In Bayern heißt es gerade Land unter, glücklicherweise kam unser Ort noch mit einem blauen Auge davon. Da ich ja ans Bett gebunden bin hatte ich natürlich Angst vor einer Ausquartierung.
Doch die Freude am schreiben wird mir niemals vergehen.
Viel Spaß beim Lesen!
(c) Nadine F. |
Der
alte Kapitän
Am
Rande der Stadt stand eine alte Villa mitten in einem verwilderten
Garten.
Lange
war sie leer gestanden, doch vor kurzem war sie verkauft worden an
einen pensionierten Kapitän.
Und
vor einigen Tagen war dieser zusammen mit seiner Schwester Lena, die
ihm den Haushalt führte, eingezogen.
Kapitän
Fridjoofen saß in seinem gemütlichen Arbeitszimmer und sah sich
vergnügt um.
Die
Wände waren voll von all den Mitbringsel, die er im Laufe der Jahre
während seiner Reisen gesammelt und sie bei seiner Schwester in
ihrem kleinen Häuschen gelagert hatte.
Worüber
diese oft geschimpft hatte, besonders über das lebensgroße
ausgestopfte Krokodil, das drohend sein Maul aufriss und eine Reihe
beachtlicher Zähne zeigte.
Auch
die große Schlange, die einem mit glitzernden Augen anstarrte war
ihr nicht geheuer.
Schmunzelnd
ließ der alte Mann seinen Blick über die verschiedenen Waffen an
der Wand gleiten und auch den Piranhas die den Sims des Kamins
bevölkerten gönnte er einen Blick.
Zufrieden
seufzte er, was den schwarzweißen Spaniel zu seinen Füßen
aufstehen und seinen Kopf an das Knie seines Herrn schmiegen ließ.
Dieser
kraulte ihn hinter dem Ohr und Hund und Mensch genossen ihr
Zusammensein.
Ein
gewaltiges Klirren schreckte beide auf und das große Fenster
zerbarst in tausend Stücke.
Ein
brauner Fußball rollte auf den Kapitän zu.
Die
Tür wurde aufgerissen und Lena stürzte herein.
Sie
stemmte die Arme in die Hüften und wetterte:
„Das
waren bestimmt die Lausbuben von drüben! Ich hab`s ja immer gesagt,
wie konntest du nur ein Haus genau neben einem Waisenhaus kaufen.“
Ihr
Bruder lachte gutmütig.
„Es
war günstig und mich stören die Kinder nicht, außerdem so laut
sind sie doch gar nicht und nachts schlafen sie tief und friedlich
und wir auch.“
Er
bückte sich, hob den Fußball auf und wandte sich zur Tür.
„Dann
werde ich das Geschoss mal zurückbringen!“
Er
erhielt nur ein Gemurmel als Antwort, denn Lena die sich inzwischen
mit Besen und Schaufel bewaffnet hatte, war dabei die Scherben zu
beseitigen.
Im
großen Vorhof des Waisenhauses tummelten sich vergnügt die Kinder.
Als der Kapitän durch das Tor trat sah er aus den Augenwinkel, wie
sich drei Jungen schnell seitwärts in die Büsche verdrückten.
Der
Spaniel aber war zu der alten Kastanie gelaufen, um die rundum eine
Bank angebracht war.
Darauf
saß ein kleines Mädchen, die den Hund liebevoll streichelte.
Als
Fridjoofen näher trat, bemerkte er, dass die Kleine blind war.
Er
setzte sich neben sie.
Das
Mädchen wandte ihm den Kopf zu.
“Ist das dein Hund?“
„Ja,
darf ich vorstellen. das ist Klabautermann und wer bist du?“
„Ich
bin Else, aber dein Hund hat einen komischen Namen.“
„Weißt
du denn, was ein Klabautermann ist?“
Die
Kleine schüttelte den Kopf.
„Nun
dann will es dir erzählen, aber erst einmal muss ich ein paar
Übeltäter kielholen!“
Eine
nicht mehr ganz junge Frau kam mit misstrauischem Blick auf sie zu,
doch als sie den Fußball sah, wurde sie verlegen.
„Guten
Tag sie sind wohl unser neuer Nachbar Kapitän Fridjoofen und wie ich
sehe haben die Jungen den Ball wohl in ihren Garten geschossen.“
Der
alte Mann schmunzelte:
„Nicht
nur in den Garten, sondern durch die Scheibe meines Arbeitszimmers.“
„Das
tut mir leid, wir werden die Scheibe selbstverständlich ersetzen.
Entschuldigen sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin
Frauke Sörensen und leite dieses Waisenhaus.“
Der
Kapitän erhob sich und beugte sich ganz Kavalier der alten Schule
über ihre Hand.
