Donnerstag, 14. Februar 2019

Venedig, die Stadt ihrer Träume



Venedig, die Stadt ihrer Träume


Mit einem fröhlichem Lächeln verlässt Elke das Reisebüro, in ihrer Tasche zwei Tickets für einen viertägigen Aufenthalt in Venedig.
Da Morgen ein Feiertag und der Freitag dann ein Brückentag hatte sie kurzentschlossen diese Reise gebucht.
Es sollte ein Geschenk für Michael sein, denn heute genau vor einem Jahr hatten sie sich kennen gelernt.
Seit drei Monaten wohnten sie nun zusammen und es war einfach wundervoll!
Beschwingt eilt sie zur S-Bahn und von dort in ihre kleine gemeinsame Wohnung.
Ein Blick auf die Uhr zeigt ihr, dass ihr Liebster bald von der Arbeit kommt.
Aus der Schublade holt sie die Schachtel mit den Teelichtern und schreibt damit „Ich liebe dich!“ auf den Tisch.
Sie pflückt von den dunkelroten Pfingstrosen , die sie gestern von Omas Garten geholt hat, die Blüten und streut sie vom Tisch, durch den Gang bis zur Flurtür.
Schnell schließt sie die Vorhänge und zündet die kleinen Teelichter an.
Nicht zu früh! Denn schon hört sie den Schlüssel und dann ein erstauntes „Nanu?“
Michael bleibt einen Moment stehen und dann als er die Schrift entziffert hat, ist er mit einem langen Schritt bei Elke, nimmt sie in die Arme und murmelt „Ich dich auch.“
Nach einem langen zärtlichen Kuss, fragt er dann aber doch.
Warum diese schöne Liebeserklärung?“
Elke ist etwas enttäuscht. „ Wir haben doch heute unseren Jahrestag, hast du den vergessen?“
Der junge Mann wird etwas verlegen, doch Elke winkt ab und hält ihm die Tickets unter die Nase.
Vier Tage Venedig, morgen früh geht es los!“
Das kommt jetzt aber ein bisschen überraschend,“ brummt Michael unbehaglich.
Die Jungs und ich wollen eine Motorradtour machen.“
Ach und wann hättest du mir das gesagt?“ fragt Elke spitz und dann, sie wussten beide nicht wie es geschah, sind sie mitten in einem erbitterten Streit.
Der damit endet, dass Elke Kopfkissen und Decke auf dem Sofa platziert und die Tür zum Schlafzimmer hinter sich ins Schloss wirft.
Michael seufzt und kratzt sich am Kopf. Er weiß wenn sein Liebling bockt, dann ist nicht mit ihm zu reden.
Er bläst die Teelichter aus und lümmelt sich vor den Fernseher.
Irgendwann schläft er dann ein und bemerkt nicht, wie frühmorgens Elke mit ihrem Koffer an ihm vorbei schleicht.
Ein Ticket lässt sie auf dem Tisch liegen.

