Die
Geschichte von Urahn Maximilian
Die
kleine Maus Liselotte stromert durch den Garten. Entkommen den
wachsamen Augen ihrer Mutter konnte sie endlich einmal allein
losziehen.
Ihre
Mutter besuchte im Nachbargarten ihre Kusine Gretel und ihre Brüder
Jonathan und Mäxchen die eigentlich auf sei aufpassen sollten
spielten fangen.
Liselotte
war das nur Recht.
Vergnügt
lief sie dahin, was gab es doch alles zu sehen und welch herrliche
Gerüche lagen in der Luft.
Ein
Apfel lag unter dem Baum und das Mäuschen wollte gerade ihre kleinen
Zähnen in die köstliche Frucht versenken, da schoss ein großer
dicker Wurm aus dem Apfel.
„Verschwinde,
das ist mein Apfel!“ schnarrte er unfreundlich.
Liselotte
wich erschrocken zurück und lief blindlings davon
Atemlos
versteckte sie sich unter einer Gartenbank.
Dann
musste sie lachen. Hatte sie sich doch tatsächlich von einem Wurm
einschüchtern lassen.
Neugierig
sah sie sich um.
Ein
langer weißer Streifen baumelte von der Bank und Liselotte sprang
hoch und kletterte nach oben.
Der
Streifen gehörte zu einer weißen Schürze, die von ihrer Besitzerin
achtlos liegen gelassen wurde.
Die
kleine Maus untersuchte das komische Ding, fand eine Öffnung und verschwand in der Schürzentasche.
Genüsslich
verspeiste sie die Krümmel eines leckeren Keks, die sie vorfand,
dann rollte sie sich zusammen und schloss die Augen.
So
ein aufregender Spaziergang machte eben müde.
Die
Mäusemama Gertrude verabschiedet sich von ihrer Kusine.
Sie
warf einen besorgten Blick zum Himmel. Ein Sturm braute sich
zusammen. Sie musste sofort ihre Kinder in Sicherheit bringen.
Doch
sie fand nur ihre Söhne vor, die ermattet vom Spielen im Gras lagen.
„Wo
ist eure Schwester, solltet ihr nicht auf sie aufpassen?“
Schuldbewusst
sahen die beiden Jungen ihre Mutter an. Sie hatten gar nicht bemerkt,
dass Liselotte nicht mehr bei ihnen war.
„Es
gibt einen Sturm, lauft zur alten Buche, schlüpft in das Loch
darunter und wartet auf uns. Ich werde Liselotte suchen.“
Ein
Windstoß fuhr durch die Bäume und ließ die Blätter erzittern. Die
Jungen rasten los.
Gertrude
aber machte sich auf die Suche nach ihrer Tochter.
Es
war nicht leicht, denn der Wind trieb nun sein tolles Spiel. Er fuhr
durch das Gras, knickte die Blumen und schüttelte die Bäume.
Manchem
Apfel, der sich nicht mehr festhalten konnte musste Gertrude
ausweichen.
Dann
aber hatte der wilde Geselle ein neues Spielzeug entdeckt. Die weiße
Schürze auf der Gartenbank.
Liselotte
war durch das Brausen und Toben ringsum erwacht. Ängstlich kauerte
sie in ihrem Versteck und es wurde ihr ganz mulmig zumute.
Plötzlich
wurde sie mitsamt der Schürze hochgehoben. Hektisch suchte sie den
Ausgang und plumpste ziemlich unsanft ins Gras.
Der
Wind aber wirbelte das Kleidungsstück in die Luft und trieb es wie
einen Ball vor sich her.
Gertrude
hatte ihre Tochter erreicht und eng aneinander geschmiegt, liefen sie
zur schützenden Öffnung in dem Baum. Jonathan und Mäxchen waren
erleichtert als sie ihre Mutter und Schwester sahen.
Zusammen
liefen sie nun durch die unterirdischen Gänge bis sie einen großen
schönen Raum erreichten.
