Das
Paket bleibt lange Zeit unbeachtet neben dem Hydranten liegen, obwohl
viele Menschen vorbei hasten.
Zwei
Jungen schlendern gelangweilt über den Bürgersteig.
„He,
Anderl! Da hat jemand ein Paket verloren!“
Martin
schaut sich schnell um, schnappt das Päckchen und die beiden Jungen
laufen in einen verlassenen Hinterhof.
Martin
reißt die Schachtel auf.
„Eine
Puppe!“ ruft er enttäuscht.
„Lass
sehen, vielleicht gefällt sie ja meiner kleinen Schwester.“
Anderl
will ihm die Schachtel aus der Hand nehmen.
Martin
weicht einen Schritt zurück und zieht feixend die Puppe an den
Haaren heraus.
Doch
wie sieht sie aus.
Ein
Stück von der Nase fehlt, beide Beine baumeln hin und her. Sie sind
aus den Gelenken gesprungen.
Ein
Arm ist am Ellbogen gebrochen und das einst hübsche Kleid hat einen
langen hässlichen Riss.
„Pfui
Deibel wirf sie weg!“
Martin
grinst, wirft die Puppe in die Luft und kickt sie mit dem Fuß in
Richtung Mülltonnen.
Diese
landet auf einem Häufchen stinkendem Abfall, der aus der
überquellenden Tonne gefallen war.
Die
Buben laufen wieder hinaus auf die Straße.
Die
einstmals so hübsche Puppe aber liegt auf einem Haufen Dreck und
dicke Tränen kullern über ihr Gesicht.
Ihre
ersten Schritte hinaus in die Welt waren ja nicht gerade schön
verlaufen.
Sie
war von einem Auto überrollt worden, durch die Luft geschleudert,
von groben Bubenhänden an den Haaren gezogen und dann noch als
Fußball benützt und letztendlich auf stinkendem Müll gelandet.
Es
raschelt in ihrer Nähe und eine dicke fette Ratte trippelt auf sie
zu, mustert sie aus kleinen runden Augen, stupst sie mit der Nase an
und läuft davon.
Die
Puppe betrachtet das Stückchen Himmel über ihr und traurig und
voller Sehnsucht denkt sie an das kleine Mädchen, deren Haare
genauso rot sind wie ihre.
Nie
wieder würde sie es wiedersehen.
Plötzlich
hört sie eine sonore Stimme singen.
Der
König der Straßen werde ich genannt
Wenn
ich nur zwinkere, kommen die Miezen angerannt
Bin
so schön, besonders klug und ein vollendeter Kavalier
Und
besiege alle Kater in meinem Revier
Ein
kräftiger Kater stolziert mit hoch erhobenem Schwanz über den Hof.
Vor
der Puppe bleibt er stehen und betrachtet sie nachdenklich.
„Du
siehst ja scheußlich aus!“
„Danke!
Du würdest auch nicht besser aussehen, wenn du von einem Auto
überfahren und von frechen Buben als Fußball benützt worden
wärst!“
„Da
dürftest du Recht haben. War wohl heute nicht dein Tag?“
„Das
kann man wohl sagen!“
„Oh,
Oh,“ der Kater wirft einen Blick über die Schulter,
„ da
kommt der Hausmeister, der kann mich nicht leiden, ich verdrück mich
mal wieder.“
Der
Kater wendet sich um.
„Halt!
Du willst mich doch nicht hier lassen!“ ruft die Puppe verzweifelt.
Unschlüssig
bleibt der Kater stehen und sein Blick wandert zwischen der Puppe und
dem näher kommenden alten Mann hin und her.
Dann
beugt er sich hinunter, nimmt das Kleid der Puppe ins Mäulchen und
flitzt in großem Bogen um den Hausmeister herum und auf die Straße.
Der
Kater läuft mehrere Straßen und Gassen entlang, dann setzt er mit
einem eleganten Sprung über einen Zaun in einen Garten und legt
seine Last ins Gras.
Die
Puppe hat die Augen geschlossen, von dem Geschaukel ist ihr ganz
schwindelig.
Der
Kater stupst sie an.
„Wach
auf, wie heißt du eigentlich?“
„Ich
habe keinen Namen.“
Der
Kater überlegt einen Moment, dann grinst er.
