Niemand weiß, was uns erwartet, werden wir gesund bleiben
bis ins hohe Alter oder wird uns eine unheilbare Krankheit
treffen.
Ich habe so viele wunderbare Menschen in meinem Leben getroffen, die wirklich krank waren und Schmerzen hatten und trotzdem fröhlich und voller Lebensfreude ihr Schicksal annahmen bis zum letzten Atemzug.
Als wir die Diagnose Krebs und nicht heilbar für meinen Mann bekamen, sagten wir es unserer Tochter.
Sie verließ die Küche, etwas später kam mein Mann zu mir und sagte leise:
"Die Claudia sitzt auf der Terrasse und weint."
Ich ging zu ihr und nun weinten wir beide.
Da kam mein Mann mit einem - Mensch ärgere dich nicht Spiel - und forderte uns zu einem Match heraus.
Er der Todkranke hat uns getröstet und aufgemuntert.
Die
Mondscheinprinzessin
„Urlaub,
ich hab Urlaub!“ trällert Gerlinde.
Vier
Wochen Urlaub in den Bergen liegen vor ihr, weit weg vom Stress des
Alltags. Einfach nur entspannen, wandern und die Seele baumeln
lassen.
Die
Sonne verschwindet langsam vom Horizont, aber in einer Stunde ist
sie ja am Ziel.
Ihr
guter alter Monty gibt plötzlich seltsam hustende Geräusche von
sich, naja er ist ja nicht mehr der Jüngste, und dann ein
langgezogenes gequältes Stöhnen und das Auto bleibt stehen.
Was
nun?
Gerlinde
startet, doch nur ein gequältes Knirschen ist zu hören. Seufzend
kramt sie nach ihrem Handy, super, kein Empfang!
Die
junge Frau springt aus dem Wagen, läuft ein paar Schritte, hebt das
Telefon in die Höhe und dreht sich im Kreis.
Ein
paar Kühe, die auf der Weide stehen, glotzen sie neugierig an. Was
die wohl denken?
Gerlinde
verdreht genervt die Augen.
Na
toll, sie befindet sich mitten in einem Funkloch.
Der
Urlaub fängt ja gut an.
Dann
muss sie wohl auf Schusters Rappen weiter.
Aus
dem braunen nicht mehr ganz neuen Koffer holt sie einige Dinge, die
sie für eine Übernachtung braucht und stopft sie in ihren Rucksack.
Vorsichtshalber
holt sie auch noch die Tafel Schokolade aus dem Handschuhfach.
Soweit
das Auge reicht nur Kornfelder, Wiesen und weiter hinten ein großer
Wald.
Hoffentlich
muss sie nicht im Wald übernachten, denn die Dämmerung senkt sich
bereits über das Tal.
Am
besten sie nimmt auch noch die Taschenlampe mit.
Dann
stiefelt sie los.
Immer
mehr nähert sie sich dem Wald, dann bleibt sie überrascht stehen.
Mitten
auf einer Wiese dreht sich eine Lichtgestalt, mit einem Blumenkranz
im Haar, barfuß im Mondlicht.
Gerlinde
schüttelt den Kopf, narren sie ihre Augen.
Feen
gibt es doch nicht.
„Hallo!“
ruft sie.
Das
Mädchen hält inne, sieht sie erschrocken an und läuft davon.
Als
Gerlinde ihr folgt steht sie plötzlich vor einem kleinen Gehöft an
dessen Eingangstür eine Lampe hängt.
Da
sie keine Klingel findet, klopft sie kräftig an.
Die
Tür öffnet sich knarrend und eine alte Frau sieht sie unfreundlich
an.
„Entschuldigen
sie, aber ich habe eine Autopanne, kann ich bei ihnen telefonieren?“
Die
Tür öffnet sich weiter und die alte Frau tritt einen Schritt
zurück.
Mit
einem leisen 'Danke' betritt Gerlinde den dunklen Flur und folgt der
Alten, die nun auf ein schwarzes Telefon deutet.
„Können
sie mir vielleicht die Nummer der Autowerkstatt sagen?“
„Ja
mei, den Schorsch, den werdns nimma dawischen,
der sitzt um die Zeit im Wirtshaus.“
„Kann
das Fräulein nicht bei uns übernachten?“
Gerlinde
dreht sich um und sieht sich der kleinen Tänzerin gegenüber.
„Hallo
ich kenne dich doch, schön hast du getanzt. Ich heiße Gerlinde.“
„Ich
bin die Mirzel und das ist meine Oma.“
„I
bin d Josefa Klinger und wenns mit unsra bscheidnen Hietn zfrien san,
kenners gern hier übernachten. Hams Hunger?“
„Gerne,
mein Auto hat ungefähr zwei Kilometer von hier den Geist aufgegeben.
