Sonntag, 30. Januar 2022

Der Anruf

Anruf, Plan, nachdenklich, traurig, glücklich

 

 Ich liebe Kinder und habe mir immer eine große Familie gewünscht und war sehr traurig, als nach der schweren Geburt meiner Tochter der Arzt mir vor weiteren Kindern abgeraten hat. Einige Jahre später fand ich dann in der Zeitung eine Anzeige: "Tagesmutter gesucht" und das war der Anfang einer zwanzigjährigen Tätigkeit als Tages und Pflegemutter. Ich weiß nicht, ob dies meine Tochter zu dem Entschluss Erzieherin zu werden beeinflusst hat. Unser schwarzer Pudel war mir eine große Hilfe und wurde von den Kindern heiß geliebt.



Der Anruf

"Kuckuck, Kuckuck", dann Stille. Lachend wendet Mareile sich an ihren Mann. "Er hat 22 mal gerufen, also leben wir noch so lange." " Ich hoffe noch länger ," brummt Richard und schüttelt den Kopf über den Aberglauben, seiner Frau.

Mareile lacht. "Du alter Brummbär!", sagt sie mit liebevoller Stimme. Sie liebt ja ihren Richard, wie schön wäre es aber, wenn er ein wenig von ihrer Fröhlichkeit hätte. Das Leben war doch so schön! 

Wie heißt es doch  : " Humor ist der Schwimmgürtel des Lebens." und  sie hat viel Humor, das reicht auch für zwei. Sie beugt sich hinunter und küßt ihren Mann mitten auf den Mund. " Nanu für was war das denn?"

"Das war ein Gute-Laune-Kuss für dich!" Mareile kichert und Richard deutet auf seinen Mund. "Schnell noch einen!", sagt er. "Es hilft schon!"

Später als Mareile im Garten die Bohnen pflückt, lächelt sie noch immer. Sie war sehr glücklich mit ihrem Brummbär, doch dann fliegt doch ein trauriger Schatten über ihr Gesicht. Das einzige was ihnen das Schicksal verwehrt hatte waren Kinder. Nach einer Fehlgeburt konnte sie keine Kinder mehr bekommen. 

Das Telefon klingelt und reißt sie aus ihren Gedanken. Sie eilt ins Haus und nimmt den Hörer ab. Sie schmunzelt, als sie die Stimme ihrer Freundin Uschi erkennt.

 "Mareile, gestern ist ein schrecklicher Unfall passiert und ein Ehepaar wurde schwer verletzt. Sie sind außer Lebensgefahr, müssen aber sehr lange im Krankenhaus und anschließend auf Reha bleiben. Sie haben vierjährige Zwillinge, die zum Glück im Kindergarten waren, als das Unglück geschah. Der Junge heißt Alexander und das Mädchen Annabell. Beide sind jetzt bei einer Nachbarin, die sich frei genommen hat, aber natürlich kann sie die Kinder nicht behalten. Nun hat das Jugendamt sich an die Nachbarschaftshilfe gewandt, ob wir nicht eine Pflegefamilie wüssten, die die Kinder für einige Monate aufnehmen könnte. Da habe ich an euch gedacht." 

Uschi macht eine Pause und sagt dann leise. " Aber vielleicht ist es zuviel für dich und es rührt alte Wunden auf." " Unsinn, ich  habe es überwunden und den Kleinen muss doch geholfen werden." "Gut, dann sage ich dem Jugendamt Bescheid und sie setzen sich dann mit dir in Verbindung." Nachdenklich legt Mareile den Hörer auf und eilt zu ihrem Mann.

Am nächsten Tag meldet sich die Dame vom Jugendamt und sie machen einen Termin für den Nachmittag aus, damit auch Richard bei dem Gespräch dabei sein kann, denn die Dame will sich von dem Ehepaar ein Bild machen. 

Bereits am nächsten Tag nach dem Kindergarten werden die Kinder kommen. 

Mareile läuft immer wieder aufgeregt hinauf in das Zimmer, das sie für die Zwillinge liebevoll vorbereitet hat. Richard, der sich extra frei genommen hat, schüttelt den Kopf. Liebevoll legt er seiner Frau die Hände auf die Schultern, führt sie zu dem Sessel und drückt sie sanft nach unten. 

