Dienstag, 23. Juni 2020

Hexe Liliput und das Drachenei

Hurra sie ist fertig die neue Geschichte von der kleinen rothaarigen Hexe Liliput, die diesmal ein Drachenei findet. 
Herzlich bedanken möchte ich mich bei meiner Freundin Elli, die mir das Bild ihres kleinen Drachens schickte und mich erst dadurch auf die Idee brachte.



 







Hexe Liliput und das Drachenei



Die Tür knallte gegen die Wand und Liliput stürmte 

herein.

Ihre roten Haare standen nach allen Seiten, ihr 

finsterer Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.

Die Wände wackelten und das Geschirr im Schrank 

klirrte.

Tinchen, die Schildkröte steckte ihren Kopf aus dem 

Panzer und betrachtete ihre Freundin Stirn runzelnd.

Was hat dich so verärgert?“

Anastasia!“

Tinchen seufzte. Die beiden Hexen würden nie 

Freundinnen werden,

Liliput ging aufgeregt auf und ab und immer wieder 

fuhr sie sich durch die Haare.

Einige Töpfe fielen vom Ofen.

Nimm deinen Besen und reagiere dich ab, bevor das 

 Haus noch einstürzt.“

Liliput warf der Schildkröte einen finsteren Blick zu, 

nahm aber doch den Besen und setzte sich darauf.

Kerzengerade schoss der Besen nach oben, schlug 

einige wilde Saltos, stürzte wieder herab, fing sich 

kurz vor dem Boden und raste dann in 

Düsengeschwindigkeit davon.

Lang sausten die Hexe und ihr Gefährt durch die 

Luft. 

Allmählich aber verlangsamte sich der wilde Flug und 

schließlich pendelte der Besen gemütlich durch die 

Luft.

So schnell wie ihre Wut kam, so schnell verging sie 

 auch wieder.

Längst schon lag der Wald hinter ihr und unter ihr 

war das Dorf. Auf den Weiden tummelten sich die 

Kühe, Pferde galoppierten mit hochgehobenen 

Schweif durch die Koppeln und irgendwo krähte ein 

Hahn.

Liliput lenkte ihren Besen zu dem Anwesen, auf dem 

ihre Freundin Marianne bei ihren Verwandten lebte.

Diese ging gerade über den Hof, hob die Hand an die 

Augen und winkte heftig.

Mit einem eleganten Schwung ihres Besen, landete 

die kleine Hexe direkt neben dem Mädchen.

Vorsichtig sah sie sich um, doch Marianne lachte.

Meine Tante und meine Base sind im nächsten Dorf 

bei Verwandten zu Besuch und die anderen sind alle 

auf dem Feld. Wir sind ganz allein.“

Jetzt erst hüpfte Liliput vom Besen und lachend 

lagen sich die Mädchen in den Armen. 

Marianne führte ihre Freundin in den Garten und sie 

setzten sich auf die Bank unter einem Apfelbaum.

Liliput erzählte nun von ihrer Schulkameradin 

Anastasia und deren Freundinnen, die sie wieder mal 

zur Zielscheibe ihres Spotts gemacht hatten.

Marianne tröstete sie und riet ihr, es doch genauso 

wie sie zu machen, schon lange hörte sie gar nicht 

mehr hin, wenn ihr Tante und Kusine sie beleidigten.

Sie verrichtete ihre Arbeit und Dank des Geschenkes 

von Liliput musste sie auch keinen Hunger mehr 

leiden.

Die Beiden kicherten und auch Liliput fühlte sich 

erleichtert. Es war doch schön eine Freundin zu 

haben mit der man über alles sprechen konnte.
   
Als sie im Hof jemand räuspern hörten, verschwand 

die kleine Hexe im Schutz der Bäume.

Getröstet und erleichtert schwebte sie dahin.

Plötzlich geblendet schlenkerte sie mit dem Besen 

und als sie sich wieder gefangen hatte, sah sie sich 

neugierig um.

Unter ihr in einer Felsspalte schimmerte ein 

smaragdgrünes Licht.

Im Sturzflug sauste Liliput nach unten und betrat die 

Höhle.

Sie folgte dem leuchtendem Schein und entdeckt ein 

großes grünes Ei.

Ein Drachenei,“ flüsterte sie ehrfürchtig.

In einem alten Buch in der Schulbibliothek hatte sie 

einmal ein Drachenei abgebildet gesehen.

Vorsichtig packte sie es in ihren Rock und schwang 

sich auf ihren Besen.

