Freitag, 19. April 2024

Das Gespenst im Turm


Mit der heutigen Geschichte wünsche ich euch ein schönes gemütliches Wochenende.
Viel Spaß beim Lesen!


 
(c) Irmgard Brüggemann


Das Gespenst im Turm


Etwas abseits vom E. war ein altes halb verfallenes Kloster. Im Krieg flohen die Mönche oder wurden ermordet.
Seitdem stand es leer und die Gebäude sind zerfallen und die Mauer bröckelte immer mehr ab.
Nur der Turm ragte noch fest und aufrecht in die Gegend und beherbergte eine Glocke, die man nicht mehr läuten konnte, da der Strang beseitigt worden war.
Der Bürgermeister wollte diesen Schandfleck schon längst entfernen, aber das Grundstück gehörte der Kirche.
Nun sollte es dort auf einmal spuken.
In der Nacht tönte ganz leise die eherne Glocke und der alte Xaver behauptete steif und fest, das Gespenster mit riesigen Flügeln ihn gejagt und an seinen Haaren gezerrt hätten.
Die Meisten scherzten darüber und spotteten, der Alte habe mal wieder zu tief ins Glas geschaut und sah nun Gespenster, doch einige glaubten daran und schlugen ein Kreuz, wenn sie an dem Kloster vorbei mussten.
Auch auf dem Schulhof wurde heftig darüber diskutiert.
Alexander, Bertram und Rudi, steckten die Köpfe zusammen und diskutierten über das Gespenst.
Das wäre doch ein Aufgabe für den Sherlock Club,“ meinte Bertram begeistert.
Er war ein großer Fan von Sherlock Holmes und hatte ihren Club nach dessen Namen benannt.
Bertrams Vater hatten ihnen sein altes Gartenhaus als Clubhaus gespendet und dort trafen sie sich nachmittags immer, hingen herum, spielten Play Station, hörten Musik oder träumten von großer Detektivarbeit, besonders Bertram.
Doch leider war das Einzige was hier mal passiert war, dass der Dackel Lumpi vermisst wurde und die Kinder ihn aus einem Dachsbau befreien mussten.
Mensch das wäre doch super, wenn wir das Gespenst entdecken und vergraulen würden, ereiferte sich Bertram und steckte seine Freunde mit seiner Begeisterung an.
Herr Erdenreich stand plötzlich hinter ihnen.
Was heckt ihr denn wieder für einen Unfug aus, habt ihr nicht die Glocke gehört. Die Pause ist um!“

Am Nachmittag trafen sich Bertram und Rudi im Clubhaus, nur Alexander fehlte, denn er hatte Geigenunterricht.
Ein Zeitlang spielten sie mit dem alten Kickerkasten, den Rudis Vater noch auf dem Speicher gefunden hatte und der nun in ihrem Clubhaus stand.
Dann aber fläzten sie sich auf das alte Sofa.
Glaubst du es gibt Gespenster?“ fragte Bertram.
Rudi zuckte die Schultern. „Weiß nicht, aber was sollte denn sonst den alten Xaver verfolgt haben.“
Naja,“ zweifelte Bertram, „ der alte Xaver trinkt doch recht gern und wer weiß was er sich eingebildet hat.
Weißt du was, wir gehen heute Nacht zum Turm!“


(c) meine Tochter


Bertram und Rudi trafen sich kurz vor Mitternacht, bewaffnet mit zwei Taschenlampen am Ortsende.
Der fahle Mond tauchte das Kloster in ein gespenstisches Licht und es wurde ihnen schon etwas unheimlich zumute, als sie über die moosbewachsenen Steine zum Turm gingen.
Die alte Holztreppe knarrte und mehr als einmal zuckten sie zusammen, als erwarteten sie, dass jeden Augenblick ein Gespenst auftauchen würde.
Sie ließen den Schein ihrer Taschenlampen durch den
Raum kreisen. Überall hingen Spinnweben und eine dicke fette Spinne krabbelte eilig aus dem Lichtschein.
Plötzlich ertönte aus dem Inneren der Glocke ein leiser Ton und die Buben zuckten zusammen.
Rudi schrie entsetzt auf: „ Mich hat etwas gestreift!“
Und schon wandte er sich der Treppe zu, die Taschenlampe entfiel seinen Händen und polterte vor ihm die Treppe hinunter.
Bertram folgte seinem Freund und sie rasten über den Klosterhof und hielten erst an, als sie das Dorf erreicht.
Atemlos stützten sie sich auf den Knien ab und verschnauften erst mal. 
Beide waren sie kreidebleich und ziemlich kleinlaut gingen sie nach Hause.

Sie beschlossen niemand von ihrem nächtlichen Abenteuer zu erzählen, denn die Mädchen hätten bloß wieder was zum kichern gehabt.
Daher waren sie auch nicht sehr begeistert, als Alexander nach der Schule vorschlug am Nachmittag zum Turm zu gehen, um näheres über den Spuk herauszufinden.
Aber sie wollten ja nicht als Feigling dastehen und als sie dann vor dem Kloster standen, da konnten sie ihre Angst von gestern Nacht gar nicht verstehen.
Am Tag sah alles doch ganz anders aus.
Inzwischen hatten sie den Turm erreicht und selbst die Spinnweben sahen nicht so gespenstisch aus, wie in der Nacht im Schein der Lampe.
Alexander ging durch den Raum, die Augen auf den Boden geheftet und seine Freunde beobachteten ihn.
Wenn einer das Gespenst finden konnte, dann war es ihr Freund, der in der Schule den Spitznamen „Professor“ hatte, weil er ein wandelndes Lexikon war und außerdem noch Klassenbester.
Nun bückte er sich, hob etwas vom Boden auf und betrachtete es durch die Lupe.
Igitt!“ rief Bertram, der neugierig näher getreten war, „ das sind ja Mäuseköttel!“
Nein, die sehen nur so ähnlich aus,“ murmelte der Professor und richtete sich wieder auf.
Er ließ den Blick an den Wänden empor schweifen, dann aber ging er zur Glocke, bückte sich und schaute in das Gehäuse.
Schnell winkte er seine beiden Freunde herbei, deutete aber zugleich an, dass sie leise sein sollten.
Rudi und Bertram kauerten sich neben Alexander und dann grinsten sie.
Fledermäuse!“
Am Klöppel der Glocke hingen mehre Fledermäuse und schliefen.
Miniopterus schreibersi, die Langflügelfledermaus, sie gehört zu den Zwergfledermäusen, aber nun kommt wir wollen sie nicht stören.“
Auf dem Weg zum Clubhaus erklärt ihnen Alexander, dass die Fledermäuse nachtaktive Tiere sind und wenn sie sich vom Klöppel lösten, dann würde es zu diesem leisen gespenstischen Tönen der Glocke kommen.
Und die Erscheinung die Xaver hatte könnte vielleicht durch den Schatten im Mondlicht erzeugt worden sein und Fledermäuse streifen auch manchmal die Haare der Wanderer.
Bertram und Rudi sahen sich an und wurden rot.
Am nächsten Tag erzählten sie von ihrer Entdeckung in der Schule und auch im Dorf sprach es sich bald herum, wer das Gespenst im Turm war.

© Lore Platz