5. Türchen
Kramperltratzen
Die Kramperl oder auch Krampus genannt sind grauslig verkleidete junge Männer und begleiten den Hl. Nikolaus.
Sie lieben es den Kindern einen Schrecken einzujagen.
Das bayrische Wort tratzen abgeleitet wohl von trotzen bedeutet, jemanden ärgern , vergelten.
Am 5. Dezember werden nämlich im bayrischen Oberland abends die gruseligen Rußgesichtigen von den tapfersten unter der Dorfjugend empfangen und es kommt zu einer heftigen Keilerei.Die nächste Geschichte ist nicht neu, aber eine meiner Lieblingsgeschichten.
Warum? Mein Mann starb am 29.8 2013 und er war Seemann und diese Geschichte entstand kurz nach seinem Tod.
Der alte Krishna erzählt
Tobias setzt den letzten Punkt unter seinen Aufsatz. Geschafft! Er stopft das Heft in den Schulranzen und springt auf, um dann polternd die Treppe hinunter zu laufen.
Gerade schnürt er seine Stiefel, als die Mutter mit seiner kleinen Schwester an der Hand vom Keller herauf kommt.
„Tobi, bist du so lieb und nimmst Andrea mit, heute kommt Frau von Ützen zur Anprobe und du weißt sie ist immer sehr eigen und vor allem empfindet sie Kinder als störend.“
Seine Mutter war Schneiderin und der Vater hatte ihr im Keller ein Atelier eingerichtet und sie war sehr erfolgreich.
„Warum kann denn Lisa nicht aufpassen!“
Lisa war das Nachbarmädchen.
„Lisa schreibt morgen eine Klausur und muss lernen, bitte mein Großer!“
Der Zehnjährige nickt und hilft seiner kleinen Schwester in den Schneeanzug.
Andrea freut sich, sie liebt ihren großen Bruder und geht gerne mit ihm.
Auch Tobias liebt seine kleine Schwester, aber heute wollte er mit seinem Freund Bertram am Hang zum Rodeln gehen, aber mit der Kleinen war das nicht möglich.
Er nimmt Andrea an die Hand und sie gehen den kurzen Weg zum Haus, in dem Bertram wohnt.Dieser öffnet mit missmutigem Gesicht, doch als er Andrea sieht, grinst er.
„Du auch? Ich muss Elke mitnehmen, denn meine Mutter muss zum Zahnarzt.“
Frau Mertens kommt in den Flur, ihre Backe ist geschwollen, doch als sie Andrea sieht, lächelt auch sie.
„Da wird Elke sich aber freuen und Bertram wird auch nicht mehr so grummelig sein, wenn ihr beide heute Babysitten müsst.“
Die beiden Mädchen laufen Hand in Hand voraus, während die Jungen ihnen langsam folgen.
Etwas sehnsüchtig sehen sie zum Hang hinüber,wo die Kinder johlend auf Schlitten oder Plastiktüten hinunter rutschen.
„Was machen wir nun?“ will Bertram wissen.
Tobi zuckt die Schultern, doch dann hat er eine Idee.
„Wir gehen zu Krishna!“
Krishna war der alte Schäfer des Dorfes und wohnte mit seinen Schafen in einem umgebauten Schuppen.
Er war früher zur See gefahren und konnte wunderbare Geschichten erzählen, von Haien, Löwen und Tiger, ja, einmal war er sogar im Bauch eines Walfisches gefangen.
Und einmal wäre er fast in dem Suppentopf bei den Kannibalen gelandet.
Bald sitzen sie auf Heuballen bei dem alten Schäfer im Schuppen.
Der alte Mann hat aus dem Nebenraum, in dem sich eine kleine Küche befindet, für alle Kakao geholt und nun hat jedes der Kinder einen warmen Pott zwischen den Händen und aufmerksam beobachten sie Krishna dabei, wie er seine Pfeife stopft.
Der alte Schäfer lächelt und meint:
„Gefällt euch wohl meine Pfeife, joo Kinners die bekam ich mal als junger Mann vom Hl. Nikolaus geschenkt, zum Dank dafür, dass ich den Knecht Ruprecht vertreten habe.
Wollt ihr die Geschichte hören?“
Die Kinder nicken eifrig und selbst die Schafe blöken und drängen näher ans Gatter, als wollten auch sie zuhören.
