Freitag, 31. Januar 2020

Der Sohn des Wassermannes Teil 10



Für den Moment sind wir in Sicherheit,“ murmelt die Möwe, während sie versucht auf der wankenden Eisscholle nicht abzurutschen.
Wohin fahren wir denn?“ will Lucinda wissen.
Der Pinguin schaut sie mit seinen schönen dunklen Augen freundlich an, bleibt aber stumm.
Dein Freund redet wohl nicht gern.“
Er ist eben einer von den Stillen.
Wir bringen dich zum Nordwind. Er ist der Bruder von Perlweiß und wird dir sicher helfen.“
Woher weißt du so viel über meine Familie?“
Ich komme eben viel herum und unterhalte mich gerne.“
Gib zu, dass du eine neugierige Klatschbase bist.“
Und du bist ein undankbares, freches Fräulein!“ ereifert sich die Möwe.
Wir sind da,“ unterbricht der Pinguin die Streithähne.
Die Eisscholle prallt an das Ufer und Lucinda springt auf festen Boden.
Ohne sich umzusehen fliegt der beleidigte Vogel in eine Felsengrotte und die junge Frau folgt ihm, während der Pinguin wendet und wieder auf das offene Meer hinaus treibt.
Lucinda spürt ihre Füße kaum noch, als sie durch den Tunnel aus Eis stolpert.
Endlich erreicht sie einen offenen Raum.
Stühle und Tische sind aus glitzerndem Eis und von den Wänden hängen Eiszapfen.
Eine Frau in einem weißem schimmerndem Kleid, das mit herrlichen Eisblumen bestickt ist, steht an einem Ofen und rührt in einem großen Topf.
Sie hebt den Kopf und sieht sie überrascht an.
Die Möwe sitzt auf einer Stuhllehne und putzt sich die Federn.
Wen hast du mir denn da gebracht?“
Die Dame betrachtet die vor Kälte schlotternde junge Frau.
Das ist Lucinda, das Schwesterkind deines Mannes.“
Du bist die Frau von Meeresheld. Wir haben von der Hochzeit gehört.
Aber was rede ich solange, da bist ja halb erfroren.
Komm mit mir, erzählen können wir später.“



Sie nimmt die Prinzessin an der Hand und führt sie in einen Nebenraum, in dem ein herrlich blauer See schimmert.
Lucinda erschauert, aber die Frau des Nordwinds lacht.
Keine Angst, der See ist warm. Er wird gespeist von heißen Quellen.“
Die junge Frau steigt in den See und genießt das herrlich warme Wasser, das ihren halb erfrorenen Gliedern gut tut.
Als sie ihr Haar gewaschen und zu einem Zopf geflochten hat, kommt ihre Tante zurück, bringt ihr frische und vor allem warme Kleider und ein Paar wunderschöne Pelzstiefel.
Wenig später betritt Lucinda den großen Wohnraum
Zwei Jungen und ein Mädchen sitzen am Tisch und albern mit der Möwe herum.
Es sind die Kinder des Nordwinds und werden ihr als Schneeflocke, Hagel und Graupel vorgestellt.
Während des Essens erzählt Lucinda von ihren schrecklichen Erlebnissen.
Arme Kleine,“ liebevoll tätschelt die Nordfrau ihre Hand.
Leider bist du auch bei uns nicht sicher, denn die Meerhexe ist die Schwester der Eishexe.“
Ein eisiger Wind lässt die Grotte erzittern und bringt Schnee Kälte herein.
Mein Mann,“ seufzt Frau Nordwind, „ und er ist nicht besonders gut aufgelegt.“
Gleich darauf steht der große furchteinflößende Nordwind im Raum.
Die weißen buschigen Augenbrauen grimmig gewölbt deutet er auf Lucinda.
Du da, du kommst mit, die Eishexe will dich sehen!“
Schützend stellt sich seine Frau vor ihren Gast.
Willst du dein Schwesterkind der Eishexe ausliefern? Der weiße Wolf wird sie zerreißen!“
Der Nordwind wirft ihr einen finsteren Blick zu.
Weib, willst du dich gegen die Eishexe stellen!“
Ach und seit wann ist der Nordwind kein freier Mann mehr, sondern ein Lakai der Eishexe.“
Beide Arme in die Hüften gestemmt funkelt sie wütend ihren Mann an.
Grimmig blickt er zurück, dann wendet er sich um.
Wenn ich wieder komme, ist sie verschwunden!“
Er saust davon und das Geschirr auf dem Tisch wackelt.
Er ist wütend,“ meint seine Frau achselzuckend und
geht in den Nebenraum, aus dem sie gleich darauf mit einem Pelzmantel und einer Fellmütze wieder kommt.
Es ist besser wenn du uns verlässt.
Geh zu Frau Holle. Sie und die Eishexe mögen sich nicht.“
Während sie durch die verschlungen Gänge zum Hinterausgang gehen, erklärt die Nordfrau der Wasserprinzessin den Weg zu Frau Holle.
Sie drückt ihr einen Beutel mit Proviant in die Hand.
Wenn du Durst hast brich dir einen Eiszapfen ab und nun lebe wohl meine Kleine, möge der große Himmelsherr dich beschützen.“
Eine letzte Umarmung und Lucinda wandert durch die weiße Landschaft ins Ungewisse.
Doch wie viel schöner ist es jetzt zu gehen mit den warmen Stiefeln und der kuscheligen Winterkleidung.
Die Frau des Nordwinds aber steht noch lange da und sieht ihr nach.
Deshalb bemerkt sie auch den weißen Wolf, der sich an die Fersen des Mädchens heftet.
Sie ruft ihre Kinder und befielt ihnen, ihre Kusine zu begleiten und wenn der weiße Wolf ihr zu nahe kommt, sofort einzugreifen.
Die Drei versprechen es und erheben sich in die Luft.





