Samstag, 30. Oktober 2021

Wer ist mein Vater?

 

Anzug, Schaf, zittern, schnäuzen, blind
 
 


 
Wer ist mein Vater
 
 
Die Kinder der dritten Volksschulklasse schritten langsam durch den Mittelgang der kleinen Kirche. 
Jedes von ihnen trug in der linken Hand eine geschmückte Ähre und in der rechten ein Körbchen mit Feldfrüchten. Diese stellten sie vor dem Altar ab, machten ein Kreuzzeichen und gingen langsam zu ihren Bänken. Die Mädchen links, die Buben rechts. 
Fritz, der als erster seine Bank erreichte, schlüpfte bis ans Ende und wäre beinahe hinausgefallen, denn Karl der Sohn des Bürgermeisters schubste ihn und flüsterte: " Bastarde, die nicht mal ihren Vater kennen, haben in der Kirche nichts verloren." 
Fritz presste die Lippen zusammen und ballte die Fäuste. Am liebsten hätte er diesen arroganten Schnösel eine reingehauen und seinen feinen Anzug zerrissen. Doch sie befanden sich in der Kirche und er wollte auch seiner Mutter, die ganz allein in der letzen Bank saß, keinen Kummer machen. 
Nach der Kirche gingen Mutter und Sohn zum Sonnenwirt. Die beiden Wirtsleute waren sehr nett und die einzigen, die der ledigen Mutter einen Job als Kellnerin gegeben hatten. 
Doch vorher durften die beiden noch in der Küche zu Mittag essen, die Mutter packte dann noch von dem guten Essen für den Gemeindeschäfer etwas in einen Topf. Laut Vereinbarung der Gemeinde musste jeder Bewohner einmal ein Mittagessen für den Schäfer bereiten. Und die vom Sonnenwirt waren nicht nur die besten, sondern auch die größten Portionen. 
 

 
 
Fritz lief sofort los, um seinem besten Freund, die Leckereien zu bringen. Als er auf die Gemeindewiese kam, war von seinem Freund  nichts zu sehen. Der Junge lief die drei Holzstufen zum Schäferkarren hoch, stellte den Korb auf den Tisch und setzte sich dann auf die unterste Stufe um zu warten. 
Wieder dachte er an Karl und Tränen traten ihm in die Augen. Wer war sein Vater, wenn er die Mama fragte, dann sagte sie nur, dass er stolz auf seinen Vater sein könnte und vielleicht käme er ja eines Tages nach Hause und sie würden sich kennen lernen. 
"Was ist los meine Junge?"
Blind vor Tränen sah der Fritz zu seinem alten Freund hoch. Ein Taschentuch erschien vor seinem Gesicht. 
" Schnäuz dir erst mal die Nase, dann erzähl mir, was dich bedrückt." 
 
 

 
Der Schäfer stellte das zitternde Schaf auf den Boden und gab ihm einen Klaps auf das Hinterteil. 
"Lauf zur Herde du Ausreißer. Musste es suchen, hatte sich in einem Gebüsch verhedert, das dumme Ding,"  bummte er. 
Nachdenklich betrachtete er den Jungen. " Was hast du für einen Kummer ?" 
Und nun vertraute Fritz Hinrich seinen Kummer an, dass er so gerne wüsste wer sein Vater wäre, dass er sich nach ihm sehnte, doch wenn er die Mutter fragte sagte sie nur, dass er stolz auf seinen Vater sein könnte. Aber warum hatte er ihn dann im Stich gelassen, wenn er so ein toller Mensch war. 
Hinrich legte die Hand auf die geballten Fäuste des Jungen. 
"Ich denke er hat dich nicht im Stich gelassen, vielleicht wusste er gar nichts von dir." 
"Jetzt braucht er es auch nicht mehr zu wissen, ich pfeife auf ihn. Hinrich willst du denn nicht mein Vater sein.?" 
Der alte Mann lachte," dazu bin ich schon zu alt, aber wie wäre es mit einem Großvater." 
Spät am Abend saß der alte Mann in seinem Karren und hielt einen Brief in der Hand. Vor einigen Monaten war er gekommen, die Adresse dürfte noch stimmen. Zeit dass sein Sohn endlich nach Hause kam, er wurde hier gebraucht. Er hatte immer schon geahnt, dass Fritz sein Enkel war, aber da Annamierl nicht darüber reden wollte, hatte er es aktzeptiert und sich um die beiden gekümmert. Nun aber musste sein Sohn endlich erfahren, dass er Vater war und Verantwortung hatte. 
Er nahm den Stift und schrieb einen langen Brief. 
Eine Woche später hielt ein elegantes Auto vor der  Gemeindewiese und Vater und Sohn umarmten sich. Als Fritz nach der Schule Hinrich besuchte, staunte er, einen fremden Mann vorzufinden. 
Behutsam brachten die beiden Männer dem Jungen bei, dass es sein Vater war. 
Fritz schwieg eine Weile, dann strahlte er den alten Hinrich an. " Dann bist du ja wirklich mein Großvater. Der alte Mann lachte. " Das freut dich wohl mehr, als endlich deinen Vater kennen zu lernen." 
Mit einem verlegenen Grinsen zuckte Fritz die Schultern. " Ich kenn ihn ja noch nicht ." Sein Vater strich ihm durch das Haar, " das wird sich ändern, aber nun komm, wir wollen deine Mutter überraschen." 
Bei der Hochzeit seiner Eltern trug Fritz einen Anzug der viel schöner war, als der von Karl. Sein Vater aber, der in der Fremde viel Geld verdient und gespart hatte, kaufte einen Bauernhof. Und aus Fritz, dem verachteten Bastard wurde nun der Sohn des reichsten Bauern im Ort.

