Donnerstag, 14. März 2019

Nachbarschaftshilfe im Tierreich

Im Internet kann man wunderbare Menschen kennen lernen und aus manchen Begegnungen entwickeln sich jahrelange Freundschaften.
Seit Jahren kenne ich nun ein Ehepaar, dass mich nicht nur mit herrlichen Bildern für meinen Blog  versorgt, sondern auch selbst schöne Geschichten schreibt.
Beide leben in einer idyllischem Umgebung, praktisch mit der Natur auf du und du.
Heute möchte ich euch eine wahre Geschichte von Werner vorstellen und hoffe, dass sie euch genauso gut gefällt wie mir.
Einen Menschen erkennt man daran wie er schreibt und Werner ist ein besonders netter Mensch, das sieht man schon an seinem Lausbubenhaften Humor.
Ich musste schmunzeln.
Es ist viel schwerer eine wahre Geschichte unterhaltsam zu schreiben, als ein fantasievolle.
Es ist ihm gelungen.

Viel Spaß beim Lesen!




 
(c) Werner B.

 

Nachbarschaftshilfe im Tierreich




Unser Haus steht am Waldesrand wo sich Fuchs und Hase „gute Nacht“ sagen.
Diesem Umstand verdanken wir viele Erlebnisse mit Tieren.
Westlich unseres Hauses ist eine Hangwiese, auf der am Morgen und am Abend Rehe zum Äsen kommen.
Eines war einmal so frech in unseren Garten zu kommen und genüsslich einige Rosenkopfe zu vernaschen – das muss unheimlich lecker gewesen sein, aber meine Frau fand das nicht so ganz lustig.

Eines Morgens saßen wir beim Frühstück und ich sah aus dem Fenster in Richtung Norden. An dieser Stelle fällt der Hang nach unten, sodass man nur Bäume im Blickfeld hat, aber keinen Boden sehen kann.
Meine Frau sah mich ganz verdutzt an als ich ihr mitteilte „die Rehe sind da“. „Seit wann sind denn die Rehe auf den Bäumen?“ fragte sie. Nachdem ich ausgelacht hatte, erklärte ich ihr den Trick: unterhalb des Fensters steht ihr Computer im 45° Winkel nach Westen und wenn ich da rein schaue, kann ich den Hang sehen.

Im Laufe der Jahre sind wir zu Hobby-Ornithologen geworden.
(c) Werner B.
Eine Vielfalt von Arten besucht übers Jahr unsere Gegend – manche bleiben immer hier. Für den Winter sind Futterhäuschen, für den Sommer Nistkästen am Haus und auf der Terrasse vorhanden.

Die ganzen Jahre seit wir unser Häuschen besitzen ist ein Kleiberpärchen da – wer weiß wie viele Generationen es nun schon sind. Einmal konnten wir das Ausfliegen der Jungen beobachten. Die Eltern saßen etwa 4 Meter von der Hauswand und etwa 3 Meter tiefer als der Nistkasten in einem Strauch und lockten lautstark ihren Nachwuchs. Die erste Schnabelspitze guckte aus dem Loch, dann war es der Kopf, anschließend der halbe Körper. Ein kurzer Abstoß und der kleine Kerl flatterte im leichten Sinkflug zu Mama und Papa.
Dies wiederholte sich nun mehrmals und wir zählten mit den Fingern mit – 2, 3, 4, 5 – ja sag mal, wie viele sind denn das? – 6, 7.
Na, jetzt reicht es aber Unglaublich, jetzt schaut noch eine Schnabelspitze aus dem Loch. Die Eltern locken lauter denn je und nur zögerlich wird aus der Schnabelspitze ein Kopf und dann ein halber Körper. Es dauerte ziemlich lange bis sich der kleine Feigling traute, seinen Geschwistern zu folgen.
Acht junge Kleiber – eine Sensation!
Wir diskutieren darüber wie die Eltern das geschafft haben, dünn sind sie auf jeden Fall geworden.
Aber wie haben die Jungen da in dem engen Häuschen Platz gehabt?
Meine Vermutung, dass sie Stockbetten aufgestellt hatten, wurde vom Familienrat als unrealistisch verworfen.

Vor einigen Jahren konnten wir eine außergewöhnliche Beobachtung machen.
Es war Frühling, es gab genug Insekten und Ungeziefer und die Vögel entschieden sich dazu, eine neue Generation in die Welt zu setzen.
Als erstes musste eine geeignete Niststätte gefunden werden.
Der Kleiber war der erste, der nacheinander alle Nisthäuschen inspizierte und sich dann schlussendlich doch wieder für sein alljährlich benutztes an der Nordwand entschied.
Zuerst wurde der Eingang mit Erde fast zu gekleistert, um ihn dann millimetergenau so zu vergrößern, dass er gerade noch durchschlüpfen konnte.
Dann wurde mit den Innenarbeiten begonnen. Da wurden Rindenstücke nach Innen gezerrt, es wurde geklopft und gehämmert.
Dass er Bilder aufhängt, glaubte mir wieder einmal niemand.

 
(c) Werner B.


Einige Zeit später entschloss sich ein Kohlmeisen-Pärchen die Wohnung an der Westwand unseres Hauses zu übernehmen. 
Auch hier begann sofort der Innenausbau, wobei der Fußabstreifer vor unserer Eingangstür einige Borsten lassen musste. 
Später hörten wir dann abends, wenn es ganz still war im Wohnzimmer leises Geraschel und noch etwas später Fiepen an den Außenwänden.
Der Nachwuchs der Kleiber flog schon aus, da war das Meisenpaar noch fleißig am Füttern. 
Eines Morgens mussten wir feststellen, dass nur noch eine Meise das Häuschen mit Futter für die Jungen anflog.
Die Meise flog und flog und wurde sichtbar immer erschöpfter.
Plötzlich konnten wir sehen wie einer der Kleiber ebenfalls das Meisenhäuschen anflog, kurz nach innen schaute und sich wieder entfernte.
Kurze Zeit später kam er zurück, hatte den Schnabel voller Insekten, schlüpfte ins Häuschen und kam mit leerem Schnabel wieder heraus.
Nun konnten wir es erleben wie Meise und Kleiber abwechselnd die Jungen mit Futter versorgten. 
Wir haben es wahrscheinlich irgendwie versäumt die Kleinen beim Ausfliegen zu sehen, sind aber sicher dass sie es dank der Nachbarschaftshilfe geschafft haben.

© Werner Borgfeldt