So vorsichtig war sie noch nie geflogen.

Als sie ihr Haus betrat sah sie entsetzt auf das 

Durcheinander.

Wer war denn das?“

Tinchen die gerade an einem Salatblatt zupfte hob 

den Kopf.

Du, als du deinen Wutanfall hattest.“

Oh, naja unwichtig, sieh was ich gefunden habe.“

Sie legte das smaragdgrüne Ei vorsichtig auf den 

Tisch.

Die Schildkröte runzelte die Stirn.

Ein Drachenei, die Drachen wurden doch vertrieben, 

wo hast du es gefunden?“

In den Bergen, in einer Felsspalte. Ach der arme 

kleine Drache, er ist auch eine Waise so wie ich.“

Liebevoll nahm sie das große Ei in den Arm , legte es 

vorsichtig in einen Korb und hüllte es in eine Decke.

Seufzend begann sie dann aufzuräumen, kochte sich 

eine Pilzsuppe und nahm dann das große 

Zauberbuch, denn sie musste für Morgen noch 32 

Zaubersprüche auswendig lernen.

Bevor sie sich schlafen legte, sah sie noch einmal 

nach dem Ei.

Am nächsten Tag in der Schule dachte sie nur immer an 

ihr Drachenei und als Frau Kassandra sie aufrief, 

damit sie den Zauberspruch 828 aufsagen sollte, da 

stotterte sie nur.

Natürlich kicherten und spotteten Anastasia und ihre 

Freundinnen, was ihnen einen strengen Blick der 

Lehrerin einbrachte.

Die kleine Hexe war froh als die Schule zuende war
 
und eilte schnell nach Hause.

Ganz leise betrat sie ihre Hütte und eilte sofort zu 

dem Körbchen mit dem Ei, fuhr liebevoll mit Hand 

darüber und wandte sich an Tinchen, die sie besorgt 

betrachtete.

Wie denkst du dir das wenn der Drache schlüpft.

 Er wird gejagt werden und wenn er größer ist, wird 

er eine Gefahr für den Wald.“

Ich werde ihn verstecken und beschützen, wie einst 

Graf Hektor von Trutzigen uns Hexen beschützt hat.“

Du weißt wie groß Drachen werden, wie willst du ihn 

verstecken?“

Ach, da wird sich schon was finden.“

Tränen liefen plötzlich über ihr Gesicht.

Verstehst du denn nicht, dass der kleine Drachen 

genauso einsam ist wie ich. Auch seine Eltern 

wurden gejagt und getötet.“

Trinchen verstand sie zu gut, sie weiß wie einsam 

Liliput ist und wie tapfer sie dies oft versteckt.

Trotzdem sagte sie ernst.

Mach dir aber nicht zu viel Hoffnung, du weißt doch 

gar nicht, ob noch Leben in dem Ei ist.“

Olle Unke!“ spottete die Hexe, deren Tränen genauso

schnell verschwunden sind wie sie gekommen.

Das Ei ist noch warm und du wirst sehen, es wird 

bald ein kleiner Drache daraus schlüpfen.“







Als hätte dieser es gehört, knackt es plötzlich und 

das Ei sprang in Stücke und ein kleiner grüner Kopf 

streckte sich neugierig heraus.

Liliput quietschte auf als der kleine putzige Drache 

auf ihren Schoß sprang und sich liebevoll an sie 

schmiegte.

Zärtlich streichelte sie das Neugeborene und warf 

einen triumphierenden ihrer Freundin zu.

Tinchen seufzte leise und dachte besorgt:

Ob das gut geht.‘


In einer späteren Geschichte werdet auch ihr 

erfahren wie es mit Liliput und dem Drachen weiter 

geht.


© Lore Platz

Mittwoch, 10. Juni 2020

Wie kann man Opa helfen






Wie kann man Opa helfen?