Donnerstag, 30. Januar 2020

Der Sohn des Wassermannes Teil 9





Na,na,“ brummt eine Möwe, die auf einem Schneehaufen sitzt und verlegen mit den Flügeln schlägt.
Wer wird denn gleich weinen.“
Ich habe mein Amulett verloren, das Meeresheld mir gegeben hat, wie soll ich denn je wieder nach Hause finden?“ klagt die junge Frau.
Nun hier kannst du sowieso nicht ins Wasser. Es ist das Gebiet der Meerhexe und selbst der Wassermann kann dir nicht helfen, wenn sie dich in ihre Finger bekommt.“
Ich weiß, ich war in ihrer Gefangenschaft!“
Nun, an Land kannst du hier auch nicht bleiben. Das ist das Gebiet der Eishexe, der Schwester, der Meerhexe und wenn die Eishexe dich mit ihrem Finger berührt, erstarrst du zu Eis.“
Ich fühle mich jetzt schon wie ein Eiszapfen,“ Lucinda reibt ihre Arme, „ aber was soll ich denn nur tun?“
Aufhören zu flennen und jammern!“
Du bist sehr unhöflich!“ beleidigt dreht Lucinda der Möwe den Rücken zu.
Und du bist sehr dumm! Wie konntest du nur in das Gebiet der Meerhexe gehen, hat man dich nicht gewarnt?“
Aber ich wurde entführt!“ ruft die junge Frau empört.
Dann warst du eben dumm, weil du dich entführen hast lassen.“
Wütend stapft Lucinda davon.
Die Möwe flattert hinterher und zerrt sie an den Haaren.
Bleib stehen du dummes Ding!
Du läufst ja geradewegs auf den Palast der Eishexe zu!“
Au! Du tust mir weh!“
Zornig schlägt die Wasserprinzessin nach dem Vogel.
Kreischend fliegt dieser in die Höhe.
Du bist doch ein undankbares Geschöpf, ich sollte dich deinem Schicksal überlassen.“
Leise vor sich hin schimpfend setzt sich die Möwe auf einen kahlen Ast und zerrt an ihrem zerzausten Gefieder.
Plötzlich hebt sie den Kopf und blickt in die Ferne.
Oh weh! Die Eishexe hat deine Ankunft bemerkt.“
Ängstlich blickt Lucinda sich um.
Wo ist sie?“
Sie ist in ihrem Eispalast, aber sie hat ihren weißen Wolf ausgesandt, dich zu holen. Komm mit!“
Lucinda rafft ihren zerrissenen Rock und läuft schnell hinter dem Vogel her.
Ihre Schuhe sind im Wasser geblieben und die Kälte sticht sie wie spitze Nadeln und der harsche Schnee verletzt ihre Füße.
Immer wieder wirft sie ängstliche Blicke zurück zu dem weißen Wolf, der immer näher kommt.





Die Möwe setzt sich auf einen Eisberg, der aus dem Wasser ragt und winkt aufgeregt mit den Flügeln einem Pinguin zu, der gemütlich auf einer Eisscholle dahintreibt.
Pingu hilf uns, der weiße Wolf ist hinter uns her!“
Der Pinguin gibt der Eisscholle einen kräftigen Schubs und als sie das Ufer erreicht springt Lucinda ohne lange zu überlegen auf die schwankende Eisplatte.
Mit einigen Flügelschlägen ist auch die Möwe bei ihnen und zu dritt paddeln sie mit ihrem Boot aus Eis aufs offene Meer hinaus.
Am Ufer aber steht der weiße Wolf, den Kopf erhoben und sieht ihnen nach.
Dann wendet er sich um und verschwindet.


