Sonntag, 9. April 2023

Osterglocken






Osterglocken


Blinzelt die Sonne zum Fenster herein
Hüllt mit ihrem flimmernden Schein
In Gold das ganze Zimmer,
schmückt das Fenster ein Blumenflor
Schauen lachende Blüten hervor
In den wärmeren Schimmer

Wie blühen und duften im Sonnenschein
Die gelben Glöckchen so zart und fein
Oh wie können die Läuten,
Hört ihr den silbernen Klang
So leise und fern wie Engelsgesang
Sag was kann es deuten?

Flimmernde Sonne, silberner Klang
früh am Morgen ein Vöglein sang
Sang aus voller Kehle
Ist heute nicht ein Feiertag
Drum freu sich, wer sich freuen mag
Lob und freu dich Seele


E. Ammerich


Mit diesem Gedicht und der Hoffnung auf wärmeres Wetter möchte ich Euch ein schönes Osterfest wünschen
Ich werde über Ostern eine kleine Pause machen, dann gibt es wieder neue Geschichten.

 Frohe Ostern!

Eure Märchenfee
 






Montag, 3. April 2023

Der Tag, an dem die Hühner streikten

Diese Geschichte möchte ich meiner verstorbenen Freundin Heide Marie Kalitta widmen, die mir extra ein Bild dafür gemalt hat. 
Wo immer du jetzt bist liebe Heide Marie, ich hoffe du freust dich darüber.

(c) Heide Marie Kalitta


 Der Tag, an dem die Hühner streikten



Heute kann ich es euch ja erzählen, denn es ist alles gut ausgegangen und ich denke mal jeder hat seine Ostereier gefunden.
Dabei war vor einigen Tagen noch gar nicht so sicher, ob es diesmal klappt mit den Ostereiern.
Und das kam so.

(c) Irmgard Brüggemann


Zwischen Himmel und Erde liegt das Zauberland und dort wohnt der Osterhase mit seiner Frau und seinen Kindern.
Das sind die drei Jungen Schlitzohr, Bertl und Angsthase und die drei Mädchen Myrtel, Fellchen und Samtpfote.
Sie wohnen inmitten einer großen Wiese in einem riesigen Haus, das aussieht wie ein Osterei.
Hinter dem Haus gibt es einen Garten, in dem Mutter Osterhase Karotten, Salat und verschiedene leckere Kräuter angepflanzt hat.
In dem schmucken Gartenhäuschen sind die Farbeimer und Pinsel, sowie der große gusseiserne schwarze Kessel in dem die Eier gekocht werden, untergebracht.
Alles ist sehr ordentlich, denn Frau Osterhase legt darauf großen Wert.
In der großen offenen Scheune am Rande der Wiese steht der Pritschenwagen, mit dem sie in der nahegelegenen Farm die Eier abholen und natürlich damit auch in die Menschenwelt fahren, um sie zu verstecken.

 
(c) Irmgard Brüggemann

 Schlitzohr liegt gerade unter dem Wagen und streckt die Hand aus.Schraubenzieher!“
Welchen denn?“ fragt Bertl
Schlitzohr rutscht unter dem Wagen hervor und seine Brüder fangen an zu lachen, denn er ist ganz schwarz im Gesicht.
Vater Osterhase kommt in die Scheune und auch er schmunzelt.
Seid ihr so weit Jungs, wir müssen los.“
Gleich muss nur noch eine Schraube anziehen!“ ruft Schlitzohr, der sich inzwischen den Schraubenschlüssel selbst genommen hat.
Wenig später, nachdem sich der Hasenjunge noch schnell gewaschen hat, sind sie auf dem Weg zur Hühnerfarm.
Sie ahnen nicht, was dort auf sie wartet.

 
(c) Roswitha und Werner B.


