6. Juni. 2025
Während ich auf meinen nächsten Termin warte, will ich euch mit
dieser Geschichte ein frohes Pfingsten wünschen.
Viel Spaß beim Lesen!
Wenn
die Pfingstrosen wieder blühen
Die
alte Dame saß auf der Terrasse, eine leichte Decke über den Knien
und ließ traurig ihre Augen durch den schönen großen Garten
schweifen.
Pfingsten
war vorüber und die roten und weißen Rosen sind fast
verblüht und immer wieder lassen sie eine zarte Blüte fallen.
Vor
einem halben Jahr war ihr Mann gestorben.
Er
war ein strenger kalter Mann, der Herr Obergerichtsrat und hätte sie
ihre kleine Tochter nicht gehabt, wäre sie in dieser Ehe erfroren.
Angela,
ihr kleines Engelchen war so ein liebes, fröhliches Kind. Ein
kleiner Kobolde, der voller Übermut steckte.
Nur
wenn der strenge Vater zuhause war, dann war sie still und
verschüchtert.
Ein
Glück, dass er sie sowieso kaum beachtete, denn er war enttäuscht.
dass sie kein Junge war.
So
konnte ihr kleiner Sonnenschein eine unbeschwerte Kindheit erleben.
Sie
wuchs zu einem hübschen Mädchen heran und auf einmal erweckte sie
das Interesse ihres Mannes.
Er
wollte die kaum achtzehnjährige mit einem seiner verknöcherten
Kollegen verheiraten.
Doch
Angela widersprach zum ersten Mal ihrem Vater, denn sie liebte einen
mittellosen Studenten.
Es
kam zu einem erbitterten Streit und der Vater warf sie aus dem Haus
und brüllte „Ab heute hätte er keine Tochter mehr.“
Das
war vor fünf Jahren und seitdem hatte sie von ihrer Tochter nichts
mehr gehört.
Damals
blühten auch die Pfingstrosen.
Martha
die alte Angestellte trat auf die Terrasse und beobachtete besorgt
die alte Dame.
„Sie
sollten net so viel grüble, Frau Baumann. Vertrauen sie doch auf
unser Hergöttle, es wird es scho richte, dass alles wieder gut wird.
Vielleicht hat unser Engelchen ja bereits gehört, dass ihr Vater
gestorben ist und kommt wieder zurück.“
„Aber
warum hat sie sich die ganzen Jahre nicht bei mir gemeldet.“
Martha
schwieg, sie hatte einen bestimmten Verdacht, doch sie wollte ihrer
guten Frau nicht noch mehr Kummer machen, hatte sie doch genug unter
ihrem Mann gelitten.
„Soll
i de Tee bringe?“
„Nein
danke, Martha, ich will noch ein wenig ruhen.“
Mit
einem letzten besorgtem Blick, schlurfte Martha ins Haus zurück.
Die
alte Dame lehnte sich zurück und schloß die Augen.
Ein
fröhliches Bellen erklang und ein kleiner schwarzweißer Hund lief
am Zaun entlang, verfolgt von einem kleinem Mädchen.
„Bleib
stehen Strolchi, du bist ein ganz böser Hund.“
Da
sah sie Frau Baumann und kam an den Zaun.
„Entschuldigen
sie bitte liebe Dame. Ich hoffe Strolchi hat sie nicht geweckt.“
„Nein,
ich habe nicht geschlafen, wie heißt du meine Kleine.“
„Rose,
aber Papa nennt mich Röselein und Mama Engelchen. Und das ist mein
Hund Strolchi, aber er muss erst lernen zu folgen, er ist ja noch
sooo klein.“
Der
Hund hatte sich inzwischen neben sie gesetzt und sah aus, als könnte
er kein Wässerchen trüben.
Das
Mädchen bückte sich und nahm den Hund an die Leine.
„Nun
muss ich wieder gehen. Auf Wiedersehen liebe Dame.“
Und
weg war der kleine Wirbelwind.
Lächelnd
sah Frau Baumann ihr nach. Sie fühlte sich auf einmal froh, die
Kleine hatte ihre trüben Gedanken verscheucht.
Sie
stand auf, faltete die Decke zusammen, legte sie über den Stuhl und
ging durch den Garten.
Ihr
war so leicht zumute wie schon lange nicht mehr.
Vor
den Pfingstrosen blieb sie stehen.
Sie
lächelte.
Angela
hatte immer die Blüten gesammelt und sie zwischen Buchseiten
gepresst.
Sie
hörte nicht die leisen Schritten hinter sich und erschrak, als ein
leises „Mama“ erklang.
Langsam
drehte sie sich um, wankte und streckte beide Arme aus.
„Angela,
mein Engelchen.“
Die
beiden Frauen lagen sich in den Armen und weinten und die Tränen
spülten allen Schmerz und Kummer der vergangenen fünf Jahre von der
Seele.
Auf
der Terrasse stand Martha und auch ihr liefen die Tränen wir
Sturzbäche aus den Augen.
Doch
dann schnäuzte sie sich kräftig die Nase und rief.
„Ich
bringe jetzt den Tee!“
Arm
in Arm gingen Mutter und Tochter zurück und setzten sich.
„Ach
Kind, warum hast du mir denn nie geschrieben, ich habe mir soviel
Sorgen gemacht. Wusste ich doch nicht wo du bist und wie es dir
geht.“
„Aber
Mama, ich habe dir viele Briefe geschrieben und war traurig, weil ich
nie eine Antwort bekam.
