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(c) Elli M. |
Gibt
es Vampire?
Die
alte Villa, die stolz auf der Anhöhe am Rande des Dorfes auf die
kleinen Häuser herab blickt, ist verkauft
worden und am Mittwoch spät in der Nacht sind die neuen Besitzer
eingezogen.
Bisher
hatte sie noch niemand zu Gesicht bekommen. Man wusste nur, dass ein
reicher Industrieller mit Frau und Kind dort eingezogen war.
Giuseppe,
der täglich die Lebensmittel in die Villa lieferte hatte von der
Herrschaft bisher noch niemanden gesehen.
Die
alte Köchin Rosalie nahm ihm immer die Tüten ab und bezahlte ihn
auch und ja einmal ist ein riesengroßer schwarzer Rabe auf ihn zu
gewatschelt und hat ihn ganz komisch angesehen, richtig unheimlich
war das.
Für
Antonio, den zwölfjährigen Sohn des Schmieds war somit alles klar.
Die
neuen Bewohner der Villa mieden das Sonnenlicht, hatten einen
schwarzen Raben, das konnten nur Vampire sein.
Antonia
machte sich große Sorgen, besonders als seine Schwester sich am
Abend zum Ausgehen hübsch machte.
„Mercedes,
du darfst nicht weggehen, es ist zu gefährlich!“
flehte
er.
Mercedes
warf ihm einen erstaunten Blick zu:
„Ich
habe eine Verabredung mit
Claudio, wir wollen in die Disco, was soll daran gefährlich sein?“
„Wegen
den Vampiren aus der Villa oben, die streifen nachts durch die Gegend
und saugen dir das Blut aus.“
Seine
Schwester starrte ihn an.
„Du
spinnst wohl! Das kommt nur von den blöden Horrorfilmen, die du dir
ständig rein ziehst!“
Sie
wühlte
in ihrer Handtasche. „Verflixt, wo ist denn mein Handy!“, und
verließ die Küche.
Diesen
Moment nutzte
Antonio und steckte
blitzschnell eine
Knoblauchknolle in
die kleine Umhängetasche.
Nun
war seine Schwester geschützt!
Mitten
in der Nacht stürzte
diese
in sein Zimmer und warf
ihm den Knoblauch an den Kopf.
„Du
hast sie wohl nicht mehr alle, weißt du welch eine Blamage das für
mich war, als das eklige
Ding aus meiner Tasche kullerte.“
Wütend
verließ
sie das Zimmer.
Antonio
aber grinste
zufrieden. Mercedes war nichts passiert, denn wäre sie gebissen
worden, dann würde sie bleich und apathisch durch die Gegend wandeln
und nicht wie eine Furie in sein Zimmer stürzen.
Am
nächsten Morgen nach dem Kirchgang beschloss Antonio sich die Villa
mal aus der Nähe anzuschauen.
Aber
irgendwie
musste er
sich schützen.
Leise
schlich er in das Zimmer seiner Großmutter, die in ihrem Lehnstuhl
saß.
Auf
ihrem Schoß lag die aufgeschlagene Bibel, ihr Kinn war auf die Brust
gesunken und leise Schnarchtöne zeigten, dass sie schlief.
Auf
Zehenspitzen schlich sich Antonio zur Kommode und nahm das kleine
silberne Kreuz und steckt es tief in seine Hosentasche, damit er es
nicht verlieren konnte.
In
der Speisekammer holte er einen ganzen Ring mit Knoblauchknollen und
hängte ihn
sich um den Hals.
Nun
konnte kein Vampir ihm etwas anhaben.
Wie
immer waren die Vorhänge in der Villa geschlossen.
Und
Antonio wusste auch warum,
kannte es dies doch von seinen Filmen.
Vampire
wurden nämlich zu einem Häufchen Asche, wenn das Sonnenlicht sie
traf.
Sicher
schliefen sie jetzt in ihren Särgen und erst wenn die Sonne
unterging würden sie die Gegend durchstreifen, um
ihre
Beute zu suchen.
Oja
Antonio kannte sich aus.
Er
entdeckte ein kleines Fenster, das nicht durch einen Vorhang
verschlossen war und stellte sich auf die Zehenspitzen, um in das
Haus zu sehen.
Plötzlich
tauchte ein großer schwarzer Rabe auf und klopfte mit dem Schnabel
gegen die Scheibe, dabei musterte er Antonio finster aus seinen
runden kleinen schwarzen Augen.
Erschrocken
trat der Junge einen Schritt zurück und
zuckte
zusammen,
als sich zwei schwere Hände auf seine Schultern legten.
Als
er sich umblickte, sah er einen großen finster blickenden Mann, der
ganz in schwarz gekleidet war.