Mittwoch, 29. Januar 2020

Der Sohn des Wassermannes Teil 8





Einige Zeit später.
Liana ist es gelungen sich in die Herzen aller einzuschmeicheln.
Perlweiß behandelt sie wie ihre eigene Tochter, Lucinda fand in ihr eine verständnisvolle Freundin.
Für Meeresheld war sie wie eine kleine Schwester und selbst Algengrün betrachtete sie wohlwollend.
Nur Seerose begegnete ihr mit gemischten Gefühlen.
Und dann brach das Unglück über den kleinen See.





Liana ist es gelungen Lucinda durch den Tunnel in das offene Meer zu locken, wo sie von einigen Piraten gepackt und in die dunklen Gründe des schwarzen Meeres gebracht wird.
Liana aber kehrt schnell in den See zurück, bevor jemand ihre Abwesenheit auffällt.
Lucinda liegt gut verschnürt in der Ecke einer Grotte und blickt angstvoll auf die beiden Muränen, die mit boshaft funkelnden Augen und hämisch grinsend um sie herum schwimmen.
Ihr spitzen kleinen Zähne blitzen in dem brackigen Wasser.
Friss, Schnapp, verschwindet!“
Silvana betritt die Höhle und betrachtet die junge Frau spöttisch.
Nun meine Schöne, bald ist es aus mit euch und euer geliebter Gemahl wird euch nicht retten können.
Er wird euch bald vergessen haben und meine bezaubernde Liana heiraten und durch sie werde ich die Macht über diesen hochnäsigen Algengrün bekommen. Hahahahaaaa!
Sie gibt ihren Haustieren einen Wink.
Bewacht sie, aber tut ihr nichts zu leide.
Vielleicht brauchen wir sie noch.
Später dürft ihr sie dann verspeisen, erst mal sehen wie es meinem Täubchen geht.“
Sie verlässt die Grotte und die beiden Muränen kommen wieder bedrohlich näher.
Lucinda drückt sich angstvoll in die Ecke



Der „Schwarzer Tiger“ torkelt in die Felsengrotte, eine Flasche Rum in der Hand.
Verschwindet!“
Mit einer Handbewegung jagt er die Muränen aus dem Raum, dann stellt er sich schwankend vor die Gefangene.
Wie schön du bist! Fast so schön wie meine liebliche Eloise.
Ach sie war so wundervoll und wenn sie sang, dann musste man weinen.
Doch dann verlor sie ihre Stimme und ihre Schönheit und Silvana hat sie ihren Haustieren zum Fraß vorgeworfen.
Oh, meine herrliche Eloise!“ ruft er mit weinerlicher Stimme.
Er taumelt, dann beugt er sich zu Lucinda hinunter.
Diese wendet schnell den Kopf ab, um seinem stinkendem Atem auszuweichen.
Du bist auch wunderschön und wenn du lieb zu mir bist, dann werde ich dich vor Silvana beschützen.
Plötzlich zuckt ein Dolch auf und leise schreit die Wasserprinzessin auf.
Der Pirat lächelt dümmlich und säbelt ihre Fesseln durch.
Lucinda verhält sich ganz still, doch sobald sie frei ist, gibt sie dem Piratenkapitän einen Stoß.
Dieser stolpert und bleibt benommen liegen.
Vorsichtig späht die junge Frau hinaus ins das trübe schlammige Wasser und als sie niemanden bemerkt
schwimmt sie los.




Zum Glück ist sie eine geübte Schwimmerin und der Abstand zu der Grotte wird immer größer.
Hinter sich hört sie einen schrillen Schrei.
Ihre Flucht ist entdeckt worden.
Sie spürt wie das Wasser hinter ihr in Schwingungen gerät und als sie zurück blickt, sieht sie die beiden Muränen, die ihre Verfolgung aufgenommen haben.
Lucinda versucht noch schneller zu schwimmen, aber sie spürt, wie langsam ihre Kraft nachlässt.
Plötzlich, wie aus dem Nichts taucht neben ihr ein Delfin auf.
Halt dich an mir fest, ich bringe dich ans Ufer.“
Wie ein Pfeil schnellt er durch das Wasser und die jung Frau hält sich verzweifelt an seiner Flosse fest.
Dann tauchen Friss und Schnapp neben ihnen auf und umkreisen sie mit tödlich blitzenden Augen.
Der Delfin schreit auf einmal qualvoll auf und Blut sickert ins Wasser.
Silvanas Haustierchen haben ihn gebissen.
Schwimm nach oben, ich lenke sie ab!“ stöhnt der Fisch und Lucinda lässt ihn los und paddelt nach oben.
Friss folgt dem Delfin, der ohne das Mädchen nun viel schneller ist und Schnapp verfolgt Lucinda.
Lucinda nimmt alle ihre Kraft zusammen und taucht auf.
Sie spürt einen scharfen Schmerz am Hals, dann ist sie im seichten Wasser, wohin ihr die grässliche Kreatur nicht folgen kann.
Die wenigen Schritt bis zum Ufer taumelt die junge Frau, dann bricht sie zusammen.




