Mittwoch, 24. Februar 2021

Plauderecke

Jedes Mädchen träumt wohl einmal davon eine Prinzessin zu sein. Ich natürlich auch und im Fasching durfte ich den Petticoat meiner Schwester tragen und mein Vater bastelte mir aus Goldpapier eine Krone. Was war ich stolz und überglücklich.

Dabei ist das Leben einer Prinzessin keineswegs beneidenswert. Oft wurden sie als Schachfiguren in der großen Politik benutzt,

Marie Antoiette wurde bereits als Kind mit Louis dem 16ten, der auch noch ein Kind war,verheiratet. Viele Jahre bekam das Paar keine Kinder, weil der junge Prinz nicht wusste wie man das macht, erst als der Bruder von Marie ihn aufklärte bekamen sie vier Kinder. Die alteste Tochter war die einzige die die Revolution überlebte. Ihr Bruder starb mit neun Jahren elendig im Gefängnis, das jümgste Kind eine Tochter starb mit elf Monaten, der älteste Sohn an Rachitis, kurz nach Beginn der Revolution .Marie Antoinette wurde als oberflächliche bezeichnet, aber wie konnte sie auch ohne Anleitung eines Erwachsenen sich weiter entwickeln. Trotzdem als sie unter dem Grölen des Pöbels zum Schafott fuhr, zeigte sie eine besundernswerte Größe.

Glück sieht anders aus.

Auch die wunderschöne Sissi, ein fröhliches Mädchen aus einem kinderreichen Elternhaus, zerbrach an dem strengen Hofprotokoll ihrer Schwiegermutter. Sie durfte nicht mal ihre Kinder selbst erziehen und musste tatenlos zusehen, wie der sensible Kronprinz Rudolf in eine harte Milltärschule geschickt wurde. Sie wurde Magersüchtig und besessen von ihrem Körper.

Glück sieht anders aus.

Magersüchtig wurde auch Lady Diana. die sich wenigstens gegen die Queen soweit durchsetzte, dass sie ihre Kinder selbst erziehen durfte. Doch auch ihr Leben nahm ein schlimmes Ende.

Glück sieht anders aus.

Charlene von Monaco flüchtete am Vortag der Hochzeit und wurde von der Palastwache wieder zurück geholt. Wenn man sie heute, vermisst man ein Lächeln im Gesicht.

Glück sieht anders aus.



Nun will ich euch von einer Prinzessin erzählen, die sich auch nicht fügen wollte. Viel Spaß beim Lesen!

         


                                 

 

Prinzessin Wildfang


Eine schwarz gekleidete ältere Dame lief in raschen Schritten durch den Garten. Sie blieb vor einem Rosenbusch stehen unter dem der Teil eines weißen bauschigen Rockes und kleine feine Schuhe hervorlugten.

Nun bewegte sich das Ganze und schob sich rückwärts. Zwei stark durch die Dornen beschädigte Ärmel wurden sichtbar, rote wallende Locken und schließlich eine Hand, die ein kleines verängstigtes Kätzchen hielt. Die Hofdame stemmte beide Hände in die Hüften und runzelte die Stirn. 

Prinzessin Beatrix, wie seht ihr wieder aus!“

Oh!“ Erschrocken sah das Mädchen an sich herunter und wurde rot.

Der Hund von Prinz Adalbert hat Ginger unter den Rosenbusch gejagt und sie wagte sich nicht mehr heraus.“

Hättet ihr denn nicht einen Diener beauftragen können?“

Die haben doch alle keine Zeit, wegen dem Festbankett heute Abend!“

Eine Schar junger Leute kam in den Park.

Die jungen Damen fingen an zu kichern und die jungen Herren feixten.

Einer dieser Herren hielt sein Monokel an das Auge und näselte: „Ach Prinzessin Leonore ist dieses Lumpenkind etwa eure Schwester, die man Prinzessin Wildfang nennt.“

Alle fingen schallend zu lachen an.

Beatrix aber drehte sich um und lief mit Tränen in den Augen davon.

Sie verließ den Schlossgarten und lief hinaus auf die freie Ebene zu einem großen Weidenbaum. Hierher flüchtete sie immer wenn sie Kummer hatte.Wütend ließ sie sich ins Gras fallen.

Warum weinst du?“

Beatrix sah auf und erblickte eine ältere Dame.

Sie war bekleidet mit einem bunten Rock, einer ebenso bunten Bluse, derben braunen Schuhen und drückte eine riesengroße Tasche an sich. Eine runde kleine Brille saß auf ihrer Nase.Beatrix sah sie finster an und meinte trotzig:Ich weine ja gar nicht! 

Die alte Dame setzte sich neben sie und sah hinauf in den wolkenlosen Himmel.

Dann haben dich wohl ein paar Regentropfen gestreift.“ Nun musste das Mädchen kichern.Ich habe geweint, weil ich wütend und traurig bin,“ gestand sie.Nun es schadet nicht ab zu mal zu weinen. Tränen reinigen die Augen und spülen Zorn und Kummer von der Seele. Du solltest dich also nicht schämen, wenn du mal weinst.“

Beatrix lächelte.

Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, ich bin Prinzessin Beatrix, auch Prinzessin Tolpatsch oder Prinzessin Wildfang genannt.“

Wütend begann sie das Gras neben sich auszureißen.Nun was haben dir die armen Pflanzen denn getan, dass du sie so behandelst?“ Verlegen ließ das Mädchen ihre Hand sinken. Die alte Frau aber hob einen Finger und die Wiese sah aus wie vorher.

Oh“

Ja ich bin eine Fee, wusstest du das nicht.

Die Prinzessin schüttelte den Kopf.Ich dachte immer...“ Verlegen verstummte sie.

Du dachtest Feen seien schön und ewig jung. Meist stimmt das auch, die Blumenfeen und Sternenfeen sind es jedenfalls. Aber ich bin eine, naja Fee für alle Fälle.

Du musst nicht denken, dass ich in meiner Jugend nicht auch schön war, aber immerhin bin ich jetzt 878...“, sie runzelte die Stirn, „ … oder sind es 879 Jahre, ach egal, nun erzähle mir aber deinen Kummer.“

Beatrix hob hilflos die Schultern.

Ich bin eine einzige Enttäuschung für meine Eltern und auch für meine Schwester. Immer wieder gerate ich in irgendeine Klemme, zerreiße oder beschmutze meine Kleider, falle hin, weil ich ich zu schnell laufe und außerdem bin ich entsetzlich hässlich!“

Paperlapap, du bist doch nicht hässlich, mein liebes Kind.“

Doch, seht doch meine Nase ist voller Sommersprossen und...“

Aber die sehen doch hübsch aus und passen zu deinem roten Haar“, unterbrach sie die Fee.

