25.04.25
Eine kleine Geschichte zum Wochenende.
Zitat des Tages
Mein Mann und ich haben spät geheiratet, ich war 30 und mein Mann 38.
Zwei eigenständige Menschen, die auch schon ihre Macken hatten.
Trotzdem waren wir mehr als dreißig Jahren glücklich, denn keiner wollte den anderen ändern und akzeptierten uns so wie wir waren.
Sind es nicht die kleinen Fehler, die einen Menschen erst liebenswert machen?
In meiner Geschichte geht es auch um dieses Thema und damit wünsche ich euch ;
Viel Spaß beim Lesen!
Prinzessin
Wildfang
Eine
schwarz gekleidete ältere Dame lief in raschen Schritten durch den
Garten. Sie blieb vor einem Rosenbusch stehen unter dem der Teil
eines weißen bauschigen Rockes und kleine feine Schuhe hervorlugten.
Nun
bewegte sich das Ganze und schob sich rückwärts.
Zwei
stark durch die Dornen beschädigte Ärmel wurden sichtbar, rote
wallende Locken und schließlich eine Hand, die ein kleines
verängstigtes Kätzchen hielt.
Die
Hofdame stemmte beide Hände in die Hüften und runzelte die Stirn.
„Prinzessin
Beatrix, wie seht ihr wieder aus!“
„Oh!“
Erschrocken sah das Mädchen an sich herunter und wurde rot.
„Der
Hund von Prinz Adalbert hat Ginger unter den Rosenbusch gejagt und
sie wagte sich nicht mehr heraus.“
„Hättet
ihr denn nicht einen Diener beauftragen können?“
„Die
haben doch alle keine Zeit, wegen dem Festbankett heute Abend!“
Eine
Schar junger Leute kam in den Park.
Die
jungen Damen fingen an zu kichern und die jungen Herren feixten.
Einer
dieser Herren hielt sein Monokel an das Auge und näselte: „Ach
Prinzessin Leonore ist dieses Lumpenkind etwa eure Schwester, die man
Prinzessin Wildfang nennt.“
Alle
fingen schallend zu lachen an.
Beatrix
aber drehte sich um und lief mit Tränen in den Augen davon.
Sie
verließ den Schlossgarten und lief hinaus auf die freie Ebene zu
einem großen Weidenbaum.
Hierher
flüchtete sie immer wenn sie Kummer hatte.
Wütend
ließ sie sich sich ins Gras fallen.
„Warum
weinst du?“
Beatrix
sah auf und erblickte eine ältere Dame.
Sie
war bekleidet mit einem bunten Rock, einer ebenso bunten Bluse,
derben braunen Schuhen und drückte eine riesengroße Tasche an sich.
Eine runde kleine Brille saß auf ihrer Nase.
Beatrix
sah sie finster an und meinte trotzig:
„Ich
weine ja gar nicht!“
Die
alte Dame setzte sich neben sie und sah hinauf in den wolkenlosen
Himmel.
„Dann
haben dich wohl ein paar Regentropfen gestreift.“
Nun
musste das Mädchen kichern.
„Ich
habe geweint, weil ich wütend und traurig bin,“ gestand sie.
„Nun
es schadet nicht ab zu mal zu weinen. Tränen reinigen die Augen und
spülen Zorn und Kummer von der Seele. Du solltest dich also nicht
schämen, wenn du mal weinst.“
Beatrix
lächelte.
„Ich
habe mich noch gar nicht vorgestellt, ich bin Prinzessin Beatrix,
auch Prinzessin Tolpatsch oder Prinzessin Wildfang genannt.“
Wütend
begann sie das Gras neben sich auszureißen.
„Nun
was haben dir die armen Pflanzen denn getan, dass du sie so
behandelst?“
Verlegen
ließ das Mädchen ihre Hand sinken.
Die
alte Frau aber hob einen Finger und die Wiese sah aus wie vorher.
„Oh“
„Ja
ich bin eine Fee, wusstest du das nicht.
Die
Prinzessin schüttelte den Kopf.
„Ich
dachte immer...“ Verlegen verstummte sie.
„Du
dachtest Feen seien schön und ewig jung. Meist stimmt das auch, die
Blumenfeen und Sternenfeen sind es jedenfalls. Aber ich bin eine,
naja Fee für alle Fälle.
Du
musst nicht denken, dass ich in meiner Jugend nicht auch schön war,
aber immerhin bin ich jetzt 878...“, sie runzelte die Stirn, „ …
oder sind es 879 Jahre, ach egal, nun erzähle mir aber deinen
Kummer.“
Beatrix
hob hilflos die Schultern.