Lucinda ist vor Erschöpfung eingeschlafen.
Als sie erwacht friert sie entsetzlich und als sie sich umsieht, liegt sie auf einem schneebedeckten Strand.
Entsetzt betrachtet sie ihre zerfetzten Kleider und der Albtraum der vergangenen Stunden fällt ihr wieder ein.
Mit einem Griff an den schmerzenden Hals stellt sie fest, dass das Amulett, das Meeresheld ihr gegeben hat nicht mehr da ist.
Die Muräne muss es ihr abgerissen haben und nun liegt es auf dem Grund des Meeres.
Doch ohne das Amulett konnte sie nicht zurück.
Fröstelnd schlägt sie die Arme um ihren eiskalten Körper und Tränen der Verzweiflung strömen über ihr Gesicht.




Dienstag, 28. Januar 2020

Der Sohn des Wassermannes Teil 7





Nachdenklich verlässt Seerose das Schloss, schwimmt durch den friedlichen ruhigen See und klettert in der Nähe einer Trauerweide, deren Zweige fast den Boden berühren, ans Ufer.
Zufrieden lehnt sich das Mädchen an den Baum und beobachtet wie die Sonne helle Kringel durch die dichten goldgrünen Zweige wirft und diese sich im Wasser widerspiegeln.
Hier ist ihr Lieblingsplatz und sie kommt oft hierher, wenn sie in Ruhe über etwas nachdenken will.
Seerose schlingt die Arme um die Knie und stützt das Kinn auf.
Verträumt sieht sie den bunten Schmetterlingen zu, die unbeschwert über die Wiese tanzen, den Bienen, die summend eine gelbe Blüte nach Nektar untersuchen.
Ein Eichkätzchen flitzt den Stamm herunter, beobachtet sie aus großen dunklen Augen und verschwindet blitzschnell wieder im Gewirr der Äste, als Schritte zu hören sind.
Seerose hebt den Kopf, als Erkan einige der langen Zweige beiseite schiebend zu ihr tritt.
Darf ich?“
Das Mädchen nickt errötend und der junge Prinz setzt sich neben es ins Gras.
Eine Weile schweigen beide und genießen die Stille und Schönheit der Natur, doch dann vertraut Seerose dem Bruder ihrer Schwägerin ihre Sorgen an.
Erkan schmunzelt.
Mach dir keine Sorgen. Was soll so eine kleine Nixe schon anstellen. Dein Vater ist schließlich der mächtige Wassermann.“
Seerose muss lachen und nimmt die Hand von Erkan, der ihr aufhilft.
Komm, lass uns ein wenig spazieren gehen, das bringt dich auf andere Gedanken.“
Und ohne ihre Hand loszulassen wandern sie am Seeufer entlang und Seerose vergisst ihre Sorgen.

Montag, 27. Januar 2020

Der Sohn des Wassermannes Teil 6

Ich wünsche euch einen schönen Wochenanfang und
viel Spaß beim Lesen der Fortsetzung!





Silvana, die Meerhexe sitzt auf einem Felsen und blickt grimmig in ihre Glaskugel.
Ihre Augen sprühen zornige Blitze.
Und als nun der Piratenkapitän „Schwarzer Tiger“ begleitet von seiner Tochter Liana, näher kommt, schwimmen die Haustiere der Hexe, zwei Muränen aufgeregt auf sie zu und lecken sich genießerisch die Lippen.
Silvan hebt den Kopf und wirft den Tieren einen strafenden Blick zu, worauf sich diese in eine Ecke verziehen.
Die Hexe lächelt ihr Patenkind liebevoll an.
Den Pirat beachtet sie gar nicht.
Täubchen, wie schön du bist,“ gurrt Sivana und die junge Nixe lächelt geschmeichelt.
Sie beugt sich hinunter und gibt ihrer Patin einen Kuss, dabei fällt ihr Blick auf die Glaskugel und sie hält einen Moment die Luft an.
In der Kugel ist Meeresheld zu sehen, der gerade liebevoll seine junge Frau küsst.
Mach das sofort aus!“ kreischt Liana.
Die Hexe schnippt mit den Fingern und das Bild verschwindet.
Liana liegt inzwischen schluchzend in den Armen ihres Vaters.
Der Pirat tätschelt hilflos ihre Schultern.
Ach Goldstück, warum musst du dich auch unbedingt in den Wasserprinzen verlieben.“
Liana löst sich aus seinen Armen und stampft wütend mit den Füßen auf.
Hör sofort auf!“ befiehlt Silvana und die Nixe beruhigt sich.
Ihre Patin ist die Einzige, auf die sie hört.
Du, du hast mir versprochen, dass ich ihn bekomme,“ schnieft das Mädchen.
Komm her, mein Täubchen, setzt dich zu mir, schmeichelt die Hexe.
Liana lässt sich nieder, ringelt ihren Nixenschwanz um die Füße der Alten und legt ihren Kopf an derer Knie.
Gedankenverloren streichelt Silvana ihr Haar.
Liana ist das einzige Geschöpf, das die alte Hexe wirklich liebt.
Mein Liebchen, ich habe dir versprochen, dass du den Wasserprinzen bekommst und du wirst ihn bekommen.“
Versprich ihr doch nicht so einen Unsinn, grollt
der „Schwarze Tiger“.
Das ist keine Unsinn,“ zischt die Hexe und wirft ihm einen giftigen Blick zu.
Schnapp und Friss rücken näher an den Piraten und zeigen boshaft grinsend ihr spitzen Zähne.
Habe ich dir nicht auch geholfen, als du liebeskranker Narr unbedingt die Nixe mit der schönen Stimme haben wolltest.“
Der alte Pirat seufzt, als er an seine wunderschöne Frau denkt, die so herrlich singen konnte.
Leider aber aber ist sie bald welk und traurig geworden und hat all ihren Zauber verloren.
Das einzig gute, das dieses nutzlose Geschöpf hervor gebracht hat, ist deine wunderbare Tochter.“
hört er Sivana sagen.
Die Hexe streicht liebevoll über das seidenweiche Haar der Nixe und diese schmiegt sich an sie wie ein kleines Kätzchen.
Der Blick der Hexe wird hart, als sie den Piraten wieder ansieht.
Schade, dass Eloise durch deine Grobheit all ihren wunderbaren Zauber verloren hat und ich sie an meine Haustier verfüttern musste.
Doch nun zu dir mein Täubchen, du wirst den Wasserprinzen bekommen, dafür werde ich sorgen.“




Hätten Meeresheld und Lucinda geahnt, welch finstere Pläne in den dunklen Gewässern des schwarzen Meers geschmiedet wurden, dann wären sie wohl nicht so vergnügt gewesen.
Sie sitzen mit Perlweiß, Seerose und Algengrün zusammen und scherzen und lachen.
Nur der Wassermann scheint heute mit den Gedanken woanders.
Finster hat er die Stirn gerunzelt und seine Augenbrauen sind drohend gewölbt.
Lucinda wirft ihm einen verstohlenen Blick zu.
Sie hat immer noch etwas Furcht vor ihrem Schwiegervater.
Auch Perlweiß wirft einen liebevoll besorgten Blick zu ihrem Mann.
Sacht legt sie ihm die Hand auf den Arm.
Lieber, was bedrückt dich?“
Der Wassermann seufzt.
Ich weiß nicht, irgendetwas braut sich zusammen. Es kommen schlechte Nachrichten aus dem schwarzen Meer.“
Er wendet sich an seinen Sohn.
Komm, mein Junge, wir machen einen Ausflug.“
Passt auf, mit der Meerhexe ist nicht zu spaßen.“
bittet Perlweiß.
Keine Angst, meine Liebe, sie ist nicht stärker als ich und gegen meinen Dreizack hat sie sowieso keine Chance.“
Er wirft ihr eine Kusshand zu und zwinkert frech.
Perlweiß sieht ihm kopfschüttelnd nach.
Lucinda aber sieht verträumt vor sich hin.
Ob Meeresheld und sie nach so vielen Jahren auch noch so glücklich sein werden.
Plötzlich ertönt ein lieblicher Gesang.
Perlweiß wird kreidebleich.
Eloise!“ ruft sie und eilt nach draußen.
Seerose und Lucinda sehen sich verblüfft an und folgen ihr langsam.
Auf einem großen Stein sitzt eine wunderschöne Nixe und singt so überirdisch schön, dass es einem ganz eigen ums Herz wird.
Die Frau des Wassermannes tritt auf die Nixe zu und fragt aufgeregt.
Mädchen, wer bist du? Ich kenne nur eine Nixe, die so wunderschön singen kann und das ist meine beste Freundin Eloise. Leider ist sie vor vielen Jahren verschwunden.“
Liana, den sie ist es, lächelt liebenswürdig und meint in singendem Tonfall:
Ich kenne eure Freundin leider nicht“
Und das war nicht einmal gelogen, denn ihre Mutter starb ja schon kurz nach der Geburt.
Ich komme von den grünen Inseln und eine Sturmflut hat mich hierher gespült und diese freundliche Nixe,“ sie deutet auf eine junge verlegen lächelnde Meerjungfrau,zeigte mir den Weg durch den Tunnel. Ich hoffe ihr seid ihr deswegen nicht böse.“
Liana lächelt voll liebenswürdiger Unschuld.
Perlweiß runzelt die Stirn und wirft der jungen Nixe einen strafenden Blick zu, die sich schnell hinter einem Nixenmann versteckt.
Dann wendet sich die Frau des Wassermannes an Liana.
Nun, wir sehen es nicht gern, wenn Fremde unser Gebiet betreten, denn wir haben viele Feinde.“
Die Nixe lacht trillernd.
Aber ihr werdet euch doch vor mir nicht fürchten!“
Perlweiß schmunzelt.
Nein und wenn ihr schon mal da seid, begleitet mich ins Schloss und erzählt mir, wer euch so wunderbar singen gelehrt hat.“
Liana senkt schnell den Blick, damit man das triumphierende Leuchten nicht sah.
Bescheiden und sittsam folgt sie den Damen in den Kristallpalast.
Seerose hält sich etwas abseits.
Sie hat ein ungutes Gefühl, als könnte man der Nixe nicht vertrauen.
Gerade betritt Meeresheld den Raum und Lucinda läuft ihm freudig entgegen.
Seerose, die noch immer Liana beobachtet, sieht wie deren Augen freudig aufblitzen und sie ihren Bruder gierig betrachtet.
Schnell aber senkt sie wieder die Augen und niemand außer Seerose hat etwas bemerkt.





Sonntag, 26. Januar 2020

Der Sohn des Wassermannes Teil 5







Drohend trat er einen Schritt auf mich zu.
Seltsamerweise fürchtete ich mich nicht vor ihm.
Ja ich fand ihn sehr attraktiv und mein Herz begann verräterisch zu klopfen.
Wer bist du!“ brüllte er, „bist du eine der bösen Hexen, die alles was schön ist, zerstören wollen!“
Ich schnappte empört nach Luft.
Was bildete sich dieser Flegel eigentlich ein?
Ich eine böse Hexe!
Ich spürte, wie die Wut langsam wieder in mir hoch kroch und meine Umgebung sich gequält duckte und der See unruhige Wellen warf.
Plötzlich packte mich dieser Flegel, warf mich über seine Schulter und versank mit mir im See.
Das Wasser war schwarz vom aufgewühltem Schlamm.
Ich konnte einige Fische sehen, die verzweifelt versuchten vorwärts zu kommen.
Nixenfrauen und Nixenmänner klammerten sich verzweifelt an einen Felsen und der Kristallpalast
wankte und die Kristalle klirrten wie tausend misstönende Glocken.
Dies Alles hatte meine Wut angerichtet.
Der Wassermann setzte mich auf einen Stuhl, verschränkte die Arme und musterte mich finster.
Ich versuchte tief durchzuatmen und meine Gefühle zu kontrollieren.
Langsam wurde alles um mich herum ruhiger und der Palast hörte auf zu wanken.
Das Klirren der Kristalle wurde immer leiser, das Wasser hörte auf Wellen zu schlagen und wurde wieder klarer, da der Schlamm sich senkte.
Seepferdchen, Fische und Schildkröten schwammen ziellos durcheinander und die Nixen lehnten erschöpft an dem Felsen.
Ich bekam ein schlechtes Gewissen.
Alles war meine Schuld!
Beschämt schloss ich die Augen.
Was ist mit dir? Ist dir übel?“ hörte ich den Wassermann besorgt fragen.
Hier trink das!“
Misstrauisch beäugte ich das grünliche Zeug, das in dem Glas blubberte.
Was ist das?“
Algensaft, er beruhigt,“ grinste er und zwinkert mir frech zu.
In diesem Moment war es um mich geschehen.“
lachte Perlweiß.
Ach wie romantisch,“ seufzt Lucinda,“ bist du seitdem nicht mehr wütend geworden?“
Oft! Aber ich versuche mich zu beherrschen bis ich durch den Tunnel ins offene Meer gelange, dort kann ich nicht soviel Schaden anrichten und unser See bleibt verschont.“
Die beiden Frauen kichern vergnügt.
Nun will ich dich aber über die Gefahren hier unter Wasser aufklären.
Du bist ja sehr behütet aufgewachsen und noch keinem bösem Menschen begegnet,“ meint Perlweiß wieder ernst werdend.
Hier unter Wasser sind es die Piraten und bösen Menschen aus den untergegangenen Schiffen.
Du weißt die Seele stirbt nicht und wenn ein Schiff untergeht wird Algengrün verständigt.
Er prüft die Ertrunkenen.
Die guten Seelen dürfen sich aussuchen in welcher Gestalt sie im Wasser leben möchten und die bösen Seelen müssen ihre menschliche Gestalt behalten und werden in das Gebiet der Meerhexe verbannt.
Sie können das Wasser nie mehr verlassen und dürfen auch unser Gebiet niemals betreten.
Leider gelingt es manchmal, dass einige von ihnen sich einschleichen.
Deshalb sind Algengrün und Meeresheld ständig unterwegs, um die Grenzen zu kontrollieren.
Darum passe auf wenn du unterwegs bist.
Hier im See bist du in Sicherheit, aber schwimme niemals allein durch den Tunnel.“
Lucinda nickt.
Meeresheld hat mir ein Amulett geschenkt, es soll mich beschützen.“
Ja, vor dem Ertrinken, du darfst es niemals verlieren.
Du bist ein Menschenkind und kannst nur mit dem Amulett hier unten leben.
Aber nun genug von ernsten Dingen.
Komm wir sehen mal was Seeröschen macht und wegen den Nixen ärger dich nicht.
Sie sind verspielt, albern aber herzensgut!“




Samstag, 25. Januar 2020

Der Sohn des Wassermannes Teil 4







Durch einen schmalen Felsenspalt gelangen sie hinaus aufs offene Meer.
Hier ist die Welt unter Wasser noch bunter.
Teppiche aus Seeanemonen, winzige Muscheln, leuchtend blühende Pflanzenstränge und Seesterne bedeckten die Steine, Mauerwerke und untergegangene Schiffe.
Ein Schwarm silbrig-brauner Fische huscht aus einem Seegrasgestrüpp.
Ein scharlachroter Fisch schoss unter einem Felsen hervor.





Eine Schildkröte paddelte träge an ihnen vorbei.
Als sich aus einem Loch im Riff ein dicker grantig ausschauender Kopf mit einem großen Maul heraus schob, klammert sich Lucinda voller Angst an ihren Mann.
Meeresheld lacht, „ das ist doch nur ein Zackenbarsch!“
Mit einer Handbewegung verscheucht er den Fisch.
Durch die Felsenspalte schwimmen sie zurück in den friedlichen See.
Im Kristallpalast erzählt Lucinda mit leuchtenden Augen von ihrem Ausflug und den Herrlichkeiten, die sie gesehen hat.
Perlweiß und Seerose lauschen lächelnd und auch Meeresheld betrachtet seine Frau voller Stolz und Liebe.
Nur Algengrün meint stirnrunzelnd:
Unsere Welt ist wunderschön, aber auch voller Gefahren, also verlasse niemals alleine den See durch die Felsenspalte.“
Lucinda errötet und alle Freude verschwindet aus ihrem Gesicht.
Sie fürchtet sich etwas vor dem strengen Wassermann.
Meeresheld will zu seiner Frau eilen, doch Algengrün verlässt den Raum und fordert ihn auf, ihm zu folgen.
Perlweiß setzt sich neben Lucinda und legt ihr den Arm um die Schultern.
Algengrün ist manchmal barsch, aber er meint es nicht so. Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben.“
Die junge Frau lächelt schüchtern.
Merkt man das so deutlich?“
Perlweiß schmunzelt.
Mit den Gefahren hat er allerdings recht. Nicht alle Bewohner in der Unterwasserwelt sind freundlich.
Im schwarzen Meer wohnt Drisulla, die Meerhexe.
Sie hat alle untergegangenen Piraten um sich versammelt. Eine böse Bande, wehe dem der denen in die Hände gerät.
Aber keine Angst, solange du die Grenze nicht überschreitest kann sie dir nichts anhaben.“
Lucinda seufzt.
Ich muss noch soviel lernen, alles ist mir so fremd und ich möchte Meeresheld doch eine gute Frau sein.
Ach, ich vermisse meine Eltern und meinen Bruder.“
Perlweiß gibt ihr einen Kuss auf die Wange.
Du kannst deine Eltern jederzeit besuchen und du wirst sehen mit der Zeit wirst du dich in der Unterwasserwelt wie zu Hause fühlen.
Auch ich musste mich erst eingewöhnen und bei meinem Temperament war das gar nicht so einfach.“
Neugierig sieht Lucinda ihre Schwiegermutter an.
Dein Vater ist doch der Zauberer Hokuspokus, wie hast du Algengrün eigentlich kennengelernt?“
Perlweiß lehnt sich zurück und dreht gedankenverloren an ihrem Ring.






Ein zärtliches Lächeln liegt auf ihrem Gesicht.
Ja, mein Vater ist der Zauberer Hokuspokus und sein Schloss liegt mitten im Wald auf einem Berg, weit und breit kein Wasser.
Ich wäre Algengrün nicht begegnet, wenn mich meine Tante nicht eingeladen hätte.
Ich war froh, denn ich langweilte mich schrecklich zu Hause.
Mein Vater ist ja mehr Gelehrter als Zauberer und seit meine Mutter ins andere Reich gewechselt ist
wurden keine Feste mehr gefeiert.
Vater, der sehr traurig über Mamas Tod war vergrub sich nur noch hinter seinen Büchern.
Auch ich vermisste meine Mutter, aber ich war jung und wollte was erleben.“
Wie kam deine Mutter um?“
Perlweiß betrachtet traurig die Statue in der Halle, die von einem versunkenen Schiff stammt und ihre Gedanken schweifen in die Vergangenheit.
Es tat immer noch weh, obwohl soviel Zeit vergangen ist.
Meine Mutter war die Tochter des Windes und sie und mein Vater waren sehr glücklich.
Eines Tages, ich war noch ein kleines Mädchen, wurde ich auf einem Spaziergang von der Blitzhexe angegriffen.
Meine Mutter wollte mich beschützen und kämpfte mit der fürchterlichen Feuerhexe und wurde dabei getötet.
Ich konnte ihr nicht helfen, denn sie schickte mich weg, meinen Vater zu holen, doch wir fanden sie nur noch sterbend vor.“
Eine einsame Träne läuft über ihre Wange und Lucinda legt liebevoll ihren Arm um die Schulter.
Perlweiß lächelt.
Ich wollte dir ja erzählen, wie ich Algengrün zum ersten Mal begegnet bin.
Meine Patentante hatte mich eingeladen. 
Ihre Tochter ist ein dummes, boshaftes Ding, heute noch!
Ich hatte mich wieder einmal fürchterlich mit ihr gezankt und verließ schnell das Haus, bevor ich wütend wurde.“
Auf Lucindas fragenden Blick lächelt sie kläglich.
Wenn ich wütend werde, dann entsteht ringsum ein entsetzlicher Wirbel, ein Erbe meiner Verwandten den Winden.“




Lucinda lacht herzlich, es klingt wie eine helle Glocke.
Jetzt weiß ich, was der Kapitän eines Schiffes meinte, als er bei meinem Vater zu Besuch war.
Er sagte, dieses Mal hatten wir eine fürchterliche Fahrt, das ganze Meer bebte.
Die Frau des Wassermannes hat wieder schlechte Laune.“
Perlweiß lacht und ihre Augen funkeln.
Manchmal kann ich mein verflixtes Temperament nicht zügeln, doch nun zurück zu meiner ersten Begegnung mit Algengrün.
Ich lief also hinab zum See, um mich bogen sich die Bäume, Gräser und Blumen lagen flach, vom Wind gepeitscht.
Ich merkte es nicht.
Am See angekommen, lehnte ich mich an einen Baum und versuchte mich zu beruhigen.
Doch immer wenn mir die verletzenden Worte meiner Kusine wieder in den Sinn kamen, wallte die Wut erneut in mir auf.
Das Wasser des Sees kräuselte sich und warf wilde Wellen, die über das Ufer schwabbten.
Ich merkte es nicht, so sehr war ich von meinen wütenden Gedanken beherrscht.
Plötzlich stand ein Mann vor mir und funkelte mich zornig an.
Bist du von Sinnen,“ brüllte er, „ mein Palast bricht bald auseinander und meine Untertanen wirbeln hilflos im Wasser.“
Mit offenem Mund starrte ich ihn an und meine Wut war plötzlich verflogen.
Im Gegenteil, ich verspürte einen furchtbaren Lachreiz und prustet auch schon los.