Mittwoch, 29. Mai 2019

Merle hat ein Geheimnis


 
(c) Helge T.



Das Frühstück sagt man sei die wichtigste Mahlzeit am Tag, denn es bringt Energie für den ganzen Tag.
Ob dies stimmt, weiß ich nicht, ich frühstücke gerne und halte mich dann auch an den Spruch:
Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein König und Abendessen wie ein Bettler.
Da ich Frühaufsteher bin und früh zu Bett gehe, entspricht das wohl meinem Lebensrhythmus.
Mein Mann konnte morgens nichts essen, nur eine Tasse Kaffee, nach der er dann langsam ansprechbar wurde.
Seine Hauptmahlzeit lag am Abend.
Trotzdem ist das Frühstück sehr wichtig, besonders für Kinder.
Doch viele Kinder gehen ohne Frühstück in die Schule und oft auch ohne Pausenbrot.
Viele Eltern denken gar nicht daran, dass das Frühstück wichtig für ihr Kind ist und schlafen oft noch, wenn das Kind aus dem Haus geht. Oder sie sind bereits in der Arbeit und das Kind ist allein für sein Frühstück verantwortlich und wenn auch der Kühlschrank voll ist, denkt es nicht daran sich etwas zu machen.
Uschi Glas hat vor Jahren zusammen mit ihrem Mann den Verein 'Brotzeit' gegründet.
Noch eine kleine Geschichte dazu
Viel Spaß beim Lesen




(C) Barbara W.




Merle hat ein Geheimnis


Vergnügt hüpft die neunjährige Merle in den Garten vor ihrem Elternhaus.
Die Mutter, die gerade vor einem Beet kniet sieht ihr lächelnd entgegen.
Du bist aber heute früh.“
Die letzte Stunde ist ausgefallen.“
Dann kannst du mir ja helfen,“ meint Frau Berger lächelnd.
Merle nickt fröhlich, stellt den Schulranzen ab und bald kniet sie neben ihrer Mutter.
Während sie beide die Pflanzen vom Unkraut befreien und die Erde rundum lockern, erzählt das Mädchen ihrer Mutter, dass sie sich als Patin für ein Kind aus der ersten Klasse gemeldet hat.
Das Mädchen heißt Susanne und Merle wird ihm helfen beim Lesen lernen und auch so wenn es nicht zurecht kommt.
Die Mutter freut sich über ihre so vernünftige Tochter.
Merle nimmt ihre Patenschaft sehr ernst. 
In der Pause setzt sie sich zu der sehr schüchternen Susanne und kümmert sich um sie.
Langsam fasst das kleine Mädchen Vertrauen zu ihr. 
Merle fällt auf, dass Susanne nie ein Pausenbrot dabei hat, aber sie denkt sich nichts dabei, denn vielleicht hat sie ja zuhause so gut gefrühstückt, dass sie keinen Hunger hat.
Doch eines Tages kommt sie etwas später in den Pausenhof und beobachtet Susanne die immer wieder ängstlich um sich blickend zu dem Papierkorb schleicht und dort herum wühlt.
Was machst du denn da?“ fragt Merle.
Susanne lässt das angebissene Brot, das es in der Hand hält erschrocken fallen.
Beschämt senkt sie den Kopf, ihr Wangen werden rot und in ihren Augen sammeln sich die Tränen.

Ich wollte nicht stehlen, aber ich habe gesehen, wie ein Mädchen ihr Brot weg geworfen hat und dann zum Kiosk gelaufen ist.“ stammelt sie.
Du hast Hunger.“
Susanne senkt noch tiefer den Kopf.
Komm mit!“
Merle nimmt ihr Patenkind an der Hand und setzt sich mit ihr auf die Bank, dann nimmt sie ihre Brotbox und reicht dem Mädchen ihr belegtes Brot.
Zögernd greift diese zu und dann verzehrt sie es voller Heißhunger.
Wann hast du denn zuletzt etwas gegessen?“
Gestern Abend, Mama hat nach der Arbeit Pizza mitgebracht,“ erzählt Susanne mit beiden Backen kauend.
Und dann erfährt Merle, dass die Mutter ihres Schützlings als Verkäuferin arbeitet und nebenbei noch putzen geht und oft zu müde zum kochen ist und auch das einkaufen vergisst.
Aber bitte, du darfst niemand davon etwa sagen, sonst kommen die vom Jugendamt und holen mich ab.“
Merle verspricht es, als sie in die angstvollen Augen von Susanne blickt.
Frau Berger aber wundert sich die nächste Zeit, weil Merle immer eine doppelte Portion ihres Pausenbrots verlangt.
Eines Tages stellt sie ihre Tochter zur Rede und nur langsam und zögernd erzählt Merle ihrer Mutter von Susanne und auch deren Angst, dass das Jugendamt sie ihrer Mama wegnehmen würde.
Unsinn, aber weißt du wo Susannes Mutter arbeitet?“
Im Kaufhaus Poldinger in der Parfümerie.“
Frau Berger geht gleich am nächsten Tag, kurz vor Ladenschluss in die Parfümerie und fragte nach Frau Hansen.
Während sie sich verschiedene Proben zeigen lässt und sich dann schließlich für einen Duft entscheidet, sagte sie leise zu der jungen Frau.
Hätten sie nach Feierabend etwas Zeit, ich würde sie gerne auf eine Tasse Kaffee gegenüber einladen, unsere Kinder sind befreundet.“
Nur zögernd nickt diese, doch als sie später dann in dem kleinen Cafe sitzen, fasst die junge Frau schnell Vertrauen zu Merles Mutter.
Und nun erfährt diese die traurige Geschichte.
Nach der Scheidung war sie mit Susanne hierher gezogen und brachte sich nun recht und schlecht durch.
Da ihr Mann keinen Unterhalt zahlte, war sie gezwungen noch nebenbei zu putzen, da das Gehalt einer Verkäuferin kaum reichte.
Als Frau Berger nun erzählt, dass Susanne immer hungrig in die Schule kommt, senkt deren Mutter beschämt den Kopf.
Ich bin oft so müde und auch verzweifelt, dass ich wohl nicht gut genug für mein Kind sorge,“ flüstert sie.
Frau Berger aber hat eine Idee.
Bereits ab dem nächsten Tag durfte Susanne nach der Schule mit Merle nach Hause.
Sie aßen zusammen Mittag, machten die Hausaufgaben und spielten und am Abend dann brachte Frau Berger Susanne zurück zu ihrer Mutter.
Frau Hansen die in Frau Berger eine Freundin gefunden hatte blühte auf und Susanne verlor ihre Schüchternheit und Traurigkeit.

© Lore Platz