(c) Irmi Brüggemann |
Halloween
Die Kelten glaubten fest daran, dass die Seelen der Verstorbenen in der Nacht vom 31. Oktober als Geister auf die Erde zurückkommen, um in ihre Häuser zurückzukehren.
Gibt es Vampire?
Die alte Villa, die stolz auf der Anhöhe am Rande des Dorfes auf die kleinen Häuser herab blickt, ist verkauft worden und am Mittwoch spät in der Nacht sind die neuen Besitzer eingezogen.
Bisher hatte sie noch niemand zu Gesicht bekommen. Man wusste nur, dass ein reicher Industrieller mit Frau und Kind dort eingezogen war.
Giuseppe, der täglich die Lebensmittel in die Villa lieferte hatte von der Herrschaft bisher noch niemanden gesehen.
Die alte Köchin Rosalie nahm ihm immer die Tüten ab und bezahlte ihn auch und ja einmal ist ein riesengroßer schwarzer Rabe auf ihn zu gewatschelt und hat ihn ganz komisch angesehen, richtig unheimlich war das.
Für Antonio, den zwölfjährigen Sohn des Schmieds war somit alles klar.
Die neuen Bewohner der Villa mieden das Sonnenlicht, hatten einen schwarzen Raben, das konnten nur Vampire sein.
Antonia machte sich große Sorgen, besonders als seine Schwester sich am Abend zum Ausgehen hübsch machte.
„Mercedes, du darfst nicht weggehen, es ist zu gefährlich!“
flehte er.
Mercedes warf ihm einen erstaunten Blick zu:
„Ich habe eine Verabredung mit Claudio, wir wollen in die Disco, was soll daran gefährlich sein?“
„Wegen den Vampiren aus der Villa oben, die streifen nachts durch die Gegend und saugen dir das Blut aus.“
Seine Schwester starrte ihn an.
„Du spinnst wohl! Das kommt nur von den blöden Horrorfilmen, die du dir ständig rein ziehst!“
Sie wühlte in ihrer Handtasche. „Verflixt, wo ist denn mein Handy!“, und verließ die Küche.
Diesen Moment nutzte Antonio und steckte blitzschnell eineDiesen Moment nutzte Antonio und steckte blitzschnell eine Knoblauchknolle in die kleine Umhängetasche.
Nun war seine Schwester geschützt!
Mitten in der Nacht stürzte diese in sein Zimmer und warf ihm den Knoblauch an den Kopf.
„Du hast sie wohl nicht mehr alle, weißt du welch eine Blamage das für mich war, als das eklige Ding aus meiner Tasche kullerte.“
Wütend verließ sie das Zimmer.
Antonio aber grinste zufrieden. Mercedes war nichts passiert, denn wäre sie gebissen worden, dann würde sie bleich und apathisch durch die Gegend wandeln und nicht wie eine Furie in sein Zimmer stürzen.
Am nächsten Morgen nach dem Kirchgang beschloss Antonio sich die Villa mal aus der Nähe anzuschauen.
Aber irgendwie musste er sich schützen.
Leise schlich er in das Zimmer seiner Großmutter, die in ihrem Lehnstuhl saß.
Auf ihrem Schoß lag die aufgeschlagene Bibel, ihr Kinn war auf die Brust gesunken und leise Schnarchtöne zeigten, dass sie schlief.
Auf Zehenspitzen schlich sich Antonio zur Kommode und nahm das kleine silberne Kreuz und steckt es tief in seine Hosentasche, damit er es nicht verlieren konnte.
In der Speisekammer holte er einen ganzen Ring mit Knoblauchknollen und hängte ihn sich um den Hals.
Nun konnte kein Vampir ihm etwas anhaben.
Wie immer waren die Vorhänge in der Villa geschlossen.
Und Antonio wusste auch warum, kannte es dies doch von seinen Filmen.
Vampire wurden nämlich zu einem Häufchen Asche, wenn das Sonnenlicht sie traf.
Sicher schliefen sie jetzt in ihren Särgen und erst wenn die Sonne unterging würden sie die Gegend durchstreifen, um ihre Beute zu suchen.
Oja Antonio kannte sich aus.
Er entdeckte ein kleines Fenster, das nicht durch einen Vorhang verschlossen war und stellte sich auf die Zehenspitzen, um in das Haus zu sehen.
Plötzlich tauchte ein großer schwarzer Rabe auf und klopfte mit dem Schnabel gegen die Scheibe, dabei musterte er Antonio finster aus seinen runden kleinen schwarzen Augen.
Erschrocken trat der Junge einen Schritt zurück und zuckte zusammen, als sich zwei schwere Hände auf seine Schultern legten.