Auf der Hühnerfarm herrscht nämlich große Aufregung.
Die schöne Louisa thront auf dem großen Stein inmitten des Hofes und hält eine flammende Rede.
Die dicke Berta, die mit ihren Freundinnen bei einem gemütliche Tee zusammen sitzt, guckt aus dem Fenster.
Es ist Louisa, seit sie aus dem Ei geschlüpft ist hält sie sich für etwas besseres und verbreitet immer wieder Unruhe und besonders das Jungvolk hört auf sie. Was sie diesmal wohl wieder vorhat. Kommt wir wollen mal nachsehen.“
Berta und ihre drei Freundinnen verlassen das Häuschen und nähern sich dem Versammlungsort.
Wir werden, wenn heute der Osterhase kommt, die Eier nicht ausliefern!“ ruft Louisa gerade triumphierend und die anderen schreien begeistert „Jaaaaa!“
Nur einige der älteren Hühner sind still und machen ein bedenkliches Gesicht.

 
(c) Roswitha und Werner B.

Berta drängt sich nach vorne.
Was soll denn der Unsinn, Louisa! Die Eier stehen doch schon verpackt in Körben im Schuppen. Was für eine verrückte Sache hast du dir denn jetzt wieder ausgedacht!“


 
(c) Irmgard Brüggemann

Die junge Henne wirft ihr einen spöttischen Blick zu.
Seit Jahren arbeiten wir für den Osterhasen und welchen
Dank bekommen wir. Wir legen die Eier!!! Und nur weil der Osterhase ein paar Farbtupfer drauf gibt wird er gerühmt.
Manche Kinder glauben ja sogar, dass die Hasen auch noch die Eier legen. Habt ihr schon jemals ein Kind sagen hören, die lieben Hühner legen uns die Eier? Nein!, der liebe Osterhase bringt sie uns, ach wie ist er doch soooo lieb!“
Louisa hat sich richtig in Fahrt geredet und die anderen Hühner nicken zustimmend.
Berta aber schüttelt nur den Kopf.
So ein Unsinn, wir arbeiten für den Osterhasen und liefern die Eier, dafür besorgt er Futter für uns, hat uns diese hübschen Häuschen gebaut und außerdem den schützenden Zaun, durch den kein Fuchs oder Marder kommt.“
Louisa wirft ihr einen listigen Blick zu, dann wendet sie sich an die anderen.
Wer dafür ist, dass wir dem Osterhasen keine Eier ausliefern, der hebe den rechten Flügel.“
Fast alle Flügel schießen in die Höhe.
 
(c) Irmgard Brüggemann

Und so kommt es, dass der Osterhase und seine Söhne vor verschlossenen Türen stehen, als sie wenig später die Eier abholen wollen.
Besorgt fahren sie wieder nach Hause, nachdem ihnen die dicke Berta gesagt hat, was los ist.
Mittlerweile ist es wieder ruhig geworden auf dem Hühnerhof. Die älteren Hühner haben sich besorgt in ihre Hütten zurückgezogen und das Jungvolk, das noch vor kurzem so begeistert 'Ja' geschrien hatte, schleicht leise über den Hof und wirft immer wieder einen scheuen Blick auf die Körbe voll Eier.
Louisa aber sitzt vor dem Spiegel und sieht sich selbstgefällig von allen Seiten an.
Sie ist sehr zufrieden mit sich, schon seit sie erfahren hat, wie beliebt der Osterhase bei den Kindern ist, war sie
neidisch.
Dabei hat sie noch gar kein Osterfest erlebt, da sie ja noch sehr jung ist. Aber sie ist nun mal sehr eitel und alles soll sich nur um sie drehen.
Jetzt hat sie es diesen Osterhasen gezeigt, die werden sich ärgern, schade dass sie das nicht sehen kann. Warum eigentlich nicht? Sie würde heimlich die Osterwiese beobachten.
Vergnügt springt sie auf und verlässt den Hof.
Berta sieht zufällig aus dem Fenster, als Louisa durch das Tor schlüpft.
Dieses dumme Ding!“ schimpft sie leise, „sie weiß doch, dass draußen der Fuchs lauert.“
Berta wirft sich ihren Umhang um und verlässt ebenfalls ungesehen den Hof.
In der Ferne sieht sie die junge Henne, die stolz erhobenen Hauptes auf den Wald zu schreitet.
Aber Berta sieht auch ein rotbraunes Fell aufleuchten
und erschrickt. Der Fuchs!
Und dann hört sie schon Louisa kreischen und rennt los.
Gerade noch sieht sie wie der Rotpelz die zappelnde Henne in seinen Bau schleppt.
Tränen laufen der guten Berta über die Wangen.
Wenn Louisa auch keine besonders nette Henne ist, aber diesen Schicksal hat sie nicht verdient.
Der Fuchs kommt wieder aus dem Bau und rennt schnell durch den Wald.
Berta versteckt sich im Gebüsch, bis er vorüber ist, dann schleicht sie vorsichtig in die Höhle, voller Angst was sie da vorfindet.
Louisa lebt noch, aber sie steckt in einem Käfig und starrt mit vor Angst geweiteten Augen auf die Tür, die sich langsam öffnet.