Die kleine Kneipe in unserer Straße ...“
tönt es aus dem Radio und Renate laufen die Tränen über das Gesicht.
Mama!“ die zehnjährige Gerlinde eilt zu ihr und schlingt die Arme um ihre Mutter.
Oma hat Peter Alexander so gerne singen gehört.“
Zärtlich schmiegt das Mädchen ihre Wange an das Gesicht der Mutter.
Oma Erika war vor eineinhalb Jahren gestorben.
Opa Karl hat bald Geburtstag. Will er ihn feiern? Er ist doch jetzt immer so traurig.“
Renate wischt sich die Tränen ab, schnäuzt kräftig und seufzt.
Er will nicht feiern und schon gar kein großes Fest, dabei wollte ich alle seine Freunde einladen, um ihn aus seiner Trauer zu reißen. Ich mach mir solche Sorgen um ihn.“
Ein Klingel ertönt und Renate lacht.
Der Kuchen ist fertig.“
Sie holt den duftenden Apfelkuchen aus dem Backofen und Gerlinde holt sich eine Nase voll von dem köstlichen Duft.
Das ist der berühmte Apfelkuchen von Oma, bekomme ich später ein Stück davon.“
Ich mach dir einen Vorschlag, wenn er abgekühlt ist kannst du ja Opa einige Stücke vorbeibringen und mit ihm Kaffee trinken, das würde ihn bestimmt freuen.“
Prima!“
Kurze Zeit später radelt Gerlinde über den Waldweg an dessen Ende Opas Haus steht.
Ein klagender Laut ertönt und die Vögel ringsum zwitschern aufgeregt. Das Mädchen bremst so scharf, dass das Rad schleudert.
Neugierig und ein wenig ängstlich sieht sie sich um, was war das. Richtig unheimlich!
Und wieder erklingt ein lautes grausliches Heulen. Gerlinde lehnt das Rad an einen Baum und folgt den klagenden Tönen und was sie dann sieht lässt ihr fast das Herz stehen.
Ein mittelgroßer sandfarbener Hund liegt auf dem Boden und eine seiner Pfoten steckt in einem verrosteten Fangeisen.
Vorsichtig tritt das Mädchen auf das Tier zu, doch ein Knurren lässt sie zurück weichen.
Sie dreht sich um läuft zu ihrem Rad, verfolgt von einem verzweifelten schmerzvollen Jaulen.
Opa Karl steht in seinem Garten als das Mädchen mit Karacho in den Hof prescht.
Nanu ist der Teufel hinter dir her!“ lacht er und wird dann ernst, als ihm seine Enkelin von dem armen Tier erzählt.
Er holt das Auto, legt eine alte Decke auf den Rücksitz und als Gerlinde sich vorne neben ihn setzt, drückt er ihr einen Maulkorb in die Hand.
Der ist noch von unserm Harras, der verletzte Hund
wird vor Schmerz vielleicht um sich beißen, wenn wir ihn befreien.“
Erschüttert steht er wenig später vor dem Tier, das knurrend die Zähne zeigt.
Schnell und geschickt streift der Mann den Maulkorb über den Kopf des Hundes.
Traust du dir zu Linde, die Pfote heraus zu ziehen, wenn ich die Falle öffne?“
Das Mädchen nickt mit bleichem Gesicht und kniet sich neben den verletzten Hund.
Bereit!“
Ja!“
Der alte Mann drückt die zwei Eisen auseinander und schnell zieht das Mädchen die verletzte Pfote heraus.
Die Falle schnappt wieder zu und nachdem er sie unschädlich gemacht hat schleudert sie Opa Karl ins Gebüsch.
Das müssen wir dem Förster melden,“ brummt er.
Der Hund liegt mit geschlossen Augen da und nur das Heben der Brust zeigt, dass er noch lebt.
Bald haben sie die Tierarztpraxis erreicht.
Mit seiner Last auf den Armen durchquert er das Wartezimmer und ruft der herbei eilenden Sprechstundenhilfe zu. „Ein Notfall!“
Der Herr Doktor ist gerade bei einer Operation!“
Dann holen sie seinen Vater, schnell. In welches Zimmer kann ich.“
Zimmer 2,“ stammelt die junge Frau und eilt davon.
Opa Karl zwinkert seiner Enkelin zu.
Dann suchen wir mal Zimmer 2.“
Vorsichtig legt er das verletzte Tier, das sich ganz ruhig verhält, als spürte es, dass man ihm helfen
will, auf den blanken Tisch.
Die Tür öffnet sich.
Na, du hast ja der armen Christine einen schönen Schrecken eingejagt, alter Schwede!“
Ha Viehdokter, hoffe du kannst es noch, auch wenn
du schon lange in Rente bist.“
Grinsend tritt der alte Arzt näher, doch dann wird sein Blick ernst. „Armer Kerl!“
Er wendet sich an die blasse Gerlinde.
Mädchen es ist besser, du gehst hinaus zu Christine, das wird keine schöne Sache.
Nachdem das Mädchen das Zimmer verlassen hat beugen sich die beiden Männer über den Hund.
Eine halbe Stunde später ruft Opa Karl Gerlinde herein.
Der Hund liegt mit geschlossen Augen, ohne Maulkorb und einen weißen Gips am Bein, auf dem Tisch.
Wir konnten das Bein retten,“ erklärt Doktor Brandstetter., dann zwinkert er dem Mädchen zu, „sag mal stimmt das, dass dein Opa bald einen runden Geburtstag hat.“
Gerlinde nickt ernsthaft, „ ja, aber er will ihn nicht feiern.“
So so, du bist wohl zu geizig, um deinen Freunden einen auszugeben. In unserem Alter muss man die Feste feiern wie sie fallen.“
Naja, wer sagt denn, dass ich das nicht will,“ brummt Karl,“ aber seht doch der Hund kommt zu sich.“
Dieser hebt beim Klang der Stimme den Kopf. Vorsichtig tritt der alte Mann an den Tisch, noch wagt er nicht das Tier zu streicheln. Doch kein Knurren ertönt und auch die Augen blicken nicht mehr aggressiv vor Schmerzen.
Vorsichtig streichelt Opa Karl den Hund und freut sich als eine raue Zunge über sein Hand fährt, als hätte der Hund seinen Retter erkannt.
Was wird nun aus ihm?“ fragt Gerlinde.
Pankratz zuckt mit den Schultern.
Einen Chip habe ich nicht gefunden, wird schwer sein den Besitzer ausfindig zu machen. Ich befürchte ja, dass er oben an der Autobahn ausgesetzt wurde, wie es leider jetzt in der Urlaubszeit öfter vorkommt. Er muss wohl ins Tierheim.“
Nein !“ ruft Gerlinde entsetzt.
Opa Karl zwinkert ihr beruhigend zu.
Kommt gar nicht infrage ich habe genug Platz, ich nehme ihn zu mir.“
Jubelnd fällt das Mädchen ihrem Großvater um den Hals.
Der alte Arzt aber grinst.
Sag mal Karl, hast du eigentlich noch ein paar Flaschen von dem guten Roten in deinem Keller?“
Ein paar dürften noch da sein.“
Dann werde ich öfter mal bei dir einen Hausbesuch machen und nach dem Hund sehen und bei der Gelegenheit könnten wir ja mal wieder eine Partie Schach spielen.“
Abgemacht!“

