Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und viel Spaß beim Lesen!
Reise durch das Märchenbuch
Vanessa öffnete die Augen, irgend etwas hatte sie aufgeweckt.
Der Mond schien ins Zimmer und tauchte es in sein schummriges kaltes Licht. Das Mädchen setzte sich auf und ließ ihre Augen durch das Zimmer wandern, doch sie konnte nichts entdecken. Gerade wollte sie ins Kissen zurück sinken, das hörte sie es wieder. Es klang als würde eine Maus nagen und zwar genau neben ihr, aber da lag nur ihr Märchenbuch, aus dem die Mutter ihr heute Abend vorgelesen hatte.
Vanessa zog das Buch auf die Bettdecke und schlug es auf und erschrak. Mitten im Buch war ein riesiges Loch und ein großer grüner Wurm mit einer schwarzen Hornbrille, hinter der die Augen ganz groß waren, grinste sie vergnügt an.
"Wer bist du und warum hast du mein Buch kaputt gemacht, " rief Vanessa empört und den Tränen nahe.
"Nun beruhige dich, ich liebe es nachts durch die Geschichten zu streifen und bis Morgen früh ist dein Buch wieder heil. Wärest du nicht wach geworden, hättest du gar nichts gemerkt. Entschuldige, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Kasimir vom Bücherturm und man nennt mich auch den Bücherwurm."
Das Mädchen kicherte: " Der Bücherwurm vom Bücherturm!"
"Ja eine etwas unglückliche Wortwahl, nenne mich doch bitte Kasimir." " Kasimir, wenn du nachts durch die Bücher streifst, was machts du dann tagsüber?"
Der Wurm deutete auf das Bücherregal. "Siehst du das Buch mit den Kinderliedern, daneben rolle ich mich in der Ecke zusammen und schlafe. Hast du Lust mich auf dem Streifzug durch das Märchenbuch zu begleiten?"
"Wie soll ich denn durch das kleine Loch im Buch kommen?" " Kein Problem, warte einen Moment, ich komme gleich zurück."
Der Wurm verschwand in dem Loch und tauchte gleich darauf wieder mit einem kleinen Jungen, der einen spitzen schwarzen Hut trug, auf.
" Oh, nein," rief das Mädchen entsetzt, " dich kenne ich doch, du bist doch der Zauberlehrling, der alles verkehrt macht. Du willst mich doch nicht etwa klein zaubern!"
Der junge Zauberer wurde rot. " Keine Bange, mein Meister hat mir den Zauberspruch genau aufgeschrieben und er lädt dich zu einer Tasse Tee ein, denn er möchte so gern mehr über die Menschen wissen."
"Gut dann erlaube ich dir mich klein zu zaubern," seufzte Vanessa, aber so ganz wohl fühlte sich nicht dabei. Doch es klappte und vergnügt schlüpfte sie hinter den beiden durch das Loch.Sie folgte ihnen durch einen tiefen dunklen Wald und staunte, als sie plötzlich vor einem großen Turm standen.
"Wohnt hier Rapunzel?" "Nein, die wohnt einige Seiten weiter. Hier lebt der Zauberer mit seinem Lehrling."
Staunend sah Vanessa sich um. Ringsum von oben bis unten waren die Wände voller Bücher und in der Mitte des Turm führte eine Wendeltreppe nach oben.
"Aber wie kommt man an die Bücher?" "Ich zeig es dir!" Eifrig rannte der Zauberlehrling die Treppe hoch, blieb in der Mitte stehen und streckte die Hand aus, während er vor sich hin murmelte. Ein großes dickes Buch kam aus dem Regal auf ihn zu und traf ihn am Kopf.
Der Junge taumelte und hielt sich am Geländer fest. Kasimir und Vanessa kicherten.
"Du wirst es nie lernen." Der Zauber kam aus dem Hintergrund des Zimmers und begrüßte seine Gäste. Er freute sich endlich einem Menschen zu begegnen und wollte alles über ihr Leben wissen. Gedudig beantwortete Vanessa seine unzähligen Fragen, bis Kasimir rief:" Wolltest du uns nicht zum Tee einladen?"
"Ach entschuldigt," der Zauberer schnippte mit dem Finger und zwei Tassen und eine Teekanne, sowie ein Teller mit Gebäck flog durch die Luft und landete mit leisem Klirren auf dem Tisch.