(c) Lore Platz

Sicher wollt ihr wissen was Regina und Martina zu den Wörtern eingefallen ist

Donnerstag, 21. Oktober 2021

Lilaluna, Anneliese und der gelbe Ballon






Lila -Luna, Anneliese und der gelbe Ballon


Mit gesenktem Kopf trottete Anneliese den Gehweg entlang. Sie war traurig.
Vorgestern war Evelyn wieder nach Hause gefahren, weil die Pfingstferien vorbei waren und heute die Schule wieder begonnen hatte.
Die zehn Tage mit Evelyn waren so schön gewesen und seit sie fort war, fühlte sich Anneliese einsamer als vorher.
Immer noch hatte sie hier keine Freundin gefunden.
Die Gartentür klemmte wieder mal und das Mädchen musste  kräftig dagegen drücken.
Als sie das Haus betrat, erwartete sie eine freudige Überraschung.
Ihre Mutter stand am Herd und rührte in einem Topf, aus dem es köstlich duftete.
Lächelnd drehte sie sich um.
Hallo meine Kleine, du warst kurz weg, da rief eine Kollegin an und bat, mit ihr die Schicht zu tauschen. Ich habe also die kurze Nachmittagsschicht von vier bis acht. Und da dachte ich mir, wenn ich schon zuhause bin, dann könnte ich dir etwas Leckeres kochen, Spagetti mit Bolognese, das magst du doch?“
Als ob du das nicht weißt!“ grinste Anneliese, deren Herz plötzlich so leicht war.
Sie schnallte den Ranzen ab, stellte ihn in die Ecke und begann flink den Tisch zu decken.
Die Mutter reichte ihr die Schüssel mit Salat, dann schüttete sie die Nudel ab und gab sie in die Schüssel mit der Fleischsoße. Während ihre Mama gekonnt die Nudeln um die Gabel
rollte warf sie einen forschenden Blick auf ihre Tochter.
Du bist traurig, dass Evelyn wieder weg musste?“
Anneliese nickte, denn sie hatte gerade den Mund voll. Als sie hinunter gegessen hatte, sagte sie leise.
Sie geht mir so ab und Wiesbaden liegt auch so weit weg und hier kann ich einfach keine Freundin finden. Sie sind schon nett zu mir, aber sie kennen sich alle untereinander und dann habe ich auch Schwierigkeiten die Sprache zu verstehen.“
Und ich muss dich auch immer allein lassen, weil ich arbeiten muss,“ sagte Frau Baumann traurig.
Erschrocken sah Anneliese sie an.
Das ist doch nicht schlimm, wir verbringen doch viel Zeit zusammen und wir haben uns doch geschworen, dass wir es gemeinsam schaffen werden, das Leben ohne Papa.“
Ein Schatten zog über das Gesicht ihrer Mutter.
Erst kürzlich hatte sie erfahren, dass ihr Ex wieder Vater geworden war, doch das verschwieg sie lieber.
Anneliese litt sowieso darunter, dass ihr Vater sich so gar nicht bei ihr meldete, seit er seine neue Familie hatte.
Deshalb fragte sie munter: „Ich habe noch zwei Stunden, bevor ich zur Arbeit gehe, was wollen wir zwei Hübschen denn unternehmen.“
Bald saßen sie draußen im Garten und spielten ein Brettspiel, das Anneliese besonders liebte und bei dem sie immer gewann.
Viel zu schnell verging die Zeit und Anneliese sah traurig ihrer Mutter nach, die mit energischen Schritten zur Bushaltestelle ging.
Nun war sie wieder allein.
 
 