Renate aber ist glücklich , dass ihr Vater nun doch seinen 70igsten feiern wollte.
Ratet mal, wer an diesem Tag dem Geburtstagskind fast die Schau gestohlen hat?
Ein sandfarbener Hund mit einem Gipsbein.

© Lore Platz




Sonntag, 7. Juni 2020

Goldene Sternlein







Es schwebt ein weißer Schleier
Ganz sachte übers Land
So zauberhaft gewoben,
Als wär`s von Engelshand

Und kleine gold`ne Sternlein
Darinnen sind verstreut
Auch manche bitt`re Stunde
Das Schicksal hält bereit

Von Anfang ist schon jedem
Bestimmt sein Erdenlos
Doch manchem wirft das Schicksal
Ein Sternlein in den Schoß

Wenn dir das Glück nicht lächelt
Nicht in den Schoß dir fällt,
Geh doch mit offenen Augen
Durch Gottes schöne Welt.

Er hüllt die öden Fluren
Ganz leise über Nacht
Mit einem weißen Schleier
In eine Märchenpracht


E. Ammerich

Ich wünsche Euch einen wunderschönen Sonntag

Eure Märchenfee
 


Dienstag, 2. Juni 2020

Hexe Liliput und das Dorfmädchen










Hexe Liliput und das Dorfmädchen

Die Nacht hat sich verabschiedet und an ihre Stelle ist die Dämmerung ins Land getreten.
Das Dorf unterhalb des Hexenbergs liegt ruhig verschlafen.
Doch in einem Gehöft öffnet sich die Tür und ein junges Mädchen tritt heraus, bindet sich die Schürze, schlüpft in ihre Holzpantoffel und verschwindet im Stall.
Fröhlich begrüßt sie die vier Kühe, die ihr verschlafen entgegenblicken.
Mit flinken Finger melkt sie diese, schüttet die Milch durch den Seiher in die großen Kannen, und füllt den kleinen Rest, den sie zurück behalten hat, in eine alte Emailschüssel.
Nun wird es lebendig im Stall. Die alte Katze Mille kommt aus einer Ecke und ihr drei Jungen purzeln durcheinander im Eifer ja die schnellsten zu sein.
Lächelnd sieht Marianne ihnen zu, wie sie gemeinsam die leckere Milch schlabbern.
Milli kommt zu dem Mädchen und streicht ihr dankbar schnurrend um die Beine.

