Dienstag, 26. September 2023

Ach du lieber Augustin



Vorsichtig öffnete sich die Tür und Lena spähte herein Als sie 

sah, dass Oma strickte, hüpfte sie ins Zimmer.

Ich dachte du schläfst noch.“

Denn nach dem Mittagsschlaf erzählte ihr Oma immer eine 

Geschichte.

Neugierig betrachtete das Mädchen das flauschige Gebilde. 

„Was wird das?“

Du weißt doch, dass Tante Christine bald ein Baby bekommt, 

das wird ein Jäckchen und eine Mütze.“

Oma Emma deutete auf die Wolle, die auf der Kommode lag, 

„ und daraus stricke ich eine Decke. Aber nun erzähle mal, 

wie war es denn heute im Kindergarten? Und welche 

Geschichte möchtest du heute hören?“

Lena grinste und begann zu singen „ Oh du lieber Augstin ...“ 

Die Oma stimmte mit ein und dann lachten beide.

Dieses Lied haben wir heute im Kindergarten gesungen und 

Toby hat dazu Grimassen geschnitten und ist herum gehüpft. 

Fräulein Erika schimpfte und sagte er soll nicht so  

übertreiben.

Toby erklärte, dass er im Zirkus einen dummen Augustin 

gesehen hat und der wäre die Sensation dort gewesen.“

Und du willst nun eine Geschichte vom Augustin?“

Aber nicht von einem dummen, sondern von einem lieben.“

Nachdem sich Lena ein Stück Konfekt aus der Dose 

genommen hatte, denn das gehörte auch zu ihrem täglichen 

Ritual, kuschelte sie sich auf Omas Schoß und lauschte der 

Geschichte.



Ach du lieber Augustin

 

"Oh du lieber Augustin, Augustin, Augustin", sang der kleine Wichtel Augustin. Das war sein Lieblingslied und er sang es, wo er ging und stand. Er war nicht zu überhören und alle Waldbewohner wussten stets, wo Augustin anzutreffen war.

Augustin war überhaupt ein liebenswertes Kerlchen, immer gut gelaunt, immer hilfsbereit und fröhlich.
Und da er eine schöne Stimmer hatte, hörten alle es gern. Naja, vielleicht nicht alle.
Eulalia, die Eule, die in der Nähe des Wichteldorfes in einer Baumhöhle hauste, brummte manchmal ärgerlich, wenn sie nicht einschlafen konnte, Aber das ist nun mal so, wenn man Nachtschicht hat.
Augustin hatte auch eine große Schwäche, er war zu neugierig und das sollte ihm einmal zum Verhängnis werden.

Eines Tages nämlich hatte er seltsame Geräusche in einer Baumhöhle wahrgenommen. Zuerst hatte er noch überlegt, ob er nicht einfach weitergehen sollte. Doch dann hatte zum einen die Neugier, aber auch die Hilfsbereitschaft gesiegt. Es hätte ja sein können, dass da jemand in Not war.

Das hätte er mal lieber nicht getan. Als er in die Höhle kroch sah ihm eine schreckliche Gestalt mit wütendem Gesicht entgegen und schnauzte ihn an.

"Was willst du hier!"

"Dasselbe könnte ich wohl auch fragen," empörte sich Augustin, der die Gestalt sofort als einen Kobold erkannt hatte. Kobolde waren die Erzfeinde von den Wichteln und durften deren Reich nicht betreten.

"Du, du Wicht! Geh mir aus den Augen, oder ...", brüllte der Kobold.

"Oder?", fragte Augustin mutig. Er sah gar nicht ein, dass dieser Kerl ihn vertreiben wollte. Das war sein Reich und der Kobold hatte nichts hier zu suchen, aber auch gar nichts.

Das wollte er ihm auch sagen. Doch da bemerkte er wie die Augen des Kobolds sich zu Schlitzen verengten, verspürte einen Schlag und es wurde ihm schwarz vor Augen.

Als er aufwachte, lag er in einer Höhle. Ene  Maus beugte sich neugierig über ihn, verschwand aber blitzschnell, als ein Schlüssel rasselte und ein grimmig aussehender Kobold herein kam. Wortlos warf er ihm einige essbare Pilze hin, ein Brot und einen Krug mit Wasser.

He, warum habt ihr mich eingesperrt, lasst mich sofort frei.“

Der Kobold antwortet nicht und hinter ihm fiel die Tür krachend zu.

