Diesmal
war unter den mir zugeschickten fünf Reizwörtern das Wort
'Handschrift'.
Dazu
fielen mir gleich mehrere Geschichten ein, doch zuerst gab ich das
Wort im Internet ein und las erstaunliches.
2010
wurde das handschriftliche Tagebuch von Casanova (1725-1798) von der
Familie Brockhaus für viele Millionen Euro an die Nationalbibliothek
in Paris verkauft.
Im
Alter fand Casanova 1785 doch noch als Bibliothekar des Grafen
Waldstein auf Schloss Dux eine Bleibe.
Bis
zu seinem Tode am 4. Juni 1798 verfasste er hier seine Memoiren.
Die
Blätter, die niemand haben wollte, blieben im Besitz seiner Familie,
dann bot ein Neffe sie dem Verleger Arnold Brockhaus an, der sie
für ungefähr 200 Taler im Jahr 1821 erwarb.
Über
Generationen blieb die Urschrift bei der Verlegerfamilie, überstand
den englischen Bombenangriff auf Leipzig in einem Bunker, und als
Hans Brockhaus 1945 mit seiner Familie von Leipzig nach Wiesbaden
umsiedelte, nahm er die Handschrift mit.
Während
des zweiten Weltkrieges beförderte Hans Brockhaus mit dem Rad die
Schriften durch Leipzig und die Sekretärin musste neben her laufen
und die Kiste festhalten.
Über
140 Jahre hielt die Familie das Manuskript geheim.
Ein
Vermächtnis, von Friedrich Arnold Brockhaus soll
seinen Erben zur Pflicht gemacht habe, den Originaltext der
berühmt-berüchtigten „Histoire de ma vie“ erst dann zu
publizieren, wenn es dem Verlag Brockhaus einmal schlecht gehe.
Nun
hat es sich gelohnt, dass sie all die Jahre diesen Fund bewahrten und
schützten.
Dazu eine Geschichte
Der
Schatz des Piraten
Das
Meer hatte sich zurück gezogen und wartete nun in sicherer
Entfernung, dass es sich wieder nach vorne stürzen konnte, um den
Strand erneut zu überfluten.
Drei
Jungen gingen über das Watt und ihre Stiefel machten schmatzende
Geräusche bei jedem Schritt.
Ihre
Gesichter waren genauso bewölkt, wie der Himmel über ihnen.
Heute
Morgen hätten sie mit dem Fischer Alfred und dessen Sohn aufs Meer
hinaus fahren dürfen, um zu Fischen, doch sie hatten alle drei
verschlafen und so war der Kutter ohne sie los.
„Was
machen wir nun?“ Lars beobachtete eine Krabbe, die schwerfällig
über den Schlamm krabbelte.
Seine
Freunde schwiegen.
Jan
sah nachdenklich hinüber zu den Klippen.
„Es
gibt viele Höhlen in den Klippen und der
'Schwarze
Prinz' soll dort einen Schatz vergraben haben.“
Der
' Schwarze Prinz' war ein Pirat, der vor vielen hundert Jahren hier
gelebt hatte und wegen seiner feinen Manieren diesen Beinamen
erhielt.
„Du
weißt, dass es verboten ist in die Höhlen zu gehen, weil sie bei
Flut unter Wasser stehen,“ mahnte Flo der dritte Junge.
Jan
winkte ab.
„Bis
dahin sind wir längst wieder draußen. Du kannst ja hierbleiben,
wenn du zu feige bist.“
Das
wollte Flo nun auch nicht und so ging er hinter seinen Freunden in
den Eingang bei den Klippen.
Kalt
war es hier, eng, feucht und dunkel.
Jan
knipste seine Taschenlampe an und sie zwängten sich hintereinander
durch die schmalen Felsenwände, die in eine große Höhle führte.
Enttäuscht
sahen sie, dass die Höhle leer und auch keine Einbuchtung zu einem
Versteck führte.
Nun
drangen sie immer tiefer ein, erforschten Höhle für Höhle und
vergaßen völlig die Zeit.
Sie
überhörten auch, dass das Wasser gegen die Felsen brandete.
Erst
als es ihre Füße umspülte erschraken sie und begannen zu laufen.
„Wir
müssen nach oben!“ keuchte Jan und mühsam kletterten sie hinauf.
Flo
setzte sich erschöpft nieder, doch Jan schrie:
„Siehst
du denn nicht, dass hier die Felsen feucht sind, so hoch steigt die
Flut, du musst weiter!“
Zusammengekauert
saßen sie auf den Felsen und starrten hinunter auf das Wasser, das
mit voller Kraft in die Höhle stürzte und sie langsam füllte.
Erleichtert
atmeten sie auf, als einen Meter unter ihren Füßen das Wasser zum
Stillstand kam.
„Nun
sitzen wir für Stunden fest,“ seufzte Lars.
Doch
Jan, der niemals aufgab, sah sich um.
„Seht,
da oben ist eine kleine Einbuchtung, vielleicht finden wir einen
Ausgang.“
Sie
kletterten hinauf, zwängten sich hinein und krochen auf dem Bauch
weiter.
Der
Weg verbreitete sich und sie standen in einer kleinen Höhle.
„Das
ist bestimmt die Schatzhöhle!“ jubelte Jan, doch seine beiden
Freunde schüttelten nur den Kopf.
Ihnen
war die Lust nach Schätzen schon längst vergangen, sie wollten nur
noch hinaus.
„Da
vorne ist ein Lichtschein, vielleicht finden wir einen Ausgang?“
brummte Lars und stiefelte los.
Flo
lief ihm nach.
