Lasst uns wieder zurück in die gute alte Zeit gehen.
Diesmal ist es nicht eine Erinnerung von mir, nur eine ausgedachte Geschichte.
Wie mein Mann und ich uns kennenlernten werde ich euch später mal erzählen.
Aber ich habe keine Wintergeschichten mehr und für Frühlingsgeschichten ist es noch zu früh.
Denn wenn ich jetzt schon meinen kleinen Elfen losfliegen lasse, würden sie nur erfrieren.
Viel Spaß beim Lesen!
(c) R.M.z.V. |
Als
Opa die Oma freite
Der
alte Mann sitzt auf der Bank vor dem Haus und reibt sich über sein
schmerzendes Bein.
Seit
seinem Beinbruch vor einigen Jahren taten ihm die Knochen weh und
besonders vor jedem Wetterumschwung.
Er
wirft einen nachdenklichen Blick auf den strahlend blauen Himmel.
Eigentlich
sah es gar nicht nach Regen aus, doch sein Bein irrte sich nie.
Sein
kleiner Enkel Tim stapft über die Wiese auf ihn zu, bleibt mit den
Händen in den Hosentaschen vor ihm stehen und betrachtet ihn
ernsthaft.
Dann
stürzt er plötzlich nach vorne, umklammert das Knie des alten
Mannes und presst sein Ohr ganz fest auf dessen Oberschenkel.
Enttäuscht
richtet er sich wieder auf und meint:
„Sie
reden ja gar nicht!“
„Wer
soll denn reden?“
„Deine
Knochen! Papa hat gerade zu Mama gesagt, sie braucht die Wäsche gar
nicht aufzuhängen, denn es wird sowieso bald regnen, denn deine
Knochen hätten dir das erzählt.“
Der
alte Mann lacht herzlich und hebt den kleinen Dreikäsehoch auf den
Schoß.
„Tim
meine Knochen können nicht sprechen, sie tun nur sehr weh und
besonders wenn das Wetter sich ändert.“
Der
Junge überlegt einen Moment, dann nickt er.
„Oma
hat gerade Kekse gebacken, aber sie haben mich weg geschickt,“
meint er dann übergangslos.
„Warum
denn das?“
„Ach
Frau Baumann von gegenüber ist mit ihrer Tochter gekommen und nun
heulen die Beiden. Glaubst du, dass sie alle Kekse aufessen.“
„Aber
nein, die Oma hebt dir bestimmt welche auf.“
„Willst
du wissen warum die Frau Baumann und Rosemarie geweint haben?“
Der
Opa sieht den Jungen streng an.
„Hast
du wieder gelauscht?“
Tim
wird ein wenig rot und murmelt:
„Nur
ein kleines bisschen. Die Rosemarie bekommt ein Baby!“
Der
alte Mann runzelt die Stirn.
Das
Nachbarmädchen war erst sechzehn und ging noch auf die Schule.
„0pa?
Man bekommt doch erst ein Baby, wenn man geheiratet hat, aber
Rosemarie hat doch gar keinen Mann.“
Der
Opa hustet, dann blickt er in das Gesicht des kleinen Jungen, das
vertrauensvoll zu ihm aufschaut.
„Ich
habe dir doch erzählt, dass oben im Himmel in einem großen Saal
viele, viele Seelen wohnen. Und diese Seelen warten darauf, dass sie
endlich auf die Erde dürfen und wenn nun eine Seele sich seine
Eltern ausgesucht hat, dann wird das Tor geöffnet, damit sie zu
seinen neuen Eltern fliegen kann.
Manche
Seelen aber sind viel zu ungeduldig und schlüpfen mit hinaus, ohne
zu warten bis ihre Eltern verheiratet sind.“
„Nicht
wahr, ich war eine geduldige Seele und habe gewartet.“
Tim
strahlt seinen Großvater an.
Dieser
schmunzelt und fragt dann, um den Jungen abzulenken.