Ja meine Haare, Juliane, meine Zofe, gibt sich die größte Mühe, aber ich verliere immer wieder die Nadeln und dann sehe ich aus wie eben ein Wildfang.“

Die Fee betrachtete sie prüfend und ließ eine Strähne des wirklich schönen Haares durch ihre Finger gleiten.

Deine Haare sind wunderschön, aber viel zu dick, um sie mit Nadeln zu bändigen. Hast du es schon mal mit einem Haarnetz versucht? Ich müsste doch...“

Sie wühlte in ihrer riesigen Tasche.

Hier ist es ja!“

Sie reichte Beatrix ein goldenes mit Perlen besticktes Haarnetz.

Das ist ja wunderschön.“

Ganz leicht zu machen!“

Nicht für mich, das ist auch etwas was ich nicht kann, feine Handarbeiten.

Meine Stickereien sehen aus wie ein Schlachtfeld und wenn ich häkle, entsteht immer eine andere Form als es sollte. Ich bin eben keine Prinzessin.“

Papperlapap, wer sagt denn, dass eine Prinzessin unbedingt Handarbeiten muss. Du bist sehr wohl eine Prinzessin, du hast das mutige Herz einer Kriegerin, du achtest nicht auf deine Kleidung, wenn es gilt ein verletztes oder in Not geratenes Tier zu retten, auch scheust du dich nicht in die ärmsten Hütten zu gehen, um den Leuten Essen aus der Schlossküche zu bringen. Du wirst mal eine gute Königin werden. Darf ich dein Haar richten?“

Beatrix nickte und presste die Augen zusammen, um auf die Schmerzen vorbereitet zu sein.

Die Fee aber holte aus den unendlichen Tiefen ihrer Tasche einen großen Kamm hervor und fuhr nun durch das lange dichte Haar.

Das ziept ja gar nicht!“ rief die Prinzessin erstaunt.

Nein, das liegt wohl an dem Kamm. Ich nenne ihn, der Kamm, der nicht ziept. Du kannst ihn gerne behalten.“

Danke!“ Gerne geschehen, verrätst du mir, warum so viele Prinzen aus alle Welt zu euch kommen. Seit einer Woche ist ein ständiges Kommen und Gehen im Schloss.“Mein Vater hat sie eingeladen, um mich und meine Schwester Leonora zu verheiraten. Dabei hat mich bisher keiner der Prinzen auch nur eines Blickes gewürdigt, höchstens um sich über mich lustig zu machen.“

Gefällt dir denn einer der Prinzen.“

Nein! Einige sind ja ganz nett, aber die haben nur Augen für meine Schwester. Aber manche Prinzen sind schon sehr seltsam. Zum Beispiel Prinz Wohlgemut!“

Ein eigenartiger Name!“

Beatrix kicherte.

Eigentlich heißt er Prinz Leopold, aber er fläzt den ganzen Tag nur auf dem Sofa herum und formt Verse auf die Schönheit meiner Schwester. Und jeder Vers endet mit dem Wort wohlgemut.“

Da klingt, äää, etwas seltsam.“ kicherte die Fee.

Beatrix grinste.Dann gibt es noch Prinz Pfau!“

Ich vermute, das ist auch nicht sein richtiger Name?“

Nein, er heißt Prinz Alfonso, aber wenn er durch das Schloss oder über den Hof stolziert dann begleitet ihn immer ein Diener, der einen Spiegel trägt, damit der Prinz sich jederzeit bewundern kann.“

Was für ein Prinz würde dir denn gefallen?“

Es wäre mir egal wie er aussehe, er müsst nur mutig sein, ein gutes mitleidiges Herz für Tiere und Menschen haben und vor allem mich so akzeptieren wie ich bin.“

Das sind ja bescheidene Wünsche, muss er reich sein?“

Das ist unwichtig!“

Gut, ich bin fertig, willst du es sehen?“

Sie kramte einen Spiegel aus ihrer Tasche.

Das ist ja wunderschön!“ jubelte die Prinzessin.

Und vor allem hält es, selbst wenn du mal wieder auf einen Baum steigst, um einen verletzten Vogel zu retten.

Oh, da kommt ein Reiter, ich werde wohl besser gehen!“

Der Reiter kam näher und sprang vom Pferd, einen Moment betrachtete er das junge Mädchen, dann grinste er.

Habt ihr mit einem Drachen gekämpft!“

Einen Moment stutzte Beatrix, dann fiel ihr der zerrissene Ärmel ein und sie musste lachen.

Nein mit einem Dornenbusch, eine kleine Katze hat sich darin verirrt und wagte sich nicht mehr heraus.“

Der junge Mann lächelte.

Ich habe mich auch verirrt und wollte zum Schloss. Darf ich mich vorstellen: Prinz Niklas von Armenia!“

Ihr wollt sicher auch Prinzessin Leonora heiraten.“

Beatrix war etwas enttäuscht, denn der Prinz gefiel ihr.

Nein, ich komme wegen Prinzessin Beatrix!“

Dem Wildfang, niemand will sie heiraten, sie steckt ständig in irgend welchen Klemmen und immer sind ihre Kleider schmutzig oder zerrissen.“Gerade deshalb finde ich sie so interessant und denke, dass sie genau die richtige Frau für mich ist.“ Er wirft einen schmunzelnden Blick auf die zerrissenen Ärmel.

Ihr habt mich erkannt?“

Ja an den Ärmeln und dem wunderschönen roten Haar.“

Aber weshalb wollt ihr denn gerade mich, niemand will mich,“ stammelte Beatrix verlegen.

Weil ihr beherzt und tapfer seid, weil ihr ein großes mitfühlendes Herz habt und euch für Menschen und Tiere einsetzt, obwohl ihr euch damit ständig Ärger einhandelt.

Außerdem seid ihr von einer ganz besonderen Schönheit, denn sie ist nicht nur äußerlich.“

Als Beatrix ihn nur fassungslos anschaute, lächelte er wieder und dieses Lächeln schlich sich in das Herz der Prinzessin.

Der Prinz aber ließ seinen Blick versonnen in die Ferne schweifen.

Armenia ist ein sehr armes Land. Wir haben keine Bodenschätze und leben von der Landwirtschaft und sind sehr vom Wetter abhängig. Es hat schon Winter gegeben, da wäre mein Volk fast verhungert.

Ich bin einige Jahre durch die Welt gereist, um eine Lösung zu finden, habe bei einem Schafbauer gearbeitet und von der Schafschur bis zum Weben der Wolle alles gelernt.

Auch hat mir ein Freund von einer Raupe erzählt, aus der man Seide gewinnen kann.

All diese Neuerungen möchte ich in meinem Land einführen aber der Weg wird hart und steinig sein und dazu brauche ich eine Frau an meiner Seite mit dem Herzen einer Löwin, so wie ihr Prinzessin Beatrix,  ihr diese Frau sein?“ Diese hatte dem Prinzen staunend zugehört, das wäre eine wundervolle Aufgabe und außerdem der Prinz gefiel ihr sehr gut und seine Worte berührten ihr Herz.

