Mit dieser Geschichte wünsche ich euch ein schönes Wochenende.
Die
Prinzessin mit den goldenen Haaren
In
einem fernen Land lebte einst ein Königspaar, das sich unbedingt ein
Kind wünschte. Doch die Jahren vergingen und ihr Wunsch wurde
nicht erfüllt.
Doch
dann, als sie bereits alle Hoffnung aufgegeben hatten bekam die
Königin ein Mädchen.
Sie
nannten es Sonja und baten die Fee Sternenstaub, zur Patin des
Kindes.
Sternenstaub
legte dem Kind drei Gaben in die Wiege,
Schönheit,
Verstand, sowie ein mitfühlendes Herz.
Jeden
Tag, als das Kind heranwuchs wurde es schöner und die Leute staunten
und jubelten und freuten sich an ihrer schönen Prinzessin.
Ihre
blonden Locken leuchteten im Sonnenschein wie Gold und die Menschen
ringsum riefen „Aaah“ wenn sie es sahen.
Jeden
Tag bekam die Kleine zu hören, wie wunderschön sie doch sei und
ihre vernarrten Eltern konnten ihr keinen Wunsch abschlagen.
So
wurde aus dem liebenswert veranlagten Mädchen mit der Zeit ein
kleiner Tyrann, der oft selbstverliebt vor dem Spiegel stand.
Kein
Wunder, dass die beiden anderen Gaben der Fee verkümmerten.
Wieso
sollte sie auch ihren Verstand benutzen, wenn sie doch mit einem
Strahlen ihrer schönen Augen oder ihrem liebreizendem Lächeln alle
Wünsche erfüllt bekam.
Und
wie konnte sie ihr mitfühlendes Herz erkennen, wenn doch um sie
herum alles Licht und Schön war und dass es
auch
ein Elendsviertel in dem reichen Königreich gab, das bekam sie nie
zu sehen.
Sonja
war inzwischen zehn Jahre alt.
Eben
saß sie im Schulzimmer und sah gelangweilt ihrem Hauslehrer Herrn
Kantor zu, wie er einige Sätze auf die Tafel schrieb.
Da
wurde die Tür geöffnet und das Königspaar trat ein, einen
zärtlichen Blick auf ihr Töchterchen gerichtet, die sofort freudig
aufsprang.
„Nun
Herr Kantor, quälen sie die liebe Sonja nicht länger, wir wollen
sie zu einem Spaziergang in die Stadt mitnehmen.“
Der
Lehrer verneigte sich stumm.
Seine
Schülerin besaß einen schnellen klugen Verstand, aber sie war
ausgesprochen faul und dies wurde von den Eltern auch noch
unterstützt.
So
meinte er denn auch.
„Verzeiht
Majestät, die Prinzessin beherrscht das Lesen noch sehr schlecht,
kaum dass sie das Alphabet kann. Es wäre doch gut, die
Unterrichtsstunde einzuhalten.“
Der
König winkte ab. „ Was muss mein Kind denn Lesen können, sie kann
sich doch eine Vorleserin engagieren.“
Und
schon hüpfte Sonja vergnügt zwischen ihren Eltern hinaus.
An
der Tür aber drehte sie sich um und streckte dem Lehrer unartig die
Zunge heraus.
|
(c) Helge T |
Der
König und sein Gefolge wanderte über den Markt, ehrfurchtsvoll von
den Leuten begrüßt und als die Sonne gerade hinter einer Wolke
hervor blinzelte und die Haare
der Prinzessin in goldenes Licht tauchte, da ging ein lautes
„Aaaah“
durch die Menge.
Eine
dicke Bauersfrau mit einem Korb im Arm drängte sich nach vorn,
machte einen Knicks und reichte der Prinzessin einen Schmalzkringel.
Diese
nahm ihn dankend mit spitzen Fingern entgegen.
Sie
verzog leicht das Gesicht und biss vorsichtig hinein.
Er
schmeckte ihr gar nicht und unauffällig warf sie ihn weg.
Aus
den Augenwinkel bemerkte sie ein kleines Mädchen, das sich
blitzschnell bückte und den Kringel aufhob, bevor ihn ein
streunender Hund erwischen konnte, der nun mit eingezogenen Schwanz
zur Seite trat.
|
(c) Werner Borgfeldt |
Sonja
runzelte die Stirn und trat zu dem ärmlich gekleideten Mädchen.
„Was
willst du mit meinem
Kringel?“
„ Ihr
habt ihn doch weg geworfen und ich will ihn mit nach Hause nehmen und
mit meiner Mutter und Oma teilen.“
„Kauf
dir selbst einen Kringel,“ meinte die Prinzessin patzig, nahm ihr
das Gebäckstück aus der Hand und warf es dem Hund zu, der es
schnappte und damit davon lief.
Die
Augen des Mädchens füllten sich mit Tränen, dann wandte es sich um
und ging langsam davon.