Ich wollte eigentlich nach S.“
„Oh
das sind noch mindestens 15 Kilometer, das schaffen sie heute nicht
mehr. Oma, du kannst ruhig ins Bett gehen, ich kümmere mich um
unseren Gast.“
„Deine
Oma ist wohl nicht sehr gesprächig,“ lächelt Gerlinde, als die
alte Frau in einem Zimmer weiter hinten im Flur verschwindet.
Mirzel
lacht, „nein, aber sie ist unheimlich lieb, aber nun kommen sie ,
ich zeig ihnen ihr Zimmer.“
„Da
kannst ruhig du zu mir sagen.“
„Gerne“
Nachdem
Gerlinde ihren Rucksack abgestellt hat folgt sie dem Mädchen in die
Küche.
Später
setzen sich die beiden Mädchen auf die Stufen vor dem Haus.
Ein
dicker leuchtender Vollmond taucht die Umgebung in sein fahles Licht.
Es raschelt und eine Maus rennt quer über den Hof und schlüpft
durch den Zaun des kleinen Küchengartens.
„Ich
mag den Mond, er tut mir nicht weh mit seinem kalten Licht.“
Gerlinde
sieht Mirzel erstaunt an.
Diese
lächelt: „ Ich bin ein Mondscheinkind.“
Die
junge Frau erschrickt.
Sie
hat von dieser seltenen Erbkrankheit gehört. Die Betroffenen können
die Sonnenstrahlen nicht vertragen und da ihre Lebenserwartung nicht
sehr hoch ist, nennt man sie Mondscheinkinder.
„Deshalb
kann ich nur nachts raus gehen und dann tanze ich auf der Wiese und
träume, ich wäre eine Fee oder eine verwunschene Prinzessin.“
„Eine
Mondscheinprinzessin,“ lacht Gerlinde, die sich inzwischen wieder
gefangen hat.
Mirzel
stimmt in ihr Lachen mit ein, doch dann wird sie wieder ernst.
„Als
die Diagnose bekannt wurde hat meine Mutter mich zur Oma gebracht und
ist fort gegangen, glaubst du, dass sie mich nicht lieb hatte?“
Gerlinde
legt den Arm um die Schulter der zarten Gestalt und zieht sie an
sich.
„Sicher
hat sie dich lieb, vielleicht zu lieb, dass sie einfach
nicht
mit ansehen konnte wie du leidest. Weißt du, nicht jeder ist so
stark. Wo ist denn dein Vater?“
„Den
kenne ich nicht, aber es ist schön bei der Oma und sie ist sehr lieb
zu mir und auch die Leute im Dorf sind sehr nett.
Sie
haben die Fenster mit einer schützenden Folie beklebt, haben mir
einen Schutzanzug besorgt, damit ich zur Schule gehen kann und auch
in der Schule hat man die Fenster mit einer Folie beklebt.
Nur
manchmal bin ich sehr einsam, denn spielen kann ich nicht im Freien
mit den anderen Kindern, denn ich darf nur nachts raus. Aber das ist
auch schön, denn so habe ich viel Zeit, um mir Geschichten
auszudenken.“
Sie
lacht fröhlich und meint verschmitzt.
„Weißt
du, warum der Mond mal dick und mal dünn ist?“
Gerlinde
überlegt und versucht sich daran zu erinnern was sie darüber in der
Schule gelernt hat.
„Wenn
der Schatten der Erde auf den Mond fällt...“
„Unsinn!“
unterbricht sie Mirzel lachend.
„Weil
er verliebt ist. Willst du die Geschichte hören?“
Gerlinde
nickt und Mirzel kuschelt sich an sie und erzählt:
„ Eines
Tages verliebte sich der Mond in die schöne Sternenprinzessin. Er
verließ also sein Haus und sein ach so gemütliches Bett und ging in
den Sternenpalast. Dort warf er sich vor seiner Angebeteten auf die
Knie und gestand ihr
seine
Liebe. Doch da er so dick war konnte er nicht mehr aufstehen und fünf
Diener des Sternenkönigs mussten ihm
helfen.
Die Sternenprinzessin aber lachte so , dass ihr die Tränen kamen und
dann sagte sie zum Mond: „ Komme wieder, wenn du so dünn bist,
dass du vom Boden aufstehen kannst.
Der
Mond ging also nach Hause und sagte zu seiner Mutter. Ich muss
fasten, denn sonst heiratet die Sternenprinzessin mich nicht.