"Nun beruhige dich, wenn du nervös bist hilfst du den Kindern nicht. Sie müssen sich doch erst mal an uns gewöhnen. Bedenke doch was die armen Würmchen die letzte Zeit mitmachen mussten. Ihre Eltern liegen auf der Intensivstation und sie konnten sie bisher nicht besuchen, dann kommen sie zur Nachbarin und nun zu wildfremden Menschen. Wir werden viel Geduld haben müssen. Übrigens ich habe zwei Wochen Urlaub genommen, um dir bei Eingewöhnungszeit zu helfen." Mareille springt auf und fällt ihrem Mann um den Hals. 

Dann stehen die Kinder vor ihnen. Schüchtern und mit angstvollen Augen blicken sie die beiden ihnen fremden Menschen an. Fest halten sich sie sich an den Händen, als wollten sie sich gegenseitig Mut machen. 

Mareile geht in die Hocke, "Ich weiß es ist nicht einfach . Ich bin Tante Mareile und das ist Onkel Richard und wir würden gerne für euch da sein. Wollt ihr das ?" 

Alex presst trotzig die Lippen zusammen und sieht zu Boden, doch Annabell blickt in die lieben freundlichen Augen der fremden Frau und wirft sich  ihr weinend in die Arme. Tröstend streichelt  Mareile über das Haar der Kleinen und wiegt sie in den Armen, dann flüstert sie. 

"Im Schuppen wartet eine große Überraschung auf euch, willst du mit deinem Bruder und Onkel Richard mal nachsehen?" 

Das Mädchen zappelt in ihren Armen und will auf den Boden. dann nimmt sie Richards Hand und fragt: " Willst du uns die Überraschung zeigen?" Dieser nickt und streckt auch Alexander die Hand entgegen, doch der verschränkt seine Hände hinter dem Rücken, folgt aber doch dann neugierig. 

Die Frau vom Jugendamt lacht und will wissen was denn das für eine Überraschung sei. Mareile erklärt ihr, dass der Hund ihres Bruders Junge bekommen hat und gestern Richard zwei Welpen geholt hat, denn sie hoffen, dass den Kindern die Eingewöhnung so leichter fällt. Die Frau vom Jungendamt lächelt. 

"Ich sehe schon, die Kinder werden es gut bei ihnen haben, wenden sie sich an mich, wenn es Schwierigkeiten gibt. Ich werde mich auch erkundigen, wann das Ehepaar aus der Intensivstation verlegt wird und sie mit den Kindern diese besuchen können." 

 


Bald nachdem die Dame gegangen ist, stürzen die Kinder plappernd und fröhlich lachend in die Küche. Jedes von ihnen trägt einen kleinen schwarzen Pudelwlepen auf dem Arm. Mareile und Richard wechseln einen Blick. Der Anfang ist gemacht. 

Langsam pendelt sich der Alltag ein, obwohl Mareile oft nachts aufstehen muss, weil Annabell im Schlaf weint. Liebevoll nimmt sie die Kleine  in die Arme und flüsterte ihr tröstende Worte zu, auch Alex, der wach geworden ist, schmiegt sich an sie. 

Dann ist es endlich soweit, die Kinder dürfen ihre Eltern besuchen. 

Eingeschüchtert betreten sie das Krankenzimmer in dem ihre Eltern in zwei Betten mit weißen Verbänden um den Kopf liegen. Doch als beide ihre Arme austreckten stürzen sie auf sie zu. Mareile betrachtet gerührt das Wiedersehen.

Von da an besuchen sie jeden Tag ihre Eltern und erzählen ihnen begeistert von den kleinen Welpen und was sie alles erleben. Als die Eltern dann auf Reha sind, fahren Mareile und Richard mit den Kindern in den Kurort . 

Dann kommt die Stunde des Abschieds. Beiden Seiten fällt es schwer, doch sie versprechen sich in Verbindung zu bleiben. 

