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10. Türchen
Ich bin froh in einem christlichen Land geboren und in christlichen Glauben erzogen worden zu sein. Nicht weil Deutschland und unser Glaube die Besten sind, sondern weil unsere Weihnachtsfeste für mich die schönsten und warmherzigsten sind.
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Strafaufgabe für die ganze Familie
Draußen dämmert es und und dicke Schneeflocken bedecken das Land mit einer weißen Decke.
In der warmen großen Stube sitzt die Bauernfamilie Brandhofer gemütlich beisammen, genießt den Feierabend und die Wärme des Kachelofens.
Der Altbauer Korbinian, eine Hüne mit schneeweißen Haar und vergnügt funkelnden Augen sitzt in seinem Lehnstuhl und pafft gemütlich seine Pfeife.
Auf dem Sofa neben ihm ist seine Frau Reserl eifrig über ein Strickzeug gebeugt.
Neben ihr lässt die Jungbäuerin Anamierl auch die Stricknadeln klappern.
Der Jungbauer Toni, genauso ein Hüne wie sein Vater sitzt am Tisch und liest die Zeitung, ihm gegenüber ist sein zehnjähriger Sohn Ferdinand mit hochrotem Gesicht über sein Schulheft gebeugt.
Veverl, das vierjährige Nesthäkchen der Familie sitzt am Boden und spielt mit ihrer Puppe.
Unter der Bank am Kachelofen liegt Harras ,der Hofhund, und genießt die Wärme.
Ab und zu hebt er ein Augenlid und schaut ob seine Familie noch im Zimmer ist.
Ein abgrundtiefer Seufzer durchbricht die Stille. Alle sehen zu Ferdinand.
“Was ist los, ist die Hausaufgabe so schwer?“ lacht der Opa.
„Wieso habt ihr überhaupt heute noch Hausaufgaben auf, Morgen ist doch der letzte Schultag,“ staunt Anamierl.
Ferdl kann seiner Mutter nicht in die Augen sehen.
„Es ist eine Strafaufgabe.“
Der Vater sieht ihn streng an. „Warum!“
„Der Xaver und ich haben geblödelt und net aufgepasst und deshalb müssen wir fünf Fragen zu dem Thema Weihnachtsbräuche in Bayern beantworten.“
„Na dann mach´s doch,“ brummt Toni immer noch verärgert.
Die anderen schweigen, denn keiner will sich in die Erziehung einmischen.
Das Veverl hat da keine Bedenken. „Papa, du hast doch gehört, dass er net aufpasst hot, desholb woas er a net woas er antworten muss.“
„Hätte er aufgepasst, dann würde er es wissen.“
Veverl legt behutsam die Puppe auf den Boden, springt auf, geht zu ihrem Vater und sieht ihn treuherzig an.
„ Schau doch wie traurig der Ferdl ist, hilf ihm doch.“
Der Toni dreht sich zu seinem Vater um. „Opa sollen wir ihm helfen?“
Dieser nickt grinsend und fordert den Enkel auf, die erste Frage vorzulesen.
„Warum stellen wir am Heiligen Abend einen Tannenbaum auf.
„Das ist einfach, weil er schön ist mit den Kerzen, den Äpfeln, Lebkuchen und den Strohsternen.“
„So einfach ist das net, Veverl,“ lacht der Vater „der Lehrer will wissen seit wann es den Weihnachtsbaum bei uns gibt.“
„Weißt du das denn Vadder, ,“ fragt sein Sohn hoffnungsvoll.
„Sicher, ich war ja a braver Bua und habe in der Schule immer gut aufgepasst.“
Die Oma bekommt einen Hustenanfall.
„Wann genau der erste Baum aufgestellt wurde weiß ich nicht, so um 1600 in Straßburg.
Ab dem 1800 wurde er dann immer immer öfter erwähnt. Und jetzt gehört er einfach dazu.
Der Ursprung des Weihnachtsbaumes ist heidnischer Tradition, denn zur der Wintersonnenwende holte man sich Grünzeug ins Haus, um die bösen Geister zu vertreiben.“
„Nächste Frage,“ fordert Toni seinen Sohn auf, dieser sieht ihn genervt an.“
„Ich muss doch diese Antwort erst fertig schreiben.
Die Erwachsenen unterhalten sich leise.
„Christbaum loben!“ ruft Ferdinand
„Was
ist los ?“
„So heißt die nächste Frage,“ lacht der Junge
„Das kann der Opa dir besser erklären, der hat es noch miterlebt.“
Dieser kratzt sich am Kopf. „da war ich noch a Bua und hab meinen Vater begleitet. Das ist hauptsächlich ein bayrischer Brauch.
Nach Weihnachten besuchten sich Freunde gegenseitig, um den Christbaum zu begutachten.
Jedes Detail des Baum wurde genau unter die Lupe genommen. Da jeder einen anderen Geschmack hatte durfte nichts negatives gesagt werden.
Anschließend wurde gefeiert.“
Während Ferdinand schreibt unterhalten sich die anderen leise.
Tief aufatmend hebt der Junge den Kopf und verkündete :
“Die nächste Frage ist.
Warum backen wir an Weihnachten Plätzchen?
Sepp und Toni rufen entsetzt, „da sind wir raus, da musst du die Frauen fragen!
Veverl hebt den Kopf, „bin ich auch eine Frau?“ „Nein Spatzerl ,“lacht der Vater, „du bist a liabs kloans Madl .“ „Aba ich hab auch scho beim Platzl backen geholfen.“
„Ja, aber der Lehrer will ja wissen, woher der Brauch kommt, warum wir gerade um die Weihnachtszeit Plätzchen backen.“ erklärt die Oma.
„Weißt du es denn?“
Ferdl sieht sie voller Hoffnung an.
„Ja, das mittelhochdeutsche Wort: palcz bedeutete flach geformter Kuchen und davon leitet sich wohl das Wort Plätzchen ab.
Diese kleinen Kuchen waren im Mittelalter als Winteressen für die armen Menschen gedacht.
Sie waren lang haltbar und enthielten viel Fett.“
„Ja Reserl , was du alles weißt,“ staunt der Opa.
Während der Junge ins Heft schrieb war es still. Jeder hing seinen Gedanken nach.
In Bayern nennt man solche Momente der Stille; Ein Engel geht durch den Raum.
Und in diese Stille verkündet Ferdinand „Kartoffelsalat!“ und erschreckt seine Familie und der Opa brummt, „aber Bua warum willst denn um diese Zeit einen Kartoffelsalat?“
Sein Enkel will sich ausschütten vor Lachen. „Die nächste Frage heißt :
Warum essen wir am Heiligen Abend immer Kartoffelsalat!“
Gemütlich lehnt Sepp sich zurück und verschränkt die Arme über dem Bauch, „das weiß die Oma bestimmt.“
Und sie wusste es!
„Früher gab es außer an Ostern eine zweite Fastenzeit und zwar vom 11, November, dem Martinstag, bis zum 25.Dezember.
Der 24, war also noch ein Fastentag und der Kartoffelsalat galt ja als Fastenspeise natürlich ohne Würstel.
Außerdem sollte diese einfache Speise an die Armut von Maria und Josef erinnern.
Da am Heiligen Abend immer noch viel zu machen ist, hat man das beibehalten, denn so ein Kartoffelsalat ist schnell gemacht und kann in den Kühlschrank gestellt werden.
Hoast mit geschriem Bua?“
„Ja Oma, bin groad beim letzten Satz.“
„Guat dann lese die letzte Frage vor damit ma endlich fertig wern mit unserer Strafarbeit“,knurrt Sepp.
„Eigentlich ist es dem Ferdl sei Strafarbeit“ murmelt Anamirl, und wirft ihrem Sohn einen strengen Blick zu.
„Nein, da irrst du dich, der Ferdl liest die Fragen vor und schreibt die Antworten auf und wir erklären es ihm, weil er nicht aufgepasst hat.
Es ist also ein gemeinsames Familienprojekt.“ Schnell bevor die Mama schimpfen konnte, las Ferdinand die letzte Frage vor.
„Die letzte Frage ist:“
Können Tiere am Heiligen Abend sprechen!“
Einen Moment herrschte Stille, dann fangen alle zu lachen an.
Veverl sieht erstaunt von einem zum anderen. „Natürlich können Tiere sprechen und nicht nur am heiligen Abend.“
“Spatzerl, hast du sie denn schon mal reden gehört,“ schmunzelt der Toni.
„Natürlich, Papa, jeden Tag und du doch auch . Schau den Harras,“ sie deutet auf den Hund der unter der Ofenbank liegt und seinen Kopf hebt, als er seinen Namen hört, „ der sagt wauwau, aber immer anders.
Wenn a Fremder rein komma wui, dann knurrt er und sein wau wau klingt richtig wütend. Wenn aba die Tante Gustl und der Onkel Rudi kommen, die er gern hat ,da wedelt er mit dem Schwanz und sein wauwau klingt fröhlich. Unsere Mieze streicht um uns herum und wenn wir sie streicheln schnurrt sie.
Doch wenn ein fremder Hund draußen vorbei geht, dann macht sie einen Buckel und miaut ganz grauslich.“
„Ja Herzerle du bist ja der reinste Doktor Doolittle,“staunt der Opa.
Und Ferdinand jammert .
“Muss ich des alles aufschreiben.“
„Aber nein Ferdl,“ tröstet seine Oma, „ Veverl hat Recht. Man kann die Tiere verstehen wenn man auf ihre Körpersprache achtet, aber der Lehrer bezieht sich auf die Legende, dass am heiligen Abend die Tiere in menschlicher Sprache sprechen können.“
„Hahaha, ich habs no net gehört.“ lacht Sepp und Ferdl strahlt, „dann brauch ich bloß nein drunter schreiben.“
„Na , das wäre doch zu einfach, er wird wissen wollen woher die Legende kommt.“
„Weißt du es denn Oma?“
„Ja Bua pass gut auf!
Die Legende bezieht sich auf die Geschichte von Jesus Geburt, wie sie in der Bibel dargestellt wurde: Auch die Tiere besuchten das Jesuskind, brachten Geschenke und sprachen mit ihm.
Der Sepp aber sagte zu seinem Sohn.
„Toni ist dir aufgefallen, dass das weibliche Geschlecht hier viel gescheiter ist als wir.“ Reserl verdreht die Augen. „Und das merkst du erst heute!“
© Lore Platz 21. Juli 2024
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Sehr schön, wie du die Weihnachtsbräuche verpackt hast.
AntwortenLöschenEin Familienprojekt, alke reden miteinander, tauschen ihre Erfahrungen und Wissen aus. Nicht einfach im Stillen mal eben gegoogelt und niemand redet miteinander.
Ich hab mal gelesen, dass in den kleinen Bauernstuben aus Platzmangel der Weihnachtsbaum an die Balkendecke gehängt wurde.