Hallo, was guckst du denn so traurig?“
Erfreut sah das Mädchen auf.“
Lila-Luna!“
Ja, wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen, da deine Freundin da war. Ein nettes Mädchen übrigens.“
Woher weißt du das denn?“
Oh, ich habe oben im Apfelbaum gesessen und euch zugesehen.“ grinste die Elfe spitzbübisch.
Dann gefällt dir Evelyn, vielleicht willst du sie ja mal kennen lernen.“
Mal sehen! Aber nun will ich dir erst mal vorführen was wir in Zauberkunde gelernt haben. Ich habe ganz fest geübt und sogar einige extra Stunden bei Frau Zauberwurz genommen, weil es für dich so wichtig ist, dass ich diesen Zauber gut beherrsche.“
Gespannt beobachtete Anneliese wie ihre kleine Freundin den Zauberstab zückte und einige Worte murmelt.
Dann lagen plötzlich zwei kleine zarte Flügel auf dem Tisch.
Das sind deine Flügel! In Zukunft kannst du selbst fliegen.
Mit Brummer ist sowieso nichts mehr anzufangen, seit er Vater geworden ist.“
Anneliese betrachtete staunend die zarten Federn und wagte gar nicht sie anzufassen.
Möchtest du sie ausprobieren?“
Das Mädchen nickte und die Elfe hob wieder ihren Stab, murmelte leise vor sich hin und Anneliese stand klein wie eine Elfe auf dem Tisch.
Die Federn erhoben sich und setzten sich auf ihren Rücken.
Nun versuche zu fliegen, sieh wie du deine Flügel bewegen musst.“
Lila-Luna zeigte es ihr und Anneliese versuchte es ihr nachzumachen.
Sie erhob sich auch ein wenig in die Luft, landete dann aber wieder ziemlich unsanft auf dem Tisch.
Lila-Luna kicherte: „ Du darfst nicht so hektisch schlagen, langsam musst du sie bewegen, komm!“
Sie fasste sie an beiden Händen und flog mit ihr nach oben und bald hatte Anneliese den Rhythmus erfasst und als die Elfe ihre Hände losließ, da schwirrt sie fröhlich durch die Luft.
Nun flogen sie gemeinsam durch den Garten, dicht über das Gras, an den Blumen vorbei, tanzten mit den Schmetterlingen, umkreisten die Bäume, wirbelten jubelnd durch die Luft und ließen sich dann atemlos auf dem Ast des Apfelbaumes nieder.
Still saßen sie nun neben einander und Annelieses Herz war voller Freude, was für ein herrliches Erlebnis.
Sie mal da fliegt die Sonne, so tief habe ich sie noch nie gesehen!“ rief Lila-Luna überrascht.
Anneliese lächelte, denn ein gelber Luftballon schwebte langsam auf den Garten zu.
Das ist nicht die Sonne, das ist nur ein Luftballon,“ erklärte sie.
Was ist das?“
Das ist ein Gebilde aus Gummi!“
Was ist Gummi?“
Gummi ist ein Material, das sich dehnen kann und wenn man in den Ballon Luft hinein pustet, bis er zu einer Kugel wird und dann die Öffnung verschließt, damit die Luft nicht entweichen kann, dann kann er fliegen.“
Dass man einen Ballon auch mit Gas füllen kann, das verschwieg sie lieber, denn dann würde die Elfe nur fragen was das sei und so genau wusste Anneliese das auch nicht.
Komm wir wollen ihn uns näher betrachten!“ rief Lila-Luna und schon flogen sie dem sich langsam nähernden Ballon entgegen, hängten sich an die baumelnde Schnur und ließen sich durch den Garten treiben.
Doch dann verhedderte sich der Ballon in den Ästen des Apfelbaumes und durch den Ruck verloren die Mädchen ihren Halt, wirbelten in einem Salto durch die Luft und landeten kichernd im Gras.
Lila-Luna stand auf, klopft sich ihr reizendes Kleidchen sauber und meinte bedauernd.
Ich muss wieder nach Hause, meine Tante feiert heute ihren Geburtstag und da darf ich nicht zu spät kommen.“
Und ich muss noch meine Hausaufgaben machen,“ erklärte Anneliese.
Sie haben diesmal auch wieder eine Menge Hausaufgaben auf und das Mädchen ist gerade fertig, als ihre Mama nach Hause kam.
Sieh mal, was ich draußen unter dem Apfelbaum gefunden habe.“
Frau Baumann hob den gelben inzwischen verschrumpelten Luftballon in die Höhe und nun erst bemerkte Anneliese, dass am Ende der Schnur eine Karte baumelte.
Lächelnd legte die Mutter diese auf den Tisch und das Mädchen las erstaunt.
Hallo mein Name ist Bärbel, ich bin 11 Jahre alt und erst vor kurzem aus Norddeutschland hierher gezogen und kenne noch niemanden. Wenn jemand diesen Ballon findet, dann würde ich mich freuen, wenn er mir schreiben würde.“
Als Anneliese dann die Adresse liest, rief sie erstaunt:
Aber das ist ja gar nicht so weit von hier!“
Nur ein paar Kilometer und das Mädchen fühlt sich noch genauso fremd wie du hier. Vielleicht könntest du ihr schreiben?“
Anneliese nickte begeistert und beschließt gleich morgen an Bärbel zu schreiben.

© Lore Platz








Mittwoch, 20. Oktober 2021

Die alte Vogelscheuche

Mit dieser kleinen Erzählung wünsche ich euch einen schönen Mittwoch


Herbstlied


Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.

 (Johann Gaudenz von Salis-Seewis 1762-1834, schweizer Dichter)





Die alte Vogelscheuche




Das Weizenfeld war abgeerntet und nur noch Stoppeln ragen aus der Erde.
Die alte Vogelscheuche blickt traurig unter ihrem zerbeulten Hut in die Ferne.
Der Sommer war vorbei und ihre Arbeit getan. Keinem Vogel konnte sie mehr Angst machen, keine Rehe mehr erschrecken.