Der
Maulwurf Sebastian saß in seinem gemütlichen Sessel, eine
warme Decke über den Knien, denn er hatte mal wieder das Reißen.
„Wer
ist da?“
Er
griff nach seiner Brille, die vor ihm auf dem Tisch lag, holte ein
großes kariertes Taschentuch und putzte sorgfältig die
Gläser, dann setzte er das Gestell auf seine spitze Nase.
„Ach
Frau Gertrude,“ rief er erfreut,“ wie schön, dass sie mich mal
wieder besuchen. Und das sind wohl ihre Kinderchen?“
„Jonathan,
Mäxchen und meine Jüngste, Liselotte,“ stellte die stolze Mama
ihre Kinder vor.
„Entschuldigen
sie, dass wir sie so überfallen und in ihrer Ruhe stören, aber oben
tobt ein schrecklicher Sturm und wir suchen Schutz.“
„Aber
sie stören mich doch nicht, nehmen sie bitte Platz, kann ich ihnen
was anbieten.“
„Nein
danke, wenn wir nur hier den Sturm in Ruhe abwarten dürfen.“
Die
Kinder die noch nie hier unten waren, hatten sich inzwischen
neugierig umgesehen.
An
der Wand hing ein großes Bild. Es zeigte einen Maulwurf, der eine
Schärpe aus geflochtenen Blumen trug.
„Wer
ist das Onkel Sebastian?“ fragte Liselotte.
Sebastian
betrachtete versonnen das Bild.
„Das
ist mein Urahn Maximilian.
Er
hat einmal die Schmetterlingsprinzessin Aurelia und ihre Untertanen
gerettet.
Möchtet
ihr die Geschichte hören?“
„Auja!“
die Mäuschen kauerten sich zu seinen Füßen und sahen ihn
erwartungsvoll an.
Sebastian
nahm die Brille von der Nase, denn sie drückte etwas, faltete die
schaufelartigen Hände über dem dicken Bauch und begann zu erzählen.
„Mein
Urahn Maximilian hatte seine riesige unterirdische Wohnung mitten im
Schmetterlingsreich der Königin Aurelia. Er fühlte sich sehr wohl
dort und war befreundet mit alle den kleinen Wesen die dort lebten.
Die Wichtel, die für den Garten zuständig waren, freuten sich wenn
er ihnen beim Graben half und die übermütigen Elfen trieben
allerlei Schabernack mit ihm, die er sich aber gutmütig gefallen
ließ.
Sie
meinten es ja nicht böse und wenn er mal genug hatte, dann verzog er
sich nach unten.
Königin
Aurelia war nicht nur wunderschön, sondern hatte auch eine herrliche
Stimme und oft drang ihr Gesang bis zu Maximilian hinunter, der
andächtig lauschte.
Die
Schönheit der Prinzessin und auch ihr herrlicher
Gesang
lockte viele Freier an. Doch Aurelia verliebte sich in Gernot, den
König des benachbarten Blumenreiches.
Aber
auch der Koboldkönig Unwirsch wollte Aurelia zu seiner Frau nehmen
und als sie ihn abwies, drohte er, ihr Reich in Schutt und Asche zu
verwandeln.
Aurelia
sandte den schnellsten Läufer zu ihrem Bräutigam, um ihn um Hilfe
zu bitten.
Gerade
noch rechtzeitig konnte der Wichtel Springinsfeld den Garten
verlassen, denn bald darauf kam Unwirsch mit seinem großen Drachen
und kettete ihn vor dem Schmetterlingsreich an und niemand konnte nun
mehr das Reich verlassen oder betreten.
Da
herrschte natürlich große Aufregung.
Die
Elfen nahmen sich jeder einen der Wichtel und wollten mit ihnen über
die Mauer fliegen, doch da riss der Drache sein großes Maul weit auf
und eine riesige Flamme schoss in ihre Richtung und schnell flogen
sie wieder zurück.