Du bist hier, weil du den Kobold, der bei euch spionierte gesehen hast. Sie wollen nämlich die Wichtel überfallen und euer Gold stehlen. Kann ich etwas von den Pilzen haben? “

Wir müssen meine Freunde warnen.“

Du kannst hier nicht raus und für mich ist der Weg zu weit. Kann ich ein Stück von deinem Brot haben?“

Augustin nickte, denn er hatte keinen Hunger.

Traurig begann er zu singen:

Oh du lieber Augustin, wo soll ich nur hin, bin hier gefangen, warte voll bangen, Kobolde wollen überfallen, meine Freunde alle. Oh du lieber Augustin, Augustin.“

Immer wieder wiederholte er dieses Lied und es drang hinüber in den Wald und die Tiere lauschten, doch niemand wusste was es bedeuten sollte.

Die Wichtel hatten Augustin schon längst vermisst und suchten ihn überall. Auf einmal hörten sie ihn singen. Sie liefen in den Wald, der Stimme nach, konnten ihn nirgend entdecken.

Fips der Kleinste deutete auf einen Baum. „Die Stimme kommt von dort oben.“

Doch wie sollte der kleine Wichtel so weit auf den Baum geklettert sein.

Wurzel strich über seinen Bart und sah genauer sind. „Das ist nicht Augustin, das ist eine Amsel, Amseln können Stimmen nachahmen. Aber hört, was ist das für ein Text?“

Ganz still lauschten sie und sahen sich erschrocken an. „Die Kobolde haben ihn gefangen und wollen uns überfallen.“

Sie liefen los zum Koboldreich. Auf der Hälfte des Weges kam ihnen Augustin entgegen. Mit Hilfe der Maus hatte er sich unter der Tür hindurch gegraben.

Als die Kobolde nachts kamen wurden sie von den Wichteln schon erwartet.  

Sehr lange  mussten sich  die bösen Buben verstecken, denn die schwarze Farbe, mit der die Kanonen geladen waren, ging so schnell nicht ab.


© Lore Platz

 

 

Samstag, 23. September 2023

Eine weiß - blaue Geschichte






Seit Wochen schon macht der weiß-blaue Himmel über Bayern seinem Namen alle Ehre.
Dabei haben die Farben weiß-blau eigentlich gar nichts mit dem Himmel zu tun.
Sondern mit dem Herzschild das in Weiß und Blau schräg gerautet ist. Nachdem er früher (seit 1204) den Grafen von Bogen als Wappen gedient hatte, wurde dieser Herzschild 1247 von den Wittelsbachern als Stammwappen übernommen.
Die weiß-blauen Rauten sind das bayrische Wahrzeichen schlechthin.
Besungen wird ja der weiß blaue auch in unserer Nationalhymne.
Ja wir Bayern, haben wir doch nicht nur an der Grenze groß ein Schild prangen:Freistaat Bayern“, nein wir haben auch noch eine eigene Nationalhymne.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wenn meine Verwandten aus dem Saarland kamen, wie sich meine Kusine Cilly, die sowieso eine Kichererbse war, sich immer ausschüttete vor Lachen über das Schild.

Wie aber kam es dazu, dass wir sogar eine eigene Hymne haben.
Der Lehrer Michael Öchsner (1816 – 1893 ) gründete mit dem Druckereibesitzer Franz Dotterer 1856 die „Bayrische Schulzeitung“.
1860 wurde diese verboten, da sie kritische Bemerkungen über das bayrische Schulwesen enthielt.
Unter einem Pseudonym gründete Öchsner eine zweite Zeitung „Den bayrischen Schulfreund“, dem 1867 eine Zeitung für Schüler folgte.
Außerdem verfasste er Schulbücher und gab Liederbücher mit selbst gedichteten und teilweise selbst komponierten Liedern heraus.
Am 15. Dezember 1860 wurde das Bayernlied, das Öchsner gedichtet und Max Kunz komponiert hatte zum ersten Mal öffentlich aufgeführt.















Nach Öchsners Tod 1893 geriet das Lied in Vergessenheit. Erst 1944 entdeckte Johannes Timmermann die Urnoten der Hymne in einem Archiv.
1949 übergab die US-Militärregierung in Bayern ihren Münchner Rundfunksender an die öffentlich rechtliche Anstalt Bayrischer Rundfunk.
Zum Sendeschluss wurde das Öchsner/Kunz Liede gespielt.
1952 beschließt der Bayrische Landtag einstimmig, dass dieses Lied zusammen mit der in Bonn bekannt gemachten Hymne der Bundesrepublik in Bayern gesungen wird.
1966 wurde es dann als Bayernhymne des Freistaates eingeführt.