Hallo, Herr Vogelscheuche“, piepst eine zarte Stimme.
Guten Tag, Frau Feldmaus, ich habe von ihrem Unglück gehört.“
Ach ja, mein armer Mann. Frau Eule hat ihn erwischt und nun bin ich Witwe und muss meine fünf Kinderchen alleine aufziehen.“
Sie wischt sich eilig mit der Pfote über die Augen.
Mein herzlichstes Beileid!“
Danke, ob ich wohl ein paar der abgefallenen Körner nehmen darf?“
fragt sie schüchtern.
Aber sicher, sehen sie dort drüben, nicht weit von ihrer Wohnung liegt eine ganze Ähre.“
Der Wind gibt der Vogelscheuche einen Schubs und sie dreht sich so, dass ihr ausgestreckter Arm auf die herabgefallene Ähre zeigt.
Vielen herzlichen Dank!“
Die kleine Feldmaus trippelt zu der Stelle und nimmt das Ende der Ähre ins Mäulchen und zerrt und schleift sie in ihre Höhle.
Die Vogelscheuche seufzt.
Wie gerne hätte sie geholfen, doch sie muss ja hier stramm und steif stehen.
Zwei Krähen fliegen herbei und setzen sich auf ihre Schultern, ohne sich durch ihren grimmigen Gesichtsausdruck stören zu lassen.
Ein ungehobeltes Volk diese Krähen!
Sie tratschen über alles mögliche und fliegen dann über das Stoppelfeld in den nahe gelegenen Wald.
Wildgänse fliegen kreischend über das Feld und traurig sinniert die Vogelscheuche , wie schön es doch wäre, fliegen zu können und fremde Länder zu sehen.
Maxl, der Sohn des Bauern kommt mit mürrischem Gesicht angelaufen.
Wütend gibt er ihr einen Tritt, dass sie empört ächzt.
Blöder, alter, vergammelter Trampel,“ schimpft der Junge zornig.
Er war kurz davor, Schusserkönig zu werden, als sein Vater ihn rief und befahl die alte Vogelscheuche in den Schuppen zu bringen.
Nun würde wohl der Jokel gewinnen!
Der Gedanke macht ihn noch wütender und er umfasst mit beiden Händen das alte Ding, reißt es aus der Erde und pfeffert es auf den Boden.
Maxl packt nun die Vogelscheuche und schleift sie über Sand und Kies zum Schuppen.
Immer dünner wird diese, denn unterwegs verliert sie das ganze Stroh, mit dem sie gepolstert war.
Der Junge öffnet die Schuppentür und wirft die Vogelscheuche in die Ecke.
Sie knallt gegen einen verrosteten Pflug, streift einige alte Melkeimer und landet, oh Wunder, auf mehreren alten Säcken.
Zufrieden wälzt sie sich in eine bequeme Lage.
Wegen dem Stroh macht sie sich keine Gedanken. Sie weiß , im Frühjahr wird sie wieder frisch ausgestopft.




Maxl, aber hat seine Freunde noch nicht erreicht, da taucht sein Vater auf.
Mit grimmigem Gesicht deutet der auf den Weg.
Vom Feld bis zum Schuppen war alles voller Stroh.
Nimm sofort den Besen und mach den Weg sauber!“knurrt der Bauer.
Maxl seufzt.
Das Schusserspiel konnte er für heute vergessen.

Im Schuppen aber grinst die Vogelscheuche und schließt zufrieden die Augen.



(C) Lore Platz

Freitag, 15. Oktober 2021

Ein schöner Tag

 Reizwörter:

 Feuerwehrauto, Bier, wachsen, schnappen, schrumpelig

 


Ein schöner Tag 

 

Anna drehte sich vor dem Spiegel und ließ den weiten Rock ihres Dirndls schwingen. Sie hatte es von ihrem Mann vor einigen Tagen zum Geburtstag bekommen und heute hatte sie Gelegenheit es zum ersten mal zu tragen. Heute war das alljährliche Feuerwehrfest. Leichtfüssig lief sie die Treppe hinunter und sah wie ihren beiden Männer vor Staunen der Mund offen stehen blieb. Fips ihr fünfjähriger Sohn rief : "Mama was bist du schön!" Andreas ihr Mann aber sah sie mit einem Blick an, dass sie wie ein junges Mädchen errötete.

Als sie auf die Festwiese kamen wurden sie mit lautem Hallo begrüßt. Fips durfte neben seinem Paten, dem Wildmoser Erich, der Hauptmann bei der Feuerwehr, war sitzen. Der Erich hatte einen riesigen Walrossbart und lustig zwinkernde Augen und bei ihm gab es immer etwas zu lachen. 

Und jetzt lachte er besonders laut und hielt seine Mass Bier dem Andreas unter die Nase, "wuist moi richa." Vor dem Fest wurde nämlich ausgelost wer Bier trinken durfte, denn fünf Männer mussten nüchtern bleiben, sollte irgendwo ein Brand ausbrechen. Und Fips Vater war unter den Verlierern, dem machte dies aber gar nichts aus, er packte seine Anna bei der Hand und schlenderte über den Festplatz. 

Erich fragte Fips: "Gema zum Feuerwehrauto" Der Junge nickte begeistert und folgte seinem Paten zu dem ausrangierten alten roten Wagen, auf dem bereits einige Kinder herumturnten unter der Aufsicht von Jungfeuerwehrmännern. Schmunzelnd betrachtete Erich die Kinder die auf dem roten Auto herumkletterten. Nach einiger Zeit aber rief er Fips, denn es gab ja noch viel auf der Festwiese zu sehen. Strahlend kam der Junge angelaufen und rief schon von weitem. " Onkel Erich, ich will auch mal Feuerwehrmann werden,  wie du und Papa. Der Hüne lachte dröhnend und strubbelte ihm durchs Haar. " Do muast aber no wachsen."  

Vergnügt stromerten sie über die Festwiese. Immer wieder wurden sie angehalten, denn Erich war sehr beliebt. Fips durfte mit dem Karusell fahren, Pony reiten und als sie mit einem Ball auf Konserven zielten und trafen da jubelten sie laut. An einem Stand gab es naturnachgebaute Feuerwehrautos und Fips durfte sich eins aussuchen. Der Verkäufer schenkte ihnen noch einen feuerrroten Luftballon mit den Buchstaben FW und sie banden diesen an dem Auto fest, damit er nicht davon fliegen konnte. 

