Samstag, 31. August 2024

Die abenteuerliche Reise im Ballon - Fortsetzung 5




(c) LP

 

Vanessa und Hieronymus liegen erschöpft im Sand.

Ich glaube jetzt ist er total übergeschnappt!“ stöhnt Vanessa.
Und Hieronymus jammert :
Meine 187 000 Knochen tun mir weh!“
Du hast doch überhaupt keine Knochen,“ lacht das Mädchen.
Nun kommt, ihr wolltet doch ein Abenteuer, da vorne ist ein Dorf!“
Ungeduldig wendet Peter sich ab und marschiert auf die Häuser zu.
Das Dorf besteht aus mehren strohgedeckten Häusern.
Hunde liegen träge auf der Straße und heben nicht einmal den Kopf, als die Kinder kommen.
Plötzlich öffnet sich die Tür eines der Häuser und ein kleines Mädchen läuft auf sie zu.
Es hält eine Puppe hoch und jubelt:
Onimus! Onimus!“
Lachend stürzt es sich auf das Kasperle, das vor Schreck auf den Boden fällt und mit Händen und Füßen zappelt und dabei schreckliche Grimassen schneidet.
Die Kleine lacht hellauf.
Auf einmal werden sie umringt von den Kindern des Dorfes, die alle jauchzen und jubeln:
ieronimus, ieronimus!“
Selbst die Hunde haben ihr Plätze verlassenund umkreisen sie bellend.
Das Kasperle bekommt es mit der Angst zu tun und dicke Tränen kullern über seine Backen.
Die Kinder werden ganz still und einige beginnen ebenfalls zu weinen.
Was hier sein los?“
Ein dicker Mann bahnt sich einen Weg durch die Kinderschar.
Als er das Kasperle erblickt, strahlt er über das ganze Gesicht und verbeugt sich tief.
Welche Ehre Signore Hieronymus, welche Ehre.“
Hieronymus ist so überrascht, dass er sofort aufhört zu weinen.
Er springt auf, zieht seine Kasperlmütze und verbeugt sich ebenfalls.
Die Kinder jubeln.
Der Dicke hebt die Hand und donnert:
Ruhe!“
Dann wendet er sich an Peter und Vanessa.
Ihr Freunde sein von berühmten Burattinaio, ihr ihn wollen sicher besuchen.“
Die Kinder und das Kasperle sehen sich fragend an.
Keiner von ihnen kennt einen Burattinaio.
Der Mann, der sich inzwischen als Pepito, der Bürgermeister vorgestellt hat, legt Hieronymus kameradschaftlich den Arm um die Schulter.
Kommt mit, ich bringen euch zu eurem Freund.
Welche Freude er haben wird, er immer erzählen von dir.“
Neugierig, begleitet von der Kinderschar, folgen sie dem Bürgermeister.
Er führt sie zu einem hübschen strohgedeckten Häuschen.
Eine Schar Hühner ergreift die Flucht, als sie den Hof betreten.
Eine Katze, die auf der Fensterbank schläft, springt auf, macht einen Buckel, faucht und verschwindet im Haus, als sie die Hunde erblickt.
Aus dem Schuppen kommt ein Mann in italienischer Tracht.
Was ist denn hier los?“
Als Hieronymus die Stimme hört, jubelt er:
Fridolin!“
Und ihm nächsten Moment hängt er am Hals seines Freundes.
Dieser drückt ihn an sich und stammelt:
Hieronymus, Mensch Junge wo kommst du denn her?“
Beide haben Tränen in den Augen und auch Pepito wischt sich mit einem großen blauen Tuch über das Gesicht.
Manche Kinder schluchzen.
Alle sind gerührt.
Der Bürgermeister gibt den Kindern einen Wink und leise verlassen sie den Hof.
Nur Peter und Vanessa sind noch da.
Still setzen sie sich auf die Bank und warten.
Sie haben schon viel von Fridolin gehört, aber ihn noch nicht persönlich kennengelernt.
Endlich haben sich die beiden Freunde wieder beruhigt und nachdem Fridolin die Kinder begrüßt hat, bittet er sie alle ins Haus.
Gemütlich ist es drinnen.
Hübsche zierliche Gardinen schmücken die Fenster.
Eine große Eckbank mit einem riesigen Tisch davor füllt das halbe Zimmer aus.
Gegenüber liegen zwei Strohmatten auf deren Decke sich die Katze niedergelassen hat.
Eine halb offene Tür führt wohl in die Küche und von dort ruft eine Stimme:
Fridolin was war denn da draußen los?“
Eine junge Frau erscheint im Türrahmen und das Kasperle brüllt:
Angela!“ Und wirft sie bald um, als er sie stürmisch umarmt.
Als sie dann alle mit einem Glas eisgekühlter Limonade am Tisch sitzen, fragt Hieronymus.
Der Bürgermeister sprach immer von einem Burattinaio?“
Fridolin lacht.
Burattinaio bedeutet Puppenspieler.
Ich schnitze Puppen und wir ziehen über Land und spielen für Groß und Klein.
Meine Hauptfigur sieht dir zum Verwechseln ähnlich, deshalb haben dich die Kinder auch sofort erkannt.“
Das Kasperle grinst, dann aber fragt es nachdenklich, „aber warum seid ihr denn nicht mehr bei Direktor Quirin?“
Fridolin und Angela sehen sich traurig an und dann erzählen sie von dem schweren Sturm, der das Zirkuszelt verwüstet hat.
Der Direktor hat danach alles verkauft und das Geld unter ihnen aufgeteilt und seitdem haben sie nichts mehr von ihm gehört.
Was aus den anderen Artisten geworden ist, wissen sie auch nicht.
Sie beide aber sind hierher gekommen, da Angela das Haus von ihrer Großmutter geerbt hatte.
Als Fridolin fertig ist mit erzählen wirft Hieronymus sich auf den Boden und fängt laut an zu heulen.
Doch ein Kasperle kann nicht lange traurig sein.
Es springt auf und verkündet:
Wir werden den Direktor suchen. Peter wir müssen den Ballon wieder auf pusten!“
Schnurstracks verlässt der das Haus und marschiert in Richtung Strand.
Die Anderen folgen ihm etwas ratlos.
 