Bayernhymne  so wie sie heute gesungen wird, die 2. und 4. Strophe wird weggelassen

Gott mit dir, du Land der Bayern,
Deutsche Erde, Vaterland!
Über deinen weiten Gauen
Ruhe seine Segenshand
Er behüte deine Fluren
Schirme deiner Städte Bau
Und er erhalte dir die Farben
Seines Himmel weiß und blau




Gott mit dir dem Bayernvolke
Dass wir uns`rer Väter wert
Fest in Eintracht und in Frieden
Bauen unser Glückes Herd
Dass mit Deutschlands Bruderstämmen
Einig uns ein jeder schau
Und den Ruhm bewähre
Unser Banner weiß und blau

Nun heute ist der Himmel mal nicht weiß -blau, sondern bleigrau und regnerisch.
Aber das ist gut so, denn die Natur braucht dringend das kostbare Nass.
Nun wünsche ich euch einen schönen gmütlichen Sonntag.


Nach zwei Jahren gibt es endlich wieder das Oktoberfest in München und ich habe mir am Sonntag im Fernsehnen den Einzug mit  den herrlichen Trachten und Musikern begeistert angesehen. 
Lang lang lang ist her, dass ich auf dem Oktoberfest war. 
Damals als ich noch ein Kind war, gab es vor Volksfesten auch so festliche Einzüge, auch in meinem Heimatort, und ich durfte als kleines Mädel auf so einem, geschmückten Wagen mittfahren.
Die Kleine links in dem weßién Kleid bin ich.
 

Sicher habt ihr euch auch schon gefragt, warum das Fest in München eigentlich Oktoberfest heißt wenn es doch im September ist. 
Viel Spaß beim Lesen!
 
   Oazapft is
 
Mit diesen Worten wurde vom Bürgermeister von München am Samstag mittag um zwölf das Oktoberfest eröffnet.




Habt ihr euch auch schon mal Gedanken gemacht, warum dieses Fest Oktoberfest heißt, obwohl es doch eigentlich im September beginnt.
Mich hat das interessiert und so habe ich mich mal schlau gemacht.

Am 12. Oktober 1810, 4 Jahre nach der Erhebung Bayerns zum Königreich, wurde die Hochzeit des Kronprinzen Ludwig mit der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen gefeiert. Fünf Tage dauerte das Fest und wurde ein richtiges Volksfest und zum Abschluss fand auf der vor den Toren gelegenen Wiese ein Pferderennen statt. Diese Wiese wurde zu Ehren der Prinzessin „Theresienwiese“ genannt.

Nun fanden hier jedes Jahr Pferderennen statt und gleich im ersten Jahr kam auch noch eine landwirtschaftliche Ausstellung dazu.
1818 erhielt Anton Gruber die Lizenz in seiner Bude Speisen und Bier zu verkaufen.
Auch das erste Karussell, zwei Schaukeln und ein Tontauben-Schießstand wurden aufgestellt.
Da im Oktober aber das Wetter schon sehr kalt war und oft bereits Schneestürme wüteten, stellte man den Antrag das Fest um einen Monat vorzuverlegen.
Der Stadtrat lehnte ab, da die Umgebung der „Wiesn“ noch landwirtschaftlich genutzt wurde und erst die Ernte abgewartet werden musste, bevor die Besucher über die Felder trampelten.
Erst als 1872 die Felder ringsum in Bauland umgewandelt wurden, konnte man den Beginn des Oktoberfestes auf den September verlegen.

 




ERINNERUNGEN AN 1980

Dass das Leben manchmal an einem seidenen Faden hängt musste ich am 26.9.1980 feststellen.
An diesem Tag ging um 22.20 an einem der Eingänge des Festplatzes eine Bombe hoch und tötete vier Menschen und verletzte 140 Menschen, viele mit Spätfolgen.
Unsere Firma machte an diesem Tag einen Betriebsausflug auf die Wiesn.
Ein Lehrmädchen aus unserem Betrieb, das in meiner Nähe wohnte wurde später von ihrem Freund abgeholt und bot mir an, dass ich mit ihnen fahren könnte.
Da sie nicht in unserer Abteilung arbeitete verabredeten wir uns an eben diesem Eingang.
Während wir dem jungen Mann durch einige Seitengassen zu seinem Auto folgten, hörten wir schon die Sirenen.

München ist eine Großstadt und wir dachten uns nichts dabei.
Auch hatte der junge Mann in seinem alten VW keinen Autoradio und so fuhren wir unbeschwert die fast 70 Kilometer nach Hause.
Als ich die Wohnungstür aufschloss ,fand ich meinen Mann total verzweifelt im Wohnzimmer.
Er hatte von dem Attentat in den Nachrichten gehört und machte sich große Sorgen.
Auch meine Mutter hatte schon bei ihm angerufen, denn auch auch sie war voller Angst um mich. Damals gab es ja noch kein Handy!