Zusammen mit Marianne verlassen die Katzen den Stall und die Kleinen tollen über den Hof.
Das Mädchen wäscht sich am Brunnen. In der Küche ist es mollig warm, denn sie hatte den Ofen bereits sauber gemacht und angeheizt bevor sie zum melken ging. Auch das Wasser im Kessel ist inzwischen warm und schnell gießt sie den Tee auf, deckt flink den Tisch, denn sie hört die Tante kommen.
In eine große Pfanne gibt sie Butter, Speckstreifen und Eier und bald zieht ein köstlicher Duft durch die Küche.
Dann stellt sie die Pfanne auf den Tisch. In dem Moment betritt ihre Tante den Raum.
Marianne wünscht „Guten Morgen,“ bekommt aber keine Antwort, nur einen finsteren Blick.
Anna fühlt sich heute nicht wohl, bring ihr das Frühstück ans Bett.“
Schweigend füllt ihre Nichte den Teller und trägt ihn in das Schlafzimmer ihrer Kusine.
Diese rekelt sich im Bett und reißt ihr den Teller aus der Hand und stürzt sich darüber.
' Na die Krankheit hat deinem Appetit ja nicht geschadet' denkt Marianne spöttisch.
Als sie in die Küche kommt ist die Pfanne leer nur ein wenig gelbes Ei schwimmt noch darin.
Das Mädchen setzt sich und tunkt mit dem Brot den spärlichen Rest aus der Pfanne.
Mama ich will Erdbeeren!“ ertönt die quengelige Stimme der Tochter des Hauses.
Die Bäuerin reißt die Pfanne aus den Händen ihrer Nichte und stellt sie in die Spüle, dann eilt sie zu
ihrem Liebling.
Schnell lässt das Mädchen ihr Brot in der Schürzentasche verschwinden, damit ihr dieses nicht auch noch abgenommen wird.
Die Mutter kommt aus dem Zimmer ihrer Tochter.
Mein Täubchen möchte Erdbeeren mit Sahne.“
Aber die Erdbeeren sind doch noch nicht reif und von den grünen bekommt sie nur Bauchweh.“
Aber im Hexenwald sind sie schon reif, das hat die alte Kuni gesehen, als sie neulich an der Grenze vorbei ging. Wenn du deine Arbeit gemacht hast, dann wirst du welche pflücken.“
Marianne wird blass.
Aber wir dürfen doch nicht in den Hexenwald, das ist gefährlich.“ flüstert sie entsetzt.
Geh an deine Arbeit und ein wenig schneller als sonst und anschließend holst du die Erdbeeren.“
Es ist fast Mittag als das Mädchen fertig ist. Voller Angst nimmt sie das Körbchen und macht sich auf den Weg zum Hexenwald.
An der Grenze bleibt sie zögernd stehen und auch die herrliche Aussicht auf den schönen Wald und die trutzige Burg dahinter kann ihr die Beklemmung nicht nehmen.
Tief atmet sie durch und überschreitet die Grenze.
Vor ihr breiten sich rote Erdbeeren aus und schnell beginnt sie mit dem Pflücken.
Bei jedem Rascheln zuckt sie zusammen und schaut sich ängstlich um.
Liliput die wieder einmal an die Grenze gekommen ist, weil sie unbedingt einen Menschen sehen will, kauert hinter einem Busch und beobachtet sie.

Ihr Herz klopft vor Aufregung.
Das ist also ein Mensch, nett sieht sie aus, nur sehr verängstigt und irgendwie auch traurig. Nun hat sie ihr Körbchen voll, lässt sich ins Gras fallen, schlägt die Hände vors Gesicht und fängt bitterlich zu weinen an.
Mitleidig verlässt Liliput ihr Versteck, setzt sich neben das Mädchen und streicht ihr tröstend über das Haar.Erschrocken nimmt diese die Hände vom Gesicht und weicht entsetzt zurück.
Die Hexe lacht sie fröhlich an. „ Du musst keine Angst haben, ich will dir nichts tun.“
Marianne betrachtet die kleine Gestalt mit den wirren roten Haaren und den vergnügt blitzenden Augen.
Nein, zum Fürchten sah sie nicht aus.
Sie streckt die Hand aus und als Liliput zögernd auch ihre Hand ausstreckt, drückt sie diese und meint:
Ich bin Marianne .“
Liliput kichert. „Begrüßen sich die Menschen so, ich heiße Liliput, eigentlich ja Honorine Herminus, aber weil ich so klein bin, haben mich meine Eltern Liliput gerufen. 
Leider sind sie schon lange Tod.“
Meine Eltern auch und seitdem wohne ich bei meiner Tante.“ 
Wieder wird ihr Gesicht traurig.
Willst du mir nicht von deinem Kummer erzählen?“
Und nun erzählt ihr Marianne wie sie nach dem Tod ihrer Eltern zu ihrer Tante kam, die sie schlechter behandelt als eine Magd . Und während sie ihrer neuen Freundin alles berichtet, spürt sie wie es ihr ganz leicht ums Herz wird.