Doch allmählich wurde Fips müde und Hunger hatte er auch. Also gingen sie zurück zu ihrem Tisch und Onkel Erich bestellte eine Schweinshaxe mit Knödel für sich und für seinen Patensohn Bratwürste mit Pommes. Hand in Hand kamen Andreas und Anna an den Tisch und auch sie bestellten sich etwas zu essen. 

Nach dem Essen spielte die Musi zum Tanz auf und während seine Eltern tanzten, spielte Fips mit den Dorfkindern. Erich aber paffte seine Pfeife und beobachtete das fröhliche Treiben, bis ihn die Wildgruber Vroni schnappte und zum Tanzboden zerrte. 

Als die Dämerung ihre Schleier über die Wiese legte und die Augen des Jungen immer kleiner wurden, nahm ihn sein Vater auf den Arm. Sein Auto fest an sich gepresst legte Fips müde seinen Kopf an die Schulter des Vaters, winkte Onkel Erich zu und die kleine Familie machte sich auf den Heimweg. Als sie vor dem Haus ankamen und die Mutter aufschloss hob Fips den Kopf und kicherte: " Mama, Papa schaut mal mein Ballon hat Luft verloren und sieht aus wie eine schrumpelige Birne!"

(c) Lore Platz


Sicher wollt ihr auch lesen, was Regina und Martina geschrieben haben.



Montag, 11. Oktober 2021

Zuflucht in der Bärenhöhle












Zuflucht in der Bärenhöhle




Andabar setzt sich in seinen gemütlichen Ohrensessel und sieht sich in seiner kleinen Stube um. Wie ruhig es doch ist und er genießt es.
Mit Hilfe der Biber hatte er sich diese Stube mitten in einem Baum gebaut, als er damals in den Wald weit weg von seiner Heimat kam.
Ein großer Erdrutsch hatte die kleine Zwergenstadt vernichtet und seinen Großvater und seine Großmutter unter Steinen und Geröll begraben.
Die anderen Zwerge, die überlebt hatten, waren ins nächste Dorf zu ihren Verwandten gegangen.
Doch er, Andabar, stand ganz allein auf der Welt und deshalb beschlossen auf Wanderschaft zu gehen.
Er schmunzelt bei dem Gedanken, was er alles erlebt und gesehen hat. Schließlich war er bei einem alten Einsiedler gelandet und hatte dort die Heilkunst erlernt.
Doch dann trieb es ihn wieder weiter und nach vielen Jahren war er dann hier im Wald gelandet und es hatte ihm gleich gefallen.
Und als dann sein Stübchen im Baum bezugsfertig war und er sich seine Möbel gezimmert hatte und die Tiere des Waldes ihn eines Tages mit einer weichen Decke und einem Kissen für sein Bett überrascht hatten, das Madame Spinne und ihren Helferinnen gefertigt hatten, da fühlte er sich endlich angekommen.
Und seitdem war der Wald seine Heimat und alle Bewohner darin seine Freunde.
Nachdenklich runzelt er die Stirn. 
Heute war ein seltsamer Tag, die Vögel waren verstummt und hatten sich verkrochen. 
Die Tiere waren unruhig und manche sogar agressiv. 
Mehr als einmal musste er einen Streit schlichten oder kleine Wunden verbinden.
 In der Luft lag eine Schwüle und ein ungutes Flimmern.
Andabar hebt lauschend den Kopf. Ein Heulen und Rauschen ist plötzlich zu hören.
Er klopft seine Pfeife aus, legt sie auf den Tisch und tritt vor die Tür.
Der Wind haut ihn fast um und schlägt hinter ihm die Tür ins Schloss.
Blätter, kleine Äste und Sand vor sich her treibend jagt der Sturm durch den Wald.
Der Zwerg hört über sich ein knacken und kann gerade noch zur Seite springen, denn ein großer Ast fällt vom Baum.
Seine Mütze fest haltend dreht er sich um und will zurück in seine Wohnung.
Doch der dicke Ast liegt direkt vor seiner Tür.
Aus dem Unterholz stürmen die Tiere und laufen blindlings in Panik an ihm vorbei, aber alle in eine Richtung.
Wo wollt ihr hin!“ ruft Andabar.
Ein Dachs dreht sich kurz um. „Zur Bärenhöhle!“
Nun läuft auch der Zwerg los, doch seine dicken kurzen Beine sind nicht so schnell. Auch bremst ihn der Wind und treibt ihm Sand in die Augen.
Doch dann steht Schlitzohr, der Fuchs auf einmal neben ihm.
Steig auf meinen Rücken, Andabar!“
Der Zwerg klettert auf den Rücken seines Freundes und ab geht die wilde Jagd.
Als sie die schützende Höhle erreichen ist sie voll von Tieren der verschiedensten Art.
Ein Rudel Rehe steht dichtgedrängt beieinander, Dachse sitzen neben Hasen, Marder neben Eichhörnchen, eine Mäusefamilie hat sich eingefunden und selbst die scheue Schlange Millie liegt in einer Ecke, etwas abseits von den anderen.
Bruno, der Bär kommt nach vorne und heißt seine unerwarteten Gäste herzlich willkommen.
Andabar bedankt sich im Namen aller, dann setzt er sich mitten in den Raum und langsam kommen die Tiere näher und bilden einen Kreis.
Stumm beobachten sie das Toben vor dem Eingang.
Eine Blätterkugel wird von einem Windstoß herein gewirbelt und bleibt still liegen.
 Neugierig beobachten die Tiere die seltsame Kugel, die sich auf einmal bewegt und die Nase und zwei vergnügt funkelnde Augen von Isidor, dem Igel, erscheint.
Guten Tag, alle Miteinander, das war eine Fahrt. Ich konnte nicht so schnell laufen wie ihr und habe mich zum Ausruhen eingeigelt, da packt mich plötzlich der Wind und rollte mich direkt hierher.“
Er kichert: „ So schnell bin ich noch nie vorwärts gekommen.“
Alle lachen und die trübe Stimmung ist vorbei. Die Tiere machen es sich gemütlich und beginnen fröhlich zu plaudern.
Andebar aber klaubt vorsichtig die Blätter von den Stacheln des Igels und schichtet sie in eine Ecke.
Plötzlich springt Schlitzohr auf und schüttelt seinen buschigen Schwanz.