Nun
aß er ganz wenig und wurde immer dünner. Als er so dünn und schmal
wie eine Sichel war, ging er wieder in den Sternenpalast und und warf
sich der Prinzessin vor die Füße.
Doch
diesmal war er zu schwach, um wieder aufstehen
zu können und die Diener des Königs mussten ihn nach Hause tragen.
Dort schimpfte seine Mutter ganz fürchterlich und er musste nun
tüchtig essen und bald war er wieder so dick wie vorher.
Aber
seitdem versucht er es immer wieder.“
Gerlinde
lacht.
„Hat
dir meine Geschichte gefallen?“
„Ja
sehr gut, du solltest sie aufschreiben.“
„ Kannst
du denn deinen Urlaub nicht bei uns verbringen, dann erzähle ich dir
jeden Tag eine Geschichte.
Ich
habe mir noch viele Geschichten ausgedacht. Außerdem haben wir
gerade Ferien. Biiiittte!“
Die
junge Frau sieht in die sehnsüchtig auf sie gerichteten Augen und
nickt.
Jubelnd
fällt das Mädchen ihr um den Hals.
Am
nächsten Morgen wird Gerlinde vom Krähen des Hahns geweckt und
reibt sich verschlafen
die Augen, dann springt
sie
aus dem Bett und geht ins Bad. In
der Küche ist nur die alte Frau Klinger. Mirzel schläft noch.
Gerlinde
erzählt ihr von der Bitte des Mädchens, den Urlaub hier bei ihnen
zu verbringen und fragt, ob sie bleiben darf.
Natürlich
würde sie für alles bezahlen.
Die
alte Frau rührt ihn ihrem Kaffee und sagt dann leise.
„Des
Kind ist hoalt durch ihr Krankheit vui alloa und an ernner hoats an
Naaren gfressn, würd mi frein, wenns bleim dan. Zoan mirsns nixa!“
„Doch,
doch und wenn mein Auto wieder geht, dann werde ich auch die Einkäufe
im Dorf übernehmen. Danke!“
Gerlinde
ruft später die Autowerkstatt an und erklärt wo ihr Wagen steht,
dann storniert sie auch die Hotelbuchung.
Für
Mirzel aber beginnt eine wunderbare Zeit.
Tagsüber
spielen sie Brettspiele oder sie denken sich etwas lustiges aus. Den
ganzen Tag hört man sie fröhlich lachen. Sobald die Sonne
untergeht, wandern sie durch die Gegend oder tanzen barfuß auf der
Wiese.
Und
als dann der alte Monty wieder fahrtüchtig ist, fahren sie in die
Stadt, setzen sich in ein Straßencafe und beobachten
die
Leute, während sie sich einen großen Becher Eis schmecken lassen.
Manchmal
gehen sie auch ins Kino und Mirzel staunt über die große Leinwand.
Viel
zu schnell vergeht die Zeit und der Abschied ist gekommen.
Gerlinde
nimmt die weinende Mirzel in den Arm und verspricht, jeden Tag
anzurufen und sie können sich ja auch
schreiben.
Und sobald es ihr möglich ist, würde sie wieder
kommen.
Doch
dazu sollte es nicht mehr kommen.
Denn
eines Tages ruft Josefa an. Mirzel ist gestorben, ein Tumor, aber
sie wäre ganz still und mit einem Lächeln eingeschlafen und ihre
letzten Worte waren:
„Grüß
mir die Gerlinde, ich hab sie lieb, sie soll nicht traurig sein, denn
ich gehe jetzt dorthin zurück, wo ich hergekommen bin.“
Gerlinde
weint bitterlich um ihr kleine Freundin.
Nach
der Beerdigung drückt ihr Josefa einen großen Umschlag in die Hand.
Darin
sind all die schönen Märchen, die sich Mirzel ausgedacht hat und zu
jedem hat sie ein schönes Bild gemalt.
Gerlinde
setzt sich mit einer Schulfreundin in Verbindung, die einen kleinen
Verlag leitet und lässt die Geschichten drucken.
Das
Vorwort schreibt Gerlinde und berichtet von dem ganz besonderem
Mädchen, das trotz ihrer schwerer Krankheit so fröhlich und
lebensbejahend war und barfuß im Mondlicht auf der Wiese tanzte.
Das
Buch wird ein voller Erfolg und mit dem Erlös gründete Gerlinde
zusammen mit Josefa die Stiftung „Mondscheinprinzessin“, die
todkranken Kindern den letzten Wunsch erfüllen will.
©
Lore Platz 7.11.2019