Zuerst beruhigten wir meine Eltern, dann verfolgte ich die schreckliche Tragödie im Fernsehen.
Kein schöner Abschluss eines fröhlichen Abends.


(c) Lore Platz





Dienstag, 19. September 2023

Zwischenbericht

Die Krankheit hat sich zurückgezogen, aber ich muss wieder neue Kräfte sammeln, habt bitte Geduld mit mir.

Zum Trost eine alte Geschichte.



 

Als Opa die Oma freite



Der alte Mann sitzt auf der Bank vor dem Haus und reibt sich über sein schmerzendes Bein.

Seit seinem Beinbruch vor einigen Jahren taten ihm die Knochen weh und besonders vor jedem Wetterumschwung.

Er wirft einen nachdenklichen Blick auf den strahlend blauen Himmel.

Eigentlich sah es gar nicht nach Regen aus, doch sein Bein irrte sich nie.

Sein kleiner Enkel Tim stapft über die Wiese auf ihn zu, bleibt mit den Händen in den Hosentaschen vor ihm stehen und betrachtet ihn ernsthaft.

Dann stürzt er plötzlich nach vorne, umklammert das Knie des alten Mannes und presst sein Ohr ganz fest auf dessen Oberschenkel. 

Enttäuscht richtet er sich wieder auf und meint:

Sie reden ja gar nicht!“

Wer soll denn reden?“

Deine Knochen! Papa hat gerade zu Mama gesagt, sie braucht die Wäsche gar nicht aufzuhängen, denn es wird sowieso bald regnen, denn deine Knochen hätten dir das erzählt.“

Der alte Mann lacht herzlich und hebt den kleinen Dreikäsehoch auf den Schoß.

Tim meine Knochen können nicht sprechen, sie tun nur sehr weh und besonders wenn das Wetter sich ändert.“

Der Junge überlegt einen Moment, dann nickt er.

Oma hat gerade Kekse gebacken, aber sie haben mich weg geschickt,“ meint er dann übergangslos.

Warum denn das?“

Ach Frau Baumann von gegenüber ist mit ihrer Tochter gekommen und nun heulen die Beiden. Glaubst du, dass sie alle Kekse aufessen.“

Aber nein, die Oma hebt dir bestimmt welche auf.“

Willst du wissen warum die Frau Baumann und Rosemarie geweint haben?“

Der Opa sieht den Jungen streng an.

Hast du wieder gelauscht?“

Tim wird ein wenig rot und murmelt:

Nur ein kleines bisschen. Die Rosemarie bekommt ein Baby!“

Der alte Mann runzelt die Stirn.

Das Nachbarmädchen war erst sechzehn und ging noch auf die Schule.

0pa? Man bekommt doch erst ein Baby, wenn man geheiratet hat, aber Rosemarie hat doch gar keinen Mann.“

Der Opa hustet, dann blickt er in das Gesicht des kleinen Jungen, das vertrauensvoll zu ihm aufschaut.

Ich habe dir doch erzählt, dass oben im Himmel in einem großen Saal viele, viele Seelen wohnen. Und diese Seelen warten darauf, dass sie endlich auf die Erde dürfen und wenn nun eine Seele sich seine Eltern ausgesucht hat, dann wird das Tor geöffnet, damit sie zu seinen neuen Eltern fliegen kann.

Manche Seelen aber sind viel zu ungeduldig und schlüpfen mit hinaus, ohne zu warten bis ihre Eltern verheiratet sind.“

Nicht wahr, ich war eine geduldige Seele und habe gewartet.“

Tim strahlt seinen Großvater an.

Dieser schmunzelt und fragt dann, um den Jungen abzulenken.

Soll ich dir eine Geschichte erzählen?“

Ja, aber eine echte!“

Was ist denn eine echte Geschichte?“

Kein Märchen oder eine erfundene Geschichte, sondern eine Geschichte, die du selbst erlebt hast.“

Dann will ich dir erzählen, wie ich deine Oma kennen gelernt habe.“

Der kleine Junge kuschelt sich an den Großvater und dieser beginnt zu erzählen:

"Als ich noch Student war habe ich in den Semesterferien mit meinen Freunden Richard und Bernhard eine mehrtägige Radtour durch unsere schöne Heimat gemacht.

Wenn es regnete haben wir in einer Jugendherberge und bei schönem Wetter im Freien übernachtet.