Denn wer niemals von seinem Kummer spricht, dem eines Tages das Herze bricht.
Ein grummeliges Geräusch lässt Liliput zusammen zucken.
Was war das?“
Ihre Freundin wird rot. „Das war mein Magen.“
Was hast du heute gegessen?“
Ein Stück trockenes Brot heute Morgen.“
Liliput schüttelt ärgerlich den Kopf, murmelt einige Worte und vor Marianne liegt ein weißes Tischtuch voller Leckereien.
Mit strahlenden Augen lässt sich das Mädchen die Köstlichkeiten schmecken.



Liliput betrachtet nachdenklich die Erdbeeren.
Dann lacht sie.
Weißt du was, ich werde die Erdbeeren verzaubern und wenn deine böse Kusine sie isst, werden ihr eine lange Nase und Ohren wachsen.“
Und du wirst deine Zauberkraft verlieren.“
Marianne sieht erstaunt auf die Schildkröte, die ihren Kopf aus der Tasche von Liliputs Tasche steckt.
Eine sprechende Schildkröte?“
Die Hexe lacht.
Das ist Tinchen. Wenn eine Hexe geboren wird, dann schenken ihr ihre Eltern ein Tier, das sie ein Leben lang begleitet.“
Guten Tag, Tinchen.“
Guten Tag Marianne, aber glaube ja nicht, dass es immer Spaß macht diesen Ungestüm zu begleiten.“
Ach Tinchen,“ lacht das Mädchen, „Liliput ist doch so lieb.“
Danke,“ grinst die Freundin.

Aber Tinchen hat Recht, wir dürfen keine Lebewesen verzaubern, sonst nimmt man uns die Zauberkraft. Aber witzig wäre es doch.“
Die beiden Mädchen kichern und Tinchen zieht sich kopfschüttelnd in ihren Panzer zurück.
Mit einem Blick auf das Körbchen meint Liliput.
Aber ich werde die Beeren besonders süß und lecker zaubern.“
Marianne verzieht unwillig das Gesicht.
Das muss aber auch nicht sein.“
Doch, denn wenn deiner grässlichen Kusine diese schmecken, dann wird dich deine Tante morgen wieder herauf schicken und wir können uns treffen.“
Eine gute Idee!“
Die Kirchturmglocke schlägt laut und dröhnend.
So spät schon, ich muss gehen.“
Die beiden Mädchen umarmen sich und Liliput murmelt.
Da ich jetzt deine Freundin bin, sollst du nie wieder hungern. Jeden Tag wenn du nach der Arbeit in dein Zimmer gehst, wirst du dort etwas zu Essen finden.“
Danke!“
Ein Winken und Marianne läuft den Abhang hinunter und kommt atemlos in die Küche, wo sie schimpfend empfangen wird.
Schnell wäscht sie die Erdbeeren und reicht sie mit geschlagener Sahne ihrer Kusine, die sich sofort gierig darüber hermacht.
Hmmm, Mama ich habe noch nie so gute Erdbeeren gegessen, Marianne muss morgen wieder in den Hexenwald.“
Du hast es gehört und nun mach dich an deine
Arbeit!“
Heimlich grinsend verlässt das Mädchen die Küche und da sie heute satt und glücklich ist, geht ihr die Arbeit doppelt so schnell von der Hand.
Und als sie spät abends in ihr Zimmer geht, erwartet sie ein reichlich gedeckter Tisch, der verschwindet sobald sie satt ist.
Selig schlüpft sie ins Bett, denn sie weiß, nun ist sie nicht mehr allein.


© Lore Platz



Wer den ersten Teil von Liliput lesen möchte

Kleine Hexe Liliput