„Ich
werde dich Namenlos nennen. Ich heiße übrigens Ramon.“
Er
beginnt eifrig mit seiner kleinen rauen Zungen sein Fell zu putzen.
„Freut
mich, Ramon, du hast wohl einen Reinigkeitsfimmel?“
lacht
Namenlos.
Ramon
wirft ihr einen strengen Blick zu.
„Katzen
sind die reinlichsten Tiere, die es gibt. Außerdem habe ich eine
Verabredung.“
Namenlos
sieht etwas zwischen den Bäumen blitzen.
„Ich
glaube deine Verabredung kommt,“ meint sie spöttisch.
Eine
weiße Katze schreitet in eleganten geschmeidigen Bewegungen auf sie
zu.
Ihr
hoch gestellter Schwanz bewegt sich genauso elegant und schreibt
kleine Kringel in die Luft.
Vor
Ramon bleibt sie stehen.
„Du
kommst spät mein Lieber.“
„Verzeih
schönste Prisilla, aber ich wurde leider aufgehalten.
Doch
nun bin ich ja bei dir mein göttliches Wesen:“
Namenlos
verdreht die Augen. Was für ein Gesülze!
Die
Katze streicht schnurrend um den Kater herum, da bemerkt sie die
Puppe.
„Igitt!
Was ist denn das? Hast du diesen Müll in unseren schönen Garten
gebracht?“
„Aber
liebste Prisilla, das ist meine Freundin Namenlos und sie wurde von
einem Auto angefahren.“
Die
Katze streift die Puppe mit einem verächtlichen Blick.
„Schaff
sie hier weg und dann komm. Auf der Terrasse steht ein Schälchen mit
Sahne.“
Sie
dreht sich um und stolziert davon.
Ramon
nimmt das Kleid von Namenlos wieder zwischen die Zähne und flitzt
mit ihr den Stamm eines Birnbaumes hoch.
Dort
setzt er die Puppe auf einen Ast und raunt:
„Ich
hol dich später ab.“
Namenlos
lehnt sich zurück an den Baum.
„Schade,
Ramon ist so ein lieber Kerl, was der bloß an dieser
eingebildeten
Zicke findet.“
Die
Puppe lässt ihren Blick schweifen.
Eigentlich
ist es interessant, die Welt aus der Höhe zu betrachten.
In
der Ferne funkeln die Dächer im Sonnenlicht und ein Fesselballon
schwebt langsam über die Stadt.
Sie
kann die Menschen in dem Ballon nicht erkennen, dafür ist er zu weit
entfernt.
In
„Marion`s Puppenstube“ war auch ein kleiner Fesselballon mit
Püppchen darin.
Ach
wie gerne würde sie wieder im Schaufenster sitzen und darauf warten,
dass die kleine Anna ihr süßes Gesichtchen an die Scheibe presst.
Eine
leise Sehnsucht schleicht sich in ihr Herz und ihre Augen werden
feucht.
„Weinst
du?“
Eine Blaumeise hat sich neben ihr auf dem Ast nieder gelassen.
Die
Puppe lächelt traurig.
„Ach
weißt du, ich hatte heute einen schweren Tag, bin von einem Auto
überfahren worden.“
„Ach
du Ärmste! Ja diese stinkenden Kisten sind schon ein Greuel und
rasen oft viel zu schnell. Ich bin froh, dass ich fliegen kann. Aber
weißt du hier in der Nähe wohnt eine Frau, die repariert Puppen.
Vielleicht kannst du ja einmal bei ihr vorbei schauen.“
Der
Vogel legt den Kopf schief und beäugt die Puppe.
„Kannst
du denn auch fliegen oder wie bist du auf den Baum gekommen?“
Namenlos
lacht.
„Nein
Ramon hat mich herauf gebracht.“
Das
Vögelchen kichert.
„Ramon,
der Herzensbrecher! Er balzt gerade um Prisilla herum. Aber der Kater
ist ein feiner Kerl und lässt uns Vögel in Ruhe. Nun muss ich aber
weiter. Schön dich kennen gelernt zu haben.“
Die Blaumeise fliegt davon, dreht sich aber noch einmal um und ruft.
„Sag
Ramon, die Frau, die Puppen wieder gesund macht ist das Frauchen von
dem Mops Hanna!
Dann
fliegt er endgültig davon.
Morgen geht es weiter
Ach Lore wie schön!
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