Samstag, 30. November 2024

Karlis erstes Weihnachtsfest

30.11.2024   Morgen gehts los, um euch schon darauf einzustimmen, eine kleine Weihnachtsgeschichte vorab. Viel Saß beim  Lesen!




Karlis erstes Weihnachtsfest



Der Mäuserich Karli hob schnuppernd die Nase und folgte dann dem wunderbaren Duft.
Vor ihm lag ein Stück Speck, so groß wie er noch nie eines gesehen hatte.
Gerade wollte er sich in die Köstlichkeit versenken, da ertönte ein grässliches Grummeln und der Speck löste sich auf wie eine Seifenblase.
Karli öffnete die Augen.
Er lag in seiner armseligen Wohnung hinter der Wand einer alten Blockhütte und das seltsame Geräusch kam aus seinem Bauch.
Karli hatte Hunger!
Seit man den alten Mann abgeholt hatte fand er kaum mehr etwas zu Fressen.
Aus lauter Verzweiflung hatte er schon die Tapeten angeknabbert.
Aber die schmeckten einfach scheußlich.
Ob er zu seinem Vetter in den Wald wandern sollte?
Aber draußen lag der Schnee sehr hoch und es war wohl zu gefährlich, obwohl hier verhungern oder draußen erfrieren, mehr Möglichkeiten hatte er wohl nicht.
Wenn doch seine Mutter noch leben würde, die wüsste sicher was zu machen sei.
Tränen tropften auf den staubigen Boden.
Die Tür der Blockhütte flog auf und ein dick vermummter Mann klopfte seine Füße ab und stellte zwei große Koffer in den Raum.
Hinter ihm drängte sich eine Frau und ein kleines Mädchen herein.
Das sieht aber nicht sehr einladend aus!“ rief die Frau und sah sich skeptisch um.
Ich weiß nicht Richard, ob das so eine gute Idee ist, hier Weihnachten zu feiern.“
Ach Marlies wo bleibt dein Sinn für Abenteuer. 
Ist doch toll, dass Onkel Rupert uns diese Hütte vermacht hat und du wirst sehen, wenn erst einmal ein lustiges Feuer im Kamin flackert und wir alles sauber gemacht haben, dann wird es richtig gemütlich hier.“
Dein Wort in Gottes Ohr,“ seufzte seine Ehehälfte, „ dann wollen wir mal die Lebensmittel in die Küche bringen, hoffentlich funktioniert der Kühlschrank.“
Keine Sorge, der Notar hat mir versichert, dass alles funktioniert und im Schuppen liegt sogar genügend Brennholz.“
Marlies rollte nur mit den Augen und ging in die Küche.
Nachdem sie alles im Kühlschrank verstaut hatte sucht sie nach Putzzeug, denn erst wollte sie mal wischen.
Stunden später aber war die Hütte nicht mehr wiederzuerkennen.
Karli angelockt von leckeren Düften trippelt zu seiner Tür, die in die Küche führte und spähte hinaus.
Die Familie saß am Küchentisch, der mit lauter leckeren Sachen bedeckt war.
Voller Aufregung steckte der Mäuserich seinen Kopf viel zu weit aus dem Loch und sah erschrocken, dass das kleine Mädchen direkt zu ihm hinsah.
Blitzschnell verschwand er und erst als die Familie die Küche verlassen hatte, wagte er sich wieder heraus und staunte.
Genau vor seiner Tür lag ein Stück Käse. Das war von dem kleinen Mädchen.
War das ein Festmahl und zum ersten Mal seit vielen Tagen war Karli satt.
Nun aber begann für ihn ein Leben wie im Schlaraffenland.
Immer wieder lag etwas vor seinem Loch und er war inzwischen so satt, dass er gar nichts mehr fressen konnte.
Da erinnerte er sich daran, was seine Mutter immer gesagt hatte. Wenn man sich im Winter Vorrat anlegt, dann sollte man ihn immer an der kältesten Seite lagern.
Die war schnell gefunden und bald stapelten sich dort die Leckereien.
Diese Nacht schlief Karli zum ersten Mal satt und zufrieden.

Am nächsten Morgen weckte ihn eine wütende Stimme, die laut fluchte.
Karli lief zu dem kleinen Loch im Wohnzimmer und spähte hinaus.
Ein großer Tannenbaum stand etwas schief im Raum und der Mann, der so gebrüllt hatte, steckte seinen Daumen in den Mund.
Marlies und auch Merle kamen angelaufen.
Was ist denn los?“
Ich habe mir den Daumen in dem blöden Christbaumständer eingezwickt!“
Marlies schüttelte den Kopf und Merle kicherte.
Auch Karli grinste.
Marlies aber meinte energisch.
Halte den Baum gerade, ich werde den Christbaumständer richtig anbringen.“
Gleich darauf stand der Baum stolz und gerade im Raum und staunend sah Karli zu wie die Drei ihn mit glänzenden Kugel, Kerzen und langen silbernen Fäden behängten.
Dazu erklang aus einem kleinen schwarzen Kasten wunderschöne Musik und dem Mäuserich wurde ganz eigen zumute.
Von dem späteren Abendessen fiel wieder eine reichliche Portion für ihn ab, die er eifrig in seine Speisekammer trug und dann folgte er der kleinen Familie in das behagliche weihnachtliche Zimmer.
Ein Christkind war inzwischen da gewesen und hatte viele bunte Päckchen da gelassen.
Wie sich die Menschen darüber freuten und bald war der Boden mit bunten Papier bedeckt und jeder hielt etwas in den Händen und dann fielen sie sich gegenseitig in die Arme.

