Eine
wahre Geschichte erzählt von Roswitha Borgfeld
Die
alte Uhr
Da
meine Eltern beide arbeiten mussten, um das Haus abzuzahlen, durfte
ich nach der Schule zu meiner Oma zum Mittagessen.
Unsere
Schule war oben auf dem Berg neben der Wallfahrtskirche Maria Dorfen.
An
dieser musste ich vorbei, über Stufen den Berg hinunter und bis zu
einer Straße, die ich vorsichtig überquerte. Schön nach rechts und
links schauen, bevor man eine Straße, so hatte man es mir
beigebracht.
Vorbei
ging es dann an dem Geschäft meiner Tante, einer Schwester meines
Vaters. Zu gerne hätte ich die Spielsachen in dem Schaufenster
betrachtet, doch ich musste mich sputen.
Zu
oft war ich schon geschimpft worden, weil ich so gerne trödelte.
Und
heute hatten wir nachmittags auch noch Unterricht, sodass ich um
15Uhr den langen Weg zurück musste.
Also
sputen Roswitha!
Vorbei
ging es an der Bäckerei Maier, am Kaufhaus Schmederer, doch beim
Goldschmied Josef Wilm
konnte
ich mir nicht verkneifen vor dem Schaufenster stehen zu bleiben. Es
gab hier so schöne glitzernde Dinge zu bestaunen.
Nur
mühsam konnte ich mich losreißen.
Weiter
ging es an der Marktkirche, am kleinen Supermarkt Fenk, weiter zum
Brugger Bäcker, dann über die Straße an der Hubertusapotheke
vorbei.
Nachdem
ich noch das Schuhgeschäft Schmid, die alte Schmiede und den Bäcker
Numberberger, der so tolle Anisplätzchen machte. hinter mir gelassen
hatte, musste ich nur noch den ganzen Bahnweg entlang, vorbei beim
Omnibus Weber und endlich war ich am Haus meiner Oma.
Warum
ich meinen Weg so ausführlich beschreibe, weil ich möchte, dass ihr
euch ein Bild machen könnt, wie lang wir damals zur Schule laufen
mussten. Und wenn wir nachmittags nochmal Unterricht hatten, mussten
wir die Strecke zweimal zurück legen.
Heute
undenkbar!
Wenn
ich die Augen schließe, sehe ich heute noch die Küche meiner Oma,
der Mutter meines Vaters, vor mir.
Die
Küche meiner Oma war funktionell, würde man sagen, eingerichtet.
Kam
man durch die weiß lackierte
Tür
stand links
das
Küchenbuffett, daneben eine kleine Kommode, auf der, der
Volksempfänger stand, darüber hing das Soldatenbild von Omas
ältestem Sohn Georg, der in Afrika gefallen
war und
dann das Küchenfenster zur Straße.
Die
linke Ecke
füllte
der quadratische Tisch und die Eckbank aus,
eingerahmt
von
einer
Holzvertäfelung in dunklem Holz.
Über
dem Tisch hing eine Lampe, die man herunter
ziehen konnte.
In
der Ecke war der Herrgottswinkel, mit dem Kreuz und einem
Heiligenbild.
Links
neben der Eckbank stand
das
Sofa mit Kissen, Omas Lieblingsplatz.
Aus
der Schwingkommode daneben konnte man die Schubladen umdrehen und es
erschienen zwei große emaillierte Schüsseln, die man heraus nehmen
konnte. Man benutzte sie zum Abwaschen.
Der
große weiße Küchenherd hatte seitwärts ein Wasserschiff, in dem
immer heißes Wasser war.
Auf
diesem Ofen, der hauptsächlich mit Holz geheizt wurde entstanden
viele leckere Gerichte.
Vorne
gab es ein Klappe, das sogenannte Ofenrohr, für Kuchen, Plätzchen
oder auch leckeren duftenden Braten.
Der
Küchenofen hatte unten
eine geteilte Schublade für Holz und Kohle.
Manchmal wurde das Fach für Holz mit Holzwolle ausgepolstert, wenn Oma kleine Enten- oder Hühnerküken aufziehen musste, die von den Müttern abgelehnt wurden.
Am
liebsten aber war mir den Regulator, eine Pendeluhr in einem braunen
Gehäuse. Jedes Mal wenn ich Omas Küche betrat fiel mein Blick
sofort auf diese Uhr.
Und
dann eines Tages!
Wie
immer fiel mein Blick als erstes auf den Regulator, als ich Omas
Küche betrat, aber… er war nicht mehr da.
Statt
dessen hing eine weiße quadratische Uhr an der Wand von Junghans,
die man nicht mehr aufziehen musste, da sie mit Batterien ging.
Oma
strahlte voll Stolz und meinte;
„ Gell,
da schaugst, wie modern i bin und des oide Drum ist im Schupfa, des
werd zsammghaut, damit mas verhoazn ko.“
(da
schaust wie modern ich bin und das alte Teil ist im Holzschuppen und
wird zerkleinert, dass es verheizt werden kann)
Ich
drückte meine Hand auf das wild klopfende Herz und fragte : „Ist
sie noch ganz?“
Oma
zuckt mit den Schulter.
„Wenn‘s
der Rull (Onkel Rudolf) no net zu Klohoz (Kleinholz) gmacht hoat.“
(gemacht hat)
Als
wäre der Teufel hinter mir her, rannte ich aus der Küche, durch den
Flur, aus dem Haus und in den Schuppen.
Atemlos
und strahlend sah ich sie liegen, unversehrt, inmitten von altem Holz
und Sägespänen.
Ich
hob sie auf, befreite sie liebevoll von Staub und Dreck, drückte sie
an mich und schleppte sie zurück in die Küche.
Meine
Oma fragte erstaunt.
„Wos
wuist denn mit dem oiden Drum?“
(was
willst du denn mit dem alten Teil.)
Flehend
sah ich sie an.
„Bitte
Oma lass sie nicht kaputt machen, darf ich sie haben?“
„Um
Gott‘s Wuin, wenn dei Herz so dro hängt!“
(Um Gottes Willen, wenn dein Herz so dran hängt.)
(Um Gottes Willen, wenn dein Herz so dran hängt.)
Ich
hätte weinen können vor Glück.
Gleich
nach dem Unterricht rannte ich nach Hause und konnte es nicht
erwarten, dass meine Eltern von der Arbeit kamen.
Als mein Vater zur Tür reinkam, überfiel ich ihn gleich mit der Bitte, die Uhr zu holen.
Papa sagte:
„Setz dich erst mal und erzähl.“
Meine Mutter war sauer, weil so kurz nach Feierabend wollte sie erst mal eine Tasse Kaffee und sonst nix - heute versteh ich das - damals nicht
Als ich Papa die ganze Geschichte erzählt hatte, sagte er: „Komm wir holen die Uhr gleich.“
Mama war nicht glücklich darüber.
Als mein Vater zur Tür reinkam, überfiel ich ihn gleich mit der Bitte, die Uhr zu holen.
Papa sagte:
„Setz dich erst mal und erzähl.“
Meine Mutter war sauer, weil so kurz nach Feierabend wollte sie erst mal eine Tasse Kaffee und sonst nix - heute versteh ich das - damals nicht
Als ich Papa die ganze Geschichte erzählt hatte, sagte er: „Komm wir holen die Uhr gleich.“
Mama war nicht glücklich darüber.
Aber
ein Papa, ein Wort.
So fuhren wir in unserem 12er FORD zur Oma.
So fuhren wir in unserem 12er FORD zur Oma.
Die
staunte nicht schlecht, als sie uns sah.
Dann
lachte sie und sagte:
„Des
Drum liegt in da Schlafkamma“ ( Das Teil liegt in der Schlafstube)
Papa
holte es, legte es vorsichtig auf die Decke im Kofferraum und wir
fuhren es nach Hause, das Drum.
Im
Keller suchte er nach einem passenden Nagel und dann wurde die Uhr
aufgehängt.
Mama
bestand darauf, dass sie, wenn sie denn unbedingt aufgehängt werden
musste, nur an eine Wand auf dem Speicher .
Das
war mir egal. Hauptsache, ich hatte sie gerettet.
Dort
hing sie bis ich auszog, umzog und dann wegzog und heute hängt sie
hier bei uns.
Ich
liebe das alte Teil so sehr und hoffe, der es mal erbt, liebt es
ebenso.
©
Roswitha Borgfeldt