Montag, 6. Februar 2023

Auch der letzte Lebensabschnitt hat noch schöne Stunden

 


 

 Auch der letzte Lebensabschnitt hat noch schöne Stunden


"Hast du meine Brille gesehen?", fragte Elli ihren Mann. Der grinste. "Du hast sie auf der Nase, liebe Elli!"
Elli grinste auch. "War ein Test!", sagte sie. "Ich wollte nur mal sehen, ob du mich ab und zu mal anschaust!"
"Das kann ja jeder sagen," schmunzelte Karl und betrachtete seine Frau liebevoll.
Wie gut sie noch immer aussah mit ihren sechzig Jahren.
Wenn er zurückdachte an seine Mutter, die ihm mit Fünfzig schon wie eine alte Frau vorgekommen war, kam er ins Grübeln. Er und Elli hatten ein wunderschönes Leben. Seine Mutter hingegen hatte ihr Leben lang nur gearbeitet, da sie ihn allein, ohne Vater, großgezogen hatte. War es ein Wunder, wenn sie dadurch schneller gealtert war? 
Sicher, allein schon die technischen Hilfen die heute Frauen zur Verfügung standen. Er konnte sich noch erinnern wie schwer allein der Waschtag für seine Mutter war. In großen Pötten die Wäsche kochen, dann herausziehen und in einem Waschbottisch immer wieder spülen.
Und heute warf man die dreckige Wäsche nur in die Maschine  und diese machte alles allein, man muss sie nur noch heraus holen und aufhängen oder gar in den Trockner werfen.
"Ach Elli, wir haben es doch gut, nicht wahr?", seufzte Karl und nahm ihre Hand. 
"Ja, Karl, das haben wir. Ich kann mich nicht beklagen!" Elli lächelte. Sie hatten wirklich ein gutes Leben.  Große Sprünge konnten sie sich nicht erlauben, aber sie hatten ihr Auskommen und das Wichtigste war: Sie liebten sich!
Und doch gab es etwas, das Elli unzufrieden machte. 

Seit die Kinder aus dem Haus waren fühlte sie sich gelegentlich unterfordert und es langweilte sie, dass die Tage sich glichen wie eineiige Zwillinge. 

Karl war seit ein paar Monaten als Rentner zu Hause und eigentlich war er immer da und wollte alles mit ihr zusammen machen. 