Einige Tage später wurde der Baum wieder abgebaut und Karli war ein wenig traurig, denn wenn nachts alle schliefen hatte er seine Wohnung verlassen und unter dem Baum geschlafen, denn es roch hier so herrlich nach Wald.
Nun musste er wieder in seiner Wohnung nächtigen.
Dann wurde er eines Tages mitten in der Nacht durch einen schrecklichen Lärm geweckt.
Es klang, als würden viele Leute aufeinander schießen.
Erschrocken eilte er von Loch zu Loch, doch nirgends fand er seine „kleine Familie“.
Als er schließlich durch die Öffnung blickte, die ins Freie führt, da staunte er.
Im Schnee stand die Familie und auch die Leute aus der Nachbarschaft und sahen zum Himmel, wo gerade die Sterne explodierten und in bunten Strahlen auseinander fielen.
Und dann riefen sie sich durch den Lärm zu:
Ein gutes neues Jahr!“
Staunend betrachtet Karli dieses Naturwunder. 
Wunderschön war es!


  (c) Elli M.


Am nächsten Tag dann sah er traurig zu wie seine Freunde die Koffer zum Auto trugen.
Sie mussten wieder abreisen.
Das kleine Mädchen klopfte an seine Tür und als Karli seine Nase heraus streckte, lächelte es ihm zu.
Es sprang auf und ging in die Ecke der Küche und hob eine
Serviette auf.
Darunter kamen viele Leckereien zum Vorschein.
Dann winkte es ihm zu und lief hinaus zu ihren Eltern.
Als das Auto abgefahren war, begann Karli die feinen Leckerbissen in seine Vorratskammer zu tragen.
Er musste ziemlich oft laufen und öfter mal ausruhen, doch als er dann glücklich seine Schätze betrachtete, wurde er richtig fröhlich.
Wenn er sich alles gut einteilte, dann konnte er damit bis zur Schneeschmelze auskommen.
Dann würde er sich auf den Weg zu seinem Vetter machen.

Auch für Karli würde es ein glückliches neues Jahr werden!


© Lore Platz  2.12.2014



Freitag, 29. November 2024

Die schwarze Katze


  29.11.2024    

Wie schnell die Zeit vergeht, bin nicht traurig wenn der November geht, er gehört nicht zu meinen besten Freunden. Am Sonntag beginnt der erste Advent, da darf ich euch endlich meine Adventsgeschichten vorstellen und ich darf das erste Türchen meines eigenen Adventskalenders öffnen und genußvoll das winzige Stück Schokolade auf der Zunge zergehen lassen. 

Wißt ihr was Glück bedeutet? Sich auch über kleine Dinge freuen zu können.

Viel Spaß  beim Lesen!                   


 
 
 
(c) LP

 
Die schwarze Katze


Sie hatte Hunger! Seit sie die kleine Maus verputzt hatte war schon ein Weilchen her.
Ein lieblicher Duft stieg in ihre Nase und sie bog in den Hof der Metzgerei ein. Der Lehrjunge Robert leerte gerade einen Eimer mit Abfällen in einen Container.
Von früheren Besucher her wusste sie, dass er böse und gemein war und sie mochte er schon gar nicht, weil sie schwarz war.
'Teufelsvieh, das nur Unglück bringt' hatte er sie geheißen und einen großen Knochen nach ihr geworfen.
Besser sie ließ sich nicht sehen.
Zu spät!
Ein großer Knochen flog auf sie zu und streifte sie an der Hinterhand.
Mit einem Weh laut drehte sie sich um und lief blindlings davon.
Bremsen quietschten, sie spürte einen heftigen Schlag, flog gegen einen Zaun und blieb wimmernd liegen.
Au Backe! Das sieht nicht gut aus.“
Ein grauer großer Kater beugte sich über die verletzte Katze.
Die Katze öffnete die Augen.
Du lebst also noch, meinst du, dass du laufen kannst? Ich heiße übrigens Jakob.“
Katja!“ stieß die Katze hervor, während sie mühsam versuchte aufzustehen.
Jakob nickte.
Komm ich weiß wo wir Hilfe finden. Du wirst wohl auf drei Beinen laufen müssen.“
Er betrachtete die rechte Hinterhand der Katze, die seltsam herunter baumelte.
Als würden sie einen gemütlichen Spaziergang machen begann Jakob zu plaudern.
Weißt du, dass wir Katzen im alten Ägypten als heilig galten? Eigentlich schade, dass das heute nicht mehr so ist, dann ging es uns Katzen wohl besser und wir müssten nicht auf der Straße hausen. Obwohl...?“ sinnierte er,
im Mittelalter ging es uns Katzen wirklich schlecht. Plötzlich wurden wir, die kurz vorher noch als Mäusejäger gelobt und begehrt waren, als Teufelsbrut bezeichnet.
Menschen die eine Katze hatten mussten auf einmal Angst haben der Hexerei angeklagt zu werden.
Die schwarzen Katzen hatte es damals besonders schwer, denn schwarz galt als eine dämonische Farbe und man behauptete sogar, dass Hexen sich in schwarze Katzen verwandeln würden, um den Menschen zu schaden.
Außerdem behaupteten sie, wenn eine schwarze Katze von links kommt, das bringt Unglück. Aberglaube nennt man das! Weißt du links ist nämlich die schlechte Seite deshalb hat man früher auch versucht Linkshänder zu Rechtshändern zu machen. Möchtest du wissen, warum das so ist. Das kommt daher, weil am Tag des Jüngsten Gericht die Guten rechts und die Schlechten sich links aufstellen müssen.
Wir sind da, denkst du, du kannst durch das Gitter schlüpfen?“
Katja sah durch das große eiserne Tor in den parkähnlichen Garten und nickte.
Kurze Zeit später ließ sie sich mit einem Weh laut ins Gras sinken. Sie war am Ende ihrer Kraft.
Trotzdem versuchte sie zu lächeln.
Danke Jakob, mit deinem Gequatsche hast du mich von meinen Schmerzen abgelenkt.“
Der Kater grinste: „Das war auch meine Absicht.“
Aber woher weißt du so viel über Katzen?“
Ich habe mal bei einem alten Professor gelebt und wenn der mit seinen Freunden fachsimpelte habe ich immer gerne zugehört. Als er starb hat man mich verjagt und seitdem lebe ich auf der Straße. Aber nun versuche ich Hilfe zu holen.“
Während Katja sich zurück lehnte und die Augen schloss, raste Jakob durch den Garten.
Als die Veranda in Sicht kam, machte er langsamer.
Eine ältere etwa sechzig jährige Frau saß in einem Korbstuhl, auf dem Schoß ein aufgeschlagenes Buch, aber ihr Blick war in die Ferne gerichtet und sie sah traurig aus.
Als sie den Kater erblickte, lächelte sie.
Da bist du ja wieder. Luise bring doch ein Schälchen mit Sahne!“
Eine scheltende Stimmer klang aus dem Haus.
Ich habe Ihnen doch gleich gesagt, sie sollten den Kater nicht füttern. Nun werden sie ihn bestimmt nimmer los.“
Eine mollige ältere Frau kam aus dem Haus und stellte ein Schüsselchen auf den Boden.
Doch Jakob ignorierte den verführerischen Duft und sah die Dame unverwandt an, als wollte er sie hypnotisieren, dann wandte er sich um, miaute auffordernd und lief ein paar Schritte.
Ich glaube er will uns was zeigen.“
Leichtfüßig sprang Laura Bernhofer auf und die beiden Frauen folgten dem Kater durch den Garten.
Mitleidig sahen sie auf die verwundete Katze. Luise, die nur immer so grummelig tat, dabei aber ein butterweiches Herz hatte, lief schnell ins Haus und holte einen Korb.
Vorsichtig legten sie die Katze dann in den mit weichen Tüchern ausgepolsterten Korb.
Was machen wir nun? Der nächste Tierarzt ist in der Kreisstadt?“
Aber auf dem Erlenhof wohnt ein Mann, der Tiere gesund pflegt,“ erinnerte sich Luise.
Dann werde ich unsere Patientin zu ihm bringen, der Sparziergang wird mir gut tun.“
Mit zügigen Schritten aber darauf bedacht den Korb möglichst ruhig zu halten wanderte die alte Dame die Straße entlang.
Wo der Erlenhof lag wusste sie noch von früher und bog in die große Auffahrt ein.