Arno, der Schäferhund legt sich zu Füßen seines Herrn, der genüsslich an seiner Pfeife zieht und beginnt:
„ Als junger Mann bin ich zur See gefahren, wie ihr ja wisst, war eine schöne Zeit.
Nur meiner alten Mutter, der war es nicht recht, wenn ich nur alle paar Monate nach Hause kam.
Wieder einmal hatte ich Landurlaub und stapfte mit meinem Seesack auf den Schultern durch den Wald, zum Haus meiner Mutter.
Da hörte ich plötzlich ein komisches Geräusch, leise ging ich weiter, denn man konnte ja nie wissen, was einem so begegnet im Wald.
Da sah ich doch einen Schlitten, der umgekippt im Schnee lag und in einem großen Schneehaufen steckte kopfüber ein Bär!
Nun ging ich vorsichtig näher, bisschen bange war mir schon, aber ich konnte das arme Tier ja nicht so liegen lassen.
Also fasste ich von hinten an das zotteligen Fell und zog kräftig daran.
Auf einmal gab es einen Ruck und beide saßen wir im Schnee. Nu fing doch der Bär plötzlich zu sprechen an und ich sah, dass es ein potthässlicher Kerl war, der nur einen zotteligen Mantel anhatte.
„Danke Krishna,“ stöhnte er, „ich hätte beinahe keine Luft mehr bekommen.
„Woher kennst du mich denn?“ fragte ich perplex.
„Ich kenne dich schon seit deiner Kindheit, warst ein wilder Bursche und hast deiner Mutter viel Kummer gemacht, mehr als einmal musste ich die Rute da lassen. Ich bin nämlich Knecht Ruprecht!“
„Und wo ist der Hl.Nikolaus?“
„Der besucht gerade einige Kinder im Dorf.
Ich sollte im Schlitten warten.
Und weil mir langweilig war, bin ich ein wenig spazieren geflogen, aber nicht hoch genug, habe mich in den Bäumen verheddert und diese Bruchlandung hingelegt. Hilf mir mal hoch!“
Immer noch verdatterte half ich ihm auf die Beine, doch mit einem Stöhnen kippte er wieder um.
Ich konnte ihn gerade noch festhalten und half ihm sich auf meinen Seesack zu setzen.
Er rieb sein Bein.
Da ich etwas Heilkunde von meiner Mutter gelernt hatte, untersuchte ich das stark geschwollene Bein.
Es war nicht gebrochen, aber wohl verstaucht.
Aber wisst ihr was Kinners, der olle Kinderschreck jammerte wie eine Memme.
Dann kam der Hl. Nikolaus in Begleitung zweier Engel zwischen den Bäumen auf uns zu.
Der heilige Mann betrachtete kopfschüttelnd das Häufchen Elend, das da zusammen gekauert auf meinem Seesack hockte, dann sah er hinüber zu dem umgestürzten Schlitten.
„Denkst du Krishna, du kannst den Schlitten alleine aufrichten, Ruprecht wird dir wohl nicht helfen können Dieser zog den Kopf ein und wurde tatsächlich rot. Bald hatte ich den Schlitten wieder startbereit.
Ich warf meinen Seesack auf den Rücksitz und half dem ollen Ruprecht, der keinen Laut von sich gab und kein bisschen mehr jammert, hinauf.
Die Engel kletterten auch auf den Seesack und hüpften kichernd darauf herum.
Ich selbst aber klemmte mich hinter das Steuer und der Hl. Mann setzte sich neben mich.
„Denkst du, du kannst den Schlitten fahren?“ fragte er.
Ich besah mir die vielen Knöpfe und meinte etwas großspurig:
„Wer einen großen Dampfer fahren kann, der kann auch so ein kleines Ding vorwärts bringen!“
„Na,na!“ meinte der Hl. Nikolaus.
Ich ließ mir von Knecht Ruprecht die vielen Knöpfe erklären, dann drückte ich vorsichtig auf den Startknopf.
Der Schlitten ruckelte ein wenig, hopste in die Höhe und blieb still stehen.
Nach einigen Versuchen hatte ich es raus wie man das Ding in Bewegung setzte und potzblitz standen wir vor Mutterns Hütte.
Die Gute war ganz aufgeregt, als wir plötzlich alle in der Stube standen.
