tür öffnet sich weiter und die alte Frau tritt einen Schritt zurück.
Mit einem leisen 'Danke' betritt Gerlinde den dunklen Flur und folgt der Alten, die nun auf ein schwarzes Telefon deutet.
Können sie mir vielleicht die Nummer der Autowerkstatt sagen?“
Ja mei, den Schorsch, den werdns nimma dawischen, der sitzt um die Zeit im Wirtshaus.“
Kann das Fräulein nicht bei uns übernachten?“
Gerlinde dreht sich um und sieht sich der kleinen Tänzerin gegenüber.
Hallo ich kenne dich doch, schön hast du getanzt. Ich heiße Gerlinde.“
Ich bin die Mirzel und das ist meine Oma.“
I bin d Josefa Klinger und wenns mit unsra bscheidnen Hietn zfrien san, kenners gern hier übernachten. Hams Hunger?“
Gerne, mein Auto hat ungefähr zwei Kilometer von hier den Geist aufgegeben. Ich wollte eigentlich nach S.“
Oh das sind noch mindestens 15 Kilometer, das schaffen sie heute nicht mehr. Oma, du kannst ruhig ins Bett gehen, ich kümmere mich um unseren Gast.“
Deine Oma ist wohl nicht sehr gesprächig,“ lächelt Gerlinde, als die alte Frau in einem Zimmer weiter hinten im Flur verschwindet.
Mirzel lacht, „nein, aber sie ist unheimlich lieb, aber nun kommen sie , ich zeig ihnen ihr Zimmer.“
Da kannst ruhig du zu mir sagen.“
Gerne“
Nachdem Gerlinde ihren Rucksack abgestellt hat folgt sie dem Mädchen in die Küche.
Später setzen sich die beiden Mädchen auf die Stufen vor dem Haus.


Ein dicker leuchtender Vollmond taucht die Umgebung in sein fahles Licht. Es raschelt und eine Maus rennt quer über den Hof und schlüpft durch den Zaun des kleinen Küchengartens.
Ich mag den Mond, er tut mir nicht weh mit seinem kalten Licht.“
Gerlinde sieht Mirzel erstaunt an.
Diese lächelt: „ Ich bin ein Mondscheinkind.“
Die junge Frau erschrickt.
Sie hat von dieser seltenen Erbkrankheit gehört. Die Betroffenen können die Sonnenstrahlen nicht vertragen und da ihre Lebenserwartung nicht sehr hoch ist, nennt man sie Mondscheinkinder.
Deshalb kann ich nur nachts raus gehen und dann tanze ich auf der Wiese und träume, ich wäre eine Fee oder eine verwunschene Prinzessin.“
Eine Mondscheinprinzessin,“ lacht Gerlinde, die sich inzwischen wieder gefangen hat.
Mirzel stimmt in ihr Lachen mit ein, doch dann wird sie wieder ernst.
Als die Diagnose bekannt wurde hat meine Mutter mich zur Oma gebracht und ist fort gegangen, glaubst du, dass sie mich nicht lieb hatte?“
Gerlinde legt den Arm um die Schulter der zarten Gestalt und zieht sie an sich.
Sicher hat sie dich lieb, vielleicht zu lieb, dass sie einfach
nicht mit ansehen konnte wie du leidest. Weißt du, nicht jeder ist so stark. Wo ist denn dein Vater?“
Den kenne ich nicht, aber es ist schön bei der Oma und sie ist sehr lieb zu mir und auch die Leute im Dorf sind sehr nett.
Sie haben die Fenster mit einer schützenden Folie beklebt, haben mir einen Schutzanzug besorgt, damit ich zur Schule gehen kann und auch in der Schule hat man die Fenster mit einer Folie beklebt.
Nur manchmal bin ich sehr einsam, denn spielen kann ich nicht im Freien mit den anderen Kindern, denn ich darf nur nachts raus. Aber das ist auch schön, denn so  habe ich viel Zeit, um mir Geschichten auszudenken.“
Sie lacht fröhlich und meint verschmitzt.
Weißt du, warum der Mond mal dick und mal dünn ist?“
Gerlinde überlegt und versucht sich daran zu erinnern was sie darüber in der Schule gelernt hat.
Wenn der Schatten der Erde auf den Mond fällt...“
Unsinn!“ unterbricht sie Mirzel lachend.
Weil er verliebt ist. Willst du die Geschichte hören?“
Gerlinde nickt und Mirzel kuschelt sich an sie und erzählt:



Eines Tages verliebte sich der Mond in die schöne Sternenprinzessin. Er verließ also sein Haus und sein ach so gemütliches Bett und ging in den Sternenpalast. Dort warf er sich vor seiner Angebeteten auf die Knie und gestand ihr
seine Liebe. Doch da er so dick war konnte er nicht mehr aufstehen und fünf Diener des Sternenkönigs mussten ihm
helfen. Die Sternenprinzessin aber lachte so , dass ihr die Tränen kamen und dann sagte sie zum Mond: „ Komme wieder, wenn du so dünn bist, dass du vom Boden aufstehen kannst.
Der Mond ging also nach Hause und sagte zu seiner Mutter. Ich muss fasten, denn sonst heiratet die Sternenprinzessin mich nicht.
Nun aß er ganz wenig und wurde immer dünner. Als er so dünn und schmal wie eine Sichel war, ging er wieder in den Sternenpalast und und warf sich der Prinzessin vor die Füße.
Doch diesmal war er zu schwach, um wieder aufstehen zu können und die Diener des Königs mussten ihn nach Hause tragen. Dort schimpfte seine Mutter ganz fürchterlich und er musste nun tüchtig essen und bald war er wieder so dick wie vorher.
Aber seitdem versucht er es immer wieder.“

Gerlinde lacht.
Hat dir meine Geschichte gefallen?“
Ja sehr gut, du solltest sie aufschreiben.“
Kannst du denn deinen Urlaub nicht bei uns verbringen, dann erzähle ich dir jeden Tag eine Geschichte.
Ich habe mir noch viele Geschichten ausgedacht. Außerdem haben wir gerade Ferien. Biiiittte!“
Die junge Frau sieht in die sehnsüchtig auf sie gerichteten Augen und nickt.
Jubelnd fällt das Mädchen ihr um den Hals.




Am nächsten Morgen wird Gerlinde vom Krähen des Hahns geweckt und reibt sich verschlafen die Augen, dann springt
sie aus dem Bett und geht ins Bad. In der Küche ist nur die alte Frau Klinger. Mirzel schläft noch.
Gerlinde erzählt ihr von der Bitte des Mädchens, den Urlaub hier bei ihnen zu verbringen und fragt, ob sie bleiben darf.
Natürlich würde sie für alles bezahlen.
Die alte Frau rührt ihn ihrem Kaffee und sagt dann leise.
Des Kind ist hoalt durch ihr Krankheit vui alloa und an ernner hoats an Naaren gfressn, würd mi frein, wenns bleim dan. Zoan mirsns nixa!“
Doch, doch und wenn mein Auto wieder geht, dann werde ich auch die Einkäufe im Dorf übernehmen!“
Gerlinde ruft später die Autowerkstatt an und erklärt wo ihr Wagen steht, dann storniert sie auch die Hotelbuchung.
Für Mirzel aber beginnt eine wunderbare Zeit.
Tagsüber spielen sie Brettspiele oder sie denken sich etwas lustiges aus. Den ganzen Tag hört man sie fröhlich lachen. Sobald die Sonne untergeht, wandern sie durch die Gegend oder tanzen barfuß auf der Wiese.
Und als dann der alte Monty wieder fahrtüchtig ist, fahren sie in die Stadt, setzen sich in ein Straßencafe und beobachten
die Leute, während sie sich einen großen Becher Eis schmecken lassen.
Manchmal gehen sie auch ins Kino und Mirzel staunt über die große Leinwand.
Viel zu schnell vergeht die Zeit und der Abschied ist gekommen.
Gerlinde nimmt die weinende Mirzel in den Arm und verspricht, jeden Tag anzurufen und sie können sich ja auch
schreiben. Und sobald es ihr möglich ist, würde sie wieder
kommen.
Doch dazu sollte es nicht mehr kommen.
Denn eines Tages ruft Josefa an. Mirzel ist gestorben, ein Tumor, aber sie wäre ganz still und mit einem Lächeln eingeschlafen und ihre letzten Worte waren:
Grüß mir die Gerlinde, ich hab sie lieb, sie soll nicht traurig sein, denn ich gehe jetzt dorthin zurück, wo ich hergekommen bin.“
Gerlinde weint bitterlich um ihr kleine Freundin.
Nach der Beerdigung drückt ihr Josefa einen großen Umschlag in die Hand.
Darin sind all die schönen Märchen, die sich Mirzel ausgedacht hat und zu jedem hat sie ein schönes Bild gemalt.
Gerlinde setzt sich mit einer Schulfreundin in Verbindung, die einen kleinen Verlag leitet und lässt die Geschichten drucken.
Das Vorwort schreibt Gerlinde und berichtet von dem ganz besonderem Mädchen, das trotz ihrer schwerer Krankheit so fröhlich und lebensbejahend war und barfuß im Mondlicht auf der Wiese tanzte.