„Die
Scheibe brauchen sie nicht zu ersetzen, aber ich werde mal einigen
jungen Herrn ein wenig einen Schrecken einjagen.“
Er
zwinkerte und deutete mit den Augen auf das Gebüsch in das
Klabautermann gerade schnüffelnd seine Nase steckte.
Die
Direktorin lächelte und nickte zustimmend.
Ein
kleine Hand schob ich sich in die große Pranke des Kapitäns und
Else sagte bittend.
„Onkel
Kapitän, du darfst sie aber nicht verhauen, sie haben es doch nicht
absichtlich getan. Der Tom hat nur so einen schweren Fuß und deshalb
ist der Ball so weit geflogen.“
Die
beiden Erwachsenen lächelten, dann ging der Kapitän mit seiner
kleinen Freundin an der Hand, gefolgt von der Leiterin des
Waisenhauses, hinüber zum Gebüsch.
Mit
seiner dröhnenden Stimme meinte er:
„Ich
glaube gar dahinter haben sich ein paar Feiglinge
versteckt,
die nicht wissen, dass man zu seinen Taten stehen muss !“
Das
Gebüsch teilte sich, drei Jungen standen mit gesenkten Köpfen vor
ihm und ließen das Donnerwetter, das nun über sie prasselte
erschrocken über sich ergehen.
Die
kleine Hand zuckte in der großen Pranke und Else flüsterte, „nun
ist es aber gut, Onkel Kapitän.“
Der
Hüne beugte sich zu seiner kleinen Freundin hinunter.
„Denkst
du, dass sie als Strafe bei mir in meinem Garten arbeiten sollen, der
sieht nämlich ziemlich verwildert aus.“
Else
nickte eifrig.
„Nun!“
wandte Fridjoofen sich an die Jungen.
„Ihr
könnt nicht erwarten, dass das Waisenhaus die kaputte Scheibe
bezahlt, also werdet ihr euch Morgen um 15Uhr bei mir drüben
einfinden und mir helfen meinen Garten zu roden.“
Er
warf einen fragenden Blick auf die Leiterin, die zustimmend nickte
und auch die Jungen nickten erleichtert.
„So
nun will ich meiner kleinen Freundin vom Klabautermann erzählen,
wollt ihr die Geschichte auch hören?“
„Wir
auch, wir auch !“ riefen die Kinder, die sich inzwischen alle bei
den Büschen eingefunden hatten, angelockt durch das laute Brüllen
des Kapitäns.
Gefolgt
von allen großen und kleinen Waisenkindern geht der Kapitän zur
Kastanie, setzt sich auf die Bank und nimmt Else auf seinen Schoß.
Die
Kinder aber lassen sich zu ihren Füßen nieder.
Frau
Sörensen geht lächelnd zurück in ihr Büro.
Der
Kapitän blickte vergnügt schmunzelnd in die erwartungsvoll
erhobenen Gesichter und fragte.
„Weiß
jemand von euch, wer der Klabautermann ist?“
Kopfschütteln!
(c) meine Tochter |
„Nun
der Klabautermann ist ein Kobold, der unsichtbar auf den Schiffen
lebt und dort allerhand Unfug anstellt.
Auch
erschreckt er gerne die Matrosen durch poltern und lässt einfach mal
Dinge vor ihren Augen in die Luft gehen oder einfach umfallen. Er ist
aber auch sehr hilfsbereit und hilft ihnen bei ihren Arbeiten.
Mancher
der Matrosen kann es sich dann gar nicht erklären, wieso er so
schnell fertig wurde und guckt sich dann immer furchtsam um.
Aber
er kann natürlich niemanden sehen, denn der Klabautermann ist
unsichtbar und wenn man ihn einmal zu Gesicht bekommt, dann ist das
ein schlechtes Zeichen.
Er
zeigt sich und verlässt ein Schiff nur wenn diesen untergeht.
Ich
habe ihn aber einmal gesehen und kann euch deshalb genau sagen wie er
aussieht.
Er
ist gekleidet wie ein Matrose, hat rote Haare und grüne Zähne und
ist nicht größer als ein Zwerg.
Wer
von euch kennt den Pumuckl von Ellis Kaut?“
Fast
alle Finger schossen in die Höhe.
Fridjoofen
schmunzelte.
„Dann
wisst ihr sicher auch, dass der Pumuckl ein Nachfahre von den
Klabautermännern ist.“
Eifrig
nickten die Kinder.
„Also
wir fuhren über den Atlantik, als auf einmal ein heftiger Sturm die
Wellen peitschte, dass sie meterhoch das Deck überschwemmten.
Der
Wassermann hatte wohl wieder seine Frau verärgert und die tobte nun
unter Wasser, dass das ganze Meer in Aufruhr war.
Unser
Schiff schaukelte im tosenden Wind und der Steuermann hatte alle
Hände voll zu tun, das Schiff auf Kurs zu halten.
Ein
Matrose wurde schwer verletzt als einer der Masten brach und wir
hatten Mühe in darunter hervor zu ziehen.