Morgen geht es weiter

Donnerstag, 29. August 2024

Die abenteuerliche Reise im Ballon Fortsetzung 4



Währenddessen ist das Verschwinden der Kinder aufgefallen.
Als sie nach vereinbarter Zeit nicht nach Hause kommen, ruft Verena bei Professors an.
Frau Amalie erklärt ihr, dass die Kinder bereits vor einiger Zeit nach Hause gegangen sind, verspricht aber nachzusehen.
Wenig später kommt sie durch die Terrasse und lässt sich mit krebsrotem Gesicht auf den nächsten Stuhl fallen.
Verenakind, es ist so schlimm ...“
Verena stellt ein Glas Wasser vor die alte Dame.
Nun trink erst einmal und beruhige dich.“
Dankbar nickt Frau Schrullig und nach einem kräftigen Schluck stöhnt sie.
Ich glaube die Kinder sind mit dem Fesselballon auf und davon.“
Nun muss auch Verena sich setzen.
Was für ein Fesselballon?“
Nun der Professor hat einen Ballon gebaut und ihn hinter dem Schuppen angepflockt.
Der Ballon ist weg und die Erde um die Verankerung aufgewühlt.
Sieht ganz nach Kunibert aus, den musste ich nämlich einfangen, weil er im Hof herumlief.“
Wer ist Kunibert?“
Unser Gänserich. Er ist ausgebrochen und da Peter ihn immer ärgert, hat er sich wohl gerächt.“
Kann ich ihm nicht verdenken,“ meint Verena.
Frau Schrullig sieht sie entgeistert an.
Wie kannst du nur so ruhig sein.“
Verena lacht.
Ich bin ja von meinen Kindern schon einiges gewöhnt. Ein Glück, dass die Ferien gerade begonnen haben.
Mein Liebe würdest du bitte einen Moment auf die Zwillinge aufpassen, ich muss schnell weg.“
Ja, ja, geh nur.“
Verena eilt hinaus, dreht an ihrem Ring und steht im nächsten Moment neben Lilofee.
Überrascht lächelt Lilofee:
Hallo Schwesterlein, was ist passiert?“
Die Kinder wieder!“
Setz` dich und erzähle.“
Lilofee lacht herzlich, als sie von den neuesten Streichen ihrer Patenkinder erfährt.
Nachdem sie ihrer Schwester versichert hat, die Vögel und Luftgeister zu bitten, auf die Kinder aufzupassen, kehrt Verena erleichtert nach Hause zurück.
Als sie ihrem Mann am Abend alles erzählt, lacht dieser:
Das hat man davon, wenn man eine Fee heiratet.“
Liebevoll nimmt Michael seine Frau in den Arm und küsst sie zärtlich.
Ich weiß aber auch, dass ich mir keine Sorgen machen muss.“


 