Sie
folgten dem Lichtstrahl und kamen durch mehrere kleinere Höhlen.
Dann
sahen sie durch ein schmales Loch ein Stück vom Himmel.
Lars
machte eine Räuberleiter und Flo kletterte hinauf.
„Es
geht! Draußen ist ein Vorsprung, da kann man gut stehen und dann
hinunter klettern!“ jubelte er und schon war er verschwunden.
„Ich
habe ihn gefunden, ich habe ihn gefunden, den Piratenschatz!“
Jan
stürzte keuchend in die Höhle.
„Wir
haben ihn auch gefunden, den Ausgang nämlich,“ brummte Lars, der
im Moment im Stimmbruch war.
Wenig
später standen alle drei erleichtert auf den Klippen und nach einem
beschwerlichen Abstieg hatten sie erst Zeit sich den Schatz
anzusehen.
Es
war eine verschlossene alte Blechkiste, die sich nicht öffnen ließ.
Doch
auch hier wusste Jan wieder was zu tun war.
Im
Gartenhäuschen seines Vaters lag allerlei Werkzeug.
Es
dauerte auch nicht lange, bis er das Schloss gesprengt hatte.
Langsam
hob er den Deckel und sechs Augenpaare warteten nun gespannt, was zum
Vorschein kam.
„Das
sind ja nur alte Papiere!“ rief Lars enttäuscht und auch Jan
machte ein betretenes Gesicht.
Nur
Flo beugte sich eifrig über die Papiere.
„Das
ist Latein, schade, meine Lateinkenntnisse sind noch nicht so gut,
dass ich es übersetzen kann.“
„Warum
willst du diesen Krempel noch übersetzen,“ knurrte Jan, der sehr
enttäuscht war.
„Oh,
Handschriften sind sehr wertvoll und diese stammt aus dem Jahre
1497!“
„Woher
willst du das wissen,“ brummte Lars
„Hier
steht es: ' Anno 20. Mai 1497', das war doch zu der Zeit, in der der
' Schwarze Pirat' gelebt hatte.
Und
vor kurzem habe ich gelesen, dass die Pariser Nationalbibliothek für
das Originalmanuskript von Casanova mehrere Millionen bezahlt hat.“
„Mehrere
Millionen,“ flüsterte Jan ehrfürchtig,“ denkst du diese Papiere
sind auch etwas wert?“
Flo
zuckte die Schultern.
„Am
besten wir fragen den Professor,“ schlug er vor.
Der
Professor war der Leiter des hiesigen Museums und wohnte gleich
daneben in einem kleinen Haus.
Frau
Zeisig, die Haushälterin öffnete auf ihr stürmisches Klingel die
Tür.
„Wir
müssen unbedingt den Herrn Professor sprechen, es ist sehr
dringend!“
Sie
runzelte die Stirn und ihr Blick wurde abweisend
„So
schmutzig kommt ihr mir nicht herein und außerdem ist der Herr
Professor verreist
und kommt vor Dienstag nicht zurück.
Enttäuscht
zogen die Jungen ab.
Die
Tage bis Dienstag wollten gar nicht vergehen.
Endlich
war es soweit.
Als
Frau Zeisig diesmal öffnete musste sie schmunzeln.
Drei
saubere Jungen standen geschniegelt und gestriegelt vor der Tür.
Sie
führte sie in das Arbeitszimmer des Museumsleiter.
Dieser
stand am Fenster und hielt eine seltsam geformte Vase gegen das
Licht.
Vorsichtig
stellte er sie wieder in den Karton und wandte sich lächelnd zu den
Jungen um.
„Ich
habe schon gehört, dass ihr mich dringend sprechen wollt, was gibt
es denn so Wichtiges?“
„Wir
haben in den Höhlen etwas gefunden!“ rief Jan und legte die
Blechkiste auf den Tisch.
Der
Professor beugte sich darüber und nahm eines der Blätter vorsichtig
heraus.
Sein
Blick wurde immer gespannter.
„Das
ist ja höchst interessant, da habt ihr einen wertvollen Fund
gemacht.“
„Kriegen
wir eine Belohnung?“ will Jan wissen.
„Nein!
So wertvoll ist es nicht.
Es
ist wertvoll für unsere Region, denn es ist das Tagebuch des '
Schwarzen Prinzen.“
Der
Professor hatte sich schon wieder in die Schriftstücke vertieft,
notierte etwas
auf einen Block und murmelte:
„Der
Pirat muss ein sehr gebildeter Mann gewesen sein, denn er schrieb es
in einem einwandfreien Latein.
Es
ging ja das Gerücht um, dass er ein verarmter Adeliger gewesen war.“
Frau
Zeisig kam herein.
„Da
müsst ihr etwas Tolles gebracht haben. Wenn der Herr Professor
diesen Gesichtsausdruck hat, dann ist er für Stunden nicht mehr zu
gebrauchen. Er vergisst sogar zu Essen und zu Trinken.
Ihr
habt aber doch sicher Hunger, kommt mit in die Küche. Ich habe
frisch gebackene Kekse und Kakao.“
Mit
einem letzten Blick auf den Professor folgen die Jungen der netten
Haushälterin.
Eine
Belohnung gab es zwar nicht, aber der Professor übersetzte das
Tagebuch und ließ es drucken und im Vorwort erwähnte er die drei
Jungen und erzählte, wie sie den Schatz des Piraten gefunden hatten.
Es
kam sogar ein Reporter von der Lokalzeitung und brachte ihre
Geschichte in die Zeitung.
Und
für kurze Zeit waren Jan, Lars und Flo berühmt.
©
Lore Platz 7.4. 21