Das konnte schön sein, aber es engte sie auch ein in gewisser Weise. 
Früher hatte sie ihren eigenen Rhythmus im Tagesablauf, nun wuselte ihr Mann dauernd um sie herum. Obwohl sie ihn sehr liebte, störte es sie doch manchmal.
Irgendetwas musste sich ändern.
"Was hältst du davon, wenn wir beide einmal ein paar Tage verreisen?", fragte Elli. Karl schaute sie verwundert an.
"Du bist doch diejenige, die eigentlich ihr Zuhause nicht verlassen möchte, oder habe ich mich all die Jahre getäuscht?" 
"Das schon, aber wir beide stehen doch nun vor einem neuen Lebensabschnitt. Den sollten wir mit einer schönen Reise beginnen.
Mal abschalten und darüber nachdenken wie wir unser gemeinsames neues Leben gestalten wollen."
"Hm, eigentlich keine schlechte Idee."
"Dann streichen wir das Wort "eigentlich" mal aus unserem Vokabular und gehen die Sache gemeinsam an. Wohin sollen wir fahren?", lachte Elli. Sie stand auf und holte eine Zeitschrift aus dem Regal.
"Schau mal hier. Die bieten eine Reise für Senioren an, ganz billig, ein Wochenende in Konstanz, mit Besuch auf der Insel Mainau. Wäre das was für uns?" 
Karl studierte das Angebot, grinste und gab seiner Frau einen Kuss.
"Du bist die Beste! Weißt du ich war traurig als die Rente immer näher rückt, hatte Angst vor dem Leben nach dem Beruf. Aber nun zeigst du mir, dass es auch eine Chance ist, um all das nachzuholen, was man eingebunden in den Alltag nie machen konnte."
Elli sah ihn liebevoll an. "Verreist sind wir doch selten, anfangs fehlte es an Geld, dann kamen die Kinder und je mehr du in deinem Job aufstiegst, umso weniger Zeit hattest du und wolltest nur noch deine Ruhe."
"Es war ja auch anstrengend!", verteidigte sich Karl. "Doch, das ist ja nun Schnee von gestern. Lass uns nach vorn blicken!", schlug er vor.
Bereits eine Stunde später hatten die beiden die Reise gebucht und es begann die Zeit der Vorfreude. 
Einige Tage später dann warteten sie am Busbahnhof. 
Der Platz füllte sich mit immer mehr  Menschen in ihrem Alter.
Elli stieß Karl in die Seite.
"Sind das nicht Herr und Frau Baumgartner aus unserer Straße?"
Das Ehepaar hatte sie nun entdeckt und kam freudestrahlend auf sie zu.
"Wie schön bekannte Gesichter zu sehen."
Der Bus fuhr ein und zischend öffnete sich die Tür. Der Fahrer sprang heraus und begann das Gepäck zu verstauen.
Wenig später saßen alle im Bus. 
Das Ehepaar Baumgartner ergatterte einen Platz gegenüber von Elli und ihrem Mann.
"Wir haben uns ziemlich kurzfristig entschlossen, mitzufahren, denn nun da Peter im Ruhstand ist, haben wir uns vorgenommen öfter zu verreisen," erklärte Frau Baumgartner.
Elli nickte verstehend.
"Wir auch. Endlich mal Zeit für uns."
In Koblenz folgten sie wie Lemminge der Reiseleiterin ins Hotel. Bald hatten alle ihre Zimmer bezogen. 
Zum Abendessen traf sich die Reisegesellschaft im Speisesaal,bald 
hatten sich Gruppen gebildet und es war selbstverständlich, dass Baumgartners mit Elli und Karl zusammen an einem Tisch saßen.
Später bei einem Gläschen Wein tranken sie Brüderschaft.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück ging es zum Landesteg.
Die Reiseleitern flatterte aufgeregt  um sie herum und drückte jedem die Fahrkarte in die Hand.
"Sie umkreist uns wie der Hütehund die Herde," kicherte Elli.
Linda, Peter und Karl grinsten.
Die Fahrt über den Bodensee war wunderschön und viel zu schnell vorbei.
Am Landesteg stand die Reiseleiterin und drückte jedem die Eintrittskarte in die Hand teilte ihnen mit, dass die Rückfahrt um achtzehn Uhr sei und sich die Gruppe hier am Landungsteg pünktlich einzufinden hätte.
Elli kam es vor als würde sie das Paradies betreten. Eine Vielfalt von Blumen in allen Farben breitet sich vor ihnen aus.
Mitten auf dem Rasen stand ein großer wunderschöner Pfau ganz aus Blumen geformt. 
Es gab noch mehr Kunstwerke, drei Entchen schwammen im Kreis in einem See aus Blumen. Ein Zwerg sah beschaulich in die Gegend und aus einem alten Auto wuchsen aus Motorhaube, Kofferraum und Fenstern grüne Pflanzen.
Die Männer witzelten, dass sie künftig ihr Auto nicht mehr verschrotten, sondern es in den Garten stellen und bepflanzen.
Sie schlenderten nun über die Insel, atmeten tief den Duft der Rosen, die es in 1000 Formen gab, ein. 

Daneben gab es Zitrusfrüchte und Dalien und auch alle Arten von Kakteen konnte man begutachten.
Die beiden Frauen zückten immer wieder die Fotoapparate und stießen bewundernde, begeisterte Rufe aus.
Die Männer aber begannen zu maulen, die Füße taten ihnen weh und sie hatten Hunger.
Also suchten sie eins der vielen Cafes auf.
Nach einem leckeren Essen, einem gemütlichen Glas Bier für die Herren und einer Tasse Kaffee für die Damen schlenderten die vier wieder über die wunderschöne Insel.
Es gab ja noch soviel zu sehen. 

 



Das Schmetterlingshaus gefiel auch den Herren, die der vielen Blumen doch leicht überdrüssig waren.
Bald war es Zeit zum Landesteg aufzubrechen und als sie mit dem Schiff über den Bodensee zurück nach Konstanz fuhren, waren sie sich einig einen  schönen Tag erlebt zu haben.
Später auf der Terrasse ihres Hotels bei einem Glas Wein gelobten sie sich, ihre Freundschaft auch weiterhin zu pflegen und gemeinsam kleine Reisen miteinander zu unternehmen.
Versonnen ließ Elli den Blick über den Bodensee schweifen und dachte:
'Auch der letzte Lebensabschnitt hielt noch schöne Stunden bereit.'