„Soll
ich dir eine Geschichte erzählen?“
„Ja,
aber eine echte!“
„Was
ist denn eine echte Geschichte?“
„Kein
Märchen oder eine erfundene Geschichte, sondern eine Geschichte, die
du selbst erlebt hast.“
„Dann
will ich dir erzählen, wie ich deine Oma kennen gelernt habe.“
Der
kleine Junge kuschelt sich an den Großvater und dieser beginnt zu
erzählen:
„
Als
ich noch Student war habe ich in den Semesterferien mit meinen
Freunden Richard und Bernhard eine mehrtägige Radtour durch unsere
schöne Heimat gemacht.
Wenn
es regnete haben wir in einer Jugendherberge und bei schönem Wetter
im Freien übernachtet.
Eines
Abends, es war schon dunkel, schoben wir unsere Räder durch ein
kleines Waldstück.
Ein
Bauer hatte uns erklärt, dass dahinter ein schöner See sei, an dem
wir übernachten konnten.
Als
wir die Lichtung erreichten sahen wir das Wasser vor uns liegen und
der Mond spiegelt sich darin und tauchte alles in ein gespenstisches
Licht.
Aus
dem Wasser stieg eine Nixe und schüttelte ihr langes nasses Haar, so
jedenfalls kam sie mir vor.
Sie
griff nach einem Handtuch und ich erwachte aus meiner Verzauberung.
Bernhard
und Richard waren schon weitergegangen und ich hörte sie reden und
lachen.
Da
erst bemerkte ich den bunt angemalten Bus und die zwei Zelte und das
hell lodernde Lagerfeuer.
Vier
Jungen und drei Mädchen saßen daran und auch meine Freunde hatten
sich dazu gesellt.
Ich
trat zu ihnen und nun stellten sie sich alle vor. Sie waren mir
sofort alle sympathisch.
Genau
wie wir waren sie Studenten, die in den Ferien mit dem Bus durch die
Gegend fuhren und mal hier und mal da hielten.
Aus
dem Zelt trat meine schöne Nixe. Sie trug nun
ein
Kleid und ihre Haare waren noch feucht.
Als
sie mir als Marianne vorgestellt wurde, stammelte ich nur dummes Zeug
und schämte mich dafür.
Ich
war doch sonst nicht auf den Mund gefallen.
Sie
aber lächelte mich liebreizend an und setzte sich dann neben einen
großen dunkelhaarigen Jungen.
Traurig
dachte ich, dass sie schon vergeben sei und wie jubelte mein Herz,
als ich nach einiger Zeit mitbekam, dass es ihr Bruder war.
Den
ganzen Abend konnte ich kaum den Blick von ihr wenden und wenn sie
lachte, hüpfte mein Herz vor Freude.
Sie
hatte ein so fröhliches herzliches Lachen.
Wir
feierten bis spät in die Nacht mit unseren neuen Freunden, sangen
zur Gitarre, brieten uns Würste, die wir an einem langen Stecken ins
Feuer hielten und ließen die Rotweinflasche kreisen.
Kein
Wunder, dass ich tief, fest und lange schlief.
Als
ich am nächsten Morgen erwachte, waren die Zelte abgebaut und der
Bus verschwunden.
Aufgeregt
weckte ich meine leise schnarchenden Freunde.
„Sie
sind weg, wo sind sie hin!“
„Wer,
was, brüll` doch nicht so!“ Richard rieb sich verschlafen die
Augen und auch Bernhard streckte seinen Kopf aus dem Schlafsack.
„Unsere
neuen Freunde!“ schrie ich panisch.
„Die
haben doch gestern Abend gesagt, dass sie heute ganz früh bereits
wieder losfahren. Aber das hast du ja nicht mitbekommen, warst viel
zu beschäftigt die schöne Marianne anzuhimmeln.“
Ich
wurde etwas rot und rollte meinen Schlafsack zusammen.
Was
war ich doch selten dämlich, hatte mich in ein Mädchen verliebt von
dem ich nur den Vornamen kannte.“
Tim
hebt den Kopf:
„Aber
du hast sie dann wiedergefunden, sonst wäre sie ja nicht meine Oma
geworden.“
Der
alte Mann nickt und streicht dem Jungen über die Haare.