Das Buch wird ein voller Erfolg und mit dem Erlös gründete Gerlinde zusammen mit Josefa die Stiftung „Mondscheinprinzessin“, die todkranken Kindern den letzten Wunsch erfüllen will.

© Lore Platz 7.11.2019


Vor kurzem bedauerte eine Bekannte meinen jetzigen Zustand. Ich sah sie erstaunt an. 
"Ich bin glücklich, habe doch noch meinen Verstand und meine Fantasie und kann meinen Leser immer noch damit Freude schenken. Ich bedaure die Menschen, die immer nur jammern
sieh doch mal einen Blinden der seit Geburt nicht mehr sehen kann, die Gehörlosen, die sich gegenseitig helfen, ein durch Unfall querschnitt gelähmter, der sein Schiksal annimmt, oder der Mann, der keine Arme hat, dessen Hände an der Schulter angewachsen sind und der ein Weltmeister im Tischtennis ist. Das sind für mich die Helden, des Alltags.
Meine Devise ist. "nicht die Krankheit wird mich besiegen, das negative ins posetive verwandeln" 


(c) Irmi Brüggemann

Sonntag, 16. November 2025

Die Katzenmarei

 

Ich habe bereits mehrere Katzengeschichten geschrieben, dies ist meine Lieblingseschichte,weil sie 2022 wirklich passiert ist und zeigt dass die Menschlichkeit niemals ausstirbt.

Außerdem möchte ich euch eine sehr liebe junge Frau vorstellen, die zu meiner Familie gehört und deren künstlerisches Talent ich erst vor kurzem feststellte. Sie fertig Bilder ( die Art nennt sich Diamant Paintin) und ich hoffe, dass  ich Sonja in Zukunft  dazu gewinnen kann in meinem Blog mitzuarbeiten.

 

(c) Sonja

 

 Zitat des Tages

 

Hoffnungen


Drei Dinge helfen die Mühseligkeiten des Lebens zu 

ertragen, die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen


Immanuel Kant


 

 2022

Vor Jahren fand ich einen kleinen Zeitungsbericht. Eine alte Frau hat  eine Packung Katzenfutter  gestohlen und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Ich war wütend und fand das ungerecht, denn wenn die Frau kein Geld für Katzenfutter hat, wie soll sie dann die Strafe bezahlen. Zum Glück haben gute Menschen gesammelt,daraus habe ich eine Geschichte gemacht.

Und nun wünsche ich Euch viel Spaß beim Lesen!

 
(c) Werner Borgfeldt






Die Katzenmarei


Müde tastet sich die alte Frau durch den schmalen Flur, den Eimern ausweichend, die sie wegen dem eindringenden Regen dort aufgestellt hat.
Der Sturm vor einigen Tagen hat einige Dachziegel herunter gerissen.
In der halbdunklen Küche, durch dessen schmales Fenster der beginnende Tag sein schwaches Licht wirft, ist es kühl und Marei zieht frierend das Schultertuch fester um ihre Schultern.
Mit klammen Fingern schürt sie in der Glut des alten Eisenofens und legt einige Holzstücke dazu.
Bald hört man es lustig knistern und knacken und ganz langsam breitet sich Wärme aus.

Fröstelnd wäscht sie sich mit dem kalten Wasser an dem Becken aus Email am Fenster, dann schlüpft sie in die alten abgenutzten Kleider, die sie aus der Schlafstube mitgebracht hat.
Sie stellt einen Kessel mit Wasser auf den Ofen, nimmt den Melkeimer, schlüpft in die Holzpantinen und schlurft über den Hof in den Schuppen.
 
