Sonntag, 3. Februar 2019

Die Herausforderung



Mit dieser Geschichte wünsche ich einen schönen Sonntag aus dem verschneiten Bayern.
Viel Spaß beim Lesen!






Die Herausforderung


Larissa ist ein richtiger Wildfang, und handelt oft unüberlegt, besonders wenn man sie herausfordert.
Dabei kann sie aber auch anschmiegsam sein, besonders wenn sie etwas will.
Bei Oma Inge klappt das besonders gut, sie kann der kleinen Schmeichelkatze nichts abschlagen und wird von ihrer Tochter deshalb oft getadelt.
Doch ihre Mutter lacht nur: „Omas dürfen das, denn für die Erziehung bist ja nun du zuständig.“
Ihr Tochter seufzt nur: „Wenn das immer so einfach wäre, manchmal habe ich richtig Angst, dass ihr etwas schreckliches passiert, sie ist erschreckend tollkühn und stürzt sich in Abenteuer, ohne lange zu überlegen.“
Oma Inge kichert: „Das hat sie wohl von mir, denn wenn ich mich erinnere war mir auch kein Baum zu hoch, keine Mauer zu gefährlich, und auch kein See zu tief.“
Liebevoll umarmt sie ihre Tochter: „Kinder haben einen Schutzengel.“
Dann hoffe ich, dass er auch bereit ist für meine Tochter Überstunden zu machen und nicht vor Erschöpfung einschläft!“

Die Sportstunde ist vorbei und Larissa schlendert schlecht gelaunt mit ihren Freundinnen Melanie und Nina über den Schulhof.
Sonst immer die Beste im Sport, ist sie heute dreimal beim Balancieren über den Balken abgerutscht und hat nur eine zwei bekommen und die verhasste Nelly hat als einzige eine Eins bekommen und zu allem Überfluss ihr noch ein
triumphierendes Lächeln zugeworfen.
Da kommt sich auch schon direkt auf sie zu.
Vor den Freundinnen bleibt Nelly stehen.
Heute hat es ich ja herausgestellt, wer von uns beiden die Beste ist.“
Larissa funkelt sie an. „Ich hatte heute nur einen schlechten Tag!“
Ach ja, die Trauben hängen viel zu hoch,“ spottet Nelly.
Larissa ballt die Fäuste.
Gut, dann komm heute Nachmittag um 15 Uhr zur alten Ruine, wollen doch sehen, wer besser balancieren kann.“
Bei der alten Ruine handelt sich um eine verfallene Burg.
Das Betreten des Geländes war verboten, da immer wieder Steine aus dem baufälligen Gebäudes sich lösten und herunter polterten.
Dies hielt aber die Kinder nicht ab, denn die alte Ritterburg war ein beliebter Spielplatz.

Larissa und ihre Freundinnen schlüpfen neben dem „Vertreten verboten“ Schild durch die Absperrung.
Von Nelly ist noch nichts zu sehen.
Die kneift bestimmt,“ lacht Larissa spöttisch und mustert die Mauer der Burg.
Da kommt Nelly aber schon den Hang herauf und schlüpft durch das Absperrband.
Hier bin ich!“
Larissa dreht sich um, dann weist sie auf eine schmale Mauer, die zwei Türme verbindet.
Dort oben werden wir balancieren!“
Nina und Melanie keuchen entsetzt auf und auch Nelly wird blass.
Larissa hebt die Augenbrauen. „Wenn du natürlich Angst hast?“
Nelly hebt den Kopf: „Wer geht als erster!“
Ich, da ich der Herausforderer bin,“ ruft Larissa und verschwindet in dem Gebäude.

 
(c) meine Tochter

Bald steht sie oben auf der Mauer und winkt ihnen zu.
Gespannt sehen die drei Mädchen, wie Larissa über den schmalen Steg balanciert.
Ein Stein bröckelt aus der Mauer und fällt poltern nach unten
Larissa schwankt, hebt die Arme, wankt hin und her und stürzt ab!
Ein dreifacher Aufschrei ertönt und entsetzt schauen die Mädchen auf die große Eiche, in der Larissa leblos hängt.
Nina schlägt die Hände vor Gesicht und heult laut los.
Melanie steht starr vor Schreck.
Nur Nelly behält die Nerven, holt ihr Handy aus der Tasche und verständig die Feuerwehr.