Einige Stunden später checkt sie in dem Hotel in Venedig ein. Nachdem sie ihre Kleider im Schrank verstaut und sich ein wenig frisch gemacht hat, nimmt sie ihre Umhängetasche und verlässt das Hotel.
Einen Moment streift ihr Blick eine Gondel, wie gerne wäre sie an Michael geschmiegt darin gefahren.
Entschlossen besteigt sie einen Wasserbus und wandert zum Markusplatz .
Viele Tauben erheben sich, als sie näher kommt, lassen sich aber gleich wieder nieder und streiten sich um die Körner, die die Touristen ihnen zuwerfen.
Die Tische vor dem kleinen Straßencafe sind alle besetzt, und nur noch an einem Tisch an dem ein älterer Herr sitzt, ist ein Stuhl frei.
Elke grüßt höflich und setzt sich, sofort eilt ein Kellner herbei und sie bestellt sich einen Eiskaffee.
Mit strahlenden Augen lässt sie ihre Blicke schweifen und genießt das friedliche Bild.
Gefällt ihnen, was sie sehen?“ hört sie eine amüsierte Stimme.
Begeistert nickt sie und lächelt den alten Mann, der ihr gegenüber sitzt, strahlend an.
Meine Großeltern haben ihre Hochzeitsreise hier gemacht und sie haben so geschwärmt von Venedig, dass es immer schon mein Wunsch war, hierher zu kommen.“
Der alte Mann lächelt wehmütig.
  „ Amore, sie lässt uns vieles durch die rosarote Brille sehen. Hat auch sie die Liebe in unsere schöne Stadt gebracht?“
Elke meint zögernd.
 „ Eigentlich schon, ich habe die Reise gebucht, um unseren Jahrestag zu feiern, aber mein Freund hatte keine Zeit.“
Ihr Gegenüber lächelt nachsichtig. 
„ Streit unter Liebenden, junge Dame, wenn sie einmal in meinem Alter sind, da werden sie feststellen, dass die Zeit zu kostbar wird, um sie mit Streit zu vergeuden.“
Der alte Mann, der wohl viel alleine ist, beginnt nun zu erzählen und so erfährt das Mädchen, dass er gebürtiger Venezianer ist, viele Jahre als Diplomat im Ausland verbracht hat und nun nach Venedig zurück kam,um hier seinen Lebensabend zu beschließen.
Gebannt hört sie ihm zu, als er sehr anschaulich berichtet, wie Venedig inmitten der Lagune eines flachen Binnenmeers auf hundert Inseln gebaut wurde.
Und die ungefähr 150 Kanäle dienen als Straße auf denen der gesamt Verkehr statt findet und selbst Notdienst, Feuerwehr und Polizei sind mit Booten unterwegs.
In den 3000 Gassen darf man nur zu Fuß gehen, nicht einmal Fahrräder sind erlaubt.
Die Häuser stehen auf dem sandigen Boden der Inseln.
Die Fassaden, die am Ufer stehen sind durch Baumstämme gestützt, um ein Abrutschen zu verhindern.
Die Abstände zwischen den Pfeilern sind bis zum Grund des Wassers mit Lehm und Schutt aufgefüllt und bieten somit ein solides Fundament.
Er berichtet auch, dass 1881 die Wasserbusse eingeführt wurden und die Gondoliere aus Widerstand den Canale Grande mit einer Kette blockierten.
Elke lauscht dem allen gespannt und dann kommt sie auf die wunderschönen Masken zu sprechen.
Der alte Mann lächelt.
Ja hinter einer Maske kann man sich gut verstecken. Da wird der König zum Bauern und der Bauer zum König. 
Die Königin zur Schäferin.
Königin Marie Antoinette war so begeistert von den Masken, dass sie auch außerhalb der Maskenbälle ihr zweites Gesicht nicht mehr aufgeben wollte und so ließ sie sich im Schlosspark eine ländliche Idylle schaffen, in der sie von Zeit zu Zeit mit ihrem Hofstaat lebte.
Auch in Venedig dehnte sich das Masken tragen auf den Alltag aus und Adelige aus ganz Europa, wie der österreichische Kaiser Josef II. reisten so inkognito nach Venedig und mischten sich unter das Volk.“
Der alte Mann erhebt sich und stützt sich schwer auf seinen eleganten Spazierstock.
Nun meine junge Dame wünsche ich ihnen noch eine schöne Zeit hier und vergessen sie den kleinen Streit mit ihrem Freund.
Denken sie daran wie vergänglich alles ist, auch Venedig. Jedes Jahr sinkt diese wunderbare Stadt um einige Millimeter und eines Tages wird sie im Meer versinken, wie einst Atlantis. Aber wir beide werden das nicht mehr erleben. Auf Wiedersehen!“
Er verbeugt sich und schreitet langsam davon und lässt eine sehr nachdenkliche Elke zurück.

Plötzlich hat sie das Bedürfnis mit Michael zu telefonieren und macht sich auf den Weg zum Hotel.
Als sie den Wasserbus verlässt, sieht sie vor den Stufen das Hotels eine lange schlaksige Gestalt, die Hände in den Jeans vergraben und einen Rucksack zu seinen Füßen stehen.
Michael!“ jubelt sie und beginnt zu laufen.


© Lore Platz