„Ja,
aber fast zwei Jahre später. Wir steckten mitten im Examen und um
uns etwas abzulenken, beschlossen wir die neue Eisbahn
auszuprobieren.
Richard
hatte sich inzwischen ein Auto angeschafft und wir drei quetschen
uns in das kleine Fahrzeug und fuhren in die 15 Kilometer entfernte
Stadt.
Ich
war noch nie auf der Eisbahn gewesen und staunte.
In
den vier Ecken standen große Strahler und beleuchteten die vielen
Menschen, die sich auf dem Eis tummelten und nach der Musik aus den
Lautsprechern mehr oder weniger elegant tanzten.
Der
Duft nach Bratwürsten und Glühwein erfüllt die Luft.
Wir
setzten uns an den Rand, um unsere Schlittschuhe zu binden.
Ich
fädelte gerade die Schnur durch die Öse, da hörte ich ein
fröhliches herzliches Lachen.
Es
traf mich wie ein elektrischer Schlag.
Dieses
Lachen kannte ich, Marianne!
Fieberhaft
ließ ich meinen Blick über die Schlittschuhläufer gleiten und dann
entdeckte ich sie.
Eine
kecke rote Strickmütze auf den goldblonden Locken tanzte sie
übermütig mit einem kleinen Mädchen.
Ihre
kleine Schwester wie ich später erfuhr.
Ich
sprang auf und sauste los.
Meine
Freunde riefen mir nach, denn sie wollte mich auf meine
nachschleifenden Schnürsenkel aufmerksam machen.
In
der Eile hatte ich vergessen meine Schlittschuhe fertig zu binden.
Aber
ich hörte sie nicht.
Meinen
Gedanken waren nur bei dem Mädchen, dass ich
nie
vergessen konnte.
In
Windeseile sauste ich über das Eis auf Marianne zu.
Da
ging ein Ruck durch meinen Körper.
Die
losen Bänder hatten sich in den Kufen verfangen.
Ich
hob beide Arme, um die Balance zu halten und fiel auf meinen
Allerwertesten.
Durch
die Schnelligkeit schlitterte ich noch einige Meter auf dem Eis
dahin, direkt auf das erschrockene Mädchen zu.
Da
lag ich nun, mit schmerzende Po und rot wie eine Tomate vor
Verlegenheit.
Marianne
war erschrocken zur Seite gesprungen und sah mich nun an.
Sie
erkannte mich, wurde etwas rot, strahlte mich an und begann herzlich
zu Lachen.
Seit
diesem Moment habe ich meine Marianne nicht mehr aus den Augen
verloren und nun sind wir mehr als vierzig Jahre verheiratet.“
Tim
grinst:
„Das
war eine schöne echte Geschichte und Oma Marianne
lacht
immer noch so schön, dass man einfach mitlachen muss.“
„Das
stimmt mein Junge, aber sieh mal nach oben. Meine Knochen haben sich
nicht geirrt. Es wird bald regnen.“
Tim
kichert, denn ein dicker Regentropfen platscht auf seine Nase.
Hand
in Hand laufen sie auf das Haus zu und erreichen es gerade noch bevor
der Regen niederprasselt.
©
Lore Platz (2023)
Anmerkung:
Solche
sprechenden Knochen habe ich auch und am lautesten protestieren sie,
wenn das Wetter umschlägt.
Das
ist wohl ein Privileg des Alters, auf das ich aber gerne verzichten
würde.
So eine schöne wahre Geschichte. Ja, so hat man sich früher kennen gelernt Lore. Lang, lang ist es her!
AntwortenLöschenEine zauberhafte Geschichte du Märchentante, sie hat mir sehr gefallen
AntwortenLöschenOh Lore, das ist eine sooo schöne Geschichte!!!! Ich habe sie gelesen und dabei habe ich alle Personen deutlich vor meinem inneren Auge gesehen.
AntwortenLöschenIch habe es als kleines Mädchen geliebt, wenn mein Vater aus seiner Kindheit oder Jugend erzählt hat,- wahre, aber schöne Geschichten.
LG
Astrid