Allmählich wird es den Kindern zu langweilig.
Immer nur die kleiner werdende Landschaft zu beobachten verliert schnell ihren Reiz.
Außerdem ist es empfindlich kalt in dieser Höhe.
Sie kauern sich auf den Boden und von Abenteuerlust und Fröhlichkeit ist nichts mehr zu spüren.
Hieronymus stöhnt:
Ojemine, ich habe schon wieder ein großes Loch im Bauch.“
Vanessa schüttelt verwundert den Kopf.
Du hast doch bei Tante Schrullig ein riesengroßes Stück Apfelstrudel gegessen?“
Das Kasperle zuckt mit den Schultern.
Peter betrachtet nachdenklich den Ballon.
Der Professor hat doch gesagt, dieser kleine Hebel da oben ist zum Landen?“
Peter, Hieronymus seht doch, wir fliegen über das Meer!“ ruft Vanessa.
Die Jungen stellen sich neben sie und sehen nach unten.
Tiefblau unter ihnen glitzert das Meer im Sonnenlicht und in der Ferne leuchtet weiß der Strand.
Peter runzelt die Stirn.
Das muss das Mittelmeer sein und dort drüben liegt Italien.“
Mit zusammen gekniffenen Augen beobachtet er, wie der Strand immer näher kommt.
Hieronymus und Vanessa setzen sich wieder auf die Kissen.
Plötzlich ruft Peter aufgeregt:
Der Strand, der Strand, unter uns liegt der Strand, wir können landen!“
Weißt du denn wie es geht?“ fragt seine Schwester skeptisch.
Peter nickt eifrig.
Siehst du den Hebel direkt unter dem Ballon?
Wenn man ihn nach unten zieht, dann entweicht die Luft. Doch er ist sehr weit oben.
Komm` Hieronymus wir machen eine Feuerleiter.“
Nein, nein, du bist doch viel zu schwer!“ protestiert das Kasperle.
Du sollst ja nach oben klettern!“
Peter verschränkt die Hände und missmutig steigt Hieronymus auf seine Schultern.
Peter hält seine Beine fest.
Ich komme nicht ran!“
Der Junge macht einen Schritt nach vorne und wankt.
Das Kasperle kreischt auf und springt mit einem Satz in die Verschnürung.
Angstvoll klammert es sich an die Seile.
Zieh den Hebel, aber langsam!“ schreit Peter.
Die Warnung kommt zu spät!
Mit einem Ruck reißt Hieronymus den Hebel
nach unten und zischend entweicht die Luft.
Er zappelt mit den Beinen und landet unsanft im Korb.
Während er jämmerlich stöhnt und Vanessa versucht ihn zu trösten, beobachtet Peter besorgt den immer schlapper werdenden Ballon.
Die Luft entweicht viel zu schnell.
Haltet euch fest!“ brüllt der Junge.
Der Korb schlägt unsanft auf dem Boden auf und kippt um.
Schreiend purzeln die Drei durcheinander.
Der schlaffe Ballon legt sich wie ein Schleier um den umgestürzten Korb.
Es herrscht Stille.
Endlich bewegt sich etwas und die Kinder und das jammernde Kasperle klettern heraus.
Eine tolle Landung!“ jubelt Peter und sieht sich begeistert um.
 
Morgen geht es weiter

Die abenteuerliche Reise im Ballon - Fortsetzung 3








Hieronymus sitzt schon mit beiden Backen kauend vor einem riesigen Teller mit Apfelstrudel.
Tante Amalie sieht ihren Mann liebevoll lächelnd an.
Dieser lächelt abwesend zurück und beginnt gedankenverloren zu essen.
Während der Professor ein Mittagsschläfchen macht und Vanessa beim Abspülen hilft, erzählt Peter Hieronymus begeistert von dem riesigen Ballon hinter dem Schuppen.
Begeistert erörtern die Jungen wie toll es doch wäre zu fliegen und was für tolle Abenteuer man damit erleben könnte.
Etwas später auf dem Heimweg führt sie ihr Weg automatisch hinter den Schuppen, damit das Kasperle den super tollen Ballon besichtigen kann.
Fachmännisch begutachten die beiden Jungen das Flugobjekt, während Vanessa etwas gelangweilt daneben steht.
Doch als die Beiden dann an dem Seil hochklettern, um in das Innere des Korbes zu gelangen, wird dem Mädchen doch mulmig zumute.
Ach stell dich nicht so an, Nessa,“ spottet Peter, „der Ballon ist doch gesichert.“
Schließlich siegt ihre Neugier und Vanessa klettert auch noch oben.
Im Korb ist es richtig gemütlich.
Kissen und Decken liegen auf dem Boden und die Kinder setzen sich und schwärmen begeistert von den Reisen, die sie unternehmen würden.
Sie ahnen nicht, wie bald sie ein Abenteuer erleben würden, denn Kunibert sinnt auf Rache.
Durch Peters Turnen auf dem Zaun hat sich der Riegel gelockert und Kunibert hilft noch mit kräftigen Schnabelhieben nach, bis sich die Tür einen Spaltbreit öffnet, gerade soviel, dass er sich durchzwängen kann.
Wütend watschelt er über den Hof in die Richtung, wo er seinen Erzfeind verschwinden sah.
Ha! Kräftig würde er ihn in die Waden beißen!
Der Gänserich erreicht die Wiese in dem Moment, als die Kinder in den Korb klettern.
Mit schief geneigtem Kopf bleibt er stehen.
Wütend, aber auch neugierig nähert er sich dem seltsamen schwankenden Ungetüm.
Er stolpert über das Tau und blind vor Wut hackt er auf den vermeintlichen Feind ein.
Der Eisenring löst sich aus dem gelockertem Boden und durch den Ruck rutscht auch das andere Tau aus der Schlinge.
Der Ballon schwebt langsam nach oben.
Peter, Vanessa und Hieronymus sitzen immer noch auf dem Boden und überbieten sich im Erfinden toller Geschichten.
Vanessa kichert:
Ich spüre bereits wie der Ballon schaukelt und wir langsam gen Himmel schweben.“
Lautes Motorgebrumm lässt sie nach oben sehen.
Ein Sportflugzeug rattert an ihnen vorbei.
Der fliegt aber tief,“ staunt das Mädchen.
Peter springt auf und beugt sich über den Rand des Korbes.
Erschrocken setzt er sich wieder und stammelt.
Wir fliegen.“
Hieronymus und Vanessa sehen nun ebenfalls über den Rand.
Entsetzt lassen sie sich auf den Boden plumpsen und der Korb schwankt ein wenig.
Erschrocken schreit das Mädchen auf.
Hieronymus aber lehnt mit kalkweißem Gesicht
an der Wand.
Mir wird schlecht!“ stöhnt er.
Das kommt davon, weil du immer soviel isst, untersteh` dich und mache hier eine Schweinerei!“ droht Peter grimmig.
Vanessa aber setzt sich neben den Freund.
Leg deinen Kopf zwischen die Knie und atme tief durch.“ befiehlt sie und das Kasperle gehorcht.
Nach wenigen Minuten geht es ihm besser und er springt auf und stellt sich neben die Kinder.
Lange stehen sie da und betrachten die immer kleiner werdende Welt unter sich.
Wie auf Kommando beginnen sie übermütig zu lachen.
Jetzt haben wir unser Abenteuer!“ ruft Hieronymus glücklich.