Auf einer Koppel standen mehrere alte Esel ein betagtes Pony kam an den Zaun und ein Reh mit einem verbundenem Bein stakste über die Wiese.
Ein alter Bernhardiner lag im Sonnenschein, öffnet nur kurz ein Auge und schloss es wieder.
Aus dem Schuppen kam ein älterer Mann.
Bertl!“ Sie erkannte den Gespielen ihrer Kindheit sofort, auch wenn bei ihm die Jahre nicht spurlos vorüber gegangen waren.
Laura!“ rief dieser erfreut und kam auf sie zu, nahm ihre zarte kleine Hand in seine große Pranke und drückte sie vorsichtig.
Dann sah er die verwundete Katze und sein Gesicht wurde ernst. Er nahm Laura vorsichtig den Korb ab und ging mit weit ausholenden Schritten in den Schuppen. Die alte Dame folgte ihm.
Im Schuppen waren auch mehrere Tiere untergebracht. Ein Adler saß auf einer Stange in einem riesigen Käfig. Sein linker Flügel war verbunden.
Ein Fuchs lag in einem Verschlag ein Bein im Gips.
Laura stellte sich neben ihren Freund aus Kindertagen und sah zu, wie er behutsam das kranke Tier untersuchte, die Wunde säuberte, Salbe auftrug und sie verband.
Die alte Dame lächelte,schon als sie noch Kinder waren,
hatte Bertl immer irgendwelche kranke Tiere angeschleppt und verarztet und sie stand daneben und durfte ihm ab und zu assistieren.
Dieser hob nun den Kopf, schenkte ihr ein Lächeln und meinte.
Mehr kann ich jetzt nicht tun, den Rest muss man der Natur überlassen. Innere Verletzungen hat sie keine, denn die Augen sind klar. Magst was trinken?“
Er legte die Katze vorsichtig in eine Kiste. Der Kater setzte sich daneben, als wollte er sie bewachen.
Die beiden Jugendfreunde aber setzten sich auf die Bank vor dem Haus, nachdem Bertl für jeden einen Eistee gebracht hatte.
Es sind fast vierzig Jahre her, dass wir uns nimmer gesehen haben,“ lächelte Laura, „ ich bin mit meinem Mann durch die Welt gereist, mal musste er hier eine Brücke bauen, dann wo anders ein Hochhaus. Wir waren immer unterwegs. Und dann bekam er einen Herzinfarkt und hat mich einfach verlassen. Wir waren damals gerade in Dubai, er war verantwortlich für den Bau eines riesigen Hotels.
Doch wie immer hat er sich zu viel zugemutet, es war unmöglich ihn davon abzubringen und dann noch die Hitze. Wenigstens musste er nicht leiden.
Alle waren sehr nett zu mir und haben mir geholfen. Nach der Beerdigung dann bin ich zurück in mein Elternhaus.
Luise, die als junges Mädchen bei meinen Eltern in Dienst kam hat sich in all den Jahren um das Haus gekümmert. Doch erzähl, wie ist es dir ergangen?“
Nach dem Tod meiner Eltern hat es mich hier nicht mehr gehalten, ich wollte die Welt kennen lernen.
Ich habe in Kanada als Holzfäller gearbeitet, in Alaska auf einem Fischerboot angeheuert, in Brasilien im Hafen beim Verladen der Schiffe geholfen. Habe viel gesehen und erlebt, viel gearbeitet, aber reich bin ich dabei nicht geworden.“
Er grinste und erinnert sie an den Jungen, der er einmal war.
Sein Vater war Knecht auf dem Erlenhof und seine Mutter arbeitete als Köchin bei ihren Eltern.
Nach der Schule kam er immer zu seiner Mutter und machte bei ihr in der Küche die Hausaufgaben. So hatte sie ihn kennengelernt. Sie war damals vier Jahre und begeistert von dem zwei Jahre älteren Buben, dem sie dann auf Schritt und Tritt folgte.
Aus ihren Gedanken heraus meinte sie:
Ich war dir wohl manchmal etwas lästig, wenn ich dir immer nachgerannt bin.“
Bertl lachte fröhlich.
Manchmal schon, aber du warst so niedlich, man konnte dir doch nicht böse sein. Weißt du, dass ich dich in Mexiko gesehen habe?“
Mexiko? Ach damals musste Frank den Bau einer Brücke leiten.“
Und ich habe dort gearbeitet.“
Warum hast du mich denn nicht besucht?“
Nun geriet der Mann doch in Verlegenheit.
Weißt, du warst doch die Frau des Chefs und ich nur ein kleiner Hilfsarbeiter. Was hätten deine feinen Freunde wohl gesagt.“
Dummer Bub!“ tadelte Laura,“ du weißt, dass das mir nichts ausgemacht hätte!“
Bertl nickte.
Ja, sie hätte sich nicht seiner geschämt. Er dachte an ihren zehnten Geburtstag zu dem sie ihn eingeladen hatte. Seine Mutter hatte ihm extra seinen Kommunionanzug angezogen. Sicher er war schon ein wenig raus gewachsen, die Beine und Ärmel waren zu kurz, aber der Stoff war noch gut und musste nicht gewendet werden.
Er hatte sich ein wenig unwohl bei den reichen Kindern gefühlt, aber sie waren recht nett zu ihm. Nur einer, Richard hieß er, hatte ihn immer gehänselt wegen seinem