Eines Abends, es war schon dunkel, schoben wir unsere Räder durch ein kleines Waldstück.

Ein Bauer hatte uns erklärt, dass dahinter ein schöner See sei, an dem wir übernachten konnten.

Als wir die Lichtung erreichten sahen wir das Wasser vor uns liegen und der Mond spiegelt sich darin und tauchte alles in ein gespenstisches Licht.

Aus dem Wasser stieg eine Nixe und schüttelte ihr langes nasses Haar, so jedenfalls kam sie mir vor.

Sie griff nach einem Handtuch und ich erwachte aus meiner Verzauberung.

Bernhard und Richard waren schon weitergegangen und ich hörte sie reden und lachen.

Da erst bemerkte ich den bunt angemalten Bus und die zwei Zelte und das hell lodernde Lagerfeuer.

Vier Jungen und drei Mädchen saßen daran und auch meine Freunde hatten sich dazu gesellt.

Ich trat zu ihnen und nun stellten sie sich vor. Sie waren mir sofort alle sympathisch.

Genau wie wir waren sie Studenten, die in den Ferien mit dem Bus durch die Gegend fuhren und mal hier und mal da hielten.

Aus dem Zelt trat meine schöne Nixe. Sie trug nun ein Kleid und ihre Haare waren noch feucht.

Als sie mir als Marianne vorgestellt wurde, stammelte ich nur dummes Zeug und schämte mich dafür.

Ich war doch sonst nicht auf den Mund gefallen.

Sie aber lächelte mich liebreizend an und setzte sich dann neben einen großen dunkelhaarigen Jungen.

Traurig dachte ich, dass sie schon vergeben sei und wie jubelte mein Herz, als ich nach einiger Zeit mitbekam, dass es ihr Bruder war.

Den ganzen Abend konnte ich kaum den Blick von ihr wenden und wenn sie lachte, hüpfte mein Herz vor Freude.

Sie hatte ein so fröhliches herzliches Lachen.

Wir feierten bis spät in die Nacht mit unseren neuen Freunden, sangen zur Gitarre, brieten uns Würste, die wir an einem langen Stecken ins Feuer hielten und ließen die Rotweinflasche kreisen.

Kein Wunder, dass ich tief, fest und lange schlief. Als ich am nächsten Morgen erwachte, waren die Zelte abgebaut und der Bus verschwunden.

Aufgeregt weckte ich meine leise schnarchenden Freunde.

Sie sind weg, wo sind sie hin!“ 

Wer, was, brüll` doch nicht so!“ Richard rieb sich verschlafen die Augen und auch Bernhard streckte seinen Kopf aus dem Schlafsack.

Unsere neuen Freunde!“ schrie ich panisch.

Die haben doch gestern Abend gesagt, dass sie heute ganz früh bereits wieder losfahren. Aber das hast du ja nicht mitbekommen, warst viel zu beschäftigt die schöne Marianne anzuhimmeln.“

Ich wurde etwas rot und rollte meinen Schlafsack zusammen. 

Was war ich doch selten dämlich, hatte mich in ein Mädchen verliebt von dem ich nur den Vornamen kannte.“

Tim hebt den Kopf:

Aber du hast sie dann wiedergefunden, sonst wäre sie ja nicht meine Oma geworden.“

Der alte Mann nickt und streicht dem Jungen über die Haare.

Ja, aber fast zwei Jahre später. Wir steckten mitten im Examen und um uns etwas abzulenken, beschlossen wir die neue Eisbahn auszuprobieren.

Richard hatte sich inzwischen ein Auto angeschafft und wir drei quetschen uns in das kleine Fahrzeug und fuhren in die 15 Kilometer entfernte Stadt.

Ich war noch nie auf der Eisbahn gewesen und staunte. 

In den vier Ecken standen große Strahler und beleuchteten die vielen Menschen die sich auf dem Eis tummelten und nach der Musik aus den Lautsprechern mehr oder weniger elegant tanzten.

Der Duft nach Bratwürsten und Glühwein erfüllt die Luft.

Wir setzten uns an den Rand, um unsere Schlittschuhe zu binden.

Ich fädelte gerade die Schnur durch die Öse, da hörte ich ein fröhliches herzliches Lachen.

Es traf mich wie ein elektrischer Schlag.

Dieses Lachen kannte ich, Marianne!

Fieberhaft ließ ich meinen Blick über die Schlittschuhläufer gleiten und dann entdeckte ich sie.

Eine kecke rote Strickmütze auf den goldblonden Locken tanzte sie übermütig mit einem kleinen Mädchen.

Ihre kleine Schwester wie ich später erfuhr.