Mareile schmiegt sich an ihren Mann. "Nun wird es wieder still sein,"seufzt sie, denn die Kinder haben die Welpen mitgenommen. Richard gibt ihr einen Kuss auf die Nase und drückt sie auf das Sofa und setzt sich neben. "Ich haben einen Plan. Was meinst du wenn wir uns beim Jugendamt als Kurzzeitpflegeltern eintragen lassen. Nur wenn du willlsst, denn die meiste Arbeit wirst ja du haben." 

Mareile mimmt ihren Mann und gibt ihm, einen dicken Kuss! 

(c) Lore Platz

Sicher wollt ihr wissen was Regina und Martina zu den Wörtern eingefallen. Ich bin auch gespannt.





 



 

Mittwoch, 19. Januar 2022

Mache eine Pause

 Im Moment ändert sich privat in meinem Leben einiges und ich muss mich und meinen Alltag  neu sortieren, also mache ich einige Zeit Pause bis zum 30.1.22. Denn dann komme ich wieder mit einer neuen Reizwortgeschichte.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich für euren Besuch und eure Treue bedanken.

Und denkt daran nach jedem Tief kommt auch wieder ein Hoch.

 


Wir liegen alle in der Gosse, doch einige von uns sehen hinauf zu den Sternen. 

Oscar Wild 

(1854  -  1900)

Mittwoch, 12. Januar 2022

Hilfe bringt die Feuerwehr - Erinnerungsgeschichte

Als ich unlängst in meiner Fotokiste kramte, fiel mir ein Bild von einer Gruppe Schäffler aus dem Jahre 1949, übrigens meinem Geburtsjahr, in die Hände.
Ob mein Vater deshalb diese Gruppe aufgenommen hat?
Der Legende nach wurde der erste Tanz der Schäffler in München im Jahre 1517 während einer Pestepidemie aufgeführt, als sich die Menschen nicht mehr auf die Straße wagten.
Doch erstmals nachgewiesen ist der Schäfflertanz im Jahre 1702.
Die Legende dürfte im 19. Jahrhundert entstanden sein.
Denn ob 1517 in München wirklich eine Pestepidemie war, kann nicht nachgewiesen werden.
In den Sterberegistern dieser Zeit standen keine auffälligen Todesraten.
Die Tanzfiguren der Schäffler bestehen neben den Tänzern, aus dem Vortänzer, dem Fass -Schlager
( Sie schlagen mit dem Hammer auf die Fässer) und den Reifenschwinger, die einen Holzreifen in dem auf einer kleiner Vertiefung ein volles Weinglas (oder Schnapsglas) steht schwingen, ohne einen Tropfen zu verschütten.
Vergessen darf man auch natürlich den Kasperl nicht, der mit Gstanzl (gesungene Reime) die Leute derblekkt (verspottet)

Das Dreimädelhaus
Einmal war sogar meine große Schwester Karin Ziel ihres gutmütigen Spottes.
Meine Schwester arbeitete im Sommer nebenbei in einem Biergarten als Kellnerin.
Eines nachts, nachdem sie noch abgerechnet hatte setzte sie sich ins Auto und fuhr die etwa 15 Kilometer nach Hause.
Ich kann mich noch erinnern, es war eine hellblauer Opel mit weißem Dach und gehörte meinem Vater.
Zu Hause angekommen stellte meine Schwester fest, dass sie die Schlüssel liegen gelassen hatte.
Wie nun ins Haus kommen, ohne alle rebellisch zu machen.
Sie sammelte einige Kieselsteine und bombardierte mein Fenster.