  Lore Platz





Als der Winter nicht weichen wollte

 



Lena sah, das Gesicht in beide Hände gestützt, aus dem Fenster. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. Oma Emma trat neben sie. "Was ist los meine Kleine?" "Gestern als wir alle spazieren gingen, war es doch so herrlich warm und überall haben schon die Blumen aus der Erde geguckt und Papa hat zu Mama etwas von Frühlingsgefühlen gemurmelt." Omas Lippen zuckten, auch sie hatte ihren Schwiegersohn gehört. Lena aber klagte weiter, und heute schneit es und alle die Blumen werden erfrieren." "Keine Bange," tröstete die Oma, " das ist nur noch ein kurzes Aufbäumen des Winters und die Blumen sind stärker , als sie aussehen. Doch vor vielen vielen Jahren, da wollte der Winter überhaupt nicht weichen. Möchtest du die Geschichte hören?" Lenas Augen leuchteten auf. Schnell holte sie das Fußbänkchen, schob es neben den Sessel der Oma, setzte sich und lehnte ihren Kopf an Omas Knie.

 

 


Als der Winter nicht weichen wollte

Der April ging schon seinem Ende zu und immer noch tobte  der Winter durch das Land und begrub alles unter seiner weißen Pracht. Er wollte einfach weiter herrschen und nicht weichen, Dabei bemerkte er gar nicht wie müde die Schneeflocken waren. Sie sehnten sich nach ihrem kuscheligen weichen Wolkenbett, um endlich ihren Sommerschlaf zu halten. Auch die Erde litt unter dem langen strengen Winter. Die grünen Triebe an den Bäumen wagten sich nicht heraus und die Blumen waren wieder in der Erde versunken, denn es war viel zu kalt und die Tiere fanden kein Futter. Und auch die Menschen sehnten sich nach den wärmenden Sonnenstrahlen, denn der listige Winter hatte seine zwei dicksten Schneewolken vor dem Haus der Sonne plaziert, damit diese nicht auf die Erde gelangen konnte.

 


Eines Tages versammelten sich die Tier und gingen zu Mutter Erde, um sich über den Winter zu beschweren.Auch diese hatte das Geschehen  mit großer Sorge beobachtet. Zusammen mit dem Frühling ging sie zu dem Winter. Sie hatte bemerkt , dass die Helfer des Winters müde und unzufrieden waren und sich nach ihrem Sommerschlaf sehnten, dies erzählte sie unterwegs dem Frühling, denn das war ihre Chance, den Winter zu besiegen. 

Der Winter fläzte sich auf  seinem Thron und grinste ihnen spöttisch entgegen. "Ich weiß schon was ihr wollt und sage nein!"

Mutter Erde appellierte an seine Vernunft. "Du kannst nicht länger auf der Erde bleiben, Tiere und Planzen werden sterben und mit ihnen die Menschen."

"Pah, die Menschen! Haben die daran gedacht, dass sie mich mit ihren giftigen Dämpfen jahrelang hier oben gefangen gehalten haben! Und da ich endlich wieder auf die Erde kommen konnte, habe ich beschlossen auch hier zu bleiben."

"Dann bist du nicht besser wie die Menschen," brüllte der Frühling, denn du hinderst mich, den Sommer und den Herbst daran auf die Erde zu kommen!" Der Winter zuckte nur mit den Schultern, was den Frühling noch wütender machte. Die beiden begannen zu streiten.

Mutter Erde hörte sich das eine Weile an, dann ging sie dazwischen. Sie schlug den beiden einen Wettkampf vor. Wer von den beiden innerhalb drei Tagen die Herrschaft über die Erde erlangte, der hatte gesiegt. Natürlich erinnerte sich der Frühling an das Gespräch mit ihr und sagte sofort zu. Der Winter zierte sich noch ein wenig und warf einen listigen Blick auf Mutter Erde. Er würde zustimmen unter der Bedingung, dass Mutter Erde sich nicht einmischte. Diese versprach es.Nun begann ein erbitterter Kampf.