Geistesgegenwärtig
holte Antonio das Kruzifix aus der Hosentasche und hielt es dem Mann
unter die Nase, gleichzeitig umklammert er den Kranz mit
Knoblauchknollen.
Unbeeindruckt
aber schob der Mann den widerstrebenden Jungen in die Villa, durch
eine große Halle in einen gemütlichen Salon und dort schubste er
ihn auf ein Sofa.
Eine
hübsche Frau saß auf einem gemütlichen Sessel und ließ nun das
Buch sinken, aus dem sie gerade vorgelesen
hatte.
Ein
blasser Junge lag auf einer Liege und schaute nun auch ganz erstaunt
auf den Besucher, der mit schreckgeweitetem Gesicht auf dem Sofa
gegenüber kauerte und ihnen ein kleines Kreuz entgegen hielt und um
den Hals ein Kette aus Knoblauch trug.
Ein
gut gekleideter Mann betrat den Salon.
„Meine
Lieben, mir ist es endlich gelungen einen Handwerker aufzutreiben,
morgen...“
Er
erblickte das Häufchen Elend auf der Couch und begann fröhlich zu
lachen.
„Wisst
ihr, wofür uns unser Gast hält? Für Vampire!“
Nun
begann auch die Frau zu lachen und auch der Junge kicherte.
Der
Butler, ganz seiner Würde bewusst stand stocksteif da und verzog
keine Miene.
Doch
wer genauer hinsah, der konnte ein leichtes Zucken um die Mundwinkel
wahrnehmen.
Antonio
aber saß mit hochrotem Kopf da und wusste nicht, was er von dem
ganzen halten sollte.
Der
Mann hatte sich inzwischen beruhigt, zog mit einem Schwung die
Vorhänge zurück und stellte sich mitten ins gleißende Sonnenlicht.
„Wenn
man den alten Sagen glauben darf, müsste ich jetzt nur noch ein
Häufchen Asche sein!“
„Madame,
ich werde Tee und Kakao bringen,“ presste der Butler hervor und
wandte sich schnell um, denn mit seiner Beherrschung war es nun
vorbei, was man an dem Zucken seiner Schultern erkennen konnte.
Herrn
Brentano schloss den Vorhang wieder und meinte freundlich.
„Für
alles gibt es eine einfache Erklärung.
Die Klimaanlage ist kaputt,
aber ich habe heute einen Handwerker erreicht, der dies morgen in
Ordnung bringt.
Da
unser Sohn gerade von einer schweren Krankheit sich erholt, konnte
wir noch keine Besuche machen.
Ach
ja und der schwarze Rabe, gehört unserem Butler Patrick.
Er
hat ihn vor einigen Jahre schwer verletzt gefunden und da ihm ein
halber Flügel fehlt, haben wir ihn behalten.
Du
siehst man soll nicht immer das Schlimmste annehmen, oft gibt es auch
ganz einfache Erklärung für die Dinge.“
Antonio
wusste nicht mehr wohin er blicken sollte.
Er
schämte sich fürchterlich.
Langsam
verstaute er das Kreuz seiner Großmutter in der Hosentasche und
legte den Knoblauch neben sich auf das
Sofa.
„Du
musst dich nicht schämen,“ tröstete ihn Frau Brentano, „ weißt
du, ich habe Philippo seit seiner Krankheit nicht mehr so lachen
gesehen und das verdanken wir dir.“
Der
kranke Junge aber strahlte Antonio an.
„Wollen
wir Freunde werden?“
Begeistert
nickt dieser.
Patrick
schob einen Teewagen herein, auf dem allerlei Köstlichkeiten waren.
Nachdem
der Butler den Tee und Kakao eingeschenkt und eine große Platte mit
kleinen leckeren Kuchen auf der Mitte des Tisches platziert hatte,
griff er mit spitzen Fingern den Kranz Knoblauch und meint etwas
pikiert.
„Das
gehört wohl besser in die Küche!“
Antonio
aber hat alle Scheu verloren und mit vollen Backen erzählt er ihnen
von der Knoblauchzehe in der Tasche seiner Schwester und man hatte in
der Villa noch nie soviel fröhliches Lachen gehört.
Als
der kleine Philippo aber müde wurde verabschiedet sich Antonio.
Doch
er musste versprechen am nächsten Tag nach der Schule
wiederzukommen.
Und
nun wurde er in der Villa, die ihm erst soviel Angst eingeflößt
hatte, ständiger Gast.
Zwischen
den beiden Jungen aber entwickelte sich eine lebenslange
Freundschaft.
Und
als sie viele viele Jahre später beisammen saßen, konnten sie immer
noch über die Vampir-Geschichte lachen.
©
Lore Platz