Donnerstag, 25. April 2024

Plauderecke






Als mir eine Bekannte erzählte, dass ihre Tochter so viele Schuhe hätte, dass sie sich einen größeren Schrank kaufen musste, obwohl viele dabei sind, die sie nie mehr anzieht, dann war mein erster Gedanke, warum sortiert sie diese nicht aus, verschenkt oder gibt sie an einen Secondhand -Laden.
Heutzutage sind Schuhe für uns etwas alltägliches und nicht mehr wegzudenken.
Mindestens zwanzig Paar hat jeder von uns doch in seinem Schrank, von den bequemen Puschen bis zu den Stöckelschuhen heute nennt man sie ja Highheels.
Es bedeutet wörtlich übersetzt: ' Hohe Fersen'
Und es sind wirklich oft schwindelerregende Höhen auf denen manche Menschen oft durch die Gegend
stöckeln.
Ich zittere immer ein wenig, wenn ich eine Künstlerin in hohen Haken die Showtreppe herunter komme sehe und überlege, welche Schwerkraft wohl verhindert, dass sie nicht stürzt.
Wusstet ihr, dass die Stöckelschuhe Anfang des 20igsten Jahrhundert erfunden wurde und dass Marlene Dietrich eine der ersten war, die sie bei öffentlichen Auftritten trug.
 
 

 
Vor sechzig  Jahren konnte sich noch nicht jeder Schuhe leisten. Eine Bekannte von mir erzählte mir, dass sie als Kinder so arm waren, dass sie Sommer und Winter barfuß liefen.
Und die Winter damals waren noch ziemlich hart.
Deshalb waren sie immer froh, wenn sie auf der Weide einen frisch gefallenen Kuhfladen fanden, denn darin konnten sie ihre Füße aufwärmen.
Ich war wirklich schockiert, als ich dies hörte.
Dass wir einmal keine Schuhe hatten, daran konnte ich mich nicht erinnern.
Natürlich liefen wir im Sommer barfuß und ich liebte es durch das kühle Gras zu laufen.
 
 

 
Doch einmal bin ich auf eine Biene getreten, ach was hat Klein Norle da geweint. Doch meine Mutter machte einen kühlen Verband mit essigsaurer Tonerde und alles war wieder gut.
Meine Mutter war eine sehr elegante Frau, die wunderbar mit der Nähnadel umgehen konnte und deshalb waren wir trotz der schlechten Zeiten immer gut gekleidet.
Auch besaß sie ein paar Stöckelschuhe, in die ich zu gerne schlüpfte und mich wie eine große Dame dabei fühlte.
Und meine kleine Freundin und ich spielten gerne Schuh verkaufen.
Dazu holten wir sämtliche Schuhe aus dem Schrank und in abwechselnder Kleidung natürlich aus Mutters Schrank kauften wir nun ein.
Einmal als feine Dame, einmal als armes Mädchen unsere Fantasie war grenzenlos.
Übrigens könnt ihr euch noch an die Salamander Schuhe erinnern?
Ich liebte sie und freute mich immer, wenn meine Mutti mit mir zum einkaufen in den Schuhladen ging.
Nicht wegen den Schuhen, sondern weil man immer das Bilderbuch von Lurchi geschenkt bekam.
Mein Vater wurde 1915 in Pirmasens geboren, der Schuhmetropole von einst und er hat als Junge nach der Schule eine Lehre in einer der großen Schuhfabriken als Zuschneider abgeschlossen.
 
Wusstet ihr, dass es die Römer waren, die als erstes einen linken und rechten Schuh fertigten. 
Die Herstellung bedeutete zwar einen größeren Aufwand aber es führte zu einem größeren Tragekomfort.
Doch das Wissen verschwand mit dem Untergang des römischen Reiches.
Statt für den rechten und linken Fuß einen eigenen Leisten zu machen, arbeiteten die Schuhmacher mit einem gleichen Leisten für beide Füße.
Diese Lederschuhe waren unangenehm zu tragen und so ließ sich der Adel im Barock die Schuhe von den Bediensteten einlaufen.
Erst Ende des 19ten Jahrhunderts gab es wieder verschieden gefertigte Leisten.
Welch ein Glück, sonst würden wir wohl nicht so bequemes Schuhwerk besitzen.
Obwohl manche Kreationen kommen wir doch manchmal wie ein Folterwerkzeug vor.
Schönheit muss leiden!
 
Man sagt ja Schuhe unterstreichen die sinnliche Ausstrahlung.
Und ein zierlicher Damenfuß ist ein weit verbreitetes Schönheitsideal. 
Besonders in China wurden den Mädchen bereits als Kleinkinder die Füße gebunden, um sie so am wachsen zu hindern.
1000 Jahre hielt sich diese grausame Mode. Verkrüppelte Zehen, gebrochene Knochen und Füße zehn Zentimeter klein wie eine Lotusknospe, das fand der Kaiser erotisch.
Erst im 20igsten Jahrhundert unter Mao Zedong wurde diese sehr schmerzhafte Behandlung verboten.
Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, es ist zehn Minuten vor neun also will ich es kurz machen und euch nur noch einen schönen Donnerstag wünschen.