 
 Aber ich schlief natürlich so tief wie ein Bär im Winter und hörte nichts.
Es war zwar Sommer, aber im Auto schlafen wollte meine Schwester nun doch nicht, auch zurückfahren hatte keinen Sinn.
Denn auch in dem Gasthof würden alle jetzt friedlich schlafen.
Sie schaute sich um, als ein herzhaftes Lachen hinter ihr ertönte.
Über den Dorfplatz kamen zwei Floriansjünger geschlendert, die ihre Bemühungen schon eine Zeitlang feixend beobachtet hatten.
Karin schilderte kurz ihre blöde Situation.
Dann wollte sie wissen, was die beiden zu so später Stunde noch hier machten.
Die beiden jungen Männer deuteten hinüber zum Sparkassenplatz wo ein wunderschöner Altar aufgebaut worden war und drei weitere Floriansjünger eifrig winkten.
Morgen war nämlich Primiz und die jungen Burschen mussten den Altar bewachen.
Karin schlenderte mit ihnen hinüber und mit großem Hallo wurden sie begrüßt.
Für die Feuerwehrmänner war dies eine willkommene Abwechslung in der langweiligen Nachtwache.
Karin wurde eine Leberkässemmel in die Hand gedrückt und auch aus der kreisenden Bierflasche durfte sie einen Schluck nehmen.
Als die Kirchturmuhr aber dreimal schlug, bekam meine Schwester doch einen Schrecken.
Nun wurde beratschlagt, wie man dem Mädchen helfen konnte und dann kam einer auf die glorreiche Idee das Feuerwehrauto zu holen und Karin sollte dann über die ausgefahrene Leiter in das offen stehende Wohnzimmerfenster im ersten Stock klettern.
Vergnügt machten sich alle auf den Weg zum Spritzenhaus.
Für die Jungs war das eine Riesengaudi.



Unter viel Gelächter wird das große rote Feuerwehrauto geholt und vor unserer Wohnung dann die Leiter ausgefahren.
Unter den leisen anfeuernden Rufen der jungen Männer kletterte Karin hinauf.
Bevor sie im Zimmer verschwand warf sie ihren freundlichen Kavalieren noch eine Kusshand zu.
Beim nächsten Schäfflertanz wurde diese Geschichte dann als Gstanzl gesungen.
Und erst da haben meine Eltern alles erfahren.
Übrigens sind die Schäffler auch auf dem Rathaus von München zu sehen.






Montag, 10. Januar 2022

Als Opa die Oma freite








Als Opa die Oma freite

 
Der alte Mann sitzt auf der Bank vor dem Haus und reibt sich über sein schmerzendes Bein.
Seit seinem vor einigen Jahren taten ihm die Knochen weh und besonders vor jedem Wetterumschwung.
Er wirft einen nachdenklichen Blick auf den strahlend blauen Himmel.
Eigentlich sah es gar nicht nach Regen aus, doch sein Bein irrte sich nie.
Sein kleiner Enkel Tim stapft über die Wiese auf ihn zu, bleibt mit den Händen in den Hosentaschen vor ihm stehen und betrachtet ihn ernsthaft.
Dann stürzt er plötzlich nach vorne, umklammert das Knie des alten Mannes und presst sein Ohr ganz fest auf dessen Oberschenkel.
 

Enttäuscht richtet er sich wieder auf und meint:
Sie reden ja gar nicht!“
Wer soll denn reden?“
Deine Knochen! Papa hat gerade zu Mama gesagt, sie braucht die Wäsche gar nicht aufzuhängen, denn es wird sowieso bald regnen, denn deine Knochen hätten dir das erzählt.“
Der alte Mann lacht herzlich und hebt den kleinen Dreikäsehoch auf den Schoß.
Tim meine Knochen können nicht sprechen, sie tun nur sehr weh und besonders wenn das Wetter sich ändert.“
Der Junge überlegt einen Moment, dann nickt er.
Oma hat gerade Kekse gebacken, aber sie haben mich weg geschickt,“ meint er dann übergangslos.
Warum denn das?“
Ach Frau Baumann von gegenüber ist mit ihrer Tochter gekommen und nun heulen die Beiden. Glaubst du, dass sie alle Kekse aufessen.“
Aber nein, die Oma hebt dir bestimmt welche auf.“
Willst du wissen warum die Frau Baumann und Rosemarie geweint haben?“
Der Opa sieht den Jungen streng an.
Hast du wieder gelauscht?“
Tim wird ein wenig rot und murmelt:
Nur ein kleines bisschen. Die Rosemarie bekommt ein Baby!“
Der alte Mann runzelt die Stirn.
Das Nachbarmädchen war erst sechzehn und ging noch auf die Schule.
0pa? Man bekommt doch erst ein Baby, wenn man geheiratet hat, aber Rosemarie hat doch gar keinen Mann.“
Der Opa hustet, dann blickt er in das Gesicht des kleinen Jungen, das vertrauensvoll zu ihm aufschaut.
Ich habe dir doch erzählt, dass oben im Himmel in einem großen Saal viele, viele Seelen wohnen. Und diese Seelen warten darauf, dass sie endlich auf die Erde dürfen und wenn nun eine Seele sich seine Eltern ausgesucht hat, dann wird das Tor geöffnet, damit sie zu seinen neuen Eltern fliegen kann.
Manche Seelen aber sind viel zu ungeduldig und schlüpfen mit hinaus, ohne zu warten bis ihre Eltern verheiratet sind.“
Nicht wahr, ich war eine geduldige Seele und habe gewartet.“
Tim strahlt seinen Großvater an.
Dieser schmunzelt und fragt dann, um den Jungen abzulenken.
Soll ich dir eine Geschichte erzählen?“
Ja, aber eine echte!“
Was ist denn eine echte Geschichte?“
Kein Märchen oder eine erfundene Geschichte, sondern eine Geschichte, die du selbst erlebt hast.“
Dann will ich dir erzählen, wie ich deine Oma kennen gelernt habe.“
Der kleine Junge kuschelt sich an den Großvater und dieser beginnt zu erzählen:

                                                       Regina Meier zu Verl

"Als ich noch Student war habe ich in den Semesterferien mit meinen Freunden Richard und Bernhard eine mehrtägige Radtour durch unsere schöne Heimat gemacht.
Wenn es regnete haben wir in einer Jugendherberge und bei schönem Wetter im Freien übernachtet.
Eines Abends, es war schon dunkel, schoben wir unsere Räder durch ein kleines Waldstück.
Ein Bauer hatte uns erklärt, dass dahinter ein schöner See sei, an dem wir übernachten konnten.
Als wir die Lichtung erreichten sahen wir das Wasser vor uns liegen und der Mond spiegelt sich darin und tauchte alles in ein gespenstisches Licht.
Aus dem Wasser stieg eine Nixe und schüttelte ihr langes nasses Haar, so jedenfalls kam sie mir vor.
Sie griff nach einem Handtuch und ich erwachte aus meiner Verzauberung.
Bernhard und Richard waren schon weitergegangen und ich hörte sie reden und lachen.
Da erst bemerkte ich den bunt angemalten Bus und die zwei Zelte und das hell lodernde Lagerfeuer.
Vier Jungen und drei Mädchen saßen daran und auch meine Freunde hatten sich dazu gesellt.
Ich trat zu ihnen und nun stellten sie sich alle vor. Sie waren mir sofort alle sympatisch.
Genau wie wir waren sie Studenten, die in den Ferien mit dem Bus durch die Gegend fuhren und mal hier und mal da hielten.
Aus dem Zelt trat meine schöne Nixe. Sie trug nun ein Kleid und ihre Haare waren noch feucht.
Als sie mir als Marianne vorgestellt wurde, stammelte ich nur dummes Zeug und schämte mich dafür.
Ich war doch sonst nicht auf den Mund gefallen.
Sie aber lächelte mich liebreizend an und setzte sich dann neben einen großen dunkelhaarigen Jungen.
Traurig dachte ich, dass sie schon vergeben sei und wie jubelte mein Herz, als ich nach einiger Zeit mitbekam, dass es ihr Bruder war.
Den ganzen Abend konnte ich kaum den Blick von ihr wenden und wenn sie lachte, hüpfte mein Herz vor Freude.
Sie hatte ein so fröhliches herzliches Lachen.
Wir feierten bis spät in die Nacht mit unseren neuen Freunden, sangen zur Gitarre, brieten uns Würste, die wir an einem langen Stecken ins Feuer hielten und ließen die Rotweinflasche kreisen.
Kein Wunder, dass ich tief, fest und lange schlief.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, waren die Zelte abgebaut und der Bus verschwunden.
Aufgeregt weckte ich meine leise schnarchenden Freunde.
Sie sind weg, wo sind sie hin!“
Wer, was, brüll` doch nicht so!“ Richard rieb sich verschlafen die Augen und auch Bernhard streckte seinen Kopf aus dem Schlafsack.
Unsere neuen Freunde!“ schrie ich panisch.
Die haben doch gestern Abend gesagt, dass sie heute ganz früh bereits wieder losfahren. Aber das hast du ja nicht mitbekommen, warst viel zu beschäftigt die schöne Marianne anzuhimmeln.“
Ich wurde etwas rot und rollte meinen Schlafsack zusammen.
Was war ich doch selten dämlich, hatte mich in ein Mädchen verliebt von dem ich nur den Vornamen kannte.“

Tim hebt den Kopf: „Aber du hast sie dann wiedergefunden, sonst wäre sie ja nicht meine Oma geworden.“
Der alte Mann nickte und streicht dem Jungen über die Haare.