Ich sprang auf und sauste los.

Meine Freunde riefen mir nach, denn sie wollte mich auf meine nachschleifenden Schnürsenkel aufmerksam machen.

In der Eile hatte ich vergessen meine Schlittschuhe fertig zu binden.

Aber ich hörte sie nicht.

Meinen Gedanken waren nur bei dem Mädchen, dass ich

nie vergessen konnte.

In Windeseile sauste ich über das Eis auf Marianne zu.

Da ging ein Ruck durch meinen Körper.

Die losen Bänder hatten sich in den Kufen verfangen.

Ich hob beide Arme, um die Balance zu halten und fiel auf meinen Allerwertesten.

Durch die Schnelligkeit schlitterte ich noch einige Meter auf dem Eis dahin, direkt auf das erschrockene Mädchen zu.

Da lag ich nun, mit schmerzende Po und rot wie eine Tomate vor Verlegenheit.

Marianne war erschrocken zur Seite gesprungen und sah mich nun an.

Sie erkannte mich, wurde etwas rot, strahlte mich an und begann herzlich zu Lachen.

Seit diesem Moment habe ich meine Marianne nicht mehr aus den Augen verloren und nun sind wir mehr als vierzig Jahre verheiratet.“

Tim grinst:

Das war eine schöne echte Geschichte und Oma Marianne

lacht immer noch so schön, dass man einfach mitlachen muss.“

Das stimmt mein Junge, aber sieh mal nach oben. Meine Knochen haben sich nicht geirrt. Es wird bald regnen.“

Tim kichert, denn ein dicker Regentropfen platscht auf seine Nase.

Hand in Hand laufen sie auf das Haus zu und erreichen es gerade noch bevor der Regen niederprasselt.



© Lore Platz



Anmerkung:

Solche sprechenden Knochen habe ich auch und am lautesten protestieren sie, wenn das Wetter umschlägt.

Das ist wohl ein Privileg des Alters, auf das ich aber gerne verzichten würde.



 





Freitag, 15. September 2023

Botschaft aus dem Jenseits


Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.

Hamlet, 1. Akt, 5. Szene, Hamlet, William Shakespeare

Das lasse ich mal so stehen und wünsche euch viel Spaß beim Lesen!



 
(c) Peter S.


Botschaft aus dem Jenseits



Der junge Lehrer Richard Klausner verließ die Dorfschule und sah den Kindern nach, die lärmend den Schulhof verließen.
Endlich Sommerferien!
Die letzten Tage war die Rasselbande kaum noch zu bändigen gewesen.
Vergnügt pfeifend lenkte er seine Schritte zu dem schmucken kleinen Häuschen, in dem er mit seinen Eltern wohnte.
Sein Vater saß im Garten und las die Zeitung.
Richard setzte sich neben ihn und streckte die Füße weit von sich.
Michael Klausner grinste.
Bist froh, dass Ferien sind.“
Er war selbst Lehrer gewesen und wusste wie anstrengend die Kinder die letzten Tage vor den Ferien waren.
Richard nickte nur und sah nachdenklich hinauf in den Himmel und seine Gedanken schweiften in die Vergangenheit.
Er war hier aufgewachsen und wollte auch nirgendwo anders sein. Eine schöne unbeschwerte Kindheit hatte er gehabt und mit seinem besten Freund Dominik so manchen Streich ausgeheckt.
Dominik, der Sohn des reichsten Bauern, dem Wiesenhofer,
war ein fröhlicher, etwas wilder und leichtsinniger Bursche, aber grundehrlich und treu.
 
(c) meine Tochter

Außerdem ein leidenschaftlicher Kletterer, gar viele Bergtouren hatten sie zusammen gemacht und manche
steile Wand sind sie hinauf gekraxelt. Und auf dem Gipfel angekommen hatte Dominik dann immer einen Jodler ins Tal geschickt.
Er war so übermütig und voller Lebensfreude.
Und dann vor vier Jahren war er in den französischen Alpen abgestürzt.