Ich
hätte nie gedacht, dass er so weit geht und meine Briefe an dich
unterschlägt.“
Frau
Baumann ballte die Hände zu Fäusten.
„Weißt
du man soll ja nichts schlechtes über Tote sagen, aber...“
Angela
legte ihre Hände auf die Fäuste und meinte leise.
„Dann
wollen wir es auch nicht tun. Er war dein Mann und mein Vater und
konnte nicht aus seiner Haut. Außerdem hat er uns nur fünf Jahre
gestohlen.“
„Du
hast Recht, mein Kind. Ich höre Geschirr klappern, Martha kommt mit
dem Tee.“
Angela
sprang auf und nahm Martha das schwere Tablett ab.
Flink
deckte sie den Tisch, dann forderte sie Martha auf.
„Setz
dich, ich hole dir noch schnell eine Tasse.“
„Aber,
das geht doch nicht.“
„Doch
das geht!“ rief die junge Frau übermütig.
„Die
steifen Tage im Hause Baumann sind vorbei, jetzt weht ein frischer
Wind.“
Lachend
verschwand sie im Haus.
Die
alte Dame aber lächelte.
„Bleib
nur sitzen Martha, du gehörst doch zur Familie. Und das Mädel hat
Recht. Jetzt wird es wieder schön bei uns.Unser Sonnenschein ist
zurück gekommen.“
Angela
erzählte nun, was sie während der letzten fünf Jahre erlebt hatte.
Sie
war zu Konrad gefahren, der glücklicherweise sein Examen gemacht
hatte.
Drei
Wochen später heirateten sie standesamtlich, zwei Freunde von Konrad
waren Trauzeugen.
Sie
wohnten weiterhin in der Studentenbude und hatten viele Nebenjobs, um
sich über Wasser zu halten.
Dann
bekam Konrad eine Stelle in einer großen Firma und konnte sich
langsam noch oben arbeiten.
Sie
konnten sich nun eine kleine Wohnung leisten.
Mit
seinem alten Chef verstand er sich großartig, doch vor einem Jahr
übergab dieser die Firma seinem Sohn.
Seitdem
fühlte sich Konrad nicht mehr wohl und begann wieder Bewerbungen zu
schreiben.
Vor
zwei Wochen bekamen sie zwei Briefe.
Einer
war von Bärbel, mit der sie immer noch in Kontakt war.
Sie
hatte ihre Eltern hier besucht und erfahren, dass
der
Obergerichtsrat Baumann verstorben war.
Der
zweite kam von der hiesigen Firma Wallraff und Co und lud Konrad zu
einem Vorstellungsgespräch ein.
„Und
deshalb sind wir heute hier,“ schloss Angela ihren Bericht.
Stolz
betrachtete die Mutter ihre Tochter.
„Du
hast dich wacker geschlagen, mein Kind. Ich bin stolz auf dich. Ist
Konrad noch bei Walfraff?“
„Nein
er wartet bei Bärbels Eltern, er wollte uns Zeit geben, bei unserem
ersten Wiedersehen.“
„ Hat
er die Stelle bekommen?“
„Ja
im Oktober fängt er an.“
„ihr
werdet doch hier im Haus wohnen, ihr könnt den ganzen ober Stock
haben.“
Angela
sprang auf und umarmte ihre Mutter stürmisch.
Langsam
setzte sie wieder hin und schmunzelte.
„Da
ist noch etwas. Ich habe ein dreijähriges Töchterchen.“
„Ich
bin Oma!“
Angela
lachte und strich liebevoll über ihren Bauch.
„Und
in sechs Monaten wirst du wieder Großmutter.“
Martha
schlug die Hände zusammen und stammelte:
„Liabs
Herrgöttle von Biberach. Wir haben ein Kind und bald noch eins.“
„Und
einen Hund haben wir auch.“
„Macht
nix, das Haus ist groß genug!“
Resolut
hob Martha das Tablett und marschierte ins Haus.
Frau
Baumann aber lachte, bis ihr die Tränen kamen.
„Dein
Vater wird sich im Grab umdrehen,“ japste sie.
„Kinder
machen Lärm und Hunde machen Dreck,“ ahmte sie die Stimmer ihres
Mannes nach.
Nun
lachten sie beide.
Angela
rief ihren Mann an und wenig später klingelte es an der Haustür.
Zuerst
kam ein schwarzweißes Wollknäuel auf die Terrasse gestürmt und
versuchte auf Angelas Schoß zu springen.
Als
ihm das nicht gelang, drehte es sich wie ein Kreisel und raste
kläffend in den Garten.
„So
ein Irrwisch!“ brummte eine Stimme und ein großer junger Mann trat
auf seine Schwiegermutter zu.
Kurz
musterte diese ihn, dann streckte sie ihm beide Hände entgegen.
„Willkommen
in der Familie, lieber Konrad.“
„Danke
Mama.“
„Papa,
Mama!“ Ein kleiner Wirbelwind fegte heran.
„Nanu,
wir kennen uns ja.“
„Ja,
sie sind die liebe Dame. Papa sagt, dass sie meine Großmutter sind.
Darf ich Oma zu dir sagen?“
„Aber
natürlich!“
Weit
breitete sie die Arme aus und Rose klettert auf ihren Schoß und
schmiegt sich an sie.
Über
den Kopf des Kindes sehen sich drei Augenpaare glücklich an.
Die
Kleine setzte sich energisch auf und nahm das Gesicht der Oma
zwischen ihre kleinen Hände.
„Oma,kannst
du auch schöne Geschichten erzählen?“
„Aber
sicher, dazu sind Omas ja da!“
©
Lore Platz(2022)