„Ich
bin eine einzige Enttäuschung für meine Eltern und auch für meine
Schwester. Immer wieder gerate ich in irgendeine Klemme, zerreiße
oder beschmutze meine Kleider, falle hin, weil ich ich zu schnell
laufe und außerdem bin ich entsetzlich hässlich!“
„Paperlapap,
du bist doch nicht hässlich, mein liebes Kind.“
„Doch,
seht doch meine Nase ist voller Sommersprossen und...“
„Aber
die sehen doch hübsch aus und passen zu deinem roten Haar“,
unterbrach sie die Fee.
„Ja
meine Haare, Juliane, meine Zofe, gibt sich die größte Mühe, aber
ich verliere immer wieder die Nadeln und dann sehe ich aus wie eben
ein Wildfang.“
Die
Fee betrachtete sie prüfend und ließ eine Strähne des wirklich
schönen Haares durch ihre Finger gleiten.
„Deine
Haare sind wunderschön, aber viel zu dick, um sie mit Nadeln zu
bändigen. Hast du es schon mal mit einem Haarnetz versucht? Ich
müsste doch...“
Sie
wühlte in ihrer riesigen Tasche.
„Hier
ist es ja!“
Sie
reichte Beatrix ein goldenes mit Perlen besticktes Haarnetz.
„Das
ist ja wunderschön.“
„Ganz
leicht zu machen!“
„Nicht
für mich, das ist auch etwas was ich nicht kann, feine Handarbeiten.
Meine
Stickereien sehen aus wie ein Schlachtfeld und wenn ich häkle,
entsteht immer eine andere Form als es sollte. Ich bin eben keine
Prinzessin.“
„Papperlapap,
wer sagt denn, dass eine Prinzessin unbedingt Handarbeiten muss. Du
bist sehr wohl eine Prinzessin, du hast das mutige Herz einer
Kriegerin, du achtest nicht auf deine Kleidung, wenn es gilt ein
verletztes oder in Not geratenes Tier zu retten, auch scheust du dich
nicht in die ärmsten Hütten zu gehen, um den Leuten Essen aus der
Schlossküche zu bringen. Du wirst mal eine gute Königin werden.
Darf ich dein Haar richten?“
Beatrix
nickte und presste die Augen zusammen, um auf die Schmerzen
vorbereitet zu sein.
Die
Fee aber holte aus den unendlichen Tiefen ihrer Tasche einen großen
Kamm hervor und fuhr nun durch das lange dichte Haar.
„Das
ziept ja gar nicht!“ rief die Prinzessin erstaunt.
„Nein,
das liegt wohl an dem Kamm. Ich nenne ihn, der Kamm, der nicht ziept.
Du kannst ihn gerne behalten.“
„Danke!“
„Gerne
geschehen, verrätst du mir, warum so viele Prinzen aus alle Welt zu
euch kommen. Seit einer Woche
ist ein ständiges Kommen und Gehen im Schloss.“
„ Mein
Vater hat sie eingeladen, um mich und meine Schwester Leonora zu
verheiraten. Dabei hat mich bisher keiner der Prinzen auch nur eines
Blickes gewürdigt, höchstens um sich über mich lustig zu machen.“
„Gefällt
dir denn einer der Prinzen.“
„Nein!
Einige sind ja ganz nett, aber die haben nur Augen für meine
Schwester. Aber manche Prinzen sind schon sehr seltsam. Zum Beispiel
Prinz Wohlgemut!“
„ Ein
eigenartiger Name!“
Beatrix
kicherte.
„Eigentlich
heißt er Prinz Leopold, aber er fläzt den ganzen Tag nur auf dem
Sofa herum und formt
Verse auf die
Schönheit
meiner Schwester. Und jeder Vers endet mit dem Wort wohlgemut.“
„Da
klingt, äää, etwas seltsam.“ kicherte
die Fee.
Beatrix
grinste.
„Dann
gibt es noch Prinz Pfau!“
„Ich
vermute, das ist auch nicht sein richtiger Name?“
„Nein,
er heißt Prinz Alfonso, aber wenn er durch das Schloss oder über
den Hof stolziert dann
begleitet ihn immer ein Diener, der einen Spiegel trägt, damit der
Prinz sich jederzeit bewundern kann.“
„Was
für ein Prinz würde dir denn gefallen?“
„Es
wäre mir egal wie er aussehe, er müsst nur mutig sein, ein gutes
mitleidiges Herz für Tiere und Menschen haben und vor allem mich so
akzeptieren wie ich bin.“
„Das
sind ja bescheidene Wünsche, muss er reich sein?“
„Das
ist unwichtig!“
„Gut,
ich bin fertig, willst du es sehen?“
Sie
kramte einen Spiegel aus ihrer Tasche.