Morgen geht es weiter

Mittwoch, 28. August 2024

Die abenteuerliche Reise im Ballon - Fortsetzung 2

Nun nehme ich euch wieder mit auf meine Reise.  
Viel Spaß beim Lesen!







Die Kinder haben inzwischen das kleine Anwesen erreicht.
Hühner stolzieren über den Hof und picken gackernd ihre Körner.
Eine dicke schwarzweiße Katze liegt in der warmen Sonne und öffnet nur träge ein Auge, als die Kinder vorbei gehen.
Ein Esel schmettert ihnen ein fröhliches „Iaah“ entgegen und springt vergnügt in der Koppel herum.
Eine pummelige Frau tritt aus dem Garten, einen Korb Äpfel im Arm.
Schützend hebt sie die Hand gegen die Sonne, dann lacht sie.
Hallo Peter, hallo Vanessa, aber wen habt ihr mir den heute mitgebracht?“
Das Kasperle zieht schwungvoll seine rote Kasperlmütze und verbeugt sich.
Ich bin ein lustiges Kasperle und man nennt mich Hieronymus.“
Was für ein schöner Name!“ lacht Frau Schrullig.
Kommt mit ins Haus, ich mache gerade einen Apfelstrudel.“
Hieronymus verdreht entzückt die Augen.
Oh, Apfelstrudel ist mein aller aller liebstes Lieblingsessen!“
Ein lautes Gezische und Geschnatter ertönt.
Die Gänse rennen aufgeregt durch ihr Gehege und veranstalten einen ohrenbetäubenden Lärm.
Peter, der mal wieder Kunibert, den Gänserich
geärgert hat, sitzt vergnügt auf dem Zaun und bringt seine Beine in Sicherheit.
Denn Kunibert steht mit vorgestrecktem Hals unten und versucht ihn zu zwicken.
Grinsend lässt der Junge seinen Fuß vor dessen Schnabel baumeln, um ihn dann schnell zurück zu ziehen.
Der Gänserich zischt vor Wut.
Peter, lass Kunibert in Ruhe,“ schimpft Frau Schrullig.
Der Junge springt vom Zaun und schlendert pfeifend über den Hof, verfolgt vom aufgeregtem Geschnatter der Gänse.
Tante Schrullig schüttelt seufzend den Kopf und geht in die Küche.
Die Kinder und das Kasperle helfen beim Belegen des Apfelstrudels und während dieser im Ofen bäckt und einen lieblichen Duft
verbreitet, setzt sich Hieronymus auf den Boden und lässt ihn nicht mehr aus den Augen.
Vanessa und Peter aber laufen unterdessen zu Professor Schrullig in den Schuppen.
Eine Weile sehen sie dem alten Mann zu, der an einer neuen Erfindung herum schraubt und sie gar nicht bemerkt.
Endlich ist er fertig, schiebt seine Brille auf die Stirn und bemerkt die Kinder.
Hallo ihr Beiden.“
Dann sieht er sich suchend um und murmelt:
Meine Brille?“
Herr Professor!“ ruft Vanessa.
Ja, ja mein Kind sofort, ich suche nur meine Brille.“
Die Kinder wedeln aufgeregt mit den Armen.
Herr Professor, ihre Brille …!“
Ja,ja,“ abwesend wühlt er auf dem Tisch herum.
Dosen, Schrauben, Nägel, Gewinde fallen herunter und der alte Mann wird immer hektischer.
Vanessa und Peter kichern und setzen sich abwartend auf die Bank.
Endlich gibt der Professor seine verzweifelte Suche auf, zieht ein großes kariertes Taschentuch hervor und wischt sich über die Stirn.
Plötzlich hält er seine Brille in der Hand.
Da ist sie ja?“ meint er erstaunt.
Nun prusten die Kinder los.
Das wollten wir ihnen doch die ganze Zeit sagen!“ keucht Peter atemlos.
Der Professor lächelt verwirrt, doch dann wird er plötzlich lebhaft.
Kommt mit, ich muss euch was zeigen!“
Er öffnet die Schuppentür und helles Sonnenlicht flutet in den Raum.
Geblendet bleiben sie einen Moment stehen, bevor sie die Wiese hinter dem Schuppen betreten.
Dann sehen sie einen riesigen Fesselballon, der leise im Wind schaukelt.
Der dazu gehörige Korb ist mit zwei dicken Tauen am Boden verankert.
Wow!“ Peter umrundet das gigantische Fluginstrument.
Der Professor betrachtet stolz sein Werk.
Meine Erfindung Nummer 287. Dieser Ballon wird nicht mit Gas und Feuer betrieben. Ich habe eine besondere Luftmischung entwickelt, die sich immer wieder erneuert.
Seht ihr den kleine Hebel dort oben, daran braucht man nur zu ziehen und die Luft entweicht. 
Allerdings weiß ich noch nicht, wie man sie wieder füllen kann.
Zu gerne würde ich ihn ausprobieren, aber Amalie erlaubt es nicht.“
Er seufzt kummervoll.
In dem Moment hören sie Tante Schrullig, die sie zum Essen ruft.
Mit einem letzten Blick auf den Ballon gehen sie ins Haus.