Anzug und ihn richtig schikaniert.
Ganz fest hatte er seine Bubenfäuste in die Tasche gesteckt, denn er wollte auf dem Fest seiner Freundin keine Rauferei anfangen.
Doch da hat Laura auch schon eingegriffen.
Wütend, beide Hände in die Seiten gestemmt hatte sie sich vor dem einen Kopf größeren Jungen aufgebaut.
Richard, der Bertl ist mein allerbester Freund und wenn es dir nicht passt, dass ich ihn eingeladen habe, dann kannst ja geh'n!“
Mit blitzenden Augen hatte sie sich dann zu den anderen Kindern umgewandt und gesagt:
Und ihr auch!“
Doch keiner wollte gehen, nur der arrogante Schnösel meinte:
Ich bleibe bestimmt nicht auf einem Fest, wo Dienstboten eingeladen werden!“
Als er weg war, wurde es erst so richtig lustig und schön. Später sind sie dann alle hinunter zum See und er hat den feinen Pinkeln mal gezeigt wie man flache Steine über das Wasser springen lässt. Sie hatten eine Menge Spaß!
Bertls Blick ging hinüber zur Koppel und traurig seufzte er.
Was hast du?“
Hast bestimmt schon gehört, dass der Erlenhofbauer gestorben ist, war ja auch schon weit über neunzig. Aber seine Erben wollen den Hof und das Land verkaufen und ich und meine Tiere müssen weg.“
Laura legte ihre Hand auf seinen Arm.
Weißt denn wo du hingehst?“
Bertl schüttelte den Kopf.
Ich finde schon eine Unterkunft und auch Arbeit, aber die Tiere will keiner haben.“
Laura sah hinüber zu der Koppel, wo die Esel friedlich grasend nebeneinander standen, das Pony schläfrig den Kopf über den Zaun hing und das Reh sich ins Gras gelegt hatte.
Bertl, du und deine Tiere kommen einfach zu mir! Du weißt doch wie groß der Garten ist, dort kann man eine Koppel bauen und im Schuppen kannst eine Krankenstation einrichten, muss nur das ganze Gerümpel raus. Und im Haus im ersten Stock sind viele Zimmer frei und auch ein Bad ist dort oben.“
Laura erwärmte sich immer mehr für den Gedanken.
Natürlich müssen wir noch Dienstboten einstellen, am liebsten wäre mir ein Ehepaar!“
Da wüsste ich wen,“ rief Bertl, der sich von ihrer Begeisterung inzwischen anstecken ließ.
Ein junges Ehepaar, Markus und Kathi Lehnert. Der Markus war Holzfäller, nach einem Unfall hat er ein steifes Bein und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und die Kathi hat mehrere Putzplätze, aber jetzt ist sie schwanger und kann nimmer so. Aber sie sind brave fleißige Leut!“
Laura klatschte erfreut in die Hände.
Ein Kind, wie schön! Sie können die Dienstwohnung über der Garage haben, die ist schön groß und passt für eine Familie. Stell dir nur vor, Bertl, Tiere, junge Leute und auch noch ein Kind, vielleicht auch mehrere mal und mittendrin wir zwei Alten.
Ist das nicht wunderbar!“
Bertl aber lachte laut und herzlich, wie von einer Last befreit.
Kannst dich noch an den Schwur aus unserer Kindheit erinnern? 'Freunde fürs Leben' Und auch wenn wir uns viele Jahre aus den Augen verloren habe, unsere Freundschaft besteht immer noch.“
Aber was werden denn die Leut sagen, wenn ich bei dir einzieh' ?“ fragte der Bertl besorgt.
Dummer Bub!“ Laura winkte ab.
Die Leute interessieren mich nicht, die reden so und so. Nun muss ich aber heim, ich will mich bloß noch von der
Katze verabschieden.“
Liebevoll beugte sich Laura über die schwarze Katze und streichelte sie vorsichtig.
Du hast mir Glück gebracht, denn mein Leben hat nun wieder einen Sinn und ich bin nicht mehr so allein. Ich werde dich Felicitas nennen, das bedeutet ' die Glückliche',“ murmelte sie und als Antwort begann die Katze laut zu schnurren.
Als Laura aus dem Schuppen trat saß ihr Freund noch immer gedankenverloren auf der Bank.
Nun sah er auf und lächelte.
Laura streckte ihm die Hand hin.
Also abgemacht, du kommst morgen früh und dann überlegen wir, was alles zu machen ist und bring den Markus und die Kathi gleich mit.“
Versonnen sah der Mann der davon Eilenden nach.
Jakob kam aus dem Schuppen, sprang auf die Bank und rieb seinen Kopf an seinem Arm.
Bertl kraulte ihn hinter dem Ohr und der Kater begann zu schnurren.
Weißt, schon als Kind hab i gewusst, dass die Laura und ich zusammen ghörn. Und obwohl s mir in der Welt draußn gefalln hat zog es mich doch auf einmal in die Heimat zurück, als hätt i gahnt, dass auch sie zurück kommt.
Nun schließt sich der Kreis und i bin da ankomma, wo i hinghör.“
Jakob rollte sich auf seinem Schoß zusammen und sein Schnurren verstärkte sich, als wollte er die Worte bestätigen.