So nickte sie nur und ihre Augen trafen sich und für einen Moment schien die Erde still zu stehen.

Hoheit, Hoheit!“

Man hat mich gefunden,“ bedauerte der Prinz.

Gewährt ihr mir heute Abend die Ehre des ersten Tanzes , Prinzessin Beatrix?“

Diese nickte mit einem strahlendem Lächeln und Prinz Niklas schwang sich übermütig lachend auf das Pferd, hob grüßend die Hand und galoppierte davon.

Er gefällt dir?“

Wie aus dem Nichts war die Fee wieder aufgetaucht.

Das junge Mädchen nickte noch immer etwas benommen.

Das ist gut, denn Prinz Niklas ist ein besonderer junger Mann und er passt zu dir, aber nun beeile dich, die Sonne geht bald unter. Du willst dich doch sicher noch schön machen für den Ball. Nanu, ich sehe noch einen Schatten in deinen Augen, was bedrückt dich?“

Ich habe ihm den ersten Tanz versprochen, aber ich kann doch gar nicht tanzen, immer stolpere ich oder trete meinen Tanzpartnern auf die Füße.“

Papperlapap , sicher kannst du tanzen, du hattest bisher nur die falschen Schuhe, warte mal.“

Wieder wühlte sie in ihrer Tasche und zog mit einem triumphierenden Lächeln ein paar goldene Slipper hervor.

Sie drückte die Schuhe dem Mädchen in die Hand.

Nun aber lauf!“

Beatrix lief los, drehte sich aber dann wieder um und kam zurück.

Stürmisch umarmte sie die Fee und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Kopfschüttelnd sah diese ihr nach.

Albernes Ding!“

Beatrix aber erreichte atemlos ihr Zimmer.  Während sie im Badezuber saß und Ihre Zofe Juliane ihr mit dem Kamm, der nicht ziept, die Haare kämmte, erzählte sie ihre Erlebnisse. Unter viel Gelächter suchten die beiden Mädchen dann das schönste Kleid aus.

Und als die Prinzessin dann wenig später den Ballsaal betrat, da waren alle Augen auf sie gerichtet, denn so schön hatte man Prinzessin Wildfang noch nie gesehen. Prinz Niklas aber eilte ihr mit leuchtenden Augen entgegen und da gerade die Musik einsetzte führte er sie zum Tanz auf das Parkett. 

Der König aber sah staunend den Tanzenden zu.

„Ist das unsere Tochter, der Wildfang? Ein Wunder, sie sieht ja wunderschön aus und stolpert nicht und ist bisher kein einziges Mal ihrem Partner auf die Füße getreten?“

„Kein Wunder! Das ist die Liebe,“ meinte die Königin mit einem feinem Lächeln.

„Prinz Niklas? Aber er ist der ärmste der Freier.“

„Du willst ihnen doch keinen Ärger bereiten?“

„Nein, nein, nicht nachdem er dieses Wunder vollbracht hat und unseren Wildfang glücklich macht. Im Gegenteil, ich werde ihre Mitgift verdoppeln, das wird ihnen den Start etwas erleichtern.“

Sein Blick fiel hinüber zu Leonora, die inmitten ihrer Bewunderer stand und sich nicht entscheiden konnte, welchen von ihnen sie die Gunst eines Tanzes gewähren sollte.

„Es würde mich nicht wundern, wenn unser Wildfang noch vor ihrer Schwester verheiratet wäre.“

Und so war es auch.Es wurde eine wunderschöne Hochzeit und alle freuten sich und dem Brautpaar strahlte die Liebe und das Glück aus den Augen.

Was besonders die beiden Mütter des jungen Paares immer wieder zum Taschentuch greifen ließ.

Nach dem Fest aber gingen alle in den Schlosshof, wo bereits die hoch beladene Kutsche wartete, die Beatrix und und ihren Gemahl in ihre Heimat bringen sollte.

Die Zofe Juliane und der Kammerdiener des Prinzen saßen bereits wartend in dem Gefährt.

Prinz Niklas aber kam auf den Hof und führte zwei Pferde am Zügel.

In dem Moment rannte Beatrix aus dem Schloss in einem einfachen Reitdress und einem loses Band in den Haaren.

Stürmisch umarmte sie ihren Vater, ihre Mutter und ihre Schwester und lief dann zu ihrem Mann, der ihr auf das Pferd half.

Er war noch nicht auf seinem Pferd, da galoppierte Beatrix mit einem Jubelruf schon los.

Das Band flatterte zu Boden und die reiche Fülle ihres Haares breitete sich wild über ihrem Rücken aus.

Die Kutsche setzte sich in Bewegung und folgte in gemächlichen Tempo.

Der König aber sah kopfschüttelnd den wilden Reitern nach.

„Sie wird wohl immer ein Wildfang bleiben.“

Lächelnd hakte sich die Königin bei ihm unter, als sie ins Schloss gingen.

„Sicher, aber sie hat einen Mann gefunden, der dies akzeptiert.“




© Lore Platz




 



 

 

 

 

 

 

 

 

Mittwoch, 17. Februar 2021

Plauderecke

 


 

 Ich interessiere mich sehr für  Geschichte und habe bemerkt, dass in der Geschichtsscheibung Frauen wenig und wenn dann eher im negativen Sinn vorkommen. Das kommt wohl daher weil den Frauen bis ins späte 19te Jahrhundert das Recht auf Bildung abgesprochen wurde und daher nur Männer für die Geschichtsschreibung zuständig waren, sowie für die Bibel.

Eva reichte Adam den Apfel und ist Schuld daran, dass wir Menschen das Paradies nicht kennenlernen durften. Die Erbsünde Evas, doch  Adam hat niemand gezwungen den Apfel zu essen. Auch wenn die beiden nicht wirklich gelebt haben, ist es doch auffällig, dass die Hauptschuld der Frau zugesprochen wurde.

Xanthippe wird noch heute ein zänkisches streitlustiges Weib genannt und ich denke, ihr wurde unrecht getan. Sie war die Frau von Sokrates (469 . 369 v. Christus)  und auch in der Antike war das Frauenbild in einer von Männern bestimmten Welt sehr schlecht. Es wurde ihnen jedes Verständnis für Philosophie und Wissenschaften abgesprochen und sie waren Menschen zweiter Klasse.

Im Mittelalter waren es wieder die Frauen, die für alles was passierte angeklagt und als Hexen verbrannt wurden. 

1487 erschien das berüchtigte Buch "Malleus melficarum" Die Minderwertigkeit der Frau wurde dadurch erklärt, dass in der Bibel stand, Eva wurde aus Adams Rippe geschaffen und hat dann Adam mittels eines Apfels verführt.Eine Frau, die niemals gelebt hat, was für ein tolles Alibi für all die Grausamkeiten.