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Montag, 26. August 2024

Die abenteuerliche Reise im Ballon


 

Vorwort für Ballonfahrt

Bereits im Alter von elf Jahren schrieb ich meine erste Geschichte, die ich dann meiner Familie vorlas. Es war eine Pferdegeschichte, beeinflusst von der Fernsehserie "Fury"

Im Laufe der Zeit schrieb ich immer mal wieder kleine Geschichten.

Als ich vor 41 Jahren nach dem Kaiserschnitt drei Wochen im Krankenhaus lag, fing ich an die Geschichte von der abenteuerlichen Reise im Ballon  zu schreiben.

Zuhause wanderte dieser Anfang in meine Schreibtischschublade, wo sie sehr lange ruhen musste, denn Baby und Alltag verlangten meine ganze Zeit.

Als meine Schwiegermutter kam, um das neue Enkelkind zu begutachten, sprachen wir in einer Musestunde auch über meine Lust zu schreiben. Meine Schwiegermutter war Malerin und spontan setzte sie sich hin und malte mir einige Bilder für die Geschichte.

Erst lange nach ihrem Tod sollte die Geschichte vollendet sein.

Als ich 2010 für vier Wochen auf Reha war, nahm ich die angefangenen Seiten mit, um die Geschichte zu vollenden. als hätte ich geahnt, dass ich wenig später einen eigenen Blog hatte, um meine Geschichten vielen Lesern vorzustellen.

2011 erhielten wir die niederschmetternde Nachricht, dass mein Mann unheilbar an Krebs erkrankt war. 

Meine Tochter, die schon lange in Berlin lebte, meldete mich in einem Forum im Internet an, damit ich auf andere Gedanken käme. Dort lernte ich viele nette Leute in meinem Alter kennen und stellte ihnen auch meine Geschichten vor, die großen Anhang fanden.

Regina, die auch wunderbare Geschichten schrieb, bot mir an einen eigenen Blog einzurichten und seitdem tröstet mich das Schreiben von Geschichten über vieles hinweg.Eines meiner großes Vorbilder war Erich Kästner, mit dessen Geschichten ich aufgewachsen bin.

 Viel Spaß beim Lesen!


 

 

gemalt von meiner Schwigermutter Lucy P.

 

 Habt ihr schon einmal einem Fesselballon hoch am Himmel gleiten sehen und euch gewünscht, auch einmal über der Erde zu schweben und alles dort unten zurückzulassen.
Die Menschen, die immer kleiner werden und auch die Sorgen, die plötzlich verschwindend klein sind und nur noch über euch der weite Himmel.
"Über den Wolken, da muss die Freiheit grenzenlos sein ..." so sang schon Reinhard Mey. 
Heute nehme ich euch mit auf so eine Reise, abenteuerlich, zauberhaft und berührend.
Ihr werdet viele alte Bekannte treffen.
Lasst euch überraschen.



Vanessa wird wach.
Sie weiß nicht, was sie geweckt hat und so dreht sie sich wieder um und schließt die Augen.
Ein Rascheln unter ihrem Fenster und ein Klirren an der Scheibe lässt sie aufspringen.
Barfuß tapst sie zum Fenster und blickt sekundenlang in den sternenklaren Himmel.
Kein Unwetter! Kein Regen!
Vanessa!“
Das Mädchen richtet ihren Blick nach unten und sieht einen Schatten, der aufgeregt winkend im Gras auf und ab hüpft.
Ich bin`s Hieronymus, lass mich herein, es ist so schrecklich kalt!“
Es war zwar Frühling, aber die Nächte noch empfindlich kalt.
Warte ich komme!“
Vanessa schlüpft in ihre kuscheligen Hausschuhe und schleicht die Treppe hinunter.
Hieronymus steht bibbernd vor der Haustür und huscht schnell ins Haus, als Vanessa öffnet.
Das Mädchen führt das Kasperle in die Küche und macht ihm einen heißen Kakao.
Nachdem Hieronymus die Tasse geleert hat, lässt sein Zittern allmählich nach.
Was ist denn hier los?“
Peter steht an der Küchentür und reibt sich verschlafen die Augen.
Dann erkennt er das Kasperle.
Junge, Hieronymus, wo kommst du denn plötzlich her!“
Freudestrahlend klopft er dem Freund auf die Schulter.
Das Holzmännchen grinst.
Es war so entsetzlich langweilig auf der Puppeninsel und deshalb wollte ich euch besuchen, damit wir wieder tolle Abenteuer erleben.“
Na, Abenteuer haben wir in letzter Zeit auch nicht erlebt, immer nur Schule. Aber morgen beginnen die Osterferien.“
Was wird das, eine Mitternachtsparty?“
Plötzlich steht die Mutter in der Küche.
Sie begrüßt das Kasperle, dann schickt sie die
Kinder ins Bett.
Wenn auch morgen der letzte Schultag ist, so sollt ihr doch ausgeschlafen sein.
Hieronymus kann bei Peter schlafen.“
Die Drei jubeln.
Pst, still, Papa muss morgen in der Tierklinik operieren und braucht seinen Schlaf.“
Leise kichernd verschwinden die Kinder mit dem Kasperle nach oben.