(c) Irmgard Brüggemann

Im hellen Licht, das von draußen herein kommt, erkennt sie Berta und atmet erleichtert auf, als sie die alte Henne erblickt.
Berta, bitte Hilf mir, der Fuchs ist zu seinem Freund dem Marder, um ihn zum Festessen einzuladen und auf der Speisekarte werde ich stehen.“
Louisa heult laut auf und zittert am ganzen Körper.
Berta untersucht das Schloss des Käfigs, aber sie stellt gleich fest: 'das kann sie nicht öffnen.'
Ich hole Hilfe!“
Bleib hier Berta!“ jammert Louisa, doch diese ist schon durch die Tür.
Und Berta rennt, als gelte es das eigene Leben und erst auf der Osterhasenwiese fällt sie außer Atmen ins Gras.
Die Hasen kommen angelaufen und nachdem Berta endlich wieder etwas Luft bekommt, erzählt sie was geschehen ist.
Vater Osterhase und die Jungen laufen sofort los, während Frau Osterhase mit Berta ins Haus geht, um ihr einen Beruhigungstee zu kochen.
Erschöpft lässt die Henne sich auf einen der gemütlichen Sessel fallen. Myrtel stopft ihr ein Kissen hinter den Rücken, Fellchen legt ein anderes unter ihre Füße und Samtpfötchen reicht ihr knicksend die Tasse mit heißem Tee.
Dann setzen sich die Hasenmädchen zu ihren Füßen und Berta muss erzählen wie sie in die Fuchshöhle geschlichen war.
Mutter Osterhase aber geht vors Haus, um auf die Retter zu warten.
Endlich kommen sie aus dem Wald und in ihrer Mitte eine zerzauste, verlegene aber auch glückliche Louisa.
Unterwegs hat sie sich mehrmals bei dem Osterhasen entschuldigt und versprochen, dass sie die Eier bekommen werden.
Die Hasen fahren auch gleich zusammen mit Louisa zur Farm, denn die Zeit drängt.