Nachdem sie sich von dem Zauberer verabschiedet hatten, ging es weiter durch ein Gebirge, das an einen Wald grenzte. Mitten in diesem Wald stand eine kleine Hütte. Eben öffnete sich das Fenster und ein schwarzhaariges Mädchen sah heraus. Sie sang ein Lied und die Vögel begleiteten sie mit fröhlichem Gezwitscher.
"Das ist ja Schneewittchen, oh da hinten kommt die böse Stiefmutter und auf dem Rücken trägt sie einen Korb mit Äpfeln. Wir müssen sie warnen!" Vanessa wollte los laufen, Kasimir hielt sie zurück. "BleIb, wir dürfen durch die Geschichten wandern, aber wir können nicht eingreifen und sie verändern. Gehen wir weiter."
Sie kamen auf eine große Wiese, auf der ein kleines Mädchen mit einem roten Käppchen fröhlich herum hüpfte."Komm, gehen wir schnell weiter, gleich kommt der böse Wolf."
Plötzlich standen sie vor einem Schloß, das kaum mehr zu sehen war, denn es war über und über mit einer Dornenhecke bedeckt. Totenstille herrschte, nicht mal die Vögel sangen und Vanessa wurde es richtig unheimlich zu Mute und sie lief los, der Bücherwurm folgte ihr.
Gleich darauf konnten sie beide wieder lachen, denn Hans mit der goldenen Gans kam ihnen entgegen. Vergnügt sang er ein fröhliches Lied und an seiner Jacke hängend stolperten schnaufend und ächzend, die Töchter des Wirts, zwei Bauern, der Pfarrer und der Küster.
Am Ende des Buches kamen sie zu Vanessas Lieblingsgeschichte Aschenputtel. Schon von weitem hörten sie das Ruckuckidu der Tauben und kamen gerade rechtzeitg an, als Aschenputtel das Fenster weit öffnete und die Tauben hinein ließ.
" Jetzt kommen die guten ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpfchen, " lachte Vanessa. "Und wir sind am Ende des Buches angelangt und müssen uns leider verabschieden." Kasimir wurde immer kleiner und kleiner und plötzlich war er weg.
Das Mädchen öffnete die Augen. Der Mond beleuchtete noch immer ihr Zimmer, nichts hatte sich verändert. Auch das Märchenbuch lag noch auf der Bettdecke vor ihr. Sie schlug es auf und war erleichtert, als sie kein Loch sah. Kasimir war nur ein schöner Traum! Eigentlich schade.
(c) Lore Platz "´(2021)
Hallo, liebe Lore, oh fein der Spaziergang mit dem Bücherwurm durch die Märchen. Hat mir Riesenspaß gemacht. Übrigens hatte ich als Kind auch Angst , dass der Bücherwurm Löcher in die Seiten frisst. Ähnlich wie der Holzwurm.
AntwortenLöschenLiebe Grüße Monika
Liebe Lore, wunderbar und ich hab in einem alten Buch mal Löcher von so einem Bücherwurm gesehen, das durch mehrere Seiten ging... Schön geschrieben, wunderschön bebildert. Liebe Grüße Roswitha
AntwortenLöschenEin großes Lob in dich, liebe Lore! Du warst wieder einmal äußerst kreativ. Aber auch an Monika ein dickes Lob! Großartige Illustrationen sind ihr wieder gelungen.
AntwortenLöschenBeim Lesen dachte ich, wie wunderbar es wäre, wenn wir Menschen auch einfach mit den Fingern schnipsen könnten und der Tee stände auf dem Tisch - oder noch besser: das Mittagessen. :-) - Was hab ich gelacht über den Satz: Rapunzel wohnt einige Seiten weiter. Einfach großartig! - Aber ein bisschen philosophisch wurde es dann auch noch. Wir dürfen die Geschichte(n) nicht verändern. Was hätte das nur für Auswirkungen. - Hab einen schönen Samstag und vielen Dank für die wundervolle Geschichte! LG Martina
Liebe Lore, auch mir hat die Geschichte sehr gefallen und genau der Satz, den Martina oben nennt "Wir dürfen die Geschichte nicht verändern", hat mir besonders gut gefallen und die Geschichte nochmal in ein anderes Licht gerückt, in ein sehr wertvolles. Die Bilder von Monika sind, wie immer, zauberhaft dazu!
AntwortenLöschenGanz liebe Grüße
Regina
Lore ein Riesenlob für diese schöne Geschichte mit diesen wunderschönen Bildern. Lore Du wirst immer besser, je länger Du Geschichten schreibst. Einfach superklasse!
AntwortenLöschen