(c) C.P.

Die Ziege begrüßt sie mit ihrer meckernden Stimme und liebevoll streicht Marei ihr über das Fell, bevor sie sie melkt.
Dann geht die alte Frau zu einer großen weißen Schüssel in der Mitte des Schuppens und gießt die noch warme Milch hinein.
Und nun wird es lebendig. Aus allen Ecken kommen Katzen angelaufen. Keine Schönheiten, mager zerzaust und einem kampferprobtem Kater fehlt sogar ein Ohr.
Schmeichelnd drängen sie sich an Marei, als wollen sie Danke sagen, bevor sie sich über die Milch hermachen.
Liebevoll betrachtet die Katzenmarei, so nennt man sie im Ort, weil sie sich um streunende Katzen kümmert, ihre Schützlinge.
Dann wird ihr Blick traurig. Wie mager sie sind, wie viele von ihnen den Winter wohl überleben. Und es würde einen harten Winter geben.

(c) Werner Borgfeldt

Als sie im Wald Tannenzapfen und Holz gesammelte hat, ist ihr aufgefallen, wie groß die Ameisenhaufen sind. Das lässt auf einen langen harten Winter schließen.
Ihr Blick fällt auf eine schwarzweiße Katze, die jetzt die Schüssel erreicht hat. Gestern erst ist sie zu ihr gekommen und so schwach, dass ihre Hinterläufe immer wieder einknicken und so mager, dass man jede einzelne Rippe zählen kann.
Sie braucht unbedingt kräftigere Nahrung als nur Milch, die anderen auch, doch die sind wenigstens noch kräftig genug, um sich ab und zu eine Maus zu fangen.
Marei seufzt und Tränen treten ihr in die Augen.
Bis vor kurzem hat ihr der Metzger am Ort jede Woche eine große Portion Fleischabfälle vorbei gebracht und auch Markknochen.
Aus den Markknochen machte sie eine kräftigende Brühe , der sie, die von ihr gesammelten Kräuter, hinzufügte.
Und diese Brühe flößte sie dann den schwächsten ihrer Schützlingen ein. So manches Tier konnte sie damit retten.
Aber vor einigen Monaten hat die Metzgerei geschlossen, der nahe Supermarkt war eine zu große Konkurrenz .
Marei geht in trübe Gedanken versunken ins Haus zurück.
Nachdem sie den Melkeimer gesäubert, gießt sie sich einen Tee auf und isst die letzte Scheibe Brot mit Marmelade.

Nachher muss sie noch im Supermarkt, Brot kaufen, doch erst will sie auf den Kartoffelacker.
Sie darf nämlich die Kartoffeln, die die Maschine nicht erfasst hat, auflesen.
Wenig später kommt sie mit zwei gut gefüllten Eimern wieder zurück. Es ist gar nicht so leicht gewesen mit dem kleinen Leiterwagen und der schweren Last über die holprigen Wege zu fahren. Doch es hat sich gelohnt, mit den Kartoffeln wird sie gut über den Winter kommen.
Nachdem sie ihren kostbaren Schatz im Keller verstaut hat, macht sie sich Stadt fein und mit ihrer großen Tasche über dem Arm geht sie zum Supermarkt.
Sie mag den Supermarkt nicht, hier ist alles so groß und unübersichtlich und die Verkäufer sind auch nicht sehr freundlich. Sie schüchtern sie sogar ein wenig ein und wenn sie etwas umständlich ihr Kleingeld zusammen sucht, spürt sie die Ungeduld der jungen Frau an der Kasse.
Marei legt das Brot und die Flasche billiges Salatöl in ihren Einkaufswagen und fährt in Richtung Kasse.
Im Vorbeigehen fällt ihr Blick auf ein Regal voll mit Katzenfutter. Sie studiert die Preise und bedauert, dass sie nicht genügend Geld dabei hat. Es ist einige Tage vor dem Ersten.

(c) Helge T.