Ja, aber fast zwei Jahre später und das nur durch einen Zufall.
Wir steckten mitten im Examen und um uns etwas abzulenken, beschlossen wir die neue Eisbahn auszuprobieren.
Richard hatte sich inzwischen ein Auto angeschafft und wir drei quetschten uns in das kleine Fahrzeug und fuhren in die 15 Kilometer entfernte Stadt.
Ich war noch nie auf der Eisbahn gewesen und staunte.
In den vier Ecken standen große Strahler und beleuchteten die vielen Menschen die sich auf dem Eis tummelten und nach der Musik aus den Lautsprechern mehr oder weniger elegant tanzten.
Der Duft nach Bratwürsten und Glühwein erfüllte die Luft.
Wir setzten uns an den Rand, um unsere Schlittschuhe zu binden.
Ich fädelte gerade die Schnur durch die Öse, da hörte ich ein fröhliches herzliches Lachen.
Es traf mich wie ein elektrischer Schlag.
Dieses Lachen kannte ich, Marianne!
Fieberhaft ließ ich meinen Blick über die Schlittschuhläufer gleiten und dann entdeckte ich sie.
Eine kecke rote Strickmütze auf den goldblonden Locken tanzte sie übermütig mit einem kleinen Mädchen.
Ihre kleine Schwester wie ich später erfuhr.
Ich sprang auf und sauste los.
Meine Freunde riefen mir nach, denn sie wollten mich auf meine nachschleifenden Schnürsenkel aufmerksam machen.
In der Eile hatte ich vergessen meine Schlittschuhe fertig zu binden.
Aber ich hörte sie nicht.
Meinen Gedanken waren nur bei dem Mädchen, dass ich
nie vergessen konnte.
In Windeseile sauste ich über das Eis auf Marianne zu.
Da ging ein Ruck durch meinen Körper.
Die losen Bänder hatten sich in den Kufen verfangen.
Ich hob beide Arme, um die Balance zu halten und fiel auf meinen Allerwertesten.
Durch die Schnelligkeit schlitterte ich noch einige Meter auf dem Eis dahin, direkt auf das erschrockene Mädchen zu.
Da lag ich nun, mit schmerzende Po und rot wie eine Tomate vor Verlegenheit.
Marianne war erschrocken zur Seite gesprungen und sah mich nun an.
Sie erkannte mich, wurde etwas rot, strahlte mich an und begann herzlich zu Lachen.
Seit diesem Moment habe ich meine Marianne nicht mehr aus den Augen verloren und nun sind wir mehr als vierzig Jahre verheiratet.“
Tim grinst:
Das war eine schöne echte Geschichte und Oma Marianne lacht immer noch so schön, dass man einfach mitlachen muss.“
Das stimmt mein Junge, aber sieh mal nach oben. Meine Knochen haben sich nicht geirrt. Es wird bald regnen.“
Tim kichert, denn ein dicker Regentropfen platscht auf seine Nase.
Hand in Hand laufen sie auf das Haus zu und erreichen es gerade noch bevor der Regen niederprasselt.


© Lore Platz


Anmerkung:
Solche sprechenden Knochen habe ich auch und am lautesten protestieren sie, wenn das Wetter umschlägt.
Das ist wohl ein Privileg des Alters, auf das ich aber gerne verzichten würde.