Hallo Junge träumst du?“ riss ihn die Stimme des Vaters aus seinen Gedanken.
Richard lächelte.
Ich habe gerade gedacht, wie schön wir es hier doch haben.“
Ja, hoffentlich noch lange, in B. haben sie schon wieder ein neues großes Einkaufszentrum hingestellt, verschandelt doch die ganze Landschaft!“ polterte sein Vater.
Eine Fahrradklingel ertönte und Gustl der Postbote betrat den Garten.
Ihr habt es vielleicht schön, sitzt faul im Garten, während unsereins sich abstrampeln muss. Ja, ja, Lehrer müsste man sein, immer nur Ferien.“
Michael lachte.
Geh, Gustl, du hast doch einen schönen Beruf, den ganzen Tag an der frischen Luft und nicht zu vergessen, die vielen selbst-gebrannten die du unterwegs angeboten bekommst.“
Gustls Augen leuchteten auf.
Hast a Stammperl da?“
Nix gibt’s, das wäre ja noch schöner, am Vormittag schon schnapseln, das schlag dir besser aus dem Kopf, nachher fällst noch in den Graben!“ tönte die Stimme von Waltraud Klausner durch das offene Küchenfenster.
Die drei Männer grinsten.
Bei der Waltraud hast wohl keine Chance,“ lachte Michael.
Gustl grinste, „ja meinen Schnaps kann ich wohl vergessen.
Er holte einige Briefe und Zeitschriften aus seiner Tasche und legte sie auf den Tisch.
Dann tippte er an seine Mütze und verließ pfeifend den Garten.
Während sein Vater sich in eine Fachzeitschrift über das Angeln vertiefte, sah Richard die Briefe durch.
Ein großes Kuvert mit einem französischen Absender erregte seine Aufmerksamkeit.


 
(c) C.P.

Er öffnete es und las die wenigen in französisch geschriebenen Zeilen.
Ein Monsieur Armand teilte ihm mit, dass er beim Renovieren seines Hotels hinter einer Kommode einen an ihn adressierten Brief gefunden hätte.
Richard griff noch einmal in den Umschlag und holte einen Brief hervor.
Er wurde blass als er die steile Handschrift seines Freundes Dominik erkannte und begann zu lesen.





Lieber Richard
 
Gleich kommen die Kameraden und es geht in die Wand.
Ich weiß nicht warum ich dir schreibe, aber ich habe so eine Unruhe in mir.
Es ist herrlich hier, fast wie daheim und die Berge eine echte Herausforderung, ich freue mich schon auf die Tour.
Aber es wird die letzte sein, denn wenn ich zurückkomme werde ich heiraten.
Und ich hab's dem Hannerl versprochen nicht mehr zu klettern. Ja das Hannerl und ich sind ein Liebespaar, hab sie ja schon gern ghabt wie mir noch in der Schule waren, wie du weißt.
Wird noch ein wenig Ärger geben mit dem Vater, weil sie arm ist, aber am Ende wird er nachgeben.
Richard, du warst und bist mein bester Freund und deshalb will ich dir jetzt etwas anvertrauen.


Das Hannerl ist schwanger! Ja ich werde Vater! Auch deshalb will ich keine gefährlichen Bergtouren mehr machen, denn ich habe ja nun Verantwortung.
Ich freue mich schon ganz narrisch!
Richard, nun bitte ich dich, sollte mir etwas passieren so kümmere dich um das Hannerl und das Kind und auch dass der Vater und die Mutter sie aufnehmen.
Ach was sind denn das für Grillen heute!
Mir passiert bestimmt nichts, bin doch einer der besten Kletterer.
Ich hör schon die Kameraden die Treppe runter poltern, ich muss jetzt los.
Pfüat di alter Freund, bis bald.

Dominik


Richard ließ den Brief sinken.
Michael hob den Kopf von seiner Zeitschrift.
Bub, was ist denn los, du bist ja ganz blass?“
Stumm reichte ihm Richard den Brief.
Deshalb hat das Hannerl den Dienst aufgekündigt und ist verschwunden. Armes Dirndl, wo sie wohl hin ist, hat doch niemand auf der Welt.“
Auf jeden Fall muss ich sie suchen, das bin ich dem Dominik schuldig.“
Während des Mittagessens überlegten sie wo er am besten mit seinen Nachforschungen beginnen sollte.
Es war die Mutter, die auf die Idee kam, beim Pfarrer nachzufragen, vielleicht hatte Hannerl sich ihm ja anvertraut.
 