Vor ihrem inneren Augen sieht sie die schwarzweiße kleine Katze, die so schwach ist, dass sie sich nur mühsam vorwärts bewegen kann.
Mit diesem kräftigen Futter könnte sie sie wieder aufpäppeln, ansonsten befürchtet sie das allerschlimmste.
Automatisch greift sie nach der großen Dose und lässt sie in ihrer karierten Einkaufstasche verschwinden
Ein schwere Hand legt sich auf ihre Schultern.


 
(c) Werner Borgfeldt


Daniel sitzt in seinem Büro des Zeitungsverlags
'Der Tagesbote', die Füße auf dem Schreibtisch und zielt mit Papierkügelchen auf den Papierkorb.
Christiane, seine Kollegin beobachtet ihn amüsiert und meint: „ Du solltest mal an deinem Wurfarm arbeiten.“
Mit einem schiefen Grinsen betrachtet Daniel das Chaos auf dem Teppich.
Er nimmt die Füße vom Schreibtisch und fährt sich mit beiden Händen durch das bereits verstrubbelte Haar.
Ich soll bis Redaktionsschluss einen Artikel schreiben und ich habe keine Ahnung worüber.“
Da hätte ich was für dich, ich war eben auf dem Gericht.“
Hat Richter Gnadenlos mal wieder zu geschlagen?“
Christianes Gesicht verfinstert sich.
Ja und diesmal hat er sich selbst übertroffen. Er hat die Katzenmarei zu 300Euro Strafe verdonnert!“
Ist das die alte Frau, die in dem verfallenem Haus am Ortsrand wohnt und sich um streunende Katzen kümmert? Was hat sie denn verbrochen?“
Im Supermarkt eine Dose Katzenfutter gestohlen?“
Die Strafe ist aber happig, selbst für Richter Gnadenlos.“
Er will ein Exempel statuieren, erklärte er bei der Begründung, denn die Verluste durch Ladendiebstähle sei enorm hoch.“
Ach und das muss er ausgerechnet bei dem armen alten Weiblein?“
Die sich noch nie etwas in ihrem Leben zuschulden kommen ließ und der nur 170 Euro von ihrer Rente bleiben zum Leben.“
Daniel machte nur „hm“ und Christiane verlässt leise das Zimmer.
Den Blick kennt sie, nicht umsonst hat sie den besten Reporter im Team auf diese Geschichte angesetzt.
Vergnügt summend schlendert sie zu ihrem Schreibtisch mit dem sicheren Gefühl, dass der Katzenmarei geholfen wird.
Wenig später verlässt Daniel die Redaktion und bald hält sein Sportwagen vor dem alten Häuschen.

Er führt ein langes Gespräch mit der alten Frau, macht auch einige Fotos von den Katzen besonders von der schwarzweißen für die das Katzenfutter bestimmt war.
Beim Abschied erklärt er noch, dass die Zeitung die Strafe bezahlen würde.
Zurück in der Redaktion geht er ohne rechts und links zu schauen in sein Büro und dann hämmern seine Finger auf den Laptop.
Am nächsten Morgen steht ein großer Artikel auf der ersten Seite des 'Tagesboten' mit Bildern von der Marei, ihren Schützlingen und der kleinen völlig abgemagerten schwarzweißen Katze.
Dieser Artikel löst einen Sturm der Hilfsbereitschaft aus.
Geldspenden gehen in der Redaktion ein, sodass man ein extra Spendenkonto einrichten muss.
Der hiesige Tierschutzverband ruft an, dass er künftig die Katzenmarei mit Katzenfutter versorgen wird.
Aus der Kreisstadt kommt der Tierarzt und fragte nach dem Weg zu Mareis Haus, denn er will die Katzen kostenlos ärztlich betreuen.
Und der ortsansässige Bauunternehmer fährt mit einigen seiner Leute zu dem alten Haus, um die Sturmschäden zu beseitigen und selbst den Schuppen verstärken sie mit zusätzlichen Brettern, damit die Tiere es schön warm haben.

Die alte Marei aber kann ihr Glück gar nicht fassen und als Daniel sie besucht, streckt sie ihm nur mit Tränen in                                                                                                          den Augen beide Hände entgegen und flüstert: „Danke“
Dann nimmt sie den jungen Mann mit in den Schuppen und zeigt ihm die schwarzweiße Katze, die gesund und munter mit den andern angelaufen kommt.

© Lore Platz (2022)