Verzweifelt
überlegten sie, wie sie der Gefahr entkommen konnten.
Maximilian
aber saß gemütlich in seiner Stube und ahnte nicht was über ihm
los war.
Doch
auf einmal erzitterte seine Zimmerdecke. Erbost stieg er die Leiter
nach oben, um nachzusehen was die Erschütterung ausgelöst hatte.
Der
ganze Garten schien in Bewegung zu sein, Wichtel und Elfen liefen
alle durcheinander dem Schloss zu.
„Was
ist denn los!“ rief er, doch niemand antwortete ihm.
Die
Schnecke Esmeralda kam nur langsam voran, musste sie doch ihr Haus
mit sich tragen und so war sie auch die Einzige, die Maximilians
rufen hörte.
Etwas
atemlos blieb sie stehen.
„Liebste
Freundin, was bedeutet denn all diese Aufregung.“
„ Der
Kobold Unwirsch will unser Reich vernichten.“
„Warum
denn das?“
„Er
möchte unsere Königin zur Frau nehmen, und wenn sie nicht
einwilligt, dann wird sein Drache hier alles verbrennen und wir
müssen sterben. Der Drache wartet schon draußen und wir können
nicht fliehen. Deshalb hat uns Aurelia ins Schloss gerufen. Ich
fürchte sie will sich opfern und die Frau des Kobolds werden, nur um
uns zu retten.“
Esmeralda
stieß einen tiefen Seufzer aus.
Maximilian
runzelte die Stirn. Was er hörte gefiel ihm gar nicht, obwohl ihm ja
das Feuer unter der Erde nichts ausmachen würde.
Dann
kam ihm eine Idee.
„Liebste
Freundin, eilt sofort zu der Königin übermittelt ihr meine besten
Wünsche und teilt ihr mit, dass in meinem Reich unter der Erde alle
in Sicherheit vor dem Feuer sind.“
Esmeralda
strahlte und kroch so schnell wie möglich dem Schloss zu.
Maximilian
aber klettert hinab und öffnete sämtliche Türen für seine Gäste.
War
das ein Jubel, als die Schnecke Maximilians Botschaft verkündete.
Und
nun begann ein emsiges Treiben. Decken, Kissen und Proviant wurde
nach unten geschafft. Die Glühwürmchen ließen sich an den Wänden
nieder und spendeten das nötige Licht.
Und
die Spinnen webten starke Fäden über die Eingänge, die keinen
Funke aber doch genügend Luft durch ließen.
Aurelia
bedankte sich höchst persönlich bei Maximilian.
Was
diesem sehr schmeichelte und ihn versöhnte mit der Unruhe die nun in
seinem Reich herrscht.
Jeden
Tag schickte die Königin einen Wichtel nach oben, der die Lage
peilen sollte.
Und
eines Tages kam der Bote freudestrahlend zurück und rief, dass
Gernot und Springinsfeld oben wären und der Drache besiegt worden
sei, noch ehe er das Schmetterlingsreich zerstören konnte.
Ein
Jubel brach los und alles drängte nach oben.
Wenige
Tage später wurde ein Fest gefeiert und mein Urahn als Ehrengast
eingeladen.
Und
die Königin schlug ihn zum Ritter und seit dieser Zeit tragen wir
den Namen 'Maulwurf vom Elfenhügel'“,
beendet
Sebastian stolz seine Geschichte.
Lieselotte
stieß einen tiefen Seufzer aus und betrachtete das Bild.
„Wie
stattlich er doch aussieht,“ schwärmte sie und Jonathan rief etwas
enttäuscht: „aber warum trägt er denn kein Schwert wie ein echter
Ritter!“
Nur
Mäxchen jammerte: „Mama ich hab Hunger!“
Alle
lachten.