Sie führte den Bischof zu ihrem Lieblingssessel am Kamin und den Engeln drückte sie jedem einen Keks in die Hand.
Ich hatte Knecht Ruprecht inzwischen bei der Ofenbank abgeladen, der keinen Mucks abgab, denn er schämte sich wohl vor dem hl.Mann
Als ich ihm mit meinem Messer den Stiefel aufgeschnitten hatte, begann das Bein anzuschwellen wie eine rote Melone.
Meine Mutter holte gleich ihre Töpfchen mit Salben und Tinkturen und ich setzte mich an den Tisch und suchte nach meiner Pfeife.
Dann fiel mir ein, dass sie ja auf der letzten Reise über Bord gefallen war und sich nun sicher der Wassermann daran erfreute.
St. Nikolaus aber bat mich, ihn doch anstelle von Knecht Ruprecht zu begleiten, denn so wie es aussieht, wäre der im Moment keine große Hilfe.
Sie müssten nur noch die umliegenden Dörfer besuchen, dann ging es zurück in den Himmel.
Natürlich sagte ich zu und bemerkte, dass meine Mutter mächtig stolz auf mich war.
Ich schlüpfte also in den zotteligen Mantel von Knecht Ruprecht.
Als dieser mich darauf hinwies, dass in der rechten Manteltasche die Rute steckt, schüttelte ich den Kopf.
„Ne, ich erschrecke keine kleinen Kinder und schlage sie auch nicht!“
„Musst du auch nicht, du kannst im Schlitten draußen warten.
Und Knecht Ruprecht schlägt auch keine Kinder, das würde ich nie erlauben. Er übertreibt es nur manchmal mit seinen Drohungen.“ beruhigte mich der Nikolaus.
Dann ging es los. Schneller als der Wind sausten wir durch die Gegend und es war weit nach Mitternacht, als wir wieder vor Mutterns Hütte standen.
Knecht Ruprecht saß auf der Ofenbank, das dick verbundene Bein auf einem Schemel und schlürfte mit vergnügtem Gesicht eine Tasse Kakao.
Bald hatten auch wir jeder eine Tasse Kakao in der Hand, dazu hatte Muttern eine große Platte mit belegten Broten gemacht und freute sich wie wir reinhauten.
Wir erzählten und lachten bis die Sonne aufging, dann weckten wir die Engel, die auf dem Sofa eingeschlafen waren und ich half Knecht Ruprecht auf den Schlitten.
Diesmal musste er fahren, aber da dank meiner Mutter sein Fuß nicht mehr schmerzte war er ganz fidel.
Bevor sie abfuhren reichte der Hl. Nikolaus mir diese wunderschöne Pfeife und Muttern bekam ein warmes Wolltuch und eine schöne Schatulle für allerlei Krimskrams.
Wir winkten ihnen noch nach, bis sie nur noch ein kleiner Punkt am Horizont waren.
Die Pfeife aber habe ich bis zum heutigen Tag in Ehren gehalten.“
Eine Weile ist es still, dann seufzen die Mädchen, das war eine schöne Geschichte.
Tobias aber sieht auf seine Armbanduhr und meint bedauernd:
„Nun müssen wir leider nach Hause.“
Sie bedanken sich bei Krishna für die heiße Schokolade und die tolle Geschichte, dann verlassen sie die Scheune.
Während die Mädchen kichernd voraus laufen, sind die beiden Jungen auffallend still.
„Denkst du, die Geschichte ist wahr?“ fragt Tobi seinen Freund.
Bertram zuckt mit den Schultern.
„Mein Vater sagt, dem Krishna darf man nicht alles glauben, er spinnt gerne Seemannsgarn.“
„Was ist das?“
„Keine Ahnung!“
Da trifft ihn ein Schneeball.
Die Mädchen haben sich kichernd hinter den
Büschen versteckt und bewerfen sie von dort mit Schneebällen.
„Na wartet!“
Bald sind sie mitten in einer fröhlichen Schneeballschlacht.
© Lore Platz 2013
Reginas Geschichte lest heute HIER
Lieben Gruß, habe gern bei Dir gelesen:
AntwortenLöschenToll, sogar die Engel erhielten einen Keks!
Wieder so eine schöne Geschichte, liebe Lore! Herzliche Grüße Regina
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