Die Sonne scheint durch das große Fenster und beleuchtet das weiße sterile Krankenzimmer.
Larissa liegt im Bett und betrachtet missmutig ihren gebrochen Fuß, der in einer Schlinge hängt.
Drei Wochen musste sie noch hier bleiben, bis sie endlich einen Gehgips bekam.
Drei langweilige endlose Wochen und ihre Mutter hatte sich geweigert ihr Handy zu bringen.
Es klopft an der Tür und Oma Inge kommt herein.
Larissa strahlt.
Du machst ja schöne Sachen, hast uns ja einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“
Liebevoll umarmt sie ihre Enkelin.
Bleibst du länger?“
Solange, bis du deinen Gehgips bekommst und wieder nach Hause darfst. Kann mir vorstellen, dass es hier recht langweilig für dich ist.“
Und ob, besonders da Mama sich weigert, mir mein Handy zu bringen, dabei könnte ich damit Spiele spielen und Filme anschauen.“
Da muss ich deiner Mama aber recht geben, und das nicht nur, weil ich diese neumodischen Dinger nicht leiden kann.
Du hattest eine schwere Gehirnerschütterung und sollst deine Augen noch nicht anstrengen.“
Aber mir ist doch soooo langweilig!“
Deshalb habe ich mich ja auch sofort in den Zug gesetzt, damit ich dich jeden Vormittag besuchen kann und ich habe auch schon einige Bücher dabei, aus denen ich dir vorlesen werden.
Und einige Spiele habe ich auch eingepackt und...“
Sie zieht aus ihrer großen umfangreichen Tasche eine Tupperdose heraus und reicht sie dem Mädchen.
Larissa löst den Deckel und jubelt:
Milchreis!“
Oma Inge grinst. „ Ja, mein berühmter Milchreis, den du so gerne magst, mit einem extra Schuss Sahne. Ach ja und hier ...“.
Sie kramt wieder in der Tasche und holt ein Einmachglas heraus.
Hier habe ich noch mein selbst gemachtes Pflaumenmus mitgebracht, nun lass es dir gut schmecken.“
Während Larissa begeistert die Leckereien löffelt, denn an einen Löffel hatte Oma natürlich auch gedacht, liest ihr diese eine Geschichte von den „Fünf Freunden“ vor.
Obwohl diese Geschichte aus der Zeit stammt, als Oma noch jung war, gefällt sie Larissa sehr gut.
Später spielen sie dann noch „Mau Mau“ und wie im Flug vergeht die Zeit.
Oma verabschiedet sich und verspricht morgen früh wieder zu kommen, denn am Nachmittag kommt die Mutter mit Tommy ihrem Bruder.
Larissa umarmt die Oma und flüstert, „ ich habe dich lieb“.

Der kleine Tommy freut sich seine Schwester zu sehen, aber bald wird er quengelig und darum wird der Besuch der beiden nur kurz.
Larissa lehnt sich im Bett zurück und sieht aus dem Fenster, da klopft es wieder an der Tür und Nina und
Melanie betreten das Zimmer.
Larissa strahlt.
Wir durften erst heute kommen, da du ja eine schwere Gehirnerschütterung hattest.“ meint Melanie und drückt Larissa ein Geschenk in die Hand.
Nina legt auch einige in Buntpapier verpackte Päckchen auf das Bett.
Das in Goldpapier ist von mir und das andere von Frau Roth und der ganzen Klasse.“
Während Larissa die Geschenke auspackt erzählen die Mädchen von der Schule.
Melanie verstummt plötzlich und räuspert sich.
Draußen im Flur ist noch jemand und möchte dich besuchen.“
Es ist, es ist Nelly!“ ruft Nina.
Larissa bleibt eine Weile stumm und ihre Freundinnen schauen sie verlegen an.
Larissa lächelt.
Warum kommt sie nicht herein? Hat sie Angst vor mir?“
Nein sie hat ein schlechtes Gewissen, sie fühlt sich schuldig an deinem Unfall.“
Holt sie herein!“
Nina läuft los und bald steht eine sehr verlegene Nelly am Krankenbett und reicht ihr ein Päckchen.
Larissa grinst sie an.
Weißt du, an meinem Unfall bin nur ich und mein Dickkopf schuld, sonst niemand.“
Na, ja, aber wenn ich dich nicht herausgefordert hätte …?“
Vergessen wir es, wollen wir Freundinnen werden.“
Nelly strahlt.
Die Mädels quatschen nun und berichten auch was sie in der Schule neues gelernt haben.
Das macht Larissa keine Sorge, das würde sie schnell wieder aufholen nur in Mathe, nicht ihr bestes Fach.
Was habe ihr denn in Mathe neues gelernt?“
Wurzel ziehen!“
Iiiiihhhhhh, das klingt ja wie beim Zahnarzt!“
Die Mädchen kichern.
Ich könnte es dir beibringen,“ meint Nelly, die in Mathe eine Eins hat.
Wie wäre es, wenn wir alle drei jeden Nachmittag hier her kommen und gemeinsam die Hausaufgaben machen!“
schlägt Melanie vor.
Alle sind einverstanden.
Larissa betrachtet lächelnd ihre Freundinnen.
Wir sind wie die vier Musketiere“
Die Mädchen jubeln und klatschen ihre Hände aufeinander.
Einer für Alle, Alle für Einen!“


© Lore Platz