Kopfschüttelnd sieht die Mutter ihnen nach.
Sie räumt noch schnell die Tasse in die Spülmaschine, dann geht auch sie nach oben.



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Freitag, 23. August 2024

Die Prinzessin mit den goldenen Haaren


Mit dieser Geschichte wünsche ich euch ein schönes Wochenende.



Die Prinzessin mit den goldenen Haaren


In einem fernen Land lebte einst ein Königspaar, das sich unbedingt ein Kind wünschte. Doch die Jahren vergingen und ihr Wunsch wurde nicht erfüllt.
Doch dann, als sie bereits alle Hoffnung aufgegeben hatten bekam die Königin ein Mädchen.
Sie nannten es Sonja und baten die Fee Sternenstaub, zur Patin des Kindes.
Sternenstaub legte dem Kind drei Gaben in die Wiege,
Schönheit, Verstand, sowie ein mitfühlendes Herz.
Jeden Tag, als das Kind heranwuchs wurde es schöner und die Leute staunten und jubelten und freuten sich an ihrer schönen Prinzessin.
Ihre blonden Locken leuchteten im Sonnenschein wie Gold und die Menschen ringsum riefen „Aaah“ wenn sie es sahen.
Jeden Tag bekam die Kleine zu hören, wie wunderschön sie doch sei und ihre vernarrten Eltern konnten ihr keinen Wunsch abschlagen.
So wurde aus dem liebenswert veranlagten Mädchen mit der Zeit ein kleiner Tyrann, der oft selbstverliebt vor dem Spiegel stand.
Kein Wunder, dass die beiden anderen Gaben der Fee verkümmerten.
Wieso sollte sie auch ihren Verstand benutzen, wenn sie doch mit einem Strahlen ihrer schönen Augen oder ihrem liebreizendem Lächeln alle Wünsche erfüllt bekam.
Und wie konnte sie ihr mitfühlendes Herz erkennen, wenn doch um sie herum alles Licht und Schön war und dass es
auch ein Elendsviertel in dem reichen Königreich gab, das bekam sie nie zu sehen.

Sonja war inzwischen zehn Jahre alt.
Eben saß sie im Schulzimmer und sah gelangweilt ihrem Hauslehrer Herrn Kantor zu, wie er einige Sätze auf die Tafel schrieb.
Da wurde die Tür geöffnet und das Königspaar trat ein, einen zärtlichen Blick auf ihr Töchterchen gerichtet, die sofort freudig aufsprang.
Nun Herr Kantor, quälen sie die liebe Sonja nicht länger, wir wollen sie zu einem Spaziergang in die Stadt mitnehmen.“
Der Lehrer verneigte sich stumm.
Seine Schülerin besaß einen schnellen klugen Verstand, aber sie war ausgesprochen faul und dies wurde von den Eltern auch noch unterstützt.
So meinte er denn auch.
Verzeiht Majestät, die Prinzessin beherrscht das Lesen noch sehr schlecht, kaum dass sie das Alphabet kann. Es wäre doch gut, die Unterrichtsstunde einzuhalten.“
Der König winkte ab. „ Was muss mein Kind denn Lesen können, sie kann sich doch eine Vorleserin engagieren.“
Und schon hüpfte Sonja vergnügt zwischen ihren Eltern hinaus.
An der Tür aber drehte sie sich um und streckte dem Lehrer unartig die Zunge heraus.

 
(c) Helge T

Der König und sein Gefolge wanderte über den Markt, ehrfurchtsvoll von den Leuten begrüßt und als die Sonne gerade hinter einer Wolke hervor blinzelte und die Haare der Prinzessin in goldenes Licht tauchte, da ging ein lautes
Aaaah“ durch die Menge.
Eine dicke Bauersfrau mit einem Korb im Arm drängte sich nach vorn, machte einen Knicks und reichte der Prinzessin einen Schmalzkringel.
Diese nahm ihn dankend mit spitzen Fingern entgegen.
Sie verzog leicht das Gesicht und biss vorsichtig hinein.
Er schmeckte ihr gar nicht und unauffällig warf sie ihn weg.
Aus den Augenwinkel bemerkte sie ein kleines Mädchen, das sich blitzschnell bückte und den Kringel aufhob, bevor ihn ein streunender Hund erwischen konnte, der nun mit eingezogenen Schwanz zur Seite trat.

 
(c) Werner Borgfeldt
Sonja runzelte die Stirn und trat zu dem ärmlich gekleideten Mädchen.
Was willst du mit meinem Kringel?“
Ihr habt ihn doch weg geworfen und ich will ihn mit nach Hause nehmen und mit meiner Mutter und Oma teilen.“
Kauf dir selbst einen Kringel,“ meinte die Prinzessin patzig, nahm ihr das Gebäckstück aus der Hand und warf es dem Hund zu, der es schnappte und damit davon lief.
Die Augen des Mädchens füllten sich mit Tränen, dann wandte es sich um und ging langsam davon.
Sonja aber ging zurück zu ihren Eltern.
Ein wenig komisch war ihr doch zumute, doch als sie wieder mit bewundernden Reden umschmeichelt wurde, vergaß sie das kleine Mädchen.