„Liebste
Gertrude in der Küche steht eine große Schüssel mit
Regenwurmsalat, bitte bedienen sie sich.“
Die
Kinder verzogen die Gesichter, was Sebastian aber nicht sehen konnte,
da er ja seine Brille nicht aufhatte.
„Vielen
Dank, Herr Sebastian, aber es ist spät, die Kinder müssen zu Bett.
Vor einiger Zeit hat sich der Sturm gelegt, sodass wir wieder nach
Hause gehen können. Danke für ihre Gastfreundschaft.“
Als
seine Gäste ihn verlassen hatten, lehnte sich Sebastian zurück und
gähnte laut.
Ein
schöner unterhaltsamer Nachmittag war das gewesen, aber nun war er
müde.
Er
schloss die Augen und bald ertönten leise Schnarchtöne.
©
Lore Platz 2015
Ach wie schön, liebe Lore!
AntwortenLöschenSo phantasievoll, bezaubernd und voller Zauber - Märchenzauber halt.
das hast du schön geschrieben. Die Spinnennetze als Funkenschutz,, da wäre ich nie drauf gekommen. Danke, dass du meinen Tag verschönt hast!
LG
Marle
Das sind ja schon zwei schöne Märchen, mit so viel Fantasie geschrieben. Danke schön dafür!
AntwortenLöschenLG Elke
Wieder eine Deiner wunderschönen Märchenerzählungen.Vielen Dank
AntwortenLöschenLG Christa
Eine bezaubernde Geschichte ist das, liebe Lore. Ich sehe den Maulwurf Sebastian und die Mäusekinder direkt vor mir.
AntwortenLöschenÜbrigens kann ich die Mäusekinder verstehen, auf diesen Regenwurmsalat hätte ich auch keine Lust. Die Kekskrümel hingegen hätte ich auch nicht verschmäht.
LG
Astrid
Liebe Lore, bezaubernd Deine schöne Geschichte. Wenn es Spitzmäuse wären,die mögen Regenwurmsalat, hi, hi, Alles Liebe Eva
AntwortenLöschenLiebe Lore
AntwortenLöschenwas für eine wunderbare fantasievolle Geschichte ...dankeschön!
Lieben Gruss Elke
Liebe Lore
AntwortenLöschenDas ist ja wieder ein wunderschönes Märchen, Du bist unübertroffen in Deinen Geschichten
Liebe Grüße Joachim
Liebe Lore, diesmal bin ich echt spät dran, bei dir (euch) zu lesen. Es kam immer etwas dazwischen. Doch jetzt habe ich deine Geschichte mit ganz großer Freude gelesen. Herrlich, die Mäusegeschichte mit dem Regenwurmsalat - neee, wie bist du nur darauf gekommen??? Und damit war ja noch lange nicht Schluss - da schiebst du gleich noch eine zweite Geschichte hinterher. Erzähl mir bloß nicht, dir geht der Stoff aus!!! :-) Ich wünsche dir einen sonnigen Mittwoch - bis ganz bald! Martina
AntwortenLöschenMartina - Du hast noch mal Glück gehabt. Diesmal bin ICH die letzte mit dem Kommentar...
AntwortenLöschenLiebe Lore, mich faszinieren immer die Namen, die Du Deinen Protagonisten gibst. "Kobold Unwirsch" oder "Maulwurf vom Elfenhügel" ... wie kommst Du nur auf sowas?
Deine Geschichte ist richtig niedlich - ich habe mir die Mäusefamilie im Bau des Maulwurfs bildlich vorgestellt - den Maulwurf mit der Decke um die Knie ... einfach göttlich!
Vielen Dank für dieses schöne Märchen - da bedauere ich es wieder mal, dass ich keine Kinder oder Enkel habe, denen ich es vorlesen könnte!
Liebe Grüße
Christine
Lore wieder ein Highlight von Dir :D Schönen Abend <3
AntwortenLöschenLiebe Lore, ich kann mich nur wiederholen. das war mein Highlight des Tages!
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