Der Winter trieb seine Helfer noch mehr an und der Frühling forderte die Bäume auf sich gegen den Schnee kräftig zur Wehr zu setzen.Dann bat er die Tiere sich im Schnee zu wälzen, damit sie durch ihre Körperwärme diesen zum schmelzen  brachten, selbst die großen Bären weckte er aus dem Winterschlaf. Aus den vom Schnee befreiten Flächen kamen die Pflanzen hervor, doch als der Winter über sie brauste und eine Ladung Schnee fallen ließ, krochen sie wieder zurück.

Es war ein aussichtsloser Kampf und dem Frühling wurde klar, dass er ohne die Sonne nichts erreichen konnte. Also ging er zum Nordwind, den er als vernünftigen Gesellen kannte. Er schilderte, was der Winter vorhatte und erzählte ihm auch von dem Wettkampf, den Mutter Erde vorgeschlagen hatte und bat ihn die Sonne zu befreien.

Der Nordwind machte sich auf den Weg, um mit den beiden Schneewolken zu sprechen. Nun Wolken sind eigentlich sehr gutmütige, aber auch sehr einfältige Wesen. Sie hörten freundlich lächelnd dem Nordwind zu, weigerten sich aber ihren Platz zu verlassen. Befehl war Befehl!

 

 


Die Sonne aber hatte dem Gespräch gelauscht. Sie rief alle ihre Kinder und gemeinsam begannen sie die Wolken zu kitzeln, bis diese kichernd auseinander rückten. Dann stürzten sie auf die Erde und verwandelten den Schnee in Wasser und halfen so den Schneeflocken zurück in ihre Wolkenbetten. Sie strichen über die Bäume und lockten die ängstlichen Triebe heraus. Ihre  Strahlen erwärmten die Erde und Blumen und Gräser kamen nach oben. Die Vögel zwitscherten, Hasen schlugen Purzelbäume und die Eichhörnchen sausten wirbelnd von Baum zu Baum. Die Welt fing an zu blühen und die Menschen verließen ihre Häuser und sangen und tanzten.

Der Frühling hatte gewonnen! Der Winter aber gähnte laut und ungeniert und schlief auf seinem Thron ein.

Lena hob den Kopf. "Das war eine schöne Geschichte." Die Oma fuhr ihr liebevoll über das Haar. " Du wirst sehen, der Frühling wird auch diesmal gewinnen."

 