© Lore Platz (2015)







Donnerstag, 28. November 2024

Plauderecke Erinnerung

 28.11.24 guten Morgen und viel Spaß beim Lesen!


Vor kurzem unterhielt ich mich mit einer Bekannten über unsere Kindheit. 

Unter anderem erzählte ich ihr auch von der bösen Lehrerin, die mich in der ersten Klasse so gepiesackt hatte. 

In meinen Papieren die ihr vorlagen, stand mein erster Name Elisabeth und mein zweiter Name Eleonore, der auch mein Rufname war.

Natürlich wusste sie das nicht und rief mich Elisabeth. Da ich nicht darauf reagierte, bekam sie einen Tobsuchtsanfall, warf mit der Kreide nach mir und kam dann auf mich zugeschossen und schlug mir den staubigen Tafellappen um die Ohren. 

Ich wusste nicht was mir geschah. Das ging einige Tage so und als schüchternes sensibles Kind war ich noch mehr verschreckt. 

Die Sache klärte sich erst auf, als meine Mutter in die Sprechstunde kommen musste. Die Lehrerin bezeichnete mich als böses verstocktes Kind.

Ich grinste meine Bekannte an und erklärte , aber ich habe mich gerächt, heute erscheint in jeder Geschichte, in der eine böse Lehrerin vorkommt, diese unter ihrem Namen. 

Ich verwende oft Dinge die ich erlebt habe in meinen Geschichten und wenn ich Bücher lese und in verschiedenen Geschichten derselbe Name oder dieselbe Figur vorkommt, denke ich oft, die war der Schriftstellerin bestimmt persönlich bekannt.

Meine Bekannte aber meinte lachend; "Ich werde in Zukunft ein Buch mit ganz anderen Augen lesen,"

Mir ging es ja einige Tage nicht so besonders. Obwohl ich ein positver Mensch bin und selbt im dunkelsten Tunnel noch ein Glühwürmchen sehe, werde ich doch immer mal wieder vom Corona-Blues gestreift. Dann habe ich keine Lust zu schreiben und würde mich am liebsten in einer Ecke verkriechcn. 

Doch ich denke das geht vielen zur Zeit so und meine Freundin Irmi hat das passende Gedicht dazu geschrieben.

 


 Gedanken

 

Tag ein Tag aus und kein entkommen,

dürfen nichts machen, was wir so gerne wollen.

In der Stadt gefangen zu Untätigkeit verdammt,

langsam zweifelt der Verstand.

Zu den körperlichen Schmerzen, wird auch die Seele nicht verschont,

sie nur im Schlaf etwas nach Ruhe sucht!

Selbst die Träume sind negativ geprägt,

ständig noch einer an deiner Seele sägt.

Ein Wechsel aus Vernunft, geht mit Unzufriedenheit daher,

wie lange geht es noch, bitte sehr.

Des Alleinsein wirklich müde, ohne baldige Besserung in Sicht, 

keiner der mit dir ab und zu spricht. 

 Darf ich eigentlich klagen, wenn es vielen noch schlechter geht in 

dieser Zeit,

das Verständnis mindert etwas das eigene Leid.

Wünsche allen und mir, ein wenig Freude und wieder mehr 

Zufriedenheit, aber eigentlich bin ich dieses Leben leid.

.

(c) Irmgard Brüggemann  2022




 

Mittwoch, 27. November 2024

Bernie und die Ballerina finden ein neues Zuhause

 27.11.2024
 
Bin heute etwas später, aber ich hatte noch Ergotherapie
 
 

 
Wie versprochen die Fortsetzung. Viel Spaß beim Lesen! 
Denkt daran das wahre Glück ist andere glücklich zu machen. Geht nicht nur achtsam mit der Natur um sondern auch mit euren Mitmenschen.





Bernie und die Ballerina finden ein neues Zuhause


Marietta Mestwert verlässt mit gesenktem Kopf die Pfandleihe, denn niemand soll ihre Tränen sehen.
Fast ein ganzes Leben lang hat die kleine Ballerina mit ihr zusammen verbracht und wenn sie traurig war für sie getanzt, nach der wundervollen Musik von Mozart.
Und nun war sie durch die Not gezwungen sich von ihr zu trennen, für immer, denn niemals würde sie in ihrer derzeitigen Situation das Geld aufbringen sie wieder zurückzuholen.
Beinahe wäre sie mit einem kleinen Jungen zusammengestoßen.
Thomas was machst denn du hier so weit von zu Hause weg?“
Der achtjährige Thomas Eichhorn, der im selben Haus wie Marietta wohnt, scharrt verlegen mit den Füßen, dann platzt er mit der Frage heraus:
Sie waren doch gerade bei Herrn Pfefferkorn!“
Marietta wird eine wenig rot, doch sie will den Jungen nicht anlügen, deshalb nickt sie.
Haben sie, haben sie,“ fragt er stockend, „ vielleicht einen dicken großen Teddy mit einer blauen Latzhose gesehen?“
Die alte Dame runzelt die Stirn.
Sie war so traurig gewesen, dass sie kaum auf ihre Umgebung geachtet hatte, doch dann erinnert sie sich aus den Augenwinkel einen Teddy und auch etwas blaues wahrgenommen hatte.
Ich glaube ich habe so etwas auf dem Regal gesehen.“
Tommys Augen leuchten auf.
Welch ein Glück, das ist nämlich mein Bernie, mein Papa hat ihn mir geschenkt, kurz bevor er gestorben ist.“
 
 

 
Er schluckt.
Und Herr Pfefferkorn hat mir versprochen ihn zu behalten, bis ich ihn wieder holen kann. Aber es ist doch schon so viel Zeit vergangen, denn ich bekomme das Geld nicht zusammen. 
Habe doch kein Taschengeld. Einmal habe ich mich auf die Straße gestellt und mit der Mundharmonika Musik gemacht und ein Tuch auf den Boden gelegt, aber niemand hat etwas gegeben. 
Und dann ist ein Mann aus einem Geschäft gekommen und hat gesagt ' ich soll verschwinden, sonst holt er die Polizei'. Da bin ich ganz schnell weg gelaufen.“
Warum hast du denn deinen Bären zu Herrn Pfefferkorn gebracht?“
Ich wollte doch Mama zu Weihnachten ein Geschenk machen, weil sie immer so traurig ist und soviel arbeiten muss. Und sie isst doch so gerne Pralinen und ich habe auch eine ganz große Schachtel für das Geld bekommen. Mama hat geweint, sie sagte vor Freude.“
Gerührt streicht Marietta dem Jungen über den Kopf.
Sie kannte die traurige Geschichte. Tommys Vater war ein charmanter, leichtsinniger junger Mann gewesen, der es auch nicht so genau mit der Treue nahm. Vor zwei Jahren war er tödlich verunglückt, als er mit seiner neuesten Freundin einen Wochenendausflug nach Italien machte und ließ seine Frau mit einem Haufen Schulden zurück.
Else Eichhorn musste nun die Schulden von ihrem kleinen Gehalt als Verkäuferin abzahlen und ging auch noch nebenbei putzen, sodass Tommy oft sehr allein war.
Ein Windstoß lässt sie frösteln und auch der Junge hat schon ganz rote Ohren.
Frau Mestwert nimmt Tommy bei der Hand.
Komm wir wollen nach Hause gehen. Ich habe noch eine Hühnersuppe von heute Mittag, die wird uns aufwärmen.“
Das strahlende Lächeln des Jungen berührt ihr Herz.
Als sie die Wohnung betreten sitzt ihr Mann noch genauso dick vermummt in seinem Lehnsessel, wie sie ihn verlassen hat.
Endlich, kommst du, du warst solange weg,“ quengelt er, dann sieht er den Jungen.
Wen haben wir denn da?“
Tommy tritt zu dem alten Mann und reicht ihm die Hand.
Guten Tag Herr Mestwert, ich bin Thomas Eichorn und wohne mit meiner Mama einen Stock über ihnen. Meine Mama sagt immer Tommy zu mir, wenn sie wollen dürfen sie das auch,“ meint er zutraulich.
Hermann Mestwert lächelt.
Dann danke ich dir für die Ehre und werde dich Tommy nennen.“
Später sitzen sie dann alle am Tisch und verspeisen mit Genuss die einfache aber warme Suppe und Marietta bemerkt mit Freude wie lebhaft ihr Mann an den Gesprächen teilnimmt und bereitwillig die vielen Fragen des Jungen beantwortet.
Am meisten freut er sich, dass der Junge sich für Technik interessiert und als dieser erfährt, dass Herr Mestwert einst eine Maschinenbaufabrik besaß und Ingenieur von Beruf war, da verkündet er freudig, dass er auch Ingenieur werden wolle.
Später sitzen sie beiden auf dem Sofa und blättern in einem dicken Buch über Technik, während Marietta mit einem versonnenem Lächeln die Küche sauber machte.
So lebhaft hat sie ihren Mann seit dem Konkurs seiner Firma nicht mehr erlebt.
Doch dann wird Herbert, der noch geschwächt ist, müde.
Auf einen fragenden Blick seiner Frau erklärt er, dass er schon allein zurecht käme, sie soll sich nur um den Jungen kümmern.

Tommy, ich denke auch du musst ins Bett, morgen ist Schule,“ meint nun auch Marietta.
Das strahlende Gesicht des Buben wird traurig, denn ihm graut vor der leeren Wohnung.
Doch da sagt Tante Marietta, wie er sie nennen durfte:
Ich werde dich zu Bett bringen und bei dir bleiben, bis deine Mama nach Hause kommt.“
Prima!“ jubelt der Junge und umarmt die alte Frau, die ihn gerührt an sich drückt.
Wie wäre es, wenn wir den Rest der Suppe für deine Mama mit nach oben nehmen würden. Sie freut sich sicher, wenn sie etwa Warmes zum Essen bekommt.“
Darf ich den Topf tragen?“ fragt Tommy eifrig.
Bald liegt der Junge dann im Bett und nachdem ihm Marietta noch eine Gute Nacht Geschichte erzählt und einen Kuss gegeben hat, kuschelt sich der glückliche kleine Kerl in die Kissen und ist bald eingeschlafen.
Es ist fast zweiundzwanzig Uhr, als Else Eichhorn nach Hause kommt. Erschrocken sieht sie ihre Nachbarin, die sie vom sehen nur kennt, an.
Ist etwas mit Tommy passiert?“
Nein keine Bange, setzen sie sich, ich mache ihnen schnell die Suppe warm.“
Sie freut sich wie sehr es der jungen Frau schmeckt.
Danke, noch niemals hat sich jemand so lieb um mich gekümmert,“ Else schiebt ihren Teller zurück und sieht ihr Gegenüber dankbar an.
Haben sie denn keine Eltern?“
Nein, ich habe sie kaum gekannt. Ich bin im Waisenhaus groß geworden. Es ging mir nicht schlecht dort. Wir hatten Kleidung und zu Essen, auch erhielten wir eine gute Schulbildung. Nur es gab eben niemanden der mich so richtig lieb hatte. Ich machte dann eine Lehre als Verkäuferin und wurde von dem Supermarkt übernommen. Dort lernte ich dann Heinz kennen.
Er war LKW-Fahrer und brachte die Waren. 
Ach er war so charmant und immer fröhlich und er brachte mich zum Lachen und ich verliebte mich unsterblich in ihn. 
Dann wurde ich schwanger und wir heirateten. 
Doch dann stellte sich heraus wie verschieden wir doch waren. 
Ich bin zu größter Sparsamkeit erzogen worden und Heinz war eben ein Bruder Leichtfuß.
Das Geld zerrann ihm nur so zwischen den Fingern und immer öfter gab es Streit. Dann nahm er noch einen Kredit auf, um ein teures Auto zu kaufen. Eine Woche später ist er dann verunglückt und nun sitze ich hier mit einem Berg Schulden.“
Plötzlich überkommt sie die Verzweiflung. Ein heftiges Schluchzen schüttelt den zierlichen Körper.
Marietta lässt sie weinen, denn sie weiß; Tränen reinigen die Seele.
Endlich hebt die junge Frau den Kopf und lächelt kläglich.
Entschuldigen sie, nun jammere und heule ich ihnen etwas vor.“
Es ist gut, dass alles mal raus kommt, viel zulange hast du alles mit dir allein herum getragen. Ich darf doch du sagen?“
Else nickt.
Gut, ich bin Marietta!“
Später vertraut Else ihrer neuen Freundin an, dass sie ein schlechtes Gewissen hat, weil sie Tommy soviel allein lassen muss und außerdem befürchtet sie, dass das Jugendamt sich vielleicht einschalten könnte.
Ich habe eine Idee,“ verkündet Marietta, „ Tommy könnte doch nach der Schule zu uns kommen, ich bringe ihn dann abends ins Bett und bleibe bei ihm, bis du nach Hause kommst.“
Else umarmt die alte Dame mit Tränen in den Augen.
Und als sie am nächsten Morgen Tommy davon erzählt, stößt dieser ein Indianergeheul aus.

Und nun beginnt für alle ein schönes Leben. 
Tommy kommt freudestrahlend aus der Schule direkt zu ihnen und nach dem Mittagessen macht er mit Onkel Hermann seine Hausaufgaben.
Marietta aber sitzt ganz still neben den beiden und nur das Klappern der Stricknadeln ist zu hören. Sie hat einen Pullover von sich aufgetrennt, um aus der Wolle etwas für Tommy zu stricken.
Immer wieder schweift ihr Blick zu ihrem Mann, der ebenso eifrig wie der Junge über die Bücher gebeugt ist.
Der Umgang mit dem Jungen hat ihrem Mann seine Lebensfreude wieder zurückgebracht. Überraschend schnell ist er wieder gesund geworden und auch seine Haltung ist wieder straffer geworden. Als wäre Tommy ein Jungbrunnen.
Eines Tages überrascht er sie, dass er den Jungen von der Schule abholen würde. Seit sie hier wohnten hatte er nicht mehr die Wohnung verlassen.
Und Tommy freut sich, als er Onkel Hermann vor der Schule stehen sieht. Da macht es ihm auch nichts aus, dass Robin ihn mal wieder geärgert hat.
Auch Else sieht nicht mehr so verhärmt und traurig aus. Sie blüht richtig auf, wie eine verwelkte Blume, die endlich Wasser und Sonne bekommen hat.
Und so wachsen die vier ungleichen Menschen zu einer Gemeinschaft zusammen, die sich von der Armut nicht in die Knie zwingen lassen.
 
(c) Roswitha B.

Und dann kommt das Glück.
Als hätte Fortuna, die ja sehr launisch ist, Gefallen an ihnen gefunden.
An einem Vormittag klingelt es und als Marietta öffnet steht ein älterer sehr gepflegter Herr vor der Tür.
Er stellt sich als Notar Friedrich Haller vor und möchte ihren Mann sprechen.
Marietta führt ihn in die Küche.
Nachdem er freundlich dankend Platz genommen hat, holt der Besucher aus seiner Aktentasche einige Papier heraus und sieht dann lächelnd in die erwartungsvollen Gesichter des Ehepaares.
Ist ihnen der Name Frederic van Geldern ein Begriff?“
In Herberts Augen blitzt es überrascht auf.
Freddy? Er war mein Jugendfreund, ein wenig leichtsinnig und vor dreißig Jahren geriet er dann auch in Schwierigkeiten und musste das Land verlassen.“
Ja und sie haben damals seine Schulden bezahlt, gaben ihm das Reisegeld und noch eine größere Summe für einen Neuanfang.“
Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört,“ bedauert Herbert.
Herr von Geldern wollte mit der Vergangenheit gänzlich abschließen. Er hat es in Kanada zu Wohlstand gebracht, hat dort geheiratet und drei Kinder. Kürzlich nun ist er verstorben und hat sie in ihrem Testament bedacht.
Er hat nie vergessen, was sie damals für ihn getan haben und hat ihnen die Summe, die sie bezahlten plus Zinsen der vergangenen Jahre hinterlassen.“
Als der Notar dann die sechsstellige Summe nennt stockt ihnen der Atem und sie können es gar nicht fassen.
Noch lange nachdem Dr. Haller sie verlassen hat sitzen sie stumm da und starren auf den Scheck, der vor ihnen auf dem Tisch liegt. Dann aber fallen sie sich weinend und lachend in die Arme.
Und sie schmieden Pläne. Als erstes wollten sie hier ausziehen und ein Häuschen mit Garten kaufen, in dem sie gemütlich ihren Lebensabend verbringen können.
Doch dann wird Herbert traurig. „Dann sehen wir ja Tommy nicht mehr?“
Marietta lächelt.
Wir nehmen die beiden einfach mit. Else kann uns den Haushalt führen und wir geben ihr ein gutes Gehalt, dass sie ihre Schulden abzahlen kann.
Und für Tommy legen wir ein Sparbuch an, dass er später studieren kann.
Schließlich sind die beiden doch unsere einzige Familie.“
Herbert gibt seiner Frau einen Kuss.
Schatz du hast die besten Ideen.“
Dann lächelt er verschwörerisch.
Wir wollen aber noch nichts sagen, erst wenn wir das passende Haus gefunden haben. Komm zieh dich an, wir wollen den Scheck auf die Bank bringen, schauen gleich bei einem Makler vorbei und dann holen wir Tommy gemeinsam von der Schule ab.
Einige Wochen später haben sie das passende Haus gefunden. 
Eine alte Villa inmitten eines parkähnlichen Gartens, teilweise bereits möbliert.
Im Erdgeschoss eine große gemütliche Wohnküche, ein Salon, eine Bibliothek und ein Schlafzimmer.
Im oberen Stock sind vier Zimmer und ein Bad.
Sie beauftragen einen Innenarchitekten der die Zimmer nach ihren Wünschen einrichten soll.
Tommy bekommt ein tolles Jugendzimmer und ein Schlafzimmer und für Else wird ein gemütliches Wohnzimmer und Schlafzimmer bestellt.
Ende November ist das Haus bezugsfertig.
Es ist Sonntag und die vier sitzen gemütlich beim Frühstück, als es klingelt.
Else öffnet die Tür und führt einen Taxifahrer herein.
Gut, dass sie schon da sind, wir kommen sofort, nehmen sie bitte die Tasche mit.“ 
Herbert drückt dem Mann eine große Reisetasche in die Hand und gleichzeitig einen Geldschein, der diesen strahlen lässt.
Er tippt sich an die Mütze und poltert die Treppe hinunter.
Herbert reibt sich vergnügt die Hände.
Holt eure Mäntel wir machen einen Ausflug!“

Wenig später sitzen sie alle vier im Taxi und erreichen kurze Zeit später die Villa.
Sie öffnen das schmiedeeiserne Tor und als sie durch den weitläufigen Park zum Haus gehen, sieht Tommy sich staunend um.
Wer wohnt denn hier?“ fragt er ehrfürchtig.
Herbert lächelt nur, holt einen Schlüssel aus der Tasche und öffnet das schwere Portal.
Wie staunen Else und Tommy als sie die große Halle sehen und dann werden sie von Zimmer zu Zimmer geführt.
Im Wohnzimmer aber steht ein kleiner Biedermeiertisch und auf einem weißes Deckchen steht eine wunderschöne Spieluhr. 
Wenn man genau hinsieht, kann man das glücklich strahlende Lächeln der kleinen Ballerina erkennen. 
Sie ist wieder zuhause.
Aber wer wohnt denn hier,“ will Tommy wissen.
Wir, es ist unser Haus,“ erklärt Herbert.
Große Tränen rollen über die Wangen des Jungen.
Aber, aber, dann sind Mama und ich ja ganz allein,“ schluchzt er und auch Else sieht traurig aus.
Marietta lacht vergnügt.
Aber nicht doch ihr kommt mit uns. Komm wir zeigen euch eure Zimmer.“
Sie gehen die breite Treppe nach oben und Else staunt als sie ihre liebevoll eingerichteten Zimmer sieht.
In ihrem kleinen Wohnzimmer steht eine große Schale mit den feinsten Pralinen.
Marietta aber nimmt den Jungen zur Seite und flüstert.
Da hinten sind deine beiden Zimmer, dort wartet jemand auf dich.“
Darf ich?“ Marietta nickt und Tommy saust los, gleich darauf hört man ihn jubeln.
Er kommt zurück einen dicken kuscheligen Bären mit blauer Latzhose auf dem Arm.
Du hast ihn geholt!“
Die alte Dame lächelt. „Er wohnt jetzt auch bei uns.“
Später sitzen sie dann alle in der gemütlichen Küche und nun geht es ans erzählen.
Else wischt sich immer wieder über die Augen.
Das ist wie Weihnachten im November.“
Und sie bleiben gleich über Nacht, denn in der großen Reisetasche hat Marietta für alle Nachtzeug eingepackt und der Kühlschrank ist auch gefüllt.
Am nächsten Tag wird sie das Taxi wieder abholen, denn es gibt noch einiges zu regeln. Aber bald würden sie für immer hier bleiben.
Else kündigt und da sie noch Urlaub hat muss sie nur noch eine Woche arbeiten.
Marietta aber geht mit Else und Tommy zum Einkaufen und kleidet sie vollkommen neu ein. Als Else protestieren will, meint sie nur: „Ihr seid jetzt unsere Familie.“
Und am nächsten Wochenende wohnen sie dann bereits alle sechs in der Villa.
Abends aber wenn alle schlafen, schlüpft Bernie aus dem Bett von Tommy und schleicht hinunter zu der kleinen Ballerina und sie unterhalten sich die ganze Nacht.

© Lore Platz  6.10.2022