 
(c) Irmgard Brüggemann

Berta aber schielt auf die leckeren Erdbeertörtchen auf dem Tisch und meint:
Ich bin noch viel zu erschöpft und kann mich kaum auf den Füßen halten.“
Dann nimmt sie ein Erdbeertörtchen und lässt es blitzschnell im Schnabel verschwinden.
Lautes Hupen verkündet die Ankunft des Wagens.
Auf der Ladefläche aber zwischen den Körben mit Eiern sitzt das ganze Federvolk und flattert nun gackernd auf die Wiese.
Herr Osterhase aber tritt zu seiner Frau, die etwas entsetzt auf die kreischenden Gäste blickt.
Ich habe sie eingeladen uns zu helfen. Vielleicht könntest du ja für sie deine berühmten Erdbeertörtchen backen, die Mädchen sollen dir helfen.“
Drei würdevolle ältere Hennen kommen nun auf sie zu.
Jede von ihnen trägt einen großen eleganten Hut, auf dem lustig eine Feder hin und her schwankt.
Höflich grüßen sie und fragen nach ihrer Freundin Berta.
Frau Osterhase führt sie ins Haus und aufgeregt gackernd umringen sie ihre Freundin, die wieder mit Genuss ihr Abenteuer erzählt. Dabei wird der Kuchenteller überraschend schnell leer.
Frau Osterhase winkt die Mädchen in die Küche und während Samtpfötchen und Fellchen im Garten Erdbeeren, Himbeeren und Heidelbeeren pflücken, bereiten die Mutter und Myrtel in der größten Schüssel den Teig zu.
Nur wie sie den Tee servieren soll, da sie nicht genügend Tassen hat, weiß Frau Osterhase nicht.
Herr Osterhase und seine Söhne haben inzwischen den großen Topf aus dem Schuppen gerollt, um schwirrt von dem lärmenden Hühnervolk.
Sie begleiten die Hasen zum Bach und sehen dann staunend zu, wie das Feuer unter dem großen Topf, der nun voll Wasser ist, entfacht wird.
Als es brodelt und sprudelt werden die Eier mit großen Löffeln vorsichtig im Wasser versenkt, begleitet von den
Ahh und Ohhs“ der Zuschauer.
Dann werden die Tische mit den Farbeimern aufgestellt und die Hasen beginnen zu malen.
Die Hennen aber drängen so nahe heran, dass sie die Künstler in ihrer Arbeit behindern.


Aber Herr Osterhase, den nichts aus der Ruhe bringt, lässt von Schlitzohr und Bengel einen extra Tisch aufstellen und bittet die Hühnern doch selbst einige Eier zu bemalen.
Nun bekommt jedes Huhn ein Ei, doch die beiden Hasenjungen erklären feixend, als der Vater außer Hörweite ist, leider gäbe es nicht genug Pinsel.
Aber womit sollen wir denn die Eier bemalen?“ rufen die zukünftigen Künstlerinnen enttäuscht.
Ihr habt doch eure eigenen Pinsel dabei,“ grinsen die Jungen und Kikki, die Kleinste, versteht sofort und taucht ihren Flügel vorsichtig in den Topf mit roter Farbe und fährt dann über das Ei, und freut sich über die roten Wellen, die sie hinterlässt.
Nun sind auch die anderen Hühner nicht mehr zu bremsen und bald sind sie bunter als die Eier.
Aber sie haben alle einen große Spaß und jubeln, kreischen und gackern.
So laut war es auf der Osterwiese noch nie.
Bald sind alle Eier trocken und in Körben verpackt zur morgigen Abfahrt bereit.
Die Hühner aber torkeln zum Bach, um sich zu waschen.
Dann gibt es Gebäck und Tee.
Frau Osterhase hat den Tee in einen großen Eimer geschüttet und ihre Gäste können daraus mit einer Schöpfkelle trinken.
Endlich flattern die müden, aber glücklichen Hühner auf den Pritschenwagen und Schlitzohr fährt sie nach Hause.

(c) Irmgard Brüggemann


Erschöpft lehnt Frau Osterhase sich an ihren Mann.
Was für ein Spektakel,“ stöhnt sie.
Der Osterhase grinst leicht verlegen.
Ich habe sie eingeladen nächstes Jahr wieder zu helfen.“
Oh nein!“ ruft seine Frau entsetzt, doch dann kichert sie.
Wenigstens ist ein ganzes Jahr dazwischen!“
Und lachend gehen sie ins Haus.

© Lore Platz (2021)    





Donnerstag, 9. März 2023

Alex und Christel wollen sich scheiden lassen

 

Sind es nicht immer die Kinder, die unter den Problemen der Erwachsenen leiden müssen.



 


 

 

Alex und Christel wollen sich scheiden lassen


Das kleine Mädchen kuschelte sich in ihr Bett, den Teddy fest an sich gedrückt und schloss die Augen, als könnte sie so die laut schreienden Stimmen im Erdgeschoss ausblenden.