Sonja
aber ging zurück zu ihren Eltern.
Ein
wenig komisch war ihr doch zumute, doch als sie wieder mit
bewundernden Reden umschmeichelt wurde, vergaß sie das kleine
Mädchen.
Die
Fee Sternenstaub aber hatte oben in ihrem Wolkenschloss alles
beobachtet.
Was
Unvernunft und blinde Liebe aus einem so reizendem Menschenkind doch
gemacht hatten, Zeit, dass sie eingriff.
Mitten
in der Nacht stand sie vor dem Bett der Prinzessin und betrachtete
die friedlich Schlafende, die mit leicht geröteten Backen wie ein
kleiner Engel aussah.
Die
Fee streckte die Hand aus und ließ Sternenstaub über das Kind
rieseln.
Als
Sonja erwachte sah sie direkt in die schwarzen runden Augen einer
Ratte, deren spitze Nase direkt vor ihrem Gesicht war.
Entsetzt
schrie sie auf und das Tier ergriff die Flucht.
Aber
wo war sie nur, sie lag direkt unter einem Holztisch.
Als
sie darunter hervor kroch, merkte sie, dass sie auf dem Markt war.
Obwohl
die Sonne erst den Rand des Horizonts erreicht hatte,
herrschte hier schon emsiges Treiben.
Die
Bauern waren in die Stadt gekommen um ihre Waren anzubieten und
breiteten sie auf den Tischen aus.
Sonja
ging auf einen der Männer zu und fragte:
„Guten
Tag, können sie mich bitte zum Schloss bringen?“
Diese
sah sie verdutzt an, dann lachte er dröhnend:
„Seht
euch diesen Dreckspatzen an, redet wie eine Prinzessin, verschwinde
Mädchen, vergraulst mir nur die Kundschaft.“
Sonja
ging weiter und dann stieg ihr ein köstlicher Duft in die Nase und
sie verspürte ein komische Grummeln im Magen.
Sie
entdeckte die Bäuerin und die Schmalzkringel, die sie gestern so
verächtlich in den Schmutz geworfen hatte.
Wie
gern hätte sie nun einen davon.
Beherzt
trat sie zu der Frau und bat:
„Kann ich bitte einen Schmalzkringel
haben?“
„Hast
du Geld?“
Das
Mädchen schüttelte den Kopf.
„Dann
verschwinde!“
Und sie wandte sich an die Frau die ihren Stand neben
ihr hatte und meinte: „Jetzt kommen die aus dem Elendsviertel auch
schon zum Betteln. Eine Schande ist das!“
Sonja
aber schlich sich traurig davon und dann stand sie vor dem
Schloss.
Die
Wachen versperrten ihr den Weg!
„Aber
ich bin doch Prinzessin Sonja!“ rief sie verzweifelt.
Die
Wachen wollten sich ausschütten vor Lachen.
„Wann
hast du zuletzt in den Spiegel geguckt!“
Da
drehte sich das Mädchen um und lief wie gehetzt davon.
Sie
erreichte einen Wald und ließ sich atemlos ins Moos
sinken.
Dann
begann sie bitterlich zu weinen.
Eine
Hand legte sich auf ihre Schulter und eine freundliche Stimme fragte:
„Warum weinst du denn?“
Und
als sie aufblickte stand das Mädchen vor ihr, dem sie so übel
mitgespielt hatte.
Traurig
erzählte sie, dass sie hungrig sei, aber jeder sie weg geschickt
hat.
„Das
kenne ich, allen hier geht es so gut, dass sie gar nicht wissen was
Hunger ist.“
Sie
drückte ihr ein Stück altes Brot in die Hand und gierig aß die
Prinzessin und es schmeckte ihr besser als das köstlichste Gericht
aus der Schlossküche.
Das
Mädchen hielt ihr dann noch den Korb mit Beeren, die sie gerade
gepflückt hatte ,hin.
Dann
nahm sie Sonja mit zu sich nach Hause.
|
(c) Nadine F. |
Und
die Prinzessin sah erschrocken um sich, als sie durch die
ungepflegten Straßen gingen und an den halb verfallenen Häusern
vorbei kamen.
„Wer
wohnt denn hier?“
„Die
Invaliden und Hinterbliebenen!“ sagte das Mädchen Erika bitter.
„Sie
haben für das Vaterland alles gegeben und das ist der Dank des
Königs.“
„Aber
der König ist doch ein guter Mensch!“
„Ja,
er hat uns auch eine Rente versprochen, aber es inzwischen vergessen.
Er ist viel zu vernarrt in seine verzogene Tochter, dass er alles
Andere ringsum vergisst.
Aber
nun komm, wir sind da.“
Sonja
betrachtete die saubere ärmliche Stube.
Eine
alte Frau saß auf einem Stuhl am Fenster und hielt das Gesicht der
Sonne entgegen.