(c) Elli M.
Eine Ameise fliegt heraus, schlägt einen Salto in der Luft und landet ziemlich unsanft auf dem Boden.
Musst du denn so grob sein!“ schimpft der Ameisenjunge.
Ja Fridolin, wo kommst du denn her, solltest du nicht in eurem Bau sein, dort wärst du doch sicher.“ ruft Andabar erstaunt.
Der Junge errötet, „ich war wohl zu langsam und dann habe ich mich auch noch verirrt.“
Da hast wohl mal wieder geträumt.“
Fridolin nickt verlegen, doch dann lacht er.
Aber es ist doch alles gut gegangen, ich sah wie der Fuchs dich auf seinen Rücken steigen ließ und habe mich schnell in seinen Schwanz gehängt.“
Bin ich ein Ameisentaxi?“ brummt Schlitzohr, doch
niemand beachtet ihn.
Andabar nimmt seine Mütze und legt sie auf den Boden.
Fridolin, klettere auf meine Mütze, da bist du in Sicherheit,“ brummt er gutmütig und meint dann grinsend:
Und dort oben darfst du träumen soviel die willst.“
Die Tiere lachen und der Ameisenjunge klettert schnell auf die rote Mütze, die sich der Zwerg dann wieder auf den Kopf stülpt.
Der Eingang verdunkelt sich und Bertold der Hirsch und sein Frau Felina wanken in die Höhle.
Müde lassen sie sich zu Boden fallen. Bertold fehlt ein Stück seines Geweihs und Felina lehnt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an seine Schulter.
Auf die besorgten Blicke der Tiere erklärte der Hirsch schwer atmend:“ Beinahe hätte uns ein umstürzender Baum unter sich begraben.“
Deshalb fehlt dir ein Stück von deinem Geweih?“ meint Andabar mitfühlend.
Das ist nicht so schlimm,“ wehrte der Hirsch ab ,“aber Felina ist verwundet, der Baum hat ihre Hinterhand gestreift.“
Der Zwerg beugt sich über die Wunde.
Sie ist zum Glück nicht tief, aber sie kann sich entzünden. Ich muss sie säubern.“
Bruno, der Bär ruft: „Weiter hinten in der Höhle ist eine Quelle.“
 
(c) meine Tochter

Frau Eichhorn, die Andabar schon oft assistiert hat, nimmt das Taschentuch, das dieser ihr reicht und läuft neben Bruno zur Quelle.
Dankend nimmt der Zwerg das nasse Taschentuch und beginnt vorsichtig die Wunde aus zu waschen.
Obwohl sich in Felinas Augen Tränen sammeln vor Schmerz, gibt sie keinen Laut von sich.
Sie legt nur ihren Kopf an Bertolds Hals und dieser bedeckt
ihn tröstend mit seinem Haupt.
Dann ist Andabar fertig und reicht das Tuch an Mirella Eichhorn, die nochmal zur Quelle springt, um es auszuwaschen.
Andabar aber sieht sich suchend in der Höhle um, dann fällt sein Blick auf die Blätter und er strahlt.
Da waren doch auch Arnikablätter dabei. Schnell wühlt er in dem Haufen und findet was er sucht.
Zwischen den Händen zerreibt er das Arnika, streut es in die Wunde und legt das sauber ausgewaschene Taschentuch darüber.
Felina wirft ihm einen dankbaren Blick zu und schmiegt sich an ihren Mann.
Auch Bertold bedankt sich.
Der Zwerg setzt sich mit gekreuzten Beinen wieder auf den Boden und hört lächelnd der gemurmelten Unterhaltung zu.


(c) Irmgard Brüggemann

Ich habe Hunger!“ quengelt Susi, die jüngste der Hasenkinder.
Schlitzohr springt auf, fixierte sie und fährt mit der Zunge über seine Lippen.
Ich habe auch Hunger,“ meint er gedehnt.
Susi verschwindet quietschend hinter ihrer Mutter, die dem Fuchs einen kampfeslustigen Blick zu wirft.
Andabar aber gibt dem Fuchs einen leichten Klaps auf die Schnauze.
Benimm dich, du erschreckst nur die Kleine, hier wird niemand gefressen!“
 
 