Leise öffnete sich die Tür und ihr Zwillingsbruder huschte ins Zimmer.

Hörst du sie wieder streiten, Morgen machen wir es, bist du einverstanden?“

Ja,“ wisperte seine Schwester.

Dann versuch noch etwas zu schlafen.“




Als der Chauffeur Anton die Zwillinge von der Schule abholt hat, wandte sich Alex noch einmal zu ihm um.

Wir möchten nach dem Essen jemanden besuchen, hast du Zeit?“

Anton tippte sich an die Mütze, die er immer etwas schräg aufgesetzt hatte.

Sicher , kommt einfach in die Garage.“

Die Kinder liefen in die Küche, wo Jette gerade in eine weinrote Wärmflasche heißes Wasser goss.

Holt euch das Essen, eure Mutter ist krank.“

Schweigend aßen die Kinder den leckeren Auflauf, dann liefen sie auf ihre Zimmer und zogen ihre besten Sonntagskleider an.

Anton setzte sie vor dem Haus, dessen Adresse auf dem Zettel, den Alex ihm beim Einsteigen gereicht hatte, ab.

Wann soll ich euch wieder abholen?“

Wir rufen dich an,“ sagte Alex und folgte seiner Schwester Christel.

Schweigend fuhren sie mit dem Lift in den dritten Stock und klingelten an der Tür, auf der stand: Rechtsanwalt Dr. Oliver Reinhold.

Ein junges Mädchen öffnete und sah etwas erstaunt die Kinder an.

Ihr habt euch wohl an der Tür geirrt?“

Nein wir wollen zu Dr. Reinhold.“

Na dann kommt herein!“

Der junge Anwalt sah erstaunt auf, als seine Sekretärin die beiden hereinschob.

Herr Doktor, die Dame und der Herr möchten sie sprechen, „ schmunzelnd schloss sie die Tür hinter den Kindern.

Nun, dann nehmt Platz.“

Alex verbeugte sich und stellte sich vor.

Ich bin Alexander Weidner und das ist meine Zwillingsschwester Christel.“

Christel knickste und setzte sich neben ihren Bruder in den großen Lehnstuhl.

Seit ihr verwandt mit dem Schuhfabrikanten Weidner.“

Das ist unser Papa!“ rief das Mädchen.

Und warum seid ihr jetzt bei mir?“

Wir wollen uns scheiden lassen!“ erklärte Alex mit ernstem Gesicht.

Oliver Reinhold zog die Brauen hoch.

Ihr wisst schon, dass Zwillinge sich nicht scheiden lassen.“

du Dummchen, das wissen wir,“ rief Christel kopfschüttelnd.

Ach dann wollen sich eure Eltern scheiden lassen. Da müssen diese aber selbst vorbei kommen.“

Alex machte eine wegwerfende Handbewegung.

Die können ruhig zusammen bleiben und weiter Radau machen, nein wir möchten uns von unseren Eltern scheiden lassen.“

Um den Mund des Anwalt zuckte es und er fragte.

Woher habt ihr eigentlich meine Adresse?“

Von meinem Freund Kai, wir gehen in dieselbe Klasse und er hat gesagt, sein Onkel Oliver ist der beste Anwalt.“

Nun, das große Vertrauen meines Neffen freut mich,“ lachte der junge Mann.

Dann holt er ein Formular und einen Stift.

Dann wollen wir mal ein Protokoll anlegen und ihr erzählt mir, warum ihr euch von euren Eltern scheiden lassen wollt.“

Halt!“ rief Christel, lief zum Schreibtisch und schüttete ihre Tasche aus. Silberne Eurostücke kullerten, gefolgt von Geldscheinen auf den Tisch.

Der alte Xaver hat nämlich gesagt, ein Anwalt will erst Geld sehen, bevor er einen Buchstaben schreibt.“

Oliver lachte laut, doch als er die erstaunten Gesichter der Kinder sah, wandelte er das Lachen in einen Husten um. Das hatte zur Folge, dass Alex aufsprang und ihm kräftig auf den Rücken schlug.