 


Mittwoch, 5. Januar 2022

Der magische Stein







Der magische Stein

Mucksmäuschenstill ist es im Klassenzimmer, man hört nur das Quietschen der Kreide mit der Herr Hartleitner eine Gleichung an die Tafel schreibt.
Rainer versucht schnell im Kopf die Aufgabe zu lösen, denn wenn der Mathelehrer ihn nach vorn an die Tafel ruft, dann würde wieder voller Aufregung sein Hirn wie leer gefegt sein.
Mit hochrotem Kopf würde er zu stottern anfangen und die anderen würden lachen.
Wie er das hasste.
Dabei war er gut in Mathe, nur wenn er aufgerufen wurde, dann war er so aufgeregt, dass er zu stottern anfing.
Und im Sport war er erst recht eine Niete, ängstlich und feige.
Seine Mitschüler hatten schon einen Spottvers auf ihn gedichtet, den sie nach der Melodie der Vogelhochzeit sangen.

Der Rainer, der Rainer
der hat so Angst wie keiner

Nun schweift der Blick des Lehrers durch die Klasse und Rainer versucht sich ganz klein zu machen.
Zum Glück ruft er Paul auf, den coolsten und beliebtesten
Jungen der Schule, in Sport eine Ass aber in Mathe?
Rainer freut sich ein ganz klein wenig, als Paul plötzlich auch zu stottern beginnt, weil er die Gleichung nicht lösen kann.

Nach der Mathe - Stunde haben sie Sport.
Buben und Mädchen getrennt.
In der Umkleidekabine wird Rainer von Paul verspottet, weil er bestimmt wieder beim Klettern in die Hose machen würde und er schlägt ihm vor, doch bei den Mädchen zu turnen.
Und dann beginnt er noch die Melodie der Vogelhochzeit zu summen und die Jungs singen lautstark.

Der Rainer, der Rainer
der hat so Angst wie keiner

Rainer legt still seine Sachen in den Spind und geht in die Sporthalle, verfolgt von dem lauten Gelächter seiner Mitschüler.
Heute sollen sie am Klettergerüst turnen und Rainer hält sich so lang wie möglich im Hintergrund.
Doch dann kommt auch er dran.
Die ersten Sprossen sind noch leicht, doch je höher er kommt, desto mehr fängt er an zu schwitzen.
Die Jungs feuern ihn an und Rainer macht den Fehler hinunter zu schauen.
Als er sieht wie weit der Boden weg ist, wird ihm schwindelig und in seinen Ohren beginnt es zu rauschen.
Verzweifelt klammert er sich fest.
Er wagt sich nicht mehr vorwärts noch rückwärts zu klettern.
Wie durch einen Nebel hört er die Stimme des Sportlehrers, der plötzlich neben ihm auftaucht.
Keine Angst, ich helfe dir, wir werden zusammen hinunter klettern, du musst loslassen.“
Der Lehrer muss seine Worte einige Male wiederholen bis sie zu Rainer durchdringen.
Auf dem Boden angekommen, befiehlt ihm Herr Berger, sich zu setzen und den Kopf zwischen die Knie zu stecken und tief durchzuatmen.
Die anderen Jungs sind auffallend ruhig und erschrocken beobachten sie ihren Mitschüler, der kreideweiß ist und am ganzen Körper zittert.
Herr Berger schickt sie nach draußen, dann setzt er sich neben Rainer und wartet bis wieder Farbe in dessen Gesicht kommt.
Rainer, du hast Höhenangst, besorge dir ein Attest beim Arzt, dann bist du vom Klettern befreit.“
Der Junge nickt nur.
Geht`s wieder?“
Ja,“ murmelt Rainer und steht auf, er schämt sich so.
Herr Berger legt ihm die Hand auf die Schulter.
Hör mal mein Junge, Höhenangst haben auch Erwachsene und du bist noch ein Kind, deshalb musst du dich nicht schämen.“