 
Spielverderber!“ knurrt Schlitzohr, verzieht sich in die Ecke, rollt sich ein, legt die Schnauze auf seinen buschigen Schwanz und schließt die Augen.
Draußen aber toben noch immer die entfesselten Winde und treiben ihr wildes Spiel, als würden sie niemals müde werden. Langsam senkt sich die Nacht über den Wald.
Die Hasenkinder, die bisher herum getollt haben kuscheln sich müde an ihre Eltern.
Und Frau Hase beginnt erst leise zu summen, dann singt sie mit zarter Stimme ihre Kinder in den Schlaf.
Doch nicht nur die Hasenkinder schlafen ein, auch über die kleine Gesellschaft legt sich die Musik wie ein zarter Schleier und lässt sie den schrecklichen Sturm draußen vergessen und schickt sie ins Land der Träume.
Andabar ist der Erste, der am nächsten Morgen erwacht.
Er tritt vor die Höhle.
Der Sturm hat sich endlich zurück gezogen aber eine schreckliche Verwüstung hinterlassen.
Die Tiere kommen alle aus der Höhle und auch sie betrachten besorgt ihren schönen Wald.
Bald wird der Förster und seine Waldarbeiter kommen und alles wieder in Ordnung bringen,“ tröstet der Zwerg.
Rechts, links, eins, zwei!“ ertönt es plötzlich und eine Schwadron Ameisen bahnt sich einen Weg durch Äste und Blätter.
General Zack Zack bleibt vor ihnen stehen.
Guten Tag, habt ihr meinen Neffen Fridolin gesehen. Der dumme Junge hat wohl wieder geträumt und nicht mehr zurück in den Bau gefunden. Mache mir große Sorgen!“
Hier bin ich Onkel!“ ruft Fridolin und klettert von Andabars Mütze.
Die Augen des Generals werden einen Moment feucht, doch dann befiehlt er.
Reihe dich ein mein Junge, es geht nach Hause!“
Kehrt marsch, rechts um, links, rechts, eins zwei...“
Wir sollten auch nach Hause gehen,“ murmelt Bertold und bald steht nur noch der Zwerg neben dem Bären.
Vor meiner Tür liegt ein dicker Ast, ich kann nicht in meine Wohnung.“
Das ist für mich kein Problem, steig auf meinen Rücken,“ brummt Bruno.
Bald sitzt Andabar wieder in seiner kleinen gemütlichen Stube, raucht sein Pfeifchen und ist glücklich.


© Lore Platz


Freitag, 8. Oktober 2021

Mein erster Kochversuch - Erinnerungsgeschichte



 Mein erster Kochversuch





Kennt ihr das Märchen vom süßen Brei?
Die Brüder Grimm haben es aufgeschrieben und ich will es kurz skizzieren.
Ein braves Mädchen bekam von einer alten Frau einen Topf geschenkt, der selber kochen konnte.
Als das Mädchen einmal das Haus verließ wollte die Mutter kochen.
Bald blubberte und brodelte der leckere Brei im Topf, doch die Mutter hatte vergessen wie man ihn wieder abstellt und so vermehrte sich der Brei, verließ das Haus und ergoss sich über das Dorf, bis das Mädchen im Einhalt gebot.

So wäre es mir beinahe einmal ergangen.
Meine Mutter hatte ein kleines Handarbeitsgeschäft, das auch am Samstag bis Mittag geöffnet war.
Meine große Schwester half ihr, meine kleine Schwester spielte im Hof mit ihren Freunden und ich fläzte im Sessel und hatte wie immer ein Buch vor der Nase.
Unser Vater übernahm das Kochen.
Es sollte eine Rindfleischsuppe geben, die schon lecker duftend auf dem Ofen köchelte.
Da klingelte das Telefon und mein Vater kam zu mir und meinte, dass er schnell zu Mutti fahren müsste, weil sie seine Hilfe braucht. Er würde bald wiederkommen, ich sollte nur auf die Suppe aufpassen.
Ich nahm also meinen Schmöker und setzte mich in die Küche.
Ab und zu sah ich in den Topf und vertiefte mich wieder in mein Buch.
Die Uhr tickte und der Zeiger wanderte unerbittlich auf Mittag zu und mein Vater kam nicht.
Er wollte doch die Suppe fertig kochen.
Ich beschloss meinen Eltern eine Freude zu machen und sie zu überraschen.
Was würden sie für Augen machen, wenn sie nach Hause kamen und das Essen wäre fertig.
Schnell lief ich zum Küchenschrank, stellte mich auf die Zehenspitzen und angelte nach dem Karton mit Reis.
Doch als ich diesen dann geöffnet hatte, wurde ich sehr nachdenklich.
Wie viel Reis machte man in die Suppe.
Unschlüssig wanderte mein Blick zwischen dem großen Topf und den mickrigen weißen Körnern hin und her und kurz entschlossen kippte ich allen Reis in die Suppe und rührte mit dem Kochlöffel um.
Vergnügt deckte ich den Tisch.






Als ich wieder in den Topf sah, wurden meine Augen rund vor Schrecken.
Die mickrigen kleinen Körner waren gequollen und jeden Tropfen Flüssigkeit verschlingend an den Rand des Topfes gewandert.
Zum Glück hörte ich in diesem Moment die Flurtür und meine Eltern konnten das Schlimmste verhindern.
An diesem Tag gab es statt Reissuppe einen Reisbrei, gewürzt mit spöttischen Bemerkungen über meinen ersten Kochversuch.

Mit dieser kleinen Geschichte aus meiner Kindheit wünsche ich euch ein schönes Wochenende.