Vor einigen Jahren habe ich einen Bericht über Frauenhäuser in Polen gesehen, schrecklich. Die Häuser müssen die Frauen nach einigen Wochen wieder nach Hause schicken und dort sind sie wieder ihren gewaltätigen Männern ausgeliefert Das schlimmste aber war für mich, dass ein Priester in der Kirche erklärte; einem Mann ist es erlaubt seine Frau zu züchtigen.

Bis ins späte 19te Jahrhundert galten noch für Frauen die drei Ks: Küche Kinder, Kuschen, noch in den sechzigern und siebzigern konnten Frauen ohne Erlaubnis ihres Mannes, weder arbeiten gehen , noch den Führerschein machen. 1974 erklärte der Münchner Polizeipräsident: "Frauen gehören an den Herd und nicht zur Polizei."

Viele hundert Jahre haben wunderbare Frauen für unsere Rechte gekämpft, aber es ist immer noch nicht genug, wenn ich lese, dass alle 45 Minuten eine Frau häusliche Gewalt erfährt. 

Wieder zu dem Thema eine alte Geschichte von mir.

 

 

Und plötzlich ist man Oma


Luise Brunner band sich die Schürze um das Dirndl und schaute in den Spiegel.

Müde Augen sahen ihr entgegen, wie so oft in den vergangenen zehn Jahren war sie lange wach gelegen und hatte sich dann immer wieder schlaflos herum gewälzt.

Und wenn sie dann schlief, dann kam es ihr vor als wären es nur Sekunden gewesen. 

Vor zwölf Jahren hatte ihr einziger Sohn nach einem bitterbösen Streit mit ihrem Mann den Hof verlassen.Bertl war dahinter gekommen, dass Andreas statt Landwirtschaft Medizin studierte, weil er unbedingt Arzt werden wollte.

Sein Vater hatte ihn vor die Wahl gestellt, Landwirt oder Medizin.Die beiden Hitzköpfe hatten sich angeschrien und ein Wort gab das andere und dann hatte Andreas seinen Rucksack gepackt und war gegangen.

Zwei Jahre hatte sie ihm Geld fürs Studium geschickt, denn Bertl hatte die Unterstützung für seinen Sohn eingestellt.

Doch dann war ihr Mann dahinter gekommen und es hatte einen fürchterlichen Krach gegeben und er hatte ihr die Vollmacht für das Konto entzogen.Seitdem hatte sie auch nichts mehr von ihrem Jungen gehört.Seufzend wendete sie sich um und ging die knarrenden Holzstufen hinunter.

Aus der Küche klang das Klappern von Geschirr und das Lachen der Mägde.Luise setzte ein Lächeln auf und trat mit einem Gruß ein.

Guten Morgen,“ klang es fröhlich zurück und Kathi, dieJungmagd brachte ihr eine Tasse dampfend heißen Kaffee.

Die alte Theres brockte Brot in ihr Haferl Kaffee und warf unter ihren buschigen Augenbrauen einen prüfenden Blick zur Bäuerin. Sie bemerkte als einzige die müden traurigen Augen.

Theres war schon über achtzig und war schon auf dem Hof, als der Bauer noch in den Windeln lag, und durfte sich mehr erlauben als manch andere und sie hatte dem Bertl damals ordentlich die Meinung gesagt, als er den Buben vom Hof jagte, aber genutzt hatte es auch nichts. Sture Dickschädel sind sie eben alle Beide.

Der Bauer kam in die Küche, brummte einen kurzen Gruß und ließ sich auf seinem Platz nieder. Kathi brachte auch ihm ein Haferl Kaffee.

Während Bertl sich reichlich von der Erdbeermarmelade auf sein Butterbrot schmierte warf er einen besorgten Blick zu seiner Frau.

Er hatte mitbekommen, dass sie sich wieder ruhelos im Bett gewälzt hatte und wie so oft hatte er ein schlechtes Gewissen. Es tat ihm doch auch schon leid, die Sache mit dem Buben und er hätte es gerne ungeschehen gemacht, denn der Andi fehlte ihm, aber er wusste nicht wie.

Er war halt so ungeschickt, wenn es um Gefühle ging. Deshalb sagte er barscher, als er wollte.

Luise, die Selma wird bald kalben, behalte sie ein wenig im Auge und ruf den Tierarzt, wenn etwas sein sollt. Das letzte Mal hat sie sich auch so schwer getan.

Ich bin mit dem Loisl und dem Xaver auf der oberen Wiese, da kann man net mit'm Mähdrescher hin, müssen also mit der Sense mähen. 

Und du Kathi, nachher wenn' st im Stall fertig bist, kimst aufi und hilfst beim zsamm recha. Und Alma du bringst die Kühe auf die Weide.“

Er verließ die Küche.

Luise folgte den Mägden in den Stall.

Während Kathi die Melkmaschine säuberte, ließ Alma die Tiere aus der Box und trieb sie den Gang entlang ins Freie. Luise aber ging zu Selma, die mit müden Augen in ihrem Pferch stand.

Nicht wahr es ist schon ein Kreuz mit den Kindern. Schmerzen hat man bis sie auf der Welt sind und dann machen sie einem immer wieder mal Sorgen und Kummer.“

Später ging Luise in den großen Gemüsegarten.Sie kniete nieder, um das Unkraut zu rupfen.

Grüß Gott!“ Die Frau sah auf und sah ein kleines etwa vierjähriges Mädel am Zaun.Grüß Gott,“ antwortete sie freundlich.

Was machst du da?“Ich rupfe Unkraut.“Warum?“Damit das Gemüse mehr Platz zum Wachsen hat.“Darf ich dir helfen?“Gerne, komm nur rein, dort vorne ist die Tür.“

Bald knieten die beiden einträchtig nebeneinander und rupften das Unkraut aus der Erde.

Dabei stand das Mündchen der Kleinen keinen Moment still. Und so erfuhr Luise, dass sie Fiona hieß, aber jeder sie nur Pünktchen rief, wegen ihrer Sommersprossen.

Dass sie bei Doktor Bauer wohnten und ihr Papa aber noch in Berlin sei, weil er seinen Vertrag noch einhalten müsse.

Aber in einigen Wochen würde er dann nachkommen und dann blieben sie immer hier.

Ein weißer Spitz kam bellend an den Zaun, ihm folgte ein etwa achtjähriger Junge.

Pünktchen sprang aufDas ist Flocke und mein Bruder Tobias.“

Pünktchen,“ schimpfte der Junge, „ du sollst doch nicht allein losgehen, wenn du dich nun verirrst?“

Quatsch!“

Das Mädchen deutete mit dem Finger auf den Kirchturm.