Oliver hob beide Hände und japste

Danke es geht schon wieder.“ Er drückte auf die Taste der Sprechanlage und bat seine Sekretärin herein.

Heike würden sie bitte das Geld einsammeln und mir eine Quittung darüber ausstellen!“

Christel sprang auf und reichte ihr die Tasche.

Sie können es da rein tun, aber die Tasche möchte ich gerne wiederhaben, das ist nämlich mein Sonntagstäschchen.“

Die junge Frau konnte sich kaum das Lachen verbeißen, sie wurde ganz rot im Gesicht, raffte schnell das Geld zusammen und lief fast aus dem Zimmer.

Stirnrunzelnd sah Alex ihr nach.

Die wird doch nicht mit unserem Geld durchbrennen?“

Keine Sorge ihr könnt ihr vertrauen, aber nun erzählt mir doch warum ihr euch von euren Eltern scheiden lassen wollt.“

Während des Berichts der Kinder wurde der Anwalt immer ernster.

Sie erzählten, dass ihre Eltern seit Wochen nur noch stritten. Sobald der Vater aus der Arbeit nach Hause kam, brüllten sie schon los, schlugen die Türen und ihre Mutter weinte.

Angefangen hatte es kurz nach Weihnachten, da hatte ihre Mama nämlich die neue Sekretärin bei der Firmenfeier kennen gelernt und seitdem war sie eifersüchtig.

Tagsüber verkroch ihre Mutter sich in ihrem Zimmer und der Vater kam mittags auch nicht mehr von der Fabrik nach Hause, sondern immer spät abends.

Um sie kümmerten sie sich überhaupt nicht mehr.

Als wären wir unsichtbar!“ empörte sich Alex und Christel nickte.

Oliver Reinhold hatte sich alles notiert.

Ihr könnt doch schon schreiben?“

Natürlich, wir gehen doch schon in die zweite Klasse.“

Dann unterschreibt bitte hier das Protokoll, darin habe ich alles aufgeschrieben, was ihr mir erzählt habt. Durch eure Unterschrift gebt ihr mir die Erlaubnis, dass ich für euch handeln kann. Macht euch keine Sorgen, es wird alles gut.“

Die Kinder unterschrieben und reichten dem Anwalt beim Abschied vertrauensvoll die Hand.

Kai hat recht,“ bestätigte Alex, „ sie sind der beste Anwalt.

Als die Kinder gegangen waren, griff Oliver zum Telefon.



Pünktlich um zehn Uhr vormittags stand Oliver Reinhold vor der Tür der Villa Weidner und drückte auf den Klingelknopf.

Er hatte extra am Vormittag einen Termin mit dem Ehepaar verabredet, denn da waren die Kinder in der Schule.

Jette ließ ihn ein und führte ihn ins Wohnzimmer.

Als er sich gesetzt hatte, meinte Oliver.

Sie wundern sich sicher, warum ich sie aufsuche, nun ich komme im Auftrag ihrer Kinder. Sie haben zwei wunderbare, kluge und aufgeweckte Kinder und eigentlich haben sie diese gar nicht verdient.“

Hören sie mal,“ rief Franz Weidner empört.

Oliver warf ihm und seiner Frau einen finsteren Blick zu.

Ihre Kinder waren gestern bei mir, weil sie sich von ihnen trennen wollen. Der wochenlange lautstarke Streit geht den Kindern auf die Nerven. Außerdem sind sie beide so mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, dass sie sich um ihre Kinder überhaupt nicht mehr kümmern. Wie ihr Sohn Alex so treffende meinte: Wir sind unsichtbar für sie. Hier liegt die Anklageschrift .“

Der Anwalt lehnte sich zurück und beobachtete wie das junge Ehepaar bei den Worten, die sie lasen, immer blasser wurde.

Andrea Weidner schlug die Hände vors Gesicht.