Die Fee Sternenstaub aber hatte oben in ihrem Wolkenschloss alles beobachtet.
Was Unvernunft und blinde Liebe aus einem so reizendem Menschenkind doch gemacht hatten, Zeit, dass sie eingriff.
Mitten in der Nacht stand sie vor dem Bett der Prinzessin und betrachtete die friedlich Schlafende, die mit leicht geröteten Backen wie ein kleiner Engel aussah.
Die Fee streckte die Hand aus und ließ Sternenstaub über das Kind rieseln.

Als Sonja erwachte sah sie direkt in die schwarzen runden Augen einer Ratte, deren spitze Nase direkt vor ihrem Gesicht war.
Entsetzt schrie sie auf und das Tier ergriff die Flucht.
Aber wo war sie nur, sie lag direkt unter einem Holztisch.
Als sie darunter hervor kroch, merkte sie, dass sie auf dem Markt war.
Obwohl die Sonne erst den Rand des Horizonts erreicht hatte, herrschte hier schon emsiges Treiben.
Die Bauern waren in die Stadt gekommen um ihre Waren anzubieten und breiteten sie auf den Tischen aus.
Sonja ging auf einen der Männer zu und fragte:
Guten Tag, können sie mich bitte zum Schloss bringen?“
Diese sah sie verdutzt an, dann lachte er dröhnend:
Seht euch diesen Dreckspatzen an, redet wie eine Prinzessin, verschwinde Mädchen, vergraulst mir nur die Kundschaft.“
Sonja ging weiter und dann stieg ihr ein köstlicher Duft in die Nase und sie verspürte ein komische Grummeln im Magen.
Sie entdeckte die Bäuerin und die Schmalzkringel, die sie gestern so verächtlich in den Schmutz geworfen hatte.
Wie gern hätte sie nun einen davon.
Beherzt trat sie zu der Frau und bat:
„Kann ich bitte einen Schmalzkringel haben?“
Hast du Geld?“
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
Dann verschwinde!“ 
Und sie wandte sich an die Frau die ihren Stand neben ihr hatte und meinte: „Jetzt kommen die aus dem Elendsviertel auch schon zum Betteln. Eine Schande ist das!“
Sonja aber schlich sich traurig davon und dann stand sie vor dem Schloss.
Die Wachen versperrten ihr den Weg!
Aber ich bin doch Prinzessin Sonja!“ rief sie verzweifelt.
Die Wachen wollten sich ausschütten vor Lachen.
Wann hast du zuletzt in den Spiegel geguckt!“
Da drehte sich das Mädchen um und lief wie gehetzt davon.
Sie erreichte einen Wald und ließ sich atemlos ins Moos
sinken.
Dann begann sie bitterlich zu weinen.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und eine freundliche Stimme fragte: 
„Warum weinst du denn?“
Und als sie aufblickte stand das Mädchen vor ihr, dem sie so übel mitgespielt hatte.
Traurig erzählte sie, dass sie hungrig sei, aber jeder sie weg geschickt hat.
Das kenne ich, allen hier geht es so gut, dass sie gar nicht wissen was Hunger ist.“
Sie drückte ihr ein Stück altes Brot in die Hand und gierig aß die Prinzessin und es schmeckte ihr besser als das köstlichste Gericht aus der Schlossküche.
Das Mädchen hielt ihr dann noch den Korb mit Beeren, die sie gerade gepflückt hatte ,hin.
Dann nahm sie Sonja mit zu sich nach Hause.

 
(c) Nadine F.