(C) Lore Platz



Donnerstag, 2. Februar 2023

Ein Geschenk zum Verlieben










Ein Geschenk zum Verlieben


Das fröhliche Klingeln einer Fahrradglocke ließ die alte Dame, die vor einem Gemüsebeet kniete, aufblicken.
Du bist aber heute früh, mein Kind,“ lachte sie ihre Enkelin vergnügt an.
Durfte früher gehen, dafür habe ich aber eine Mammutaufgabe von meinem Chef bekommen.“
Franziska, kurz Franzi genannt, verzog das Gesicht und nahm den Kopf Salat entgegen, den die Oma ihr reichte.
Zusammen gingen sie ins Haus.
Während die alte Frau den gefüllten Schweinebraten übergoss und dann die Knödel ins Wasser legte, zerpflückte Franzi mit flinken Fingern den Salat.
Als ihre Eltern starben kam die damals Zwölfjährige zu ihrer Großmutter und dann als sie die Wirtschaftsschule erfolgreich abgeschlossen hatte, bekam sie die Stelle auf dem hiesigen Rathaus.
Mittlerweile war sie so etwas wie die rechte Hand des Bürgermeisters, Franzi bezeichnete sich aber „als Mädchen für alles“.
Weißt du was er,“ damit meinte sie ihren Chef, „mir wieder aufgedrückt hat. Ich soll für die da oben auf dem Berg ein Geburtstagsgeschenk besorgen.“
Die alte Frau wusste, wen sie meinte.
Auf dem Berg stand die Villa des längst verstorbenen Fabrikanten Kleinholz. Vor ungefähr zwei Jahren hatte seine Tochter nach dem Tode ihres Mannes die Villa wieder bezogen und lebte nun mit einer alten Haushälterin allein in dem riesigen Haus.
Was soll man denn einer Frau schenken, die schon alles hat?“ stöhnte das junge Mädchen.
Warum will der Bürgermeister das überhaupt?“
Weil sie und ihr Mann berühmte Forscher waren und am selben Tag doch die 500 Jahresfeier unseres Ortes ist.
Und du weißt ja unser Bürgermeister will unseren Ort berühmt machen und der 70igste Geburtstag einer so berühmten Einwohnerin, das ist doch das gefundene Fressen für ihn. Wäre mir auch alles wurscht, wenn er nur nicht mich mit der Suche nach einem Geschenk beauftragt hätte.“
Franzi zog ein ulkig verzweifeltes Gesicht und ihre Oma lachte herzlich.
Oma, ihr beide seid doch im selben Alter, kannst du mir denn keinen Tipp geben?“
Frau Hermes schüttelte den Kopf und meinte:
Weißt du die da oben auf dem Berg, die waren immer für sich und Magda hat auch nicht die Dorfschule besucht, sondern hatte einen Privatlehrer, später kam sie dann ins Internat und ging dann in G. auf die Universität, dort hat sie dann ihren Professor, der zwanzig Jahre älter war, geheiratet und sie sind in alle Herren Länder auf Forschungsreisen gegangen.
Sie war fast vierzig als sie schwanger und die Beiden sesshaft wurden.“
Dann gibt es also ein Kind, aber es hat seine Mutter bisher noch nicht besucht, lebt es denn noch?“
Ach der Professor war ein ungemein schwieriger Mensch und fast sechzig, als der Junge geboren wurde.
Ich hörte munkeln, dass es ein Zerwürfnis zwischen den beiden gab. Aber weißt du was, frag doch die alte Leni, ihre Haushälterin, die war damals die Kinderfrau des Jungen.Vielleicht kann sie dir auch helfen bei einem Geschenk. Aber nun deck den Tisch, die Knödel sind fertig.“
Am nächsten Vormittag wartete Franzi in der Nähe der Villa und als sie Leni mit den Einkaufstaschen den Berg herauf kommen sah, eilte sie ihr entgegen und half ihr beim Tragen.
Sie folgte der Alten in die geräumige Küche.
Moagst an Kaffää?“
Franzi nickte und dann fing sie vorsichtig an die Leni auszufragen.
Dazu brauchte es gar nicht viel, denn Leni redete für ihr Leben gern, war es doch sehr einsam hier in der Villa für sie.
Ja woast, der gnädige Herr war hoalt a ganz extraer, war eben a Wissnschaftler und seine Vorträg waren voller Brillianten.“
Franzi sah sie verblüfft an, hatte der Professor denn mit Edelsteinen zu tun, dann dämmerte es ihr, dass die gute Alte wohl „Brillianz“ meinte.
Das bestätige sich dann, denn die Leni stand mit Fremdwörtern auf Kriegsfuß.
Ja, der war ganz a Gscheider, aber a schwierig, die gnä Frau hoats net immer leicht ghabt mit eam, trotzdem , is sie sehr melandolisch“ – Franzi registrierte bei sich, dass sie wohl melancholisch meinte – „ seit er doat is, aber des is woi a weger dem Tobias“.
Leni schnäuzte sich kräftig und wischte sich die Tränen aus den Augen und dann erzählte sie von dem lieben Bub, der nach einem bösen Streit mit seinem Vater fortgegangen war. Wissenschaftler sollte er werden, aber er wollte Kunst studieren, jetzt sei er ein gefragter Resttadeur.
Franzi grinste, die Gute meinte wohl Restaurator.
Sie erfuhr nun, dass Leni mit ihrem Bub seit zehn Jahren in Verbindung stand, doch die Gnädigen durften davon nichts wissen.
Franzi kam eine Idee und die teilte sie gleich der guten Alten mit.
Sie wollte den Tobias ausfindig machen und ihn zum Geburtstag seiner Mutter einladen, das wäre doch ein tolles Geschenk.
Leni schlug die Hände zusammen.
Döes wär a Freid für die Gnädige, denn sie hoat sehr under dem Streit glitten, aber gegen den Professor kams net oa, der war ja so vuil älter wia sie und hoats oft bhandlt wie a kloans Kind.“
Franzi fragte nach der Adresse von Tobias van der Meeren und Leni gab sie ihr.