Es ist alles meine Schuld,“ flüsterte sie.

Ihr Mann legte ihr beruhigend den Arm um die Schultern.

Nein, auch ich bin schuld, ich habe in letzter Zeit mich zu viel in die Arbeit gestürzt, weil ich unbedingt den Überseeauftrag an Land ziehen wollte. Dabei habe ich meine Familie vernachlässigt.“

Andrea seufzte. „ seit die Kinder in die Schule gehen und mich nicht mehr so brauchen, fühle ich mich manchmal unnütz, langweile mich und habe viel zu viel Zeit auf dumme Gedanken zu kommen.“

Es ist also Zeit etwas zu ändern,“ schlug Oliver vor.

Welchen Beruf hatten sie denn vor ihrer Ehe?“

Ich war Dolmetscherin, spreche fünf Sprachen.“

Haben sie denn in ihrer Firma keine Verwendung für ihre Frau?“

Und ob, da ich mit verschiedenen ausländischen Firmen bereits in Kontakt stehe, wäre das ideal.“

Der junge Anwalt lachte vergnügt.

Das ist doch schon mal ein Anfang. Aber vergessen sie ihre Kinder nicht,besonders wenn sie beide berufstätig sind. Sie brauchen eine Familie und eine Köchin, die sie versorgt und ein Chauffeur, der sie herum fährt, sind kein Ersatz dafür.

Sie sollten die Abende und auch die Wochenenden unbedingt für ihre Kinder freihalten. Und vielleicht wäre es auch gut eine Kinderfrau einzustellen.“

Herr Weidner war einen Blick auf seine Frau.

Weißt du Andrea, wir haben ja die letzten Wochen kein vernünftiges Wort miteinander gewechselt, deshalb konnte ich dir auch nicht sagen, was Mama mir an Weihnachten anvertraut hat. Seit Papas Tod fühlt sie sich so einsam und sie würde so gerne ihre Enkelkinder öfter sehen.“

Jubelnd fiel die junge Frau ihrem Mann um den Hals.

Das ist doch die Lösung, wir haben doch soviel Platz hier, die Kinder lieben ihre Oma und wir wären beruhigt, wenn wir mal auf Geschäftsreise gehen müssen.“

Oliver Reinhold erhob sich. „Dann ist ja alles geklärt, ich wünschen ihnen viel Glück für die Zukunft.“

 

 


 

Er holte aus seiner Tasche zwei Sparschweine heraus.

Ihre Kinder haben ihre Sparschweine geschlachtet, deshalb habe ich mir erlaubt zwei neue zu kaufen und das Geld aufgeteilt, denn von Freunden meines Neffen nehme ich kein Honorar.“


Als der Anwalt das Haus verließ, spielte ein glückliches Lächeln um seinen Mund.


© Lore Platz (2020)

 


Kleine Geste, große Wirkung Erinnerungsgeschichte





Kleine Geste, große Wirkung


Früher war alles besser, das sagt man oft, weil man vielleicht auch im Rückblick alles ein wenig verklärter sieht.
Aber ich habe noch eine schöne Erinnerung an den
Tante Emma“ Laden, in den meine Mutter mich immer schickte. 
Die alte Frau mit der altmodischen Frisur und der großen Schürze war immer freundlich und wenn ich dann den Zettel meiner Mutter hin geschoben habe mit dem abgezählten Geld, dann schenkte sie mir ein freundliches Lächeln.
Während die alte Frau, deren Namen ich leider vergessen habe, alles zusammensuchte ließ ich meinen Blick im Laden herum schweifen.
Es gab soviel zu sehen, all die Dosen, Gläser und geheimnisvolle Päckchen die in den Regalen aufgereiht waren.
Und über allem lag ein wunderbarer Duft.
Eine Mischung aus Gewürzen und frischem Brot.