Nach der Schule trottet er mit hängenden Kopf nach Hause, er beachtet nicht einmal den Dackel Poldi, der ihm schwanzwedelnd entgegen läuft und zur Begrüßung bellt.
Und obwohl die Oma, die seit dem Tod des Opas bei ihnen wohnt, seine Lieblingsspeise gekocht hat, stochert er nur lustlos in seinem Essen herum.
Die Schule hat angerufen,“ meint die Oma leise.
Rainer hebt den Kopf und Tränen funkeln in seinen Augen.
Dann weißt du ja, was für ein Versager ich bin!“
Du bist doch kein Versager!“ ruft die Oma erschrocken.
Sicher, ich bin doch kein richtiger Junge, mag nicht Fußball spielen, klettere nicht auf Bäume und stecke nur den ganzen Tag meine Nase in Bücher, wie ein Mädchen!“
Die Oma muss schmunzeln, doch dann sagt sie ernst.
Wer sagt denn, dass Jungen dies alles können müssen, denk doch nur an Marietta von nebenan, die klettert auf Bäume, spielt besser Fußball als ihre Brüder und mit einem Buch in der Hand habe ich sie noch nie gesehen.“
Aber ich habe doch immer vor allem Angst, ich bin ein richtiger Angsthase und die Jungs in meiner Klasse haben
sogar einen Spottvers auf mich gedichtet!“ ruft Rainer verzweifelt und nun laufen die Tränen über sein Gesicht.
Die Oma reicht ihm ein Taschentuch.
Jeder Mensch hat Angst in seinem Leben, es sind nur verschiedene Ängste.“
Du auch?“
Aber sicher, ich habe oft in meinem Leben Angst gehabt.
Warte einen Moment!“
Die alte Frau geht in ihr Zimmer und als sie zurück kommt legt sie einen roten kleinen Stein auf den Tisch.
Rainer nimmt ihn in die Hand und betrachtet ihn staunend
von allen Seiten.
Da ist ein Kristall! Als ich deinen Opa kennenlernte und wir zum ersten Mal in den Berge wanderten, kamen wir auch in eine Kristallhöhle.
Dieser Stein saß ganz locker in der Felswand und dein Opa hat ihn heraus gebrochen und ihn mir als Pfand unserer Liebe gegeben.
In den fünfzig Jahren unserer Ehe hat dieser Stein mir oft geholfen. Immer wenn ich Sorgen und Angst hatte, dann habe ich den Stein in die Hand genommen und er gab mir Kraft.
Ich brauche ihn nun nicht mehr, aber vielleicht hilft er jetzt dir.“
Rainer nickt und legt den Stein vorsichtig auf sein flache Hand und umschließt ihn mit den Finger.
Er spürt wie ihm auf einmal leichter ums Herz wird und lächelnd sagt er:
Danke, Oma!“
Unser Essen ist nun kalt geworden. Ich habe heute morgen gebacken, wie wäre es mit einer Tasse Kakao und Keksen!“

Seit diesem Tag trägt Rainer den Stein immer bei sich und er wird tatsächlich von Tag zu Tag mutiger.
Wenn er an die Tafel muss, wird er nicht mehr rot und
fängt zu stottern an, sondern löst die Aufgaben.
Beim Sport wagt er Übungen vor denen er sonst gezittert hat.
Nur auf die Kletterwand muss er wegen dem Attest vom Arzt nicht mehr.
Rainer wird von Tag zu Tag selbstbewusster.
Und eines Tages grübelt er darüber nach, ob denn der Stein ihm nicht auch helfen könnte, seine Höhenangst zu besiegen.
Und nun beginnt er an dem großen Birnbaum im Garten zu üben.
Es ist schwer, denn jedes Mal beginnt er wieder zu zittern, doch täglich schafft er es ein Stückchen höher und dann sitzt er eines Tages auf dem höchsten Ast.
Und als er hinunter sieht, vorsichtshalber den Stein in der Hand fest umschlossen, wird ihm kein bisschen schwindelig.
Er hat es geschafft.
In der nächsten Sportstunde geht er zu Herrn Berger und bittet ihn, diesmal auch beim Turnen am Klettergerüst mit machen zu dürfen.
Bist du sicher?“ fragt dieser und als Rainer nickt, meint er
gut, aber ich werde neben dir klettern.“
Rainer klettert flink wie ein Affe die Sprossen hoch.
Oben angekommen dreht er sich um und winkt, dann klettert er genau so schnell wieder hinunter.
Auf dem Boden angekommen, verneigt er sich wie ein Künstler auf der Bühne.
Begeistert klatschend umringen ihn seine Mitschüler.

Was so ein kleiner Stein doch für Wunder bewirken kann.
Vielleicht aber liegt seine Magie an dem
Glauben an sich selbst.“