Ich gehe immer in Richtung Kirche und nicht weit davon ist dann das Haus von Onkel Pankratz.“Willst du herein kommen? Wir wollten gerade eine Pause machen. Es gibt Kirchweihnudeln.“

Wat it dat?“Du sollst doch nicht berlinern,“ schimpfte Pünktchen ihren Bruder. Luise aber lachte und meinte: „Kirchweihnudeln sind so ähnlich wie Berliner.“

Bald saßen sie alle in der Küche bei Kakao und dem Schmalzgebäck.

Luise hörte amüsiert dem Geplänkel der Kinder zu und stellte erstaunt fest, dass sie so viel wie heute die vergangenen zehn Jahre nicht mehr gelacht hatte.

Später brachte sie die Kinder hinaus und winkte ihnen noch lange nach.

Als sie ins Haus zurück kehrte wurde sie von der alten Theres, die auf der Bank in der Sonne saß, aufgehalten.Die Kinder gefallen dir wohl?“

Ja,“ Luise lächelte versonnen,“ weißt, es ist seltsam, aber mir ist, als würde ich sie schon immer kennen.“Das ist die Stimme des Blutes,“brummte die alte Magd.

Sie klopfte auf den Platz neben sich.Setz dich zu mir, ich muss mit dir reden.“

Und nun erfuhr Luise, dass Andreas seinen Doktor gemacht und als Internist in der Charité in Berlin arbeitete.

Dort hat er auch sein Frau Friedel kennen gelernt, die als Krankenschwester ebenfalls dort tätig war.

Aber warum hat er nie mehr geschrieben?“ klagte Luise.

Weil er dir keinen neuen Ärger mit dem Vater bereiten wollte, deshalb hat er sich an mich gewandt und wollte immer wissen wie es euch geht.“

Und warum hast du mir nicht gesagt, dass ich zwei Enkelkinder habe?“

Das hätte dich doch nur noch trauriger gemacht und gegen den Bertl hast du dich doch noch nie durchsetzen können.“

Luise sah still vor sich hin. Dann straffte sie die Schultern und eilte los.

Wohin willst' denn?“

Zum Doktorhaus!“

Theres schmunzelte.Wird Zeit Bäuerin, dass du mal Rückgrat zeigst.“

Eine hübsche junge Frau öffnete auf ihr Klingeln.

Der Herr Doktor ist nicht da, er macht gerade einen Hausbesuch.“

Ich will auch nicht zum Pankratz, sondern zu dir. Ich bin die Alpenhofbäuerin.“Die junge Frau errötete leicht und meinte verlegen.

Ich weiß, wollen sie herein kommen?“

Gern, aber wir sagen uns gleich du, nicht wahr.“ Friedel lächelte, „ willst du einen Kaffee?“

Luise folgt der jungen Frau in die große geräumige Küche und während sie sich den Kaffee schmecken ließen, stellte sie viele Fragen, die Friedel bereitwillig beantwortete.

Bald war es als würden sie sich schon ewig kennen. Die Tür ging auf und die Kinder und hinter ihnen Pankratz kamen in die Küche.Hm hier duftete es nach Kaffee.“ Zufrieden ließ er sich von Friedel eine Tasse einschenken.

Weißt Luise, seit die Friedel hier ist geht es mir gut, die verwöhnt mich und kochen kann die.“ Er küsste seine Fingerspitzen und alle lachten.

Und wenn erst der Andreas da ist, dann hab ich auch Hilfe in der Praxis und später wird der Bub sie dann ganz übernehmen. Aber vorher gibt es wohl noch einiges zu machen, hier wie auch anderswo.“

Er zwinkerte Luise zu. Pünktchen die sich an ihr Knie geschmiegt hatte fragt nun:Tante Luise bleibst du zum Abendessen?“

Prima, es jibt Buletten, di magst sicher und Mama macht so nee große, da wirste kieken.“

Tobias, du sollst doch nicht berlinern!“ riefen Friedel und Pünktchen. Pankratz aber lachte.

Luise hast du alles verstanden? Er meint Fleischpflanzerl riesig große und du wirst staunen.“

Ich habe ihn schon verstanden.“ Liebevoll strich sie dem Jungen über das Haar.

Nach dem Abendessen brachte Luise zusammen mit Friedel die Kinder ins Bett, dann setzten sich die drei Erwachsenen mit einem Glas Rotwein zusammen und überlegten wie sie den Bertl auf Andreas Rückkehr vorbereiten sollten.

Schließlich kamen sie überein, dass es wohl am besten wäre es über die Kinder zu versuchen.

Da sowieso der Maler kam, um die Zimmer zu renovieren, wäre das eine gute Ausrede, wenn Luise sich in der Zeit um die Kinder kümmerte. Es war schon zehn Uhr, als Luise sich auf den Heimweg machte.

Sie fühlte sich so glücklich und beschwingt, wie schon lange nicht mehr.

Bertl war noch wach, als sie in die Schlafstube trat.Wo warst du denn so lange?“Beim Pankratz!“Fehlt dir was?“Nein jetzt nimmer!“

Luise legte ihre Kleider ordentlich auf den Stuhl, schlüpfte ins Bett und war gleich darauf eingeschlafen.

Bertl aber lag noch lange wach und grübelte über seine Frau, die ihm heute so verändert vorkam, nach.

Wie staunte er aber als er wach wurde und Luise leise summend aus dem Bad kam.

Diese hatte wunderbar geschlafen wie schon lange nicht mehr und während sie ihre lange Haare flocht und zu einem Knoten am Hinterknopf zusammen rollte, meinte sie.Heute geh ich zum Frisör und lass mir die Haare schneiden, die machen viel zu viel Arbeit.“Nein, du weißt doch wie sehr ich deine langen Haare liebe, das erlaube ich nicht!“ Luise schenkte ihrem Mann ein strahlendes Lächeln.Mich stören sie aber schon lange und deshalb müssen sie ab!“

Vergnügt summend verließ sie die Schlafstube und betrat die Küche mit einem Scherzwort.

Die Mägde starrten sie erstaunt an und Theres kicherte vor sich hin.

Noch mehr aber staunten sie, als Luise erklärte sie würde nachher zum Frisör gehen.

Der Bauer war heute noch schweigsamer als sonst und warf immer wieder verstohlene Blicke auf seine Frau die heute so verändert wirkte. Und als er die Arbeit verteilte für den heutigen Tag, da fiel sie ihm ins Wort.

Mit mir brauchst du heute nicht rechnen, ich gehe zum Frisör und anschließend fahre ich mit dem Besuch vom Pankratz in die Kreisstadt. Ich brauche ein paar hundert Euro und außerdem, habe ich keine Lust mehr um jeden Cent zu betteln. Ab heute will ich wieder Vollmacht über unser Konto.“

Mit diesen Worten verließ sie die Küche. Bertl sah ihr mit offenen Mund nach und Theres kicherte.

Mit der neuen Kurzhaarfrisur sah Luise wirklich hübsch aus und es schien als wäre sie um Jahre jünger, vielleicht aber lag das auch an dem Strahlen, das von ihr ausging.