Wenn ich dann das Einkaufsnetz in die Hand gedrückt bekam, durfte ich noch in das große Glas neben der Kasse greifen und mir ein Bonbon herausangeln.
Am liebsten mochte ich die klebrigen Dinger, die aussahen wie eine rote Himbeere.
Wie auf Wolken schwebte ich dann aus dem Laden.
Und wenn ich einmal zu wenig Geld dabei hatte, durfte ich es am nächsten Tag bringen.
Der Betrag wurde in einem großen Heft dann
eingetragen.
Meist schickte mich meine Mutter aber sofort wieder los, denn sie mochte keine Schulden.





Heute wäre das doch undenkbar.
Stellt euch mal vor, ihr steht in einem großen Supermarkt, eine Schlange hinter euch und stellt beim Bezahlen fest, ihr habt zu wenig Geld dabei.
Dazu möchte ich euch eine kleine Geschichte erzählen.

Gleich nach Schulabschluss fing ich in einer großen Versicherung an zu arbeiten.
Ich kann mich noch genau an meinen ersten Arbeitstag erinnern.
Nachdem ich mich bei meinem neuen Chef vorgestellt hatte, führte er mich in ein Büro mit sechs Schreibtischen und stellte mich meinen zukünftigen Kollegen vor.
Auf einem der Schreibtische stapelten sich die Kontoauszüge, da der ältere Herr, der für die Ablage zuständig war, gerade Urlaub hatte.
Dorthin musste ich mich setzen und die Kontenblätter einzeln in Einhängeordnern ablegen.
Nebenbei wurde ich auch noch von meinen Kollegen als Bürobote eingesetzt und sie schickten mich im ganzen Haus herum.
Da ich extrem schüchtern war und bei der kleinsten Kleinigkeit rot wie eine Tomate wurde, fiel es mir nicht immer leicht und vor allem fehlte mir noch das nötige Sachwissen, wenn ich in einer anderen Abteilung etwas zu klären hatte.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre, wie mein Vater immer zu sagen pflegte.
In der Mittagspause lief ich alleine durch die Straßen, da ich ja niemand kannte und einmal auf dem Rückweg zur Arbeit, ging ich in einen Supermarkt.



Ich reihte mich mit meinem Obst in der Schlange vor der Kasse ein.
Vor mir stand eine ältere Dame und die Kassiererin tippte eifrig die Waren ein.
Die Dame zählte das Geld und stammelte verschämt:
Ich habe eine Mark zu wenig dabei.“
Die Schlange hinter mir scharrte ungeduldig mit den Füßen, die Kassiererin blickte leicht genervt und die alte Dame war furchtbar verlegen.
Spontan öffnete ich meinen Geldbeutel und drückte der völlig verdutzten Frau ein Markstück in die Hand.
Hier nehmen sie bitte!“
Sie sah mich überrascht an, dann lächelte sie strahlend, bedankte sich herzlich und es konnte weiter gehen.
Einen Apfel essend schlenderte ich zurück in die Firma.
Auf meinem Schreibtisch lagen schon wieder einige Akten mit Anweisungen meiner Kollegen.
Ich nahm den Stapel auf den Arm und machte mich auf den Weg durch das sechsstöckige Gebäude.
Doch heute war alles irgendwie anders.
In jedem Zimmer grinsten mich meine Kollegen freundlich an, dass ich schon dachte, mir wäre eine zweite Nase gewachsen.

Erst im sechsten Stock, als ich das Zimmer einer Kollegin betrat, die sehr nett war und mit der ich mich gerne unterhielt, klärte sich die Sache auf.
Die Frau, der ich das Markstück gegeben hatte, war eine langjährige Mitarbeiterin der Firma und kannte mich vom sehen, während ich keine Ahnung hatte.
In Windeseile hatte sich meine spontane Tat in der Firma herum gesprochen und seit dieser Zeit war ich Eine von ihnen.
17 Jahre arbeitet ich in dieser Firma und blieb bis zur Geburt meiner Tochter und arbeitete gerne dort.
Nur als ich später selber Lehrlinge ausbilden durfte, habe ich sie nicht nur als Büroboten benutzt.

© Lore Platz