Zuhause setzte sich das junge Mädchen sofort an den Computer und recherchierte.
Gleich am nächsten Tag machte sie sich auf den Weg, denn das schien ihr sicherer, als zu schreiben.
Ein junges hübsches Mädchen saß in dem Büro der Firma van der Meeren und erklärte auf ihre Frage, der Chef wäre in der Werkstatt.
Franzi betrat diese und blieb einen Moment stehen und beobachtet den jungen gutaussehenden Mann,  der tief versunken über einem alten Schreibtisch stand vorsichtig mit einem Pinsel darüber fuhr.
Jetzt richtete er sich auf und bemerkte das junge Mädchen, das ihn fasziniert betrachtete.
Hallo!“ Er grinste und Franzi spürte plötzlich ein Kribbeln im Bauch.
Einen schönen Gruß von der Leni!“
Der junge Mann wurde ernst. „Geht es ihr gut, ist alles in Ordnung?“ fragte er besorgt.
Ja, ja, aber ich hätte gerne mit ihnen über ein besonderes Anliegen gesprochen, nichts berufliches, eher privat.“
Nun wurde Franzi doch verlegen und überlegte, ob das ganze nicht doch eine verrückte Idee war.
Sie drehte sich um und wollte gehen.
Doch da wurde sie am Arm gepackt und festgehalten.
Jetzt haben sie mich neugierig gemacht, also was ist los?“
Ehe sich das Mädchen versah, saß sie auf einem Stuhl, einen Kaffeebecher in der Hand und blickte in die erwartungsvollen Augen des jungen Mannes, der ihr Herz soviel schneller schlagen ließ.
Sie wusste nicht wie sie anfangen sollte, doch dann sprudelte sie die ganze Geschichte heraus.
Der siebzigste Geburtstag seiner Mutter, der Auftrag des Bürgermeisters wegen eines Geschenkes und dass sie bei der Leni sich Hilfe holen wollte, diese dann von ihm erzählt und sie beide beschlossen hätten, ihn als Geschenk zu überbringen.
Eine Weile blieb es still und Franzi wagte nicht ihr Gegenüber anzusehen.
Plötzlich fing dieser zu lachen an.
Ich soll also ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter sein, wollen sie mich einpacken und eine große rote Schleife um mich binden?“
Franzi wurde flammend rot und stammelte.
Entschuldung, es war eine dumme Idee.“
Der junge Mann wurde ernst und nahm ihre Hand.
Nein, so dumm war die Idee gar nicht, Leni will schon längst, dass ich mich mit meiner Mutter versöhne, aber ich habe es bisher nicht geschafft.
Vielleicht ist dies eine gute Gelegenheit.
Wissen sie, meine Eltern waren schon sehr alt, als ich zur Welt kam und beide Wissenschaftler, die mit einem kleinen Kind wenig anfangen konnten. So war ich meist Leni überlassen und ohne sie, wäre meine Kindheit sehr lieblos geworden. Ich mache meinen Eltern keinen Vorwurf, sie konnten wohl nicht anders. Mein Vater nahm erst von mir Notiz, als ich nach dem Abitur aus dem Internat kam. Er wollte, dass ich in seine Fußstapfen trete, doch das machte ich nicht mit. Ich wollte Kunst studieren. Das hat uns entzweit und von da ab existierte ich nicht mehr für ihn.
Ich zog aus, finanzierte mein Studium selbst, durch Nebenjobs. Und dann bekam ich einen Job als Aushilfsfahrer bei einem Restaurator und dessen Arbeit faszinierte mich. Ich wusste nun was ich werden wollte.
Als mein Vater starb hatte ich gerade einen Auftrag in Amerika und konnte nicht zur Beerdigung kommen. Irgendwie tut es mir leid, dass ich mich vor seinem Tod nicht mehr mit ihm versöhnt habe. Ich möchte nicht, dass dies auch mit meiner Mutter geschieht und Leni bittet mich schon lange, doch endlich zu kommen, aber bisher fand ich nicht den rechten Mut. Vielleicht aber ist ihr Geburtstag die Gelegenheit, vorausgesetzt sie verzichten auf die rote Schleife.“ grinste er.
Als Franzi sich auf den Weg machte sang sie vergnügt und seltsamerweise handelten alle Lieder von der Liebe.
Die Festgäste waren alle eingetroffen und Franzi blickte immer wieder zum Eingang. Würde er auch kommen?
Da sah sie ihn und ihr Herz begann freudig zu schlagen.
Schnell schlängelte sie sich durch die Tischreihen zum und zog ihren Ehrengast aus dem Festzelt.
Wie schön, dass sie gekommen sind, warten sie, ich muss sie erst anmelden.“
Und schon lief sie zurück zur Bühne, klopfte an das Mikrofon und erzählte nun in launigen Worten, wie der Bürgermeister ihr aufgetragen hatte für ihren Ehrengast ein Geschenk zu suchen.
Liebe gnädige Frau van der Meeren, sehen sie bitte zum Eingang, dort kommt ihr Geschenk.“
Alle Augen wandten sich dem Zelteingang zu, durch das jetzt Tobias van der Meeren trat.
Leni quietschte und legte beide Hände aufs Herz und Frau van der Meeren wurde abwechselnd rot und blass.
Sie stand auf und eilte ihrem Sohn entgegen.
In der Mitte trafen sie sich und lagen sich weinend in den Armen.
Ringsum herrschte Stille und manche Träne floss, dann aber brauste Beifall auf.
Franzi aber setzte sich still neben die Oma und über ihre Wangen liefen die Tränen.
Später holte Tobias sie und ihre Oma an ihren Tisch.
Als Franzi dann alle Pflichttänze mit den Honoratioren hinter sich hatte, wobei ihr der dicke Bäcker Strudel kräftig auf die Zehen trat, konnte sie mit dem geliebten Mann über die Tanzfläche wirbeln.
Drei Augenpaare beobachteten sie und Leni sprach aus, was die anderen zwei sich dachten.
O mei, is des a schens Paar und wia verliabt s si oschaun.
Deee passn guat zsamm!“

© Lore Platz

Anmerkung: 
Ich hoffe ihr versteht den bayrischenKauderwelsch von Leni!




Karneval in Venedig




Als ich vor kurzem einige wundervolle venezianische Masken sah, war meine Neugier geweckt und ich wollt mehr über diesen Karneval in Venedig erfahren.
Also rein ins Internet.
Übrigens eine feine Sache dieses Internet.
Wenn ich früher bei der Hausaufgabenbetreuung meinen „Kindern“ bei einem Referat half, wie viele Bücher musste ich da wälzen und nun brauche ich nur im Computer eingeben was ich wissen will und sofort habe ich eine Fülle von Informationen.

Aber zurück zum Karneval.
Im Jahr 1094 wurde der „Carnevale di Venezia“
zum ersten Mal von dem Dogen Vitale Falier in einer seiner Schriften erwähnt.
Nach christlicher Auslegung deutet es auf die letzte Nach vor der Fastenzeit hin.
Carne vale = Fleisch lebe wohl“
Ursprünglich aber war es ein Fest zum Einzug des Frühlings.
Erst 1420 bekam es die heutige Bedeutung.
Der damalige Doge ließ zu Ehren des Sieges der Venezianer über das nördliche Aquileia eine Feier abhalten.

Dabei wurde ein Ochse und 12 Schweine, als Symbol für die feindlichen Aquileia geschlachtet.

Diese Feier wurde dann jedes Jahr wiederholt und wurde zu einem wahren Volksfest.
Während der Karnevalstage wurde die strenge Hierarchie der Dogen aufgehoben und jeder Bürger ob arm oder reich war offiziell gleichgestellt.
Unter diese vorgegaukelte Gleichstellung fiel natürlich die Meinungsfreiheit und so entstanden die Straßentheater, wie die „Commedia dell`Arte“.



Im Schutz der Masken wurde das öffentliche Leben auf lustige Art dargestellt und auch kritisiert.
Gaukler, Narren, Quacksalber, Hellseher und Akrobaten traten auf und der Karneval in Venedig war geboren.




Im 18ten Jahrhundert dauert der Karneval oftmals bis zu sechs Monaten und einer der Höhepunkte waren die prachtvollen Gondelumzüge der Adeligen.
Aber wie immer, wenn man die Dinge übertreibt, dann arten sie aus.
Die Sitten wurden immer zügelloser und die Späße im Schutz der Masken immer derber.
Deshalb ließ Napoleon den Karneval verbieten.



Erst 1979 wurde er von findigen Geschäftsleuten wieder entdeckt und sie kurbelten damit die Wirtschaft in Venedig an.
Kostüm- und Maskenhersteller boomten und die Hotels waren zur Karnevalszeit ausgebucht.
Venedig entwickelte sich zur Hochburg des Karnevals in Europa und zieht noch heute viele Besucher an.