Mit Friedel und den Kindern verlebte sie einen schönen Nachmittag in der Stadt und sie kleidete die drei von Kopf bis Fuß neu ein. Als ihre Schwiegertochter protestiert, meinte sie nur, sie hätte so viele Jahre nachzuholen. Nachdem sie noch ein großes Eis gegessen hatten fuhren sie wieder nach Hause.

Wieder schlief sie wunderbar diese Nacht und am nächsten Tag beim Frühstück teilte sie mit, dass das Doktorhaus renoviert werde, damit die Familie des neuen Arztes einziehen könnte und sie sich angeboten hat, sich in der Zeit um die Kinder zu kümmern.

Mach was du willst,“ brummte Bertl nur, dem seine plötzlich so selbstbewusste Frau ein wenig unheimlich wurde.

Und von nun an kamen die Kinder jeden Tag und auch Bertl begann sich mit ihnen anzufreunden. Ja er ertappte sich sogar dabei, dass er frühmorgens schon Ausschau nach ihnen hielt.

Pünktchen hatte ihn bereits um ihren kleinen reizenden Finger gewickelt und nur allzu gern beantwortete er die Fragen von Tobias, der alles über die Landwirtschaft wissen wollte.

Nur dass der Bub immer wieder in seinen Berliner Dialekt zurück fiel, störte ihn ein wenig.

Bald war es als gehörten die Kinder schon immer zum Alpenhof und auch Friedel, die abends wenn sie die Kinder abholte noch ein wenig blieb, gehörte bald dazu.

Inzwischen waren die Zimmer im Doktorhaus alle fertig und ein großer Möbelwagen war aus Berlin gekommen. Begeistert erzählten die Kinder wie schön es jetzt wäre und jeder hätte wieder sein Zimmer genau wie in Berlin.

Trotzdem aber kamen sie jeden Tag, denn der Alpenhof war ihre zweite Heimat geworden.

Die Dörfler aber hatten neugierig den Umzugswagen beobachtet, doch noch immer war von dem neuen Doktor nichts zu sehen.

Und wenn sie den alten Pankratz fragten, dann meinte der nur, der kommt schon noch oder könnt ihr es nimmer erwarten bis ihr mich los seid. Luise aber hatte schon öfter mit ihrem Sohn telefoniert und wusste, dass er bald kommen würde.

Sein Vertrag mit der Charité war jetzt ausgelaufen, die Wohnung hatte er verkauft und nun musste er nur noch ein paar Behördengänge machen, dann könnte er los.

Es war Sonntag und wie immer waren Friedel und die Kinder da und sie alle saßen bei Kaffee und Kuchen, als die Tür aufging und ein junger gut aussehender Mann die Stube betrat.Papa!“ jubelte Pünktchen und die Kinder liefen zu Andreas der sie fröhlich umfing. Luise presste beide Hände auf die Brust und Tränen traten in ihre Augen.

Friedel schenkte ihrem Mann einen zärtlichen Blick

Bertl aber saß wie erstarrt und über sein Gesicht zuckte es wie Wetterleuchten und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Andreas setzte Pünktchen vorsichtig auf den Boden und trat an den Tisch.

Er streckte die Hand aus und sagte leise.

Grüß Gott, Vater, willst mich denn nicht willkommen heißen?“ Bertl rührte sich nicht und alle hielten den Atem an.

Pünktchen aber kletterte auf die Bank, schmiegte ihre Wange an die raue Backe des Bauern und fragte:

Warum willst du denn dem Papa nicht 'Grüß Gott' sagen?“

Behutsam reichte der das kleine Dirndl an seine Frau weiter, die neben ihm saß, dann stand er auf und drückte fest die Hand seines Sohnes.

Die beiden Männer umarmten sich und schämten sich nicht der Tränen, die in ihren Augen standen.

Luise und Friedel aber liefen die Tränen über das Gesicht und die Kinder sahen mit großen staunenden Augen auf die Erwachsenen.

Noch mehr aber staunten sie, als sie erfuhren, dass Luise und Bertl ihre Großeltern waren.

Nun aber ging es ans erzählen, viele Jahre waren aufzuholen.

Pünktchen war längst im Arm ihres Vaters eingeschlafen und Tobias stand am Fenster und schaute mit gerunzelter Stirn hinaus.

Dann drehte er sich um und rief:

Opa, kieck mol, gleich wird’s zu pladdern (stark regnen) afange und dös Vieh is no uff der Weide“

Der alte Bauer stand auf und meinte gemütlich:

Dann wollen wir es rein holen, bleibt nur sitzen,“ winkte er zu Luise und Andreas. Dann legte er die Hand auf die Schulter von Tobias.

Der Bua und ich wir schaffn des scho. Der wird moa a guater Landwirt, nur des berlinern, des muss i eam no abgwöhna!“

Fröhliches Lachen folgte den Beiden, als sie hinaus gingen.


© Lore Platz



 

Montag, 15. Februar 2021

Wenn ein Traum zerplatzt

Reizwörter: Karneval, Clown, schminken, nachdenklich, traurig

Martina wird nach dieser Geschichte, eine  Pause machen, doch Regina und ich schreiben weiter.

 


Wenn ein Traum zerplatzt

 

Der junge Mann saß vor dem Spiegel in seinem Wohnwagen und nachdenklich schweiften seine Gedanken in die Vergangenheit. 

Vor fünf Jahren hatte er nach einem fürchterlichen Streit mit seinem Vater das Elternhaus verlassen. Juniorpartner sollte er werden, doch er wollte Künstler werden und mit seiner Violine die Menschen verzaubern.  Also hatte er seine Taschen gepackt und mit dem Geigenkasten in der Hand wütend das Haus verlassen. Zuerst ging er zu seiner Freundin Elena, um sich zu verabschieden. Er versprach, sobald er ein großer Künstler war, wieder zu kommen.

Nie würde er ihren traurigen Blick vergessen. 

Doch er war so froh, seinem strengen Vater entkommen und auch so naiv zu glauben, die Welt würde nur auf ihn warten. Zuerst ging er zu einer Künstleragentur, die vermittelte ihn an Bars, Restaurants und ab und zu an eine Familienfeier. Der Verdienst war zwar gering, doch er hatte ja sein gut gefülltes Sparbuch dabei und konnte sich ein gemütliches warmes Zimmer leisten. 

Doch wenn man nur Ausgaben und wenig Einkommen hat, dann wird auch ein gut gefülltes Sparbuch leer. Er verlor sein Zimmer, landete auf der Straße und hielt sich mit seiner Musik über Wasser. Oft dachte er bitter wie sehr sein Vater triumphieren würde, wenn er ihn so sehen könnte.

