Dienstag, 6. September 2022

Lisa hat Kummer

In Bayern gibt es einen Spruch "mitm ren kemma leit zsamm" (Mit Reden kommen die Leute zusammen und Mißvertändniss können aus der Welt geräumt werden.) 

Daran denke ich jetzt oft, wenn ich das Chaos auf der Welt betrachte.


 

Lisa hat Kummer



Lisa kämmte ihrer Puppe Anneliese die Haare und redete ihr gut zu. "Du musst schön still halten, dann tut's auch gar nicht weh!" 

Seufzend ließ sie den Kamm sinken und dachte traurig. 

" Und es tut doch weh!" Seit zwei Wochen war nun Tante Elvira hier und wenn diese ihr die Haare kämmte, bevor sie in den Kindergarten ging, dann zippte das ganz schön. Tante Elvira war immer nervös und konnte mit Kindern gar nichts anfangen.Sie war die Schwester ihrer Mutter, aber so ganz anders. Lisa hoffte sehr, dass Mama bald aus dem Krankenhaus entlassen wurde und hoffentlich wieder ganz gesund war. Dann könnte die Tante wieder nach Hause fahren.

"Lisa, kommst du endlich, das Essen wird kalt!"  Das Mädchen legte die Puppe in ihr Bettchen und schlurfte mit gesenkten Kopf in die Küche. "Na, endlich, immer muss ich auf dich warten, ich habe noch soviel zu tun. Nachher gehen wir deine Mutter im Krankenhaus besuchen und denke daran, du darfst sie nicht aufregen. Schlimm genug, dass dein Vater jetzt ausgerechnet auf Geschäftsreise und ich extra deshalb zwei Wochen Urlaub nehmen musste."

"Es tut mir leid", flüsterte Lisa und sie dachte, dass Tante Elvira damit ein wenig besänftigt werden könnte, aber das war nicht der Fall.

"Du musst gar nicht so tun, natürlich tut es dir nicht leid. Du weißt ja gar nicht, was das alles für mich für ein Umstand ist, ungeheuerlich ist das nämlich. Mit Geld nicht zu bezahlen!", schimpfte die Tante.

Lisa senkte nur den Kopf und schwieg. Auch im Krankenhaus war sie sehr still, sie schmiegte sich nur ganz fest an die Mutter. Diese sah sie sehr besorgt an und strich ihr liebevoll über den Kopf. "Bald bin ich wieder zuhause und dann bring ich dir deinen kleinen Bruder mit, hab Geduld meine Kleine."

Lisa wollte sich ja freuen, aber es gelang ihr nicht. Wenn Mama nach Hause kommen würde, brächte sie also einen Bruder mit. Das bedeutete doch, dass sie für sie, Lisa, keine Zeit mehr haben würde und vielleicht hätte sie den Bruder dann viel lieber als sie und wenn es ganz schlimm kam, dann schickte man sie zu Tante Elvira. Lisa schluchzte.

"Aber Liebes was ist denn?" Erschrocken sah die Mutter ihre Tochter an. Und dann sprudelte all ihr Kummer, der sie bedrückte, aus dem Mädchen heraus, immer wieder unterbrochen von einem heftigen Schluckauf.

Helene wartete bis sich das Kind beruhigt hatte und warf ihrer Schwester, die ganz betroffen wirkte, einen ernsten Blick zu. Sie kannte ihre Schwester, eine Karrierefrau, die wenig Ahnung von Kindern hatte und leicht die Nerven verlor.

"Aber Lisa, ich habe dich doch nicht schlecht behandelt, oder? Ich bin eben auch ein bisschen aufgeregt, weil ich so gar keine Erfahrung mit kleinen Mädchen habe. Ach, habe ich denn alles falsch gemacht?" Nun weinte die Tante auch.

Das Mädchen eilte zu ihrer Tante und strich ihr tröstend über die Wange. "Ich habe dich auch nicht so richtig gekannt, sei nicht taurig. Von nun an wollen wir Freunde sein. Mama sagt immer man muss miteinander reden, um sich besser kennen zu lernen."

Tante Elvira nahm ihre Nichte ganz fest in die Arme und küsste sie. Die Mutter lehnte sich glücklich lächelnd im Bett zurück.



© Lore Platz  6.09.2022



 

3 Kommentare:

  1. Reden ist Silber, schweigen ist gold - aber manchmal ist es umgekehrt viel besser!!

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  2. es tat wieder so gut diese Geschichte zu lesen Lore!

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  3. Ja manchmal muß man einfach sagen, was Sache ist. Sonst ändert sich nie etwas !

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