„Das
ist ja
wunderschön!“ jubelte
die Prinzessin.
„Und
vor allem hält es, selbst wenn du mal wieder auf einen Baum steigst,
um einen verletzten Vogel zu retten.
Oh,
da kommt ein Reiter, ich werde wohl besser gehen!“
Der
Reiter kam näher und sprang vom Pferd, einen Moment betrachtete er
das junge Mädchen, dann grinste er.
„Habt
ihr mit einem Drachen gekämpft!“
Einen
Moment stutzte Beatrix, dann fiel ihr der zerrissene Ärmel ein und
sie musste lachen.
„Nein
mit einem Dornenbusch, eine kleine Katze hat sich darin verirrt und
wagte sich nicht mehr heraus.“
Der
junge Mann lächelte.
„Ich
habe mich auch verirrt und wollte zum Schloss. Darf ich mich
vorstellen: Prinz Niklas von Armenia!“
„Ihr
wollt sicher auch Prinzessin Leonora heiraten.“
Beatrix
war etwas enttäuscht, denn der Prinz gefiel ihr.
„ Nein,
ich komme wegen Prinzessin Beatrix!“
„Den
Wildfang, niemand will sie heiraten, sie steckt ständig in irgend
welchen Klemmen und immer sind ihre Kleider schmutzig oder
zerrissen.“
„Gerade
deshalb finde ich sie so interessant und denke, dass sie genau die
richtige Frau für mich ist.“
Er
wirft einen schmunzelnden Blick auf die zerrissenen Ärmel.
„Ihr
habt mich erkannt?“
„ Ja
an den Ärmeln und dem wunderschönen roten Haar.“
„Aber
weshalb wollt ihr denn gerade mich, niemand will mich,“ stammelt
Beatrix verlegen.
„Weil
ihr beherzt und tapfer seid, weil ihr ein großes mitfühlendes Herz
habt und euch für Menschen und Tiere einsetzt, obwohl ihr euch damit
ständig Ärger einhandelt.
Außerdem
seid ihr von einer ganz besonderen Schönheit, denn sie ist nicht nur
äußerlich.“
Als
Beatrix ihn nur fassungslos anschaute, lächelte er wieder und dieses
Lächeln schlich sich in das Herz der Prinzessin.
Der
Prinz aber ließ seinen Blick versonnen in die Ferne schweifen.
„Armenia
ist ein sehr armes Land. Wir haben keine Bodenschätze und leben von
der Landwirtschaft und sind sehr vom Wetter abhängig. Es hat schon
Winter gegeben, da wäre mein Volk fast verhungert.
Ich
bin einige Jahre durch die Welt gereist, um eine Lösung zu finden,
habe bei einem Schafbauer gearbeitet und von der Schafschur bis zum
Weben der Wolle alles gelernt.
Auch
hat mir ein Freund von einer Raupe erzählt, aus der man Seide
gewinnen kann.
All
diese Neuerungen möchte ich in meinem Land einführen aber der Weg
wird hart und steinig sein und dazu brauche ich eine Frau an meiner
Seite mit dem Herzen einer Löwin, so wie ihr Prinzessin Beatrix,
wollt ihr diese Frau sein?“
Diese
hatte dem Prinzen staunend zugehört, das wäre eine wundervolle
Aufgabe und außerdem der Prinz gefiel ihr sehr gut und seine Worte
berührten ihr Herz.
So
nickte sie nur und ihre Augen trafen sich und für einen Moment
schien die Erde still zu stehen.
„Hoheit,
Hoheit!“
„Man
hat mich gefunden,“ bedauerte der Prinz.
„Gewährt
ihr mir heute Abend die Ehre des ersten Tanzes , Prinzessin Beatrix?“
Diese
nickte mit einem strahlendem Lächeln und Prinz Niklas schwang sich
übermütig lachend auf das Pferd, hob grüßend die Hand und
galoppierte davon.
„Er
gefällt dir?“
Wie
aus dem Nichts war die Fee wieder aufgetaucht.
Das
junge Mädchen nickte noch immer etwas benommen.
„Das
ist gut, denn Prinz Niklas ist ein besonderer junger Mann und er
passt zu dir, aber nun beeile dich, die Sonne geht bald unter. Du
willst dich doch sicher noch schön machen für den Ball. Nanu, ich
sehe noch einen Schatten in deinen Augen, was bedrückt dich?“
„Ich
habe ihm den ersten Tanz versprochen, aber ich kann doch gar nicht
tanzen, immer stolpere ich oder trete meinen Tanzpartnern auf die
Füße.“
„Papperlapap
, sicher kannst du tanzen, du hattest bisher nur die falschen Schuhe,
warte mal.“
Wieder
wühlte sie in ihrer Tasche und zog mit einem triumphierenden Lächeln
ein paar goldene Slipper hervor.
Sie
drückte die Schuhe dem Mädchen in die Hand.
„Nun
aber lauf!“
Beatrix
lief los, drehte sich aber dann wieder um und kam zurück.
Stürmisch
umarmte sie die Fee und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Kopfschüttelnd
sah diese ihr nach.
„Albernes
Ding!“
Aber
dann lächelte sie und murmelte:
„ Sie
wird sehr glücklich werden.“
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(c) meine Tochter |
Beatrix
aber erreicht atemlos ihr Zimmer.
Während
sie im Badezuber saß und Ihre Zofe Juliane ihr mit dem Kamm, der
nicht ziept, die Haare kämmte, erzählte sie ihre Erlebnisse.
Unter
viel Gelächter suchten die beiden Mädchen dann das schönste Kleid
aus.
Und
als die Prinzessin dann wenig später den Ballsaal betrat, da waren
alle Augen auf sie gerichtet, denn so schön hatte man Prinzessin
Wildfang noch nie gesehen.
Prinz
Niklas aber eilte ihr mit leuchtenden Augen entgegen und da gerade
die Musik einsetzte führte er sie zum Tanz auf das Parkett.
Der
König aber sah staunend den Tanzenden zu.
„Ist
das unsere Tochter, der Wildfang? Ein Wunder, sie sieht ja
wunderschön aus und stolpert nicht und ist bisher kein einziges Mal
ihrem Partner auf die Füße getreten?“
„Kein
Wunder! Das ist die Liebe,“ meinte die Königin mit einem feinem
Lächeln.
„Prinz
Niklas? Aber er ist der ärmste der Freier.“
„Du
willst ihnen doch keinen Ärger bereiten?“
„Nein,
nein,nicht nachdem er dieses Wunder vollbracht hat und unseren
Wildfang glücklich macht. Im Gegenteil, ich werde ihre Mitgift
verdoppeln, das wird ihnen den Start etwas erleichtern.“
Sein
Blick fiel hinüber zu Leonora, die inmitten ihrer Bewunderer stand
und sich nicht entscheiden konnte, welchen von ihnen sie die Gunst
eines Tanzes gewähren sollte.
„Es
würde mich nicht wundern, wenn unser Wildfang noch vor ihrer
Schwester verheiratet wäre.“
Und
so war es auch.
Es
wurde eine wunderschöne Hochzeit und alle freuten sich und dem
Brautpaar strahlte die Liebe und das Glück aus den Augen.
Was
besonders die beiden Mütter des jungen Paares immer wieder zum
Taschentuch greifen ließ.
Nach
dem Fest aber gingen alle in den Schlosshof, wo bereits die hoch
beladene Kutsche wartete, die Beatrix und und ihren Gemahl in ihre
Heimat bringen sollte.
Die
Zofe Juliane und der Kammerdiener des Prinzen saßen bereits wartend
in dem Gefährt.
Prinz
Niklas aber kam auf den Hof und führte zwei Pferde am Zügel.
In
dem Moment rannte Beatrix aus dem Schloss in einem einfachen
Reitdress und einem loses Band in den Haaren.
Stürmisch
umarmte sie ihren Vater, ihre Mutter und ihre Schwester und lief dann
zu ihrem Mann, der ihr auf das Pferd half.
Er
war noch nicht auf seinem Pferd, da galoppierte Beatrix mit einem
Jubelruf schon los.
Das
Band flatterte zu Boden und die reiche Fülle ihres Haares breitete
sich wild über ihrem Rücken aus.
Die
Kutsche setzte sich in Bewegung und folgte in gemächlichen Tempo.
Der
König aber sah kopfschüttelnd den wilden Reitern nach.
„Sie
wird wohl immer ein Wildfang bleiben.“
Lächelnd
hakte sich die Königin bei ihm unter, als sie ins Schloss gingen.
„Sicher,
aber sie hat einen Mann gefunden, der dies akzeptiert.“
©
Lore Platz (2022)
Wunderbar Lore. Was für eine tolle Geschichte. Ich bin beeindruckt!
AntwortenLöschenLore ich kann mich nur wiederholen: Eine tolle Geschichte!
AntwortenLöschenSchöne Geschichte und sie soll bloß so bleiben wie sie ist! Es gibt genug Menschen die sich das nicht trauen! Lg Eva ♥️
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