Eines Tages mitten im Winter spielte er wieder, seine klammen Finger konnten den Bogen kaum halten. Niemand blieb stehen und die Blechbüchse blieb leer. Nur ein einfach gekleideter älterer Herr stand in der Nähe und lauschte. Nur für ihn legte er all seine Gefühle und seine Traurigkeit in das Spiel.

Als er seine Geige in dem Kasten verstaute und seinen Rucksack schulterte, kam der Mann näher. "Wann haben sie zum letzten Mal was gegessen?" Er hatte nur die Schultern gezuckt und daraufhin hat ihn dieser zu einem warmen Essen eingeladen.

Als sie später dann in einem gemütlichen Lokal saßen, stellte sich der freundliche Herr als Anton Wanicke vor,  Direktor eines kleinen Zirkus. Anton schlug ihm vor, mit ihm zusammen als Clown aufzutreten, auch  könnten sie sein Geigenspiel  in die Nummer mit einbauen. Es war nicht die große Weltbühne, aber er könnte doch einige Menschen glücklich machen, besonders die Kinder. Seit drei Jahren reiste er nun mit dem Zirkus.

"Richard, mein Junge, du bist ja noch gar nicht geschminkt,"

"Ich war in Gedanken," der junge Mann lächelte entschuldigend. Anton legte ihm die Hand auf die Schulter. "Wir sind wieder in deiner Heimatstadt, willst du dich denn nicht endlich mit deinem Vater versöhnen?" "Damit er über mich triumphieren kann, weil ich versagt habe!" "Richard, Stolz ist eine gute Sache, aber zuviel Stolz kann man eines Tages bereuen und dann ist es vielleicht zu spät. Aber nun komm die Kinder warten."

Als sie beide in die Arena liefen und ihre Späße machten lachten die Kinder. Ganz besonders  ein kleiner Junge in der ersten Reihe fiel ihm auf, der ganz begeistert auf und ab hüpfte. Eine Frau beugte sich zu ihm hinunter und Richard erschrak. Es war Elena, sie hatte also geheiratet und einen Sohn. Er konnte es ihr nicht verdenken, nachdem er sich fast vier Jahre nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Traurig dachte er daran, was er alles verloren hatte, als er einem unereichbaren Traum nachjagte. Niemand merkte, wie ihm zumute war, als er fröhlich seine Scherze weiter trieb. Und als er am Ende seine Geige zum klingen brachte, spielte er nur für die Beiden in der ersten Reihe.

 Als er gerade das Clownskostüm an den Haken hängte, klopfte es an der Tür.

"Komm herein Anton," doch als er sich umdrehte, stand Elena mit dem Jungen an der Hand vor ihm. Stumm sahen sie sich an. Der kleine Junge aber hatte das Kostüm entdeckt und jubelte. Mit schief geneigtem Kopf stellte er sich vor Richard und fragte. "Bist du der Clown? Du warst so lustig und hast soooo schön Geige gespielt. Spielst du mir was vor?"

"Später."sagte die Mutter. Verlegen sah Richard seine ehemalige Freundin an. "Wie hast du mich erkannt?" Elena lächelte und ihm wurde ganz warm ums Herz. "An deinem Geigenspiel. Ich muss mit dir sprechen." "Entschuldige bitte meine Unhöflichkeit, bitte setz dich"

Und was ihm Elena nun erzählte machte ihn traurig und glücklich zugleich. Als er sich vor fünf Jahren von ihr verabschiedete, hatte sie gerade das Testergebnis ihrer Schwangerschaft bekommen, doch sie sagte ihm nichts, denn sie wollte kein Klotz an seinem Bein sein. Auch als er immer wieder mal anrief verschwieg sie ihm ihren Zustand. Naja und dann blieben die Anrufe aus und sie dachte, dass sie das richtige getan hatte.

EineWeile war es still, nur das Geplapper des Jungen war zu hören, der inzwischen die rote Perücke entdeckt hatte. Dann hob Richardt den Kopf und fragte leise; "wollt ihr mich den noch haben?" Als Elena lächelnd nickte, küsste er sie stürmisch.

"He, warum küsst du meine Mama?" Richard betrachtete lächelnd den Dreikäsehoch, der breitbeinig vor ihnen stand. "Weil ich sie ganz doll lieb habe, so wie dich auch." Dann sprang er auf und wirbelte den kichernden Jungen durch die Luft. 

Später stellte Richard, Elena und seinen Sohn, Anton und seiner Familie vor. Es wurde beschlossen, wenn derZirkus die Stadt verließ, würde Richard nicht mitgehen.

Elena überredete auch Richard sich mit seinem Vater zu versöhnen. Als die beiden Männer sich nach so langer Zeit gegenüber standen, hatten sie Tränen in den Augen und umarmten sich stumm.

Nach einer stillen Hochzeit, bei der Anton ihr Trauzeuge war, siedelte die kleine Familie in die Villa über. Richard wurde Juniorchef, doch abends ließ er die Geige für seine  Familie erklingen.

Nach einigen Jahren übergab sein Vater die Firma an Richard, denn er hatte eine viel schönere Aufgabe: Opa für die ständig wachsende Schar seiner Enkel.

In die Rolle des Clowns schlüpfte Richard nur noch im Karneval  für seine Kinder und deren Freunde.

Obwohl er nie den Weltruhm erlangt hatte, hatte Richard doch nie bereut, es wenigstens versucht zu haben, denn die harten Jahre hatte ihn zu einem reiferen. besseren und stärkeren  Menschen gemacht.


(c) Lore Platz


Sicher wollt ihr wissen welche Geschichten Regina und Martina geschrieben haben.


 

Mittwoch, 10. Februar 2021

Plauderecke

 


 

 Gerade lese ich die Biographie von Bernd Siggelkow, dem Gründer "Der Arche" . 1964 in Hamburg geboren hat er Einsamkeit und Armut früh kennengelernt . Seine Eltern mussten schwer arbeiten, um die Schulden des Vaters zu tilgen. Sein Bruder und er wurden von der Oma betreut, von deren Rente sie auch lebten. Oft war die kleine Rente am zwanzigsten des Monats bereits aufgebraucht, trotzdem schaffte es die Oma sie über die Runden zu bringen. Als er sechs Jahre alt war, verließ die Mutter die Familie. 

Vielleicht waren es diese Erfahrungen , die ihn später zur Gründung einer Arche für vernachlässsigte Kinder veranlasste. In der Arche erhalten die Kinder eine warme Mahlzeit und es wird ihnen bei den Hausaufgaben geholfen und sie haben einen Ort gesicherten wo sie Sport treiben oder einfach nur spielen können.

Ich denke nichts im Leben geschieht ohne Sinn, auch wenn es uns nicht immer gleich bewusst ist. Oft erscheint uns die Last , die das Leben uns aufbürdet zu schwer und unüberwindbar. Viele zerbrechen daran, andere wiederum werden stärker.