Und die Prinzessin sah erschrocken um sich, als sie durch die ungepflegten Straßen gingen und an den halb verfallenen Häusern vorbei kamen.
Wer wohnt denn hier?“
Die Invaliden und Hinterbliebenen!“ sagte das Mädchen Erika bitter.
Sie haben für das Vaterland alles gegeben und das ist der Dank des Königs.“
Aber der König ist doch ein guter Mensch!“
Ja, er hat uns auch eine Rente versprochen, aber es inzwischen vergessen. 
Er ist viel zu vernarrt in seine verzogene Tochter, dass er alles Andere ringsum vergisst.
Aber nun komm, wir sind da.“
Sonja betrachtete die saubere ärmliche Stube.
Eine alte Frau saß auf einem Stuhl am Fenster und hielt das Gesicht der Sonne entgegen.
Als sie den Kopf wendete, bemerkte die Prinzessin, dass sie blind war und verspürte ein komisches Gefühl auf einmal im Herzen.
Zum ersten Mal empfand sie Mitleid.
Warum ist deine Großmutter blind?“
Vom vielen Weinen, denn sie hat zwei Söhne im Krieg verloren, der eine war mein Vater.“
Da trat Sonja zu der alten Frau und strich ihr zart über die Wange.
Guten Tag, ich bin Sonja.“
Die alte Frau lächelte.
Du heißt ja wie unsere Prinzessin, aber ich spüre du hast ein gutes Herz und bist nicht so verzogen wie diese.“
Sonja senkte den Kopf und war froh, dass die Blinde nicht sehen konnte wie sie rot vor Scham wurde.
Sie begrüßte nun Erikas Mutter und obwohl diese Leute bitterarm waren, teilten sie ihr karges Essen mit ihr.
Und die Prinzessin staunte auch wie zufrieden und fröhlich sie waren und wie liebevoll sie miteinander umgingen, obwohl sie doch so arm waren.
Sie ging auch mit Erika und ihrer Mutter mit zu einem Bauern, um dort bei der Ernte zu helfen.
Obwohl ihr am Abend jeder einzelne Muskel schmerzte, war sie doch froh und zufrieden, denn noch nie hatte sie sich so nützlich gefühlt.
Und als die Bauersfrau ihnen zu dem Lohn, einen Sack voll Kartoffeln, auch noch eine Kanne Milch, einige Eier und sogar ein Stück Speck, schenkte, weil sie so fleißig waren, da fühlte sie dieselbe Freude, wie ihre beiden Begleiterinnen.
Nach dem Abendessen, das aus Kartoffeln mit Salz bestand, holte Erika ein altes Stück Papier und eine zersprungene Feder, sowie ein altes Tintenfass, in der die Tinte fast eingetrocknet war.
Was machst du da?“
Meine Mutter bringt mir das Schreiben und Lesen bei und ich möchte noch üben.“
Aber du hast doch den ganzen Tag gearbeitet, du musst doch müde sein?“
Bin ich auch, aber ich muss üben, denn ich möchte der
Großmutter im Winter aus dem alten Geschichtenbuch, das sie noch von ihrer Mutter hat, vorlesen.“
Da schämte sich Sonja wieder, denn sie hatte die Gelegenheit und die feinsten Federn und Tinte und schöne weiße Blätter zur Verfügung und war doch zu faul zum Lernen.
Leise sagte sie gute Nacht und ging auf die Strohmatte die man ihr als Bett angewiesen hatte.

 
(c) meine Tochter

Als sie am nächsten Morgen erwachte, lag sie in ihrem weichen kuscheligen Bett im Schloss und sah ihre Patin, die in einem Sessel neben dem Bett saß.
Nun mein Kind, hast du begriffen, warum ich dir diesen Traum sandte?“
Sonja nickte errötend.
Da beugte sich die Fee über sie, küsste sie und verschwand.
Gleich nach dem Frühstück lief sie ins Schulzimmer und Lehrer Kantor war beeindruckt vom Fleiß und Eifer seiner Schülerin.
Und als die Eltern sie zu einem Spaziergang holen wollten, winkte sie nur ab und erklärte, dass dazu auch nach dem Unterricht Zeit wäre, sie müsse jetzt lernen.
Später führte sie die Eltern zum Markt, erbat sich von ihrem Vater Geld und legte auf jeden Stand ein Goldstück und bat die Händler ihr mit den Waren zu folgen.
Alle erschraken, als die Prinzessin sie direkt ins Armenviertel führte.
Die schäbig gekleideten und müde aussehenden Leute kamen aus ihren Häusern und staunten.
Die Prinzessin aber stellte sich in die Mitte des Platzes und verkündete, dass die Lebensmittel ein Geschenk des Königs wären und sich jeder holen dürfe was er brauche.
Dann sah sie ihren Vater mit ernsten Augen an und dieser schämte sich und verkündete.
Ich habe meine Pflicht als König vernachlässigt, doch ich verspreche, ab sofort mein Versäumnis nachzuholen. Noch heute werden die Handwerker kommen und jedes Haus renovieren und das ganze Viertel wird verschönert.
Auch bekommt jede Familie eine Rente, wie ich es schon vor Jahren versprochen habe und zwar ab dem Zeitpunkt meines Versprechens.“
Sonja aber winkte den zwei Lakaien, die eine Truhe trugen und der Bauersfrau mit dem Korb voller Schmalzkringel und betrat das Haus in dem Erika mit den Ihren lebte.
Nach einem freundlichen Gruß, nahm die Prinzessin eines der Kringel und hielt sie Erika hin.
Ich war sehr garstig zu dir und das tut mir leid, willst du mir verzeihen?“
Erika nickte stumm, nahm den Kringel und biss herzhaft hinein.
Sonja lachte und umarmte das Mädchen. „Lass uns Freundinnen sein.“
Dann nahm sie einen Kringel aus dem Korb und ging zur Großmutter, drückte ihn ihr in die Hand und strich ihr zart über die Wange.
Lasst es euch schmecken, liebe Großmutter.“
Wie ein Wirbelwind lief sie dann zu der Truhe und bat Erika, diese zu öffnen.
In der Truhe waren Blätter, Tintenfässchen, gespitzte neue Federn und ein Menge Bücher mit wundervollen Bildern und Geschichten.
Nun kannst du lernen, damit du im Winter deiner Großmutter vorlesen kannst.“
Die Freude in dem kleinen Häuschen, aber auch im ganzen Elendsviertel brauche ich wohl nicht zu beschreiben.

Und wenn die Leute von ihrer Prinzessin sprachen, dann hieß es, sie wäre wunderschön, aber auch sehr klug und vor allem hatte sie ein gutes mitfühlendes Herz.



© Lore Platz  1.4.2022