Eure Märchenfee



Mittwoch, 6. Oktober 2021

Plauderecke

 
 

 
 
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde von denen sich eure Schulweisheit nichts träumen lässt:“
William Shakespeare (1564 – 1616)

Vor kurzem fand ich im Internet eine Geschichte, die mich sehr berührte.
Ein Ehepaar verlor durch einen unverschuldeten Unfall ihre drei kleinen Kinder, einen Jungen und zwei Mädchen.
Monate später wurde die junge Frau wieder schwanger und bekam Drillinge, ein Junge und zwei Mädchen.
Als wären die Seelen zurück gekehrt.
Diese Begebenheit hat mich zu einer kleinen Geschichte inspiriert.
Vielleicht gefällt sie euch.




Die große Sehnsucht

Ach Mama müssen wir denn schon gehen, nur noch einmal Karussell fahren,“ bat die kleine Marnie und sah ihre Mutter flehend an. Doch diese schüttelte bedauernd den Kopf. Auch Bernd und Angela waren enttäuscht aber sie wussten, wenn die Mutter nein sagte, dann hieß es nein.
Nachdem Frau Dorfner die drei auf dem Rücksitz angeschnallt hatte, setzte sie sich hinters Steuer und fuhr los. Um diese Zeit war wenig Verkehr und sie kam zügig voran. Auf einmal schoss aus einer Nebenstraße ein Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit.
Ein entsetzliches Knirschen und Krachen. Dann Stille!
Die hintere Tür des total verbeulten Wagens öffnete sich und die drei Kinder schlüpften heraus.
Verwundert sahen sie sich um. Die Straße glich einem Schlachtfeld. Zerfetzte Reifen und Autoteile lagen herum und Gestank und Rauch lag in der Luft.
Eine mollige Frau in einem weißen Gewand stand am Straßenrand und lächelte ihnen entgegen. Einladend streckte sie die Hand aus. „Kommt mit mir.“
Bernd nahm seine Schwestern an der Hand und ging einem inneren Zwang folgend mit ihnen zu der Frau hinüber.
Wohin gehen wir?“
An einen schönen Ort, wo ihr viele Kinder treffen werdet. Es wird euch gefallen.“
Und Mama?“ flüsterte Marnie.
Keine Sorge, es wird ihr geholfen werden.“
In dem Moment waren Sirenen zu hören und Polizei, Feuerwehr und ein Sanitätswagen sauste die Straße entlang.
Die Kinder aber fühlten sich auf einmal leicht und schwebten nach oben und verschwanden in den Wolken.
Wie staunten sie, als sie auf einer wunderschönen riesengroßen Wiese landeten. In der Ferne konnte man viele kleinen Häuser erkennen, etwas größer als Puppenhäuser.
Viele Kinder liefen herum, singend, lachend, fröhlich. Manche hatten ganz altmodische Kleider an, als stammten sie aus einem anderen Jahrhundert, aber alle sahen glücklich aus.
Wo sind wir hier?“
Im Kinderparadies, kommt ich zeige euch eure Zimmer.“
Staunend folgten die Geschwister Tante Elfriede, wie sie die nette Dame nennen sollten, in ein wunderschönes kleines Häuschen, ein kleiner Hund lief ihnen entgegen.
Tante Elfriede lächelte: „ Das ist Schnurzel, er gehört euch, habt ihr euch nicht immer einen Hund gewünscht?“
Glücklich lächelten die Kinder und streichelten den Hund, der aufgeregt zwischen ihnen herum sprang.
Wie staunten sie aber, als sie ihre Zimmer sahen, denn alles was sie sich immer schon gewünscht hatten, war vorhanden. Kein Wunsch blieb offen.
Tante Elfriede führte sie dann in ein riesiges Haus, in dem alle Kinder des Paradieses sich zum Essen trafen.
Und nun lernten die Geschwister auch die anderen kennen.
Essen durften sie was sie wollten, was besonders Bernd freute. Durfte er nun endlich all die Dinge essen, die ungesund waren, denn im Himmel wurde niemand krank.
So verging die Zeit und jeder Tag brachte etwas Neues.
Die kleine Marnie aber wurde immer trauriger, oft saß sie irgendwo versteckt unter einem Busch und weinte bitterlich.
Dort fand sie eines Tages Tante Elfriede.
Was hast du denn, meine Kleine, gefällt es dir nicht hier?“
Ich will zu meiner Mama!“ heulte das Mädchen auf und warf sich dem Engel in die Arme.
Bernd und Angela, die ihre Schwester gesucht hatten, standen traurig und betroffen neben den Beiden und auch ihnen liefen die Tränen über die Wangen.
Tapfer hatten sie ihre Sehnsucht nach den Eltern unterdrückt, doch bei dem Schmerz ihrer kleinen Schwester konnten auch sie sich nicht mehr zurück halten.
Tante Elfriede sah bestürzt von einem zum anderen.
Sie war etwas ratlos, doch dann stand sie entschlossen auf.
Mit Marnie auf dem Arm, winkte sie Bernd und Angela ihr zu folgen.
Sie flogen eine Wolke höher und standen plötzlich vor einem goldenem Tor.
Der Engel klopfte und das Tor öffnete sich wie von unsichtbarer Hand.
Elfriede ging zielstrebig mit den Kindern zu einer großen Kirche und bat die Kinder hier zu warten, während sie in einer Seitentür verschwand.
Es dauerte lange bis sie wieder kam, aber sie strahlte über das ganze Gesicht.
Ich habe mit dem Herrn gesprochen, ihr dürft wieder zurück zu euren Eltern.“
Jubelnd fielen die Kinder ihr in die Arme.
Einige Monate später bekam das Ehepaar Dorfner Drillinge. Zwei Mädchen und einen Jungen.

© Lore Platz