Während
man ihn in die Kajüte brachte und der Sanitäter ihn verarztete, sah
ich plötzlich einen kleinen Gnom an Deck und vorne zum Bug laufen.
Ich
wusste sofort das war der Klabautermann, denn keiner meiner Männer
war so klein.
Erschrocken wurde mir bewusst, das konnte nur bedeuten,
dass das Schiff untergehen
wird, denn offensichtlich wollte der kleine Kerl das Schiff
verlassen.
Daran
musste ich ihn unbedingt hindern.
Ich
kämpfte mich durch Wind und Nässe nach vorn und fasste ihn gerade
noch an seinem blauen Rock, als er über Bord springen wollte.
„Nein
mein Freund,“ brüllte ich gegen den Sturm an, „ du bleibst schön
hier. Mein Schiff wird nicht untergehen.“
Er
wand sich und zappelte und warf mir finstere Blicke zu, doch ich
hielt ihn mit eiserner Faust fest.
Da
verlegte er sich aufs Bitten und versprach mir, dass das Schiff
bestimmt nicht untergehen würde, ich sollte ihn doch nur loslassen.
Aber
ich glaubte ihm nicht und hielt ihn so lange mit meiner Faust fest,
bis der Sturm sich gelegt und wir in ruhigen sicheren Fahrwasser
segelten.
Da
wurde er unsichtbar in meiner Hand und während der ganzen Fahrt
hatte ich nichts zu Lachen.
Fässer
fielen vor mir um, Seile lösten sich und mehr als einmal stolperte
ich darüber, nachts polterte und rumorte es in meiner Kabine, dass
ich kein Auge zu tun konnte.
Doch
das machte mir nichts aus, mein Schiff war gerettet.
Und
bei der nächsten Fahrt nahm ich ein Huhn mit an Bord, denn es heißt,
Klabautermänner können Hühner nicht leiden.
So
Kinder nun muss ich aber gehen, denn meine Schwester schimpft mit
mir, wenn ich nicht pünktlich zum Tee zuhause bin!“
Er
wandte sich an die drei Fußballer.
„Abgemacht,
morgen Nachmittag!“
Eifriges
Nicken.
„Dürfen
wir auch mitkommen, wir können doch auch helfen!“ riefen die
Kinder.
Frau
Sörensen, die durch das geöffnete Fenster lächelnd der Geschichte
gelauscht hatte, kam nun heraus und wollte protestieren.
Der
Kapitän sah sie verschmitzt an.
„Sicher
wenn eure Direktorin nichts dagegen hat.“
Diese
nickte, denn sie konnte den fünfzehn bettelnden Augenpaare nicht
widerstehen.
Am
nächsten Nachmittag erschien die ganze kleine
Gesellschaft
frisch gewaschen und gestriegelt aber in vernünftiger
Arbeitskleidung bei Fridhoofens.
Lena,
die erst protestiert hatte, als ihr Bruder ihr die Nachbarn
ankündigte, war sehr angetan von den höflichen gut erzogenen
Kindern.
Besonders
die kleine Else schlich sich in ihr Herz und sie ließ sie nicht mehr
von ihrer Seite.
Die
größeren Kinder durften mit dem Kapitän nun die Bäume und
Sträucher beschneiden.
Während
die Mädchen und die kleineren Jungen die Äste sammelten und
sie an den dafür vorgesehenen Platz brachten, wo sie morgen abgeholt
werden sollten.
Später
brachte Lena eine riesige Platte mit frischen Waffeln, dazu gab es
Sahne und Kakao.
Als
die kleinen Helfer abenda in ihren Betten lagen, da waren sie sich
einig, dass dies der schönste Tag gewesen war.
Nun
herrschte ein reger Verkehr zwischen den Nachbarn.
Und
der Kapitän schaffte es nach hartem Kampf mit den Behörden, dass
die kleine Else zu ihm und seiner Schwester als Ziehkind kam.
So
ein Sturm erprobter Kapitän, der wird auch mit dem stursten
Bürokraten fertig.
Er
schickte Else auf eine Blindenschule, wo sie zur Lehrerin
ausgebildete wurde.
Und
als Else dann längst schon eine erwachsene Frau war,
saß
sie am Bett ihres Pflegevaters und hielt tröstend seine Hand, als er
ins andere Reich wechselte.
Sie
nahm sich liebevoll der alten Lena an, die froh war nicht ganz allein
zu sein.
Und
da Else die Erbin von Villa und Vermögen der beiden war, richtete
sie eine Blindenschule in dem alten Haus ein und Lena konnte nun
wieder für viele Kinder kochen, natürlich mit Hilfe einiger
Hausmädchen.
Und
als sie einige Jahre später ihrem Bruder folgte, saß auch an ihrem
Bett die junge Frau, die sie als kleines Kind so liebevoll
aufgenommen hatten.
©
Lore Platz
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