Als
sie den Kopf wendete, bemerkte die Prinzessin, dass sie blind war und
verspürte ein komisches Gefühl auf einmal im Herzen.
Zum
ersten Mal empfand sie Mitleid.
„Warum
ist deine Großmutter blind?“
„Vom
vielen Weinen, denn sie hat zwei Söhne im Krieg verloren, der eine
war mein Vater.“
Da
trat Sonja zu der alten Frau und strich ihr zart über die Wange.
„Guten
Tag, ich bin Sonja.“
Die
alte Frau lächelte.
„Du
heißt ja wie unsere Prinzessin, aber ich spüre du hast ein gutes
Herz und bist nicht so verzogen wie diese.“
Sonja
senkte den Kopf und war froh, dass die Blinde nicht sehen konnte wie
sie rot vor Scham wurde.
Sie
begrüßte nun Erikas Mutter und obwohl diese Leute bitterarm waren,
teilten sie ihr karges Essen mit ihr.
Und
die Prinzessin staunte auch wie zufrieden und fröhlich sie waren und
wie liebevoll sie miteinander umgingen, obwohl sie doch so arm waren.
Sie
ging auch mit Erika und ihrer Mutter mit zu einem Bauern, um dort bei
der Ernte zu helfen.
Obwohl
ihr am Abend jeder einzelne Muskel schmerzte, war sie doch froh und
zufrieden, denn noch nie hatte sie sich so nützlich gefühlt.
Und
als die Bauersfrau ihnen zu dem Lohn, einen Sack voll Kartoffeln,
auch noch eine Kanne Milch, einige Eier und sogar ein Stück Speck,
schenkte, weil sie so fleißig waren, da fühlte sie dieselbe Freude,
wie ihre beiden Begleiterinnen.
Nach
dem Abendessen, das aus Kartoffeln mit Salz bestand, holte Erika ein
altes Stück Papier und eine zersprungene Feder, sowie ein altes
Tintenfass, in der die Tinte fast eingetrocknet war.
„Was
machst du da?“
„ Meine
Mutter bringt mir das Schreiben und Lesen bei und ich möchte noch
üben.“
„Aber
du hast doch den ganzen Tag gearbeitet, du musst doch müde sein?“
„Bin
ich auch, aber ich muss üben, denn ich möchte der
Großmutter
im Winter aus dem alten Geschichtenbuch, das sie noch von ihrer
Mutter hat, vorlesen.“
Da
schämte sich Sonja wieder, denn sie hatte die Gelegenheit und die
feinsten Federn und Tinte und schöne weiße Blätter zur Verfügung
und war doch zu faul zum Lernen.
Leise
sagte sie gute Nacht und ging auf die Strohmatte die man ihr als Bett
angewiesen hatte.
|
(c) meine Tochter |
Als
sie am nächsten Morgen erwachte, lag sie in ihrem weichen
kuscheligen Bett im Schloss und sah ihre Patin, die in einem Sessel
neben dem Bett saß.
„Nun
mein Kind, hast du begriffen, warum ich dir diesen Traum sandte?“
Sonja
nickte errötend.
Da
beugte sich die Fee über sie, küsste sie und verschwand.
Gleich
nach dem Frühstück lief sie ins Schulzimmer und Lehrer Kantor war
beeindruckt vom Fleiß und Eifer seiner Schülerin.
Und
als die Eltern sie zu einem Spaziergang holen wollten, winkte sie nur
ab und erklärte, dass dazu auch nach dem Unterricht Zeit wäre, sie
müsse jetzt lernen.
Später
führte sie die Eltern zum Markt, erbat sich von ihrem Vater Geld und
legte auf jeden Stand ein Goldstück und bat die Händler ihr mit den
Waren zu folgen.
Alle
erschraken, als die Prinzessin sie direkt ins Armenviertel führte.
Die
schäbig gekleideten und müde aussehenden Leute kamen aus ihren
Häusern und staunten.
Die
Prinzessin aber stellte sich in die Mitte des Platzes und verkündete,
dass die Lebensmittel ein Geschenk des Königs wären und sich jeder
holen dürfe was er brauche.
Dann
sah sie ihren Vater mit ernsten Augen an und dieser schämte sich und
verkündete.
„ Ich
habe meine Pflicht als König vernachlässigt, doch ich verspreche,
ab sofort mein Versäumnis nachzuholen. Noch heute werden die
Handwerker kommen und jedes Haus renovieren und das ganze Viertel
wird verschönert.
Auch
bekommt jede Familie eine Rente, wie ich es schon vor Jahren
versprochen habe und zwar ab dem Zeitpunkt meines Versprechens.“
Sonja
aber winkte den zwei Lakaien, die eine Truhe trugen und der
Bauersfrau mit dem Korb voller Schmalzkringel und betrat das Haus in
dem Erika mit den Ihren lebte.
Nach
einem freundlichen Gruß, nahm die Prinzessin eines der Kringel und
hielt sie Erika hin.
„Ich
war sehr garstