Freitag, 15. November 2019

Der Spaziergang

Diesmal sind die Wörter


Regenhut Pfütze verzeihen lausig orange


unterzubringen.


Viel Spaß beim Lesen!







Der Spaziergang


Melanie kommt aus dem Bad und geht zu ihrem Kleiderschrank. Schnell hat sie das Kleid mit dem passenden Mantel ausgesucht.
Doch als sie dann den nächsten Schrank öffnet , da wird es schon schwieriger.
Denn Melanie hat einen Huttick und ihr Mann, der sie deshalb immer liebevoll neckte, hatte ihr extra für ihre Hüte einen Schrank gebastelt.
Kurz schweift ihr Blick zu dem Bild ihres Mannes, der nun schon seit drei Jahren tot ist.
Wie hatte sie gelitten und nach der Beerdigung hatte sie sich in ihrer Wohnung verkrochen wie ein waidwundes Tier und nur noch vor sich hin vegetiert.
Bis dann ihre Freundin Jutta auftauchte und sie aus ihrer Lethargie riss und ihr ordentlich die Leviten las.
Jutta war es auch die sie mit den fünf Damen bekannt machte, die ebenfalls vor kurzem verwitwet waren. Seit drei Jahren trafen sie sich nun regelmäßig in einem Café.
Erst hatten sie sich gemeinsam über die Trauer hinweg geholfen und nun sind sie Freundinnen geworden und trafen sich immer noch einmal in der Woche.

Zu diesem Treffen will Melanie nun gehen. Ihr Blick schweift über die Regale, sollt sie den orangen nehmen, nein der passt nicht zu ihrem Mantel.
Aber der blaue, sie setzt ihn auf und schaut in den Spiegel und dann prustet sie los.
Als sie damals mit diesem Hut nach Hause kam, hatte Georg schallend gelacht und gerufen:
Der ist ja so groß wie ein Wagenrad, aber macht nichts, dann kannst du ihn sowohl als Sonnenhut und als Regenhut benutzen.“
Sie hatte ihm die Zunge heraus gestreckt.

Mit einem wehmütigen Seufzer wendet sie sich ab, nimmt ihre Tasche und verlässt die Wohnung.
Nachdem es die ganze Nacht geregnet hat ist der Himmel heute klar und auch die Sonne wagt sich wieder hervor.
Sie liebt die klare Luft nach dem Regen und schreitet flott dahin, obwohl sie noch genügend Zeit hat.
Schwungvoll umkreist sie eine besonders große Pfütze und muss schmunzeln.
Ihr kleiner Bruder liebte diese Pfützen und hopste und trampelte mit großer Freude darin herum. Einmal war weit und breit keine Wasseransammlung zu finden, obwohl es stark geregnet hatte, da einige Tage vorher frisch geteert und alle unebenen Stellen begradigt worden sind.
Was wurde der kleine Walter wütend, er stampfte mit den Füßen und schrie: „ Ich will mein Quetschebächele haben, ich will mein Quetschebächele haben!!!!!“
Schade dass ihr Bruder mit seiner Familie soweit weg wohnte, so konnte sie ihn nur ab und zu besuchen.
Inzwischen ist Melanie an der Kirche und dem Pfarrheim angekommen.
Angela, deren Mann Pfarrer hier war und plötzlich verstarb, Herzinfarkt, hatte ihnen den Vorschlag gemacht, dass sie sich ein Ehrenamt suchen und tatsächlich hatte es ihnen geholfen mit der Trauer besser zurecht zu kommen.
Angela war es auch, die sie mit dem neuen Pfarrer und der Bürgerhilfe bekannt machte.
Marlies, die Köchin ist und mit ihrem Mann zusammen ein Restaurant führte, arbeitet nun in der Obdachlosenküche.
Patricia, Esther helfen zusammen mit Angela im Pfarrheim aus, organisieren Feste für sozial schwächere Familien und an Weihnachten helfen alle sechs mit und freuen sich über die strahlenden Augen der Kinder.
Renata, eine ehemalige Lehrerin gibt kostenlos Nachhilfe.
Und sie selbst hat sich als Leihoma angemeldet und dies alles wird von der Bürgerhilfe organisiert.
Ach da vorne ist ja ihr Lieblingsladen mit dem sinnigen Namen * Gut behütet* mal sehen, ob es wieder neue Modelle gibt.
Melanie seufzt , ein Hut schöner. als der andere, am liebsten würde sie in den Laden gehen, doch ein Blick auf die Uhr zeigt ihr, dass die Zeit zu knapp ist.
Ihre Freundinnen ziehen sie sowieso immer auf, wegen ihrer Unpünktlichkeit.
Nur ungern trennt sich sich von dem Schaufenster und eilt weiter.





