Mittwoch, 29. Juli 2020

Meine erste Liebe





Meine erste Liebe

Meiner ersten Liebe begegnete ich, als ich gerade mal acht Jahre alt war.
Er war hässlich, hatte ein beschädigtes Ohr und war so mager, dass man die Rippen zählen konnte.
Unsere erste Begegnung fand im Heu statt.
Mit meinen Freunden Klaus, Rita, Vroni und Heinzi spielte ich „Verstecken“.
Klaus musste mit dem Rücken zu uns an einen Baum gelehnt laut bis Hundert zählen und wir schwirrten auseinander, um uns zu verstecken.
Ich wählte den Heustadl gegenüber, schlich vorsichtig die knarrende Holztreppe hinauf und kroch dann unter das aufgeschichtete Heu.
Mit angehaltenem Atem wartete ich nun, dass Klaus mit dem Zählen fertig war.
Am Quietschen von Rita und Vroni hörte ich, dass sie entdeckt worden waren und kicherte leise vor mich hin.
Die zwei lernten es nie. Immer machten sie alles gemeinsam, so auch das Verstecken.
Neben mir raschelte es plötzlich und ich dachte schon an eine Maus, da ragte der Kopf eines Katers aus dem Heu.
Dass es ein Kater war erfuhr ich erst später.
Er sah mich aus grünen traurigen Augen an und ich begann ihn auszugraben.
Erschrocken sah ich, dass das halbe rechte Ohr fehlte und bedeckt war mit verkrustetem Blut.
Als ich seine rechte Hinterhand streifte, miaute er qualvoll auf und vorsichtig streichelte ich seinen Kopf, den er drehte, um mir die Hand zu lecken.
Viel zu sehr mit dem verletzten Kater beschäftigt, überhörte ich, dass Klaus die Treppe hoch trampelte. „Gefunden!“
Da sah er die Katze und kniete sich mitleidig neben sie.
Glaubst du sie stirbt?“ fragte ich ängstlich.
Er zuckte mit den Schultern.
Am besten bringen wir sie zum Tierarzt.“
Er zog seinen Janker aus und wickelte das verletzte Geschöpf hinein und trug es vorsichtig die Treppe hinunter.
Vroni und Rita kamen angelaufen und streichelten mitleidig den Kopf der Katze, der aus der Jacke ragte.
Klaus aber steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen schrillen Pfiff ertönen.
Wie ich ihn darum beneidete, mir gelang es nie einen Ton heraus zu bekommen.
Es raschelte in der alten Kastanie, zwei Beine wurden sichtbar und Heinzi sprang herunter.
Er grinste übers ganze Gesicht.
Gibst du auf?“
Dann sah er die die Katze und das Spiel war vergessen.
Wir standen alle um den Tisch herum, als Dr. Berger den Kater untersuchte.
Das gebrochene Bein wurde geschient, das Ohr gereinigt und er bekam noch eine Spritze.
Dann wurde er in das Hinterzimmer getragen in denen einige Käfige standen.
Hier durften die Tiere sich erholen bis sie wieder gesund waren.
Zum Spielen hatte ich keine Lust mehr und lief nach Hause.
Jeden Tag besuchte ich nun mein Katerle, so hatte ich ihn getauft, und es kam mir vor, als würde er schon auf mich warten.
Anfangs hob er nur müde den Kopf, doch von Tag zu Tag ging es ihm besser und eines Tages humpelte er an das Gitter und als ich meinen Finger durch den Maschendraht steckte und ihn streichelte, begann er laut zu schnurren.
Als ich eines Tages wieder in die Praxis kam winkte mich der Tierarzt in das Hinterzimmer, öffnete die Tür des kleinen Verschlags und Katerle kam noch etwas steifbeinig, aber ohne Gips auf mich zu gehumpelt, schmiegte sich an meine Beine und schnurrte laut.
Ich bückte mich und nahm ihn auf den Arm und sein Schnurren wurde noch lauter und ich bekam nasse Küsschen ins Gesicht.
Doktor Berger lachte vergnügt: „Wenn das nicht Liebe ist!
Hast du deine Eltern gefragt, ob du ihn behalten darfst?“
Ich nickte glücklich.
Einfach war es nicht gewesen und eigentlich hatte ich es meiner Oma zu verdanken.
Die meinte nämlich: „Wenn man jemand das Leben rettet, ist man für ihn verantwortlich!“
Katerle blieb viele Jahr bei uns und war ein guter Mäusefänger.
Einmal hat er sogar meine Tante Anna erschreckt.
Als sie mal wieder bei uns für einige Tage zu Besuch war und am Sonntag frühmorgens in die Kirche gehen wollte, lagen auf dem Fußabtreter vor der Tür fein säuberlich aufgereiht drei tote Mäuse.
Der gellende Schrei meiner Tante hat auch den letzten Langschläfer aus dem Bett geworfen.
Katerle aber marschierte stolz mit hoch erhobenem Schwanz an ihr vorbei, als wollte er sagen:
Wozu die Aufregung, ich wollte euch doch bloß zeigen wie fleißig ich die Nacht war.“

© Lore Platz