Ich habe einmal gesagt, mein Leben wäre wie eine Achterbahen, ein ständiges auf und ab. Es gab Zeiten da habe ich regelrecht gewartet, was als nächstes wieder schlimmes passiert.Doch wenn ich heute zurückblicke, wird mir klar, dass alles Gute und Schlechte, was mir im Leben passierte, mich erst zu dem Menschen gemacht hat , der ich heute bin. Vielleicht hat mich dies ja auch zu einer guten Geschichtenerzählerin gemacht, mit denen ich Mut machen will. Egal was passiert, man weiß nie. ob an der Ecke bereits ein Engel steht, der dir den richtigen Weg zeigt.

Die Kraft, das Leben zu meistern habe ich wohl von meinem Vater. Er war der Fels in der Brandung und als Kind wusste ich immer, wenn mein Vater bei mir war, konnte mir nichts passieren. Mein Vater konnte Drachen töten! Meine Mutter war lieb und hat auch die schlimmen Herausforderungen der Nachkriegszeit tapfer gemeistert, aber sie verzagte auch schnell.

Nun erzähle ich euch von meinem Vater. Einige werden die Erinnerungsgeschichte schon kennen, aber sie rundete meine Plauderecke so schön ab. (zwinkern)


 


 

Mein Vater


Er war 24 Jahre alt und gerade verheiratet, als er 1939 in den Krieg ziehen musste.

Als er dann einmal Urlaub von der Front bekam, fuhr ihm seine junge Frau entgegen und der Bahnhof, an dem sie ihn erwartet wurde durch Bomben zerstört und er war Witwer.

Dieser Krieg hat so viel Unheil und Leid den Menschen gebracht.

Später lernte er dann meine Mutter kennen und diese schrieb ihm jeden Tag einen Brief an die Front.

1944 haben sie dann geheiratet.

Mein Vater wurde dann schwer verwundet und während er in Deutschland im Lazarett lag, wurde seine gesamte Einheit in Russland getötet.

Er wurde dann nach Ingolstadt in die Kaserne versetzt und meine Mutter folgte ihm und er mietete ihr ein kleines Zimmer.

Nach dem Krieg blieben meine Eltern in Bayern und mein Vater ging zur Polizei.

Er wurde in einen kleinen Ort versetzt, in dem in einem ehemaligen Schloss in der großen Halle die Polizeistation war.

Ich verbrachte viele Stunden in der gemütlichen Wachstube.

Als ich klein war brachte mich meine Mutter zu meinem Vater, wenn sie etwas zu erledigen hatte.

Und da ich sehr brav und ruhig war, hatte keiner etwas dagegen und ich wurde so ein bisschen das Maskottchen der Gendarmerie.

Später, als ich größer war, besuchte ich oft meinen Vater, durfte auf den alten Schreibmaschinen herum klappern und spitzte mit Begeisterung für jeden die Bleistifte.

Am Pult war ein Spitzer angeschraubt, in die Rolle vorne steckte man den Stift und durch kurbeln wurde er spitz.

Als ich ungefähr zwei Jahre alt war starb meine Großmutter mütterlicherseits und meine Eltern wollten mich nicht auf die weite Zugreise ins Saarland mitnehmen.

Ein Kollege meines Vaters, der selbst zwei kleine Jungen hatte, erbot sich, mich während dieser Zeit aufzunehmen und da ich ihn kannte fremdelte ich auch nicht.

Zwei Tage später hatte ich meine Eltern vergessen und da der

Kollege dieselbe Statur und Uniform wie mein Vater hatte, war er bald für mich mein Vater.

Jeden Abend, wenn er vom Dienst nach Hause kam, wieselte ich in den Flur, hievte seine schweren Pantoffeln hoch und stolperte auf ihn zu, streckte ihm die Puschen mit strahlendem Lächeln und den Worten: „Vati kalte Füß!“, entgegen.

Dieser Satz verfolgte mich dann jahrelang.

Jedes Mal wenn ich dem Kollegen begegnete, egal wo und wenn es mitten im Supermarkt war, dann grinste er von einem Ohr zum anderen und brüllte mit seiner dröhnenden Stimme:

Vati kalte Füß!“

Das konnte manchmal ganz schön peinlich sein, besonders wenn man inzwischen ein Teenager ist.



Wir hatten eine schöne Kindheit.

Es war keine heile Welt, es wurde auch gestritten, gezickt, gezankt und wir bekamen, wenn wir es verdienten auch eine auf den Popo.

Doch die vielen fröhlichen und glücklichen Stunden, sowie die Liebe und Geborgenheit begleiten uns ein Leben lang.

Bei uns wurde viel gesungen, besonders die alten Volkslieder, wenn wir drei Mädels abspülten sangen wir dabei und aus irgendeinem Zimmer fiel meine Mutter mit ein und manchmal brummte auch mein Vater dazwischen.

Mein Lieblingslied ist übrigens bis heute:

Am Brunnen vor dem Tore...“

 

Mein Vater liebte Friedrich Schiller.

Als Bub musste er das lange Gedicht vom Lied der Glocke auswendig lernen und jedes mal wenn er uns ärgern wollte zitierte er daraus.

Samstags saßen wir gerne mit unserer Mutter länger am Frühstückstisch und erzählten und lachten.

Das mochte er gar nicht, vielleicht fühlte er sich auch als einziger Mann ausgeschlossen.

Jedenfalls, sobald er seine Tasse Kaffee ausgetrunken hatte, erhob er sich, ging in das angrenzende Zimmer und begann demonstrativ aufzuräumen und dabei zitierte er so laut, dass wir es ja auch mitbekamen aus dem Lied der Glocke:


Und drinnen waltet

Die züchtige Hausfrau

Die Mutter der Kinder

Und herrscht weise

Im häuslichen Kreise

Und lehret die Mädchen

Und wehret die Knaben

Und regt ohne Ende

Die fleißigen Hände“


Natürlich hat uns das zu noch größeren Heiterkeitsausbrüchen

veranlasst und am Ende musste er selbst mitlachen.

Sind es nicht gerade seine Macken, die einen Menschen besonders liebenswert machen?

Als wir größer waren lag jedes Jahr unter dem Weihnachtsbaum ein Gesellschaftsspiel und wir saßen dann zusammen und spielten. 

Mein Vater mogelte für sein Leben gerne dabei, aber so, dass man es merkte, denn meine Mutter regte sich immer furchtbar darüber auf und das bereitete ihm eine diebische Freude.

Überhaupt verband meine Eltern eine große Liebe zueinander die 44 Jahre hielt.

Leider erkrankte mein Vater die letzten vier Jahre an Alzheimer.

Eine sehr schlimme Krankheit, denn der Mensch den du einst gekannt hast, verschwindet mit der Zeit, lange vor seinem Tod.

Aber ich behalte ihn in Erinnerung wie er war: Ein guter Vater!


(c) Lore Platz