Als sie endlich das Café betritt empfängt sie fröhliches Gelächter und Marlies ruft triumphierend :
Ich habe gewonnen!“
Melanie hängt ihren Mantel an den Haken und sieht fragend in fünf grinsende Gesichter.
Tja wir haben gewettet, um wie viel Minuten du dich verspäten wirst und ich war mit zehn Minuten am nächsten. Es waren genau 11 Minuten und vierzig Sekunden.“
Melanie wird etwas rot, stimmt aber in das fröhliche Gelächter mir ein.
Auch mein Mann hat meine Unpünktlichkeit immer mit Humor genommen, ich hoffe ihr verzeiht mir.“
Marlies winkt ab.
Ich ganz bestimmt, habe ich doch gerade vierzig Euro gewonnen. Aber ich will mal nicht so sein, ich lade euch heute alle ein.“
Nein, das mach ich, schließlich bin ich schuld an der Wette! Aber wie wär‘s, wenn du das Trinkgeld übernehmen würdest. Lieserl würde sich bestimmt freuen, ah da kommt sie ja schon.“
Verschwörerisch zwinkern sich die zwei zu.
Die junge Kellnerin lächelt strahlend als sie an den Tisch tritt.
Sie kennt die Damen nun seit drei Jahren, anfangs waren sie sehr traurig und so freut sich sich umso mehr, wenn sie fröhlich sind wie heute.
Flink nimmt sie die Bestellungen auf und bald hat jede ihren Kaffee und Kuchen.

Patricia schiebt ihren Teller zurück und meint.
Ab Morgen habe ich meine Enkelin bei mir, denn der Kindergarten ist wegen Läusebefall eine Woche geschlossen.“
Ein Glück, dass du gewartet hast, bis wir gegessen,
haben,“ lacht Marlies.
Leute kauft Kämme, es kommen lausige Zeiten,“ ruft Renata und Esther grummelt, „könnt ihr nicht das Thema wechseln mich juckt es schon am Kopf.“
Die ganz Runde lacht schallend.
Ist es nicht wunderbar, dass wir wieder lachen können,“ japst Angela.
Sie sehen sich an und dann greifen sie sich an Händen.
Gemeinsam haben wir es geschafft wieder nach tiefer Trauer ins Leben zurück zu finden,“ meint Patricia feierlich und die anderen nicken.
Da kommt Lieserl mit dem Rausschmeißer,“ ruft Marlies, der es zu feierlich.
Es gehört zu ihrem Ritual, dass sie bevor sie aufbrechen, ein Gläschen Likör trinken.
Melanie holt ihren Geldbeutel und erzählt Lieserl warum sie heute die Zeche bezahlen muss.
Doch wie strahlt das junge Mädchen, als Marlies ihr den Gewinn der Wette in die Hand drückt.
Die Stühle scharren über den Boden, als die lustige Gruppe aufsteht und ihr Mäntel anzieht.
Lachend und schwatzend verlassen sie das Café und mit einem ‚bis nächsten Dienstag‘ trennen sie sich.
Melanie sieht hinauf in den Himmel, wo sich langsam die Sonne verabschiedet, um der Dämmerung Platz zu machen.

In Gedanken sagt Melanie.

Georg, ich habe durch nette Freundinnen einen Weg gefunden, um das letzte Stück ohne dich erträglich zu machen, bis wir uns wiedersehen.

Ein leichter Wind kommt auf und Melanie kommt es vor, als würde eine Hand sanft über ihre Wange streichen.


© Lore Platz

Sicher wollt ihr wissen, was 


aus den Wörtern gezaubert haben.

Anmerkung:

Der kleine Walter war mein Vater und da er in Pirmasens geboren und aufgewachsen ist, dürte es sich um das Wort  -  Quetschebächele  - um die pfälzische Mundart handeln.