Donnerstag, 13. Oktober 2022

Neuanfang

Einmal sagte jemand zu mir:
Das Leben ist wie das Bergsteigen, der Weg zum Gipfel macht dich stark.
Viel Spaß beim Lesen!
 
(c) meine Tochter

Neuanfang


Ein Murren der Enttäuschung ging durch den Saal, als der Richter das Urteil verkündetet.
Freispruch, wegen Mangel an Beweisen!“
Paul war wütend wie alle seine Leidensgenossen ringsum, die der Angeklagte um ihr Geld geprellt hatte.
Zornig ballte er die Faust, am liebsten hätte er damit dem Betrüger das selbstgefällige Lächeln aus dem Gesicht geschlagen.
Wie arrogant und anmaßend hatte er auf die Fragen des Staatsanwalts geantwortet und seine Opfer auch noch beleidigt, wegen ihrer Leichtgläubigkeit.
Wie in Trance ging er nach Hause, das ihm längst nicht mehr gehörte.

 
(c) Werner B.

Mit einem fröhlichem lang anhaltenden Pfiff fuhr der Regionalzug in den kleinen Bahnhof ein.
Die Türen gingen auf und entließ die wenigen Reisenden.
Paul nahm seinen Koffer, schulterte den Rucksack und sprang auf den Bahnsteig.
Er beantwortete den Gruß des Bahnhofvorstehers mit einem stummen Nicken. Sein Gesichtsausdruck war so grimmig, dass dieser nicht wagte ihn anzusprechen.
Kurz vor dem kleinen Häuschen seiner Mutter blieb er stehen.
Hier hatte sich nichts verändert.
Mit welchen Hoffnungen war er damals weg gegangen, mit seinem Meisterbrief und einer kleine Erbschaft seines Onkels in der Tasche.
Seine liebe Mutter wollte er unterstützen, sobald er es geschafft hatte.
Eine Sanitärfirma hatte er aufgebaut und dann Ernie kennen gelernt und geheiratet. 
Sein Leben war perfekt. Seine Mutter hatte er nicht vergessen und ihr regelmäßig Geld geschickt, doch besucht hatte er sie nicht.
Denn Ernie wollte immer an mondäne Orte verreisen und dort lernten sie auch den geschniegelten Affen kennen, der ihn um sein ganzes Geld betrogen hatte.
Und er, der doch alles hinterfragte war auf ihn hereingefallen, hatte sich von dessen Begeisterung anstecken lassen.
Dass Ernie mit ihm auch noch ein Verhältnis hatte, erfuhr er erst als alles schon den Bach herunter gegangen war.
Nun also stand er hier vor dem Haus seiner Mutter, arm wie ein Bettler.
Die alte Frau trat aus der Tür, jubelt und lief auf ihn zu.
Liebevoll umarmte sie den Hünen und dieser schluchzte wie ein kleiner Junge in den Armen der zierlichen Frau.
In der heimeligen Küche erzählte er ihr alles und seine Mutter sah traurig auf ihren Jungen, dessen Gesicht so hart und verschlossen geworden war.
Und als er abends im Bett in seinem alten Zimmer lag, da saß sie unter dem Herrgottswinkel, der Rosenkranz glitt durch ihre Finger und ihre Lippen murmelten ein Gebet für ihren Sohn.
Jeden Tag nun half Paul seiner Mutter bei der kleinen Landwirtschaft.
Er bessert das Häuschen aus, schlug Brennholz für den Winter, mähte die kleine Wiese am Hang, versorgte das Vieh. Anschließend saß er stumm beim Essen und dann ging er hinaus in die Berge.
Mühsam kletterte er den steilen Weg hinauf bis zu dem alten Steinkreuz, an dem er früher immer mit seinem Vater gesessen, wenn sie hier nach der langen Wanderung
Brotzeit gemacht und den herrlichen Ausblick in die Berge genossen hatten.
Doch jetzt hatte er kein Auge für die Schönheit hier. Seine Gedanken waren voller Zorn und Verbitterung.
Immer wieder machte er sich Vorwürfe, Selbstzweifel plagten ihn und Bitterkeit machte sich in seinem Herzen breit.
So vergingen die Tage und die Mutter machte sich Sorgen und sah ihm jedes Mal voller Bangen hinterher, wenn er in die Berge ging.
Doch ohne es zu merken, linderten die täglichen Wanderungen seinen Schmerz.
Und eines Tages, als er wieder am Steinkreuz saß, da sah er sich plötzlich wie aus einem bösen Traum erwachend um.
Er bemerkte wie schön die Natur um ihn herum war.
Die majestätisch aufragenden Berge, die seit tausenden von Jahren schon hier standen und jedem Wetter trotzten.
Die satten grünen Wiesen, die dem Vieh Futter gaben. Die bunten Wildblumen von Schmetterlingen um tanzt und von Bienen um schwirrt.
Es war Sonntag und aus dem Dorf klang das helle Läuten der Glocken und er schmunzelte.
Seine Mutter würde wohl in ihrem Schwarz- seidenen, das Gebetbuch unter dem Arm in die Kirche eilen.
Lange blieb er so sitzen.
Aus dem Wald erklang das rhythmische Klopfen eines Spechts und ein Adler zog hoch am Himmel seine Kreise.
Paul merkte wie Ruhe in sein Herz zog und all die Bitterkeit von ihm abfiel.
Endlich erhob er sich, streckte die Gestalt und lief den Berg hinunter.
Die Mutter hatte sich nach dem Kirchgang umgezogen und saß nun auf dem Bänkchen vor dem Haus und putzte Gemüse, als sie den Sohn heran kommen sah.
Sofort fiel ihr auf, dass etwas anders war.
Sein Gang war beschwingt, seine Augen strahlten und der harte Ausdruck im Gesicht war verschwunden.
Erleichtert atmete sie auf und sah hinauf in den Himmel, um ein leises „Danke“ zu sagen.
Dann schmunzelt sie.
Jetzt war es wohl an der Zeit, um den Jungen zu sagen, dass sie von all dem Geld, das er ihr geschickt hatte, keinen Cent angerührt hatte.
Vielleicht konnte er damit wieder neu anfangen. Nicht so groß wie seine alte Firma in der Stadt.
Aber der alte Johannes wollte seine Werkstatt schließen, da er keinen Nachfolger hatte.
Vielleicht wäre das etwas für ihren Paul, außerdem würde er dann in ihrer Nähe bleiben.
Vielleicht fand er ja auch ein Mädel.
Nicht so eine hochnäsige, wie seine Exfrau, sondern eine die das Herz am rechten Fleck hatte und zu ihrem Mann stand in guten und auch schlechten Zeiten.
Sie stand auf und nahm ihren Sohn in den Arm.

© Lore Platz



1 Kommentar:

  1. Ja Lore, Mütter hören glaube ich nie auf zu träumen für ihre Kinder! Und auch zu beten für das Wohl ihres Nachwuchses. Eine schöne Geschichte, die das Herz hüpfen läßt. In jedem bitteren Ende, liegt auch ein Neuanfang!

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