 
(c) meine Tochter

Richard ging nach dem Essen hinüber zum Pfarrhof.
Er klopfte an die Tür der Schreibstube.
Grüß Gott Herr Pfarrer, ich hoffe ich störe nicht.“
Komm nur rein Richard, ich versuche grad' meine Predigt für den Sonntag zu schreiben, aber mir will einfach nix einfallen. Setz' dich doch!“

Er deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.
Fragend sah ihn Pfarrer Gietl an, dann hellte sich sein Gesicht auf.
Du willst das Aufgebot für die Bärbel und dich bestellen!“
Lächelnd schüttelte Richard den Kopf.
Das hat noch Zeit, wir wollen erst den oberen Stock bei meinen Eltern ausbauen, im Herbst fangen wir an.
Es geht um die Holler Hannerl, vielleicht wisst ihr wo sie heute lebt.“
Warum willst das wissen?“
Richard reichte ihm den Brief vom Dominik und erklärte, warum er ihn erst heute bekommen hatte.
Still ist es in der Stube und nur das gleichmäßige Ticken der alten Standuhr war zu hören.
Pfarrer Gietl hob den Kopf, seine Augen strahlten.
Und da gibt's doch tatsächlich Leut', die behaupten, es gibt keinen Herrgott. Der Brief ist direkt aus dem Himmel gekommen.
Du hast Recht, das Hannerl hat sich mir anvertraut. 
Ich hab ihr geraten, zum Wiesenhofer zu gehen, aber sie hat sich net getraut. 
Deshalb hab ich sie zu einem Heim für ledige Mütter geschickt. 
Die haben ihr dann weiter geholfen. 
A Bub is und heißt Dominik wie sein Vater. 
Hannerl hat dann eine kleine Wohnung und Arbeit in der Fabrik gefunden, die aber leider vor kurzem Konkurs gemacht hat und das Arbeitslosengeld reicht kaum zum Leben. 
Ich hab dem Hannerl vorgeschlagen zu mir zu kommen. 
Sie kann der Theres zur Hand gehen, die auch nimmer die Jüngste ist. 
Aber sie hat net gwollt, fürchtet halt das G'red der Leut, besonders da der Bub dem Dominik wie aus dem Gesicht g'schnitten is.“
Er strich den Briefbogen glatt.
Sixt der Brief kommt gerade zur rechten Zeit. Hier bekennt sich der Dominik zum Hannerl und seinem Kind und außerdem enthält er noch ein schriftliches Heiratsversprechen.
I geb dir jetzt die Adress vom Hannerl, fahr morgen in die Stadt und hol die beiden heim.
Und i red' nachher no mit dem Wiesenhofer und seiner Frau.“
Er reichte Richard den Zettel und dieser verabschiedete sich dankend.
Versonnen sah der Pfarrer ihm nach, dann kam ihm blitzartig eine Idee.
Er kramte in der Schreibtischschublade und holte ein Foto heraus.
Es zeigte einen dreijährigen Jungen, der verschmitzt in die Kamera blickte. 
Es war Dominik, der seinem Vater sehr ähnlich sah. Hannerl hatte das Bild vor einigen Wochen an ihn geschickt. Das Foto wollte er zu seiner Unterredung mit den Wiesenhofers mitnehmen.
Richard aber wurde von seinen Eltern schon erwartet und berichtete ihnen, was er erfahren hatte.
Sie saßen gerade beim Abendessen, als es klopfte und der Wiesenhofer eintrat.
Grüß dich, Sepp,“ sagte Michael ,“ setz dich, magst mit essen?“
Der alte Bauer schüttelte nur den Kopf und ließ sich schwerfällig auf den angebotenen Stuhl sinken.
Ernst sah er Richard an.
Du hast einen Brief vom Dominik bekommen?“
Richard holte das Schreiben aus seiner Brieftasche und reichte es über den Tisch dem Vater seines Freundes.
Nachdem dieser den Brief gelesen hatte, fragte er mit Tränen in den Augen.
Darf ich ihn behalten?“
Als Richard nickte, faltete der alte Mann das Papier sorgfältig zusammen und steckte es in seine Joppentasche.
Der Herr Pfarrer hat gesagt, dass du morgen in die Stadt fährst um das Hannerl und den Buben zu holen. 
Sag dem Madl, dass sie herzlich willkommen sind und bei uns eine Heimat haben, so wie es der Dominik gewollt hätte.“
Er stand auf und wandte sich zum gehen, dann drehte er sich noch einmal um und meinte schmunzelnd.
Die Erna ist ganz narrisch vor Freud und stellt das ganze Haus auf den Kopf um Zimmer für die beiden herzurichten.“
 
Gleich nach dem Frühstück am nächsten Tag fuhr Richard in die Stadt.
Als er später die beiden dann bei Josef und Erna Wiesenhofer ablieferte, da war die Freude groß.
Erna schloss das Hannerl liebevoll in die Arme und der kleine Dominik eroberte die Herzen seiner Großeltern im Nu.
 
Richard aber stahl sich leise davon und ging zum Friedhof.
Vor dem Grab seines Freundes blieb er stehen.
Bist du zufrieden mit mir, Dominik? Das Hannerl und dein Sohn sind jetzt da, wo sie hingehören.“


© Lore Platz