© Lore Platz
 
 
Die roten Lackschuhe


Auf dem Weg zur Schule kam die achtjährige Anneliese an einem Schuhgeschäft vorbei.
Über dem Eingang hing ein goldenes Messingschild von dem der gestiefelte Kater frech herunter grinste und wenn der Wind ging, dann machte das Schild „bling,bling“
Dieses Schild hatte das Mädchen zuerst angelockt, doch seit einigen Tagen standen rote Lackschuhe im Schaufenster und Anneliese konnte sich nicht sattsehen.
Ganz platt drückte sie sich ihre Nase und bewunderte die schönen roten glänzenden Schuhe, die auf einem Podest standen.
Wie sehr wünschte sie sich, diese Schuhe zu besitzen, aber sie wusste, es ging nicht, denn ihr Vater war arbeitslos und suchte schon so lange nach Arbeit.
Ganz traurig war er geworden und auch die Mama die doch früher immer so gerne lachte und sang, war jetzt immer blass und still.
Anneliese würde nichts von den Schuhen erzählen, das sollte ihr Geheimnis bleiben.
Auch heute hielt sie vor dem Geschäft und drückte ihre Nase ganz fest an die Scheibe des Schaufensters, um „ihre“ Schuhe zu betrachten.
Doch was war das?
Ein Gesicht erschien und eine Hand griff nach den Schuhen und dann war das Podest leer.
Anneliese erschrak.
Traurig starrte sie vor sich hin und in ihren Augen sammelten sich Tränen.
Die Tür des Schuhgeschäfts öffnete sich und eine elegant gekleidete Dame, die ein Mädchen an der Hand führte, trat heraus.
Als sie die kleine Vortreppe herunter kamen, sah Anneliese :
Das Mädchen trug die roten Lackschuhe.
Anneliese wandte sich um und lief blind vor Tränen los.
Der Schulranzen auf ihrem Rücken hüpfte auf und ab und
die Tränen rannen nur so über ihr Gesicht.
Als sie das Miethaus betrat, setzte sie sich erst einmal auf die Holztreppe, um zu verschnaufen und die Tränen zu trocknen.
Die Mutter hatte scharfe Augen und würde nur fragen, warum sie geweint hatte.
Anneliese legte den Kopf in beide Hände und versuchte an etwas Schönes zu denken, das hatte die Oma immer zu ihr gesagt.
Ach die Oma, die war vor einem Jahr gestorben, wenn die doch hier wäre.
Mit ihr könnte sie über die schönen roten Lackschuhe sprechen.
Oben ging eine Tür und Anneliese sprang schnell auf und ging mit gesenktem Kopf die Treppe hinauf.




Als sie am Abend im Bett lag, dachte sie wieder an das Mädchen, das nun „ihre“ Lackschuhe trug.
Ach wie froh und glücklich würde diese sein.
Auf einmal war ihr, als würde die Oma ihr tröstend über das Haar streichen, wie sie es so oft getan hatte.
Und ihr fiel ein, was die alte Frau immer zu ihr gesagt hatte.
Wenn du einmal ganz traurig bist und mit niemanden über deinen Kummer sprechen kannst, dann erzähle es dem lieben Gott, der hört immer zu und vielleicht hilft er dir ja auch.“
Anneliese faltete die Hände und sprach sich ihren ganzen Kummer von der Seele.
Dann nahm sie ihren Teddy in den Arm und schlief getröstet ein.

Am nächsten Tag musste sie ihre Mutter in den Kleiderladen begleiten.
Dort gab es Kleider und viele Sachen zum Anziehen umsonst, gespendet von Leuten, die sie nicht mehr haben wollten.
Lustlos betrat Anneliese das Geschäft. Viele Menschen wühlten an den Sammeltischen und auch ihre Mutter ging zu ihnen.
Das Mädchen aber stromerte durch die Halle und sah sich gelangweilt um.
Da blitzte es rot vor ihren Augen auf.
Das waren doch die roten Lackschuhe, die das reiche  Mädchen gestern getragen hatte.
Anneliese lief an den Stand und fuhr behutsam über das rote Leder.
Gefallen sie dir?“
Die Kleine sah auf und nickte.
Die freundliche Dame lächelte und nahm die Schuhe und stellte sie auf den Boden.
Probier mal, du hast Glück, die sind noch ganz neu. 
Das Mädchen, dem sie gehörten wollte sie nicht mehr, weil sie angeblich drücken und das Dienstmädchen von Frau Bergmeister hat sie heute morgen vorbeigebracht.“
Anneliese schlüpfte in die Schuhe.
Sie passten wie angegossen!
Du kannst sie behalten!“


© Lore Platz