Als er sich umblickte, sah er einen großen finster blickenden Mann, der ganz in schwarz gekleidet war.
Geistesgegenwärtig holte Antonio das Kruzifix aus der Hosentasche und hielt es dem Mann unter die Nase, gleichzeitig umklammert er den Kranz mit Knoblauchknollen.
Unbeeindruckt aber schob der Mann den widerstrebenden Jungen in die Villa, durch eine große Halle in einen gemütlichen Salon und dort schubste er ihn auf ein Sofa.
Eine hübsche Frau saß auf einem gemütlichen Sessel und ließ nun das Buch sinken, aus dem sie gerade vorgelesen hatte.
Ein blasser Junge lag auf einer Liege und schaute nun auch ganz erstaunt auf den Besucher, der mit schreckgeweitetem Gesicht auf dem Sofa gegenüber kauerte und ihnen ein kleines Kreuz entgegen hielt und um den Hals ein Kette aus Knoblauch trug.
Ein gut gekleideter Mann betrat den Salon.
„Meine Lieben, mir ist es endlich gelungen einen Handwerker aufzutreiben, morgen...“
Er erblickte das Häufchen Elend auf der Couch und begann fröhlich zu lachen.
„Wisst ihr, wofür uns unser Gast hält? Für Vampire!“
Nun begann auch die Frau zu lachen und auch der Junge kicherte.
Der Butler, ganz seiner Würde bewusst stand stocksteif da und verzog keine Miene.
Doch wer genauer hinsah, der konnte ein leichtes Zucken um die Mundwinkel wahrnehmen.
Antonio aber saß mit hochrotem Kopf da und wusste nicht, was er von dem ganzen halten sollte.
Der Mann hatte sich inzwischen beruhigt, zog mit einem Schwung die Vorhänge zurück und stellte sich mitten ins gleißende Sonnenlicht.
„Wenn man den alten Sagen glauben darf, müsste ich jetzt nur noch ein Häufchen Asche sein!“
„Madame, ich werde Tee und Kakao bringen,“ presste der Butler hervor und wandte sich schnell um, denn mit seiner Beherrschung war es nun vorbei, was man an dem Zucken seiner Schultern erkennen konnte.
Herrn Brentano schloss den Vorhang wieder und meinte freundlich.
„Für alles gibt es eine einfache Erklärung. Die Klimaanlage ist kaputt, aber ich habe heute einen Handwerker erreicht, der dies morgen in Ordnung bringt.
Da unser Sohn gerade von einer schweren Krankheit sich erholt, konnte wir noch keine Besuche machen.
Ach ja und der schwarze Rabe, gehört unserem Butler Patrick.
Er hat ihn vor einigen Jahre schwer verletzt gefunden und da ihm ein halber Flügel fehlt, haben wir ihn behalten.
Du siehst man soll nicht immer das Schlimmste annehmen, oft gibt es auch ganz einfache Erklärung für die Dinge.“
Antonio wusste nicht mehr wohin er blicken sollte.
Er schämte sich fürchterlich.
Langsam verstaute er das Kreuz seiner Großmutter in der Hosentasche und legte den Knoblauch neben sich auf das Sofa.
„Du musst dich nicht schämen,“ tröstete ihn Frau Brentano, „ weißt du, ich habe Philippo seit seiner Krankheit nicht mehr so lachen gesehen und das verdanken wir dir.“
Der kranke Junge aber strahlte Antonio an.
„Wollen wir Freunde werden?“
Begeistert nickt dieser.
Patrick schob einen Teewagen herein, auf dem allerlei Köstlichkeiten waren.
Nachdem der Butler den Tee und Kakao eingeschenkt und eine große Platte mit kleinen leckeren Kuchen auf der Mitte des Tisches platziert hatte, griff er mit spitzen Fingern den Kranz Knoblauch und meint etwas pikiert.
„Das gehört wohl besser in die Küche!“
Antonio aber hat alle Scheu verloren und mit vollen Backen erzählt er ihnen von der Knoblauchzehe in der Tasche seiner Schwester und man hatte in der Villa noch nie soviel fröhliches Lachen gehört.
Als der kleine Philippo aber müde wurde verabschiedet sich Antonio.
Doch er musste versprechen am nächsten Tag nach der Schule wiederzukommen.
Und nun wurde er in der Villa, die ihm erst soviel Angst eingeflößt hatte, ständiger Gast.
Zwischen den beiden Jungen aber entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft.
Und als sie viele viele Jahre später beisammen saßen, konnten sie immer noch über die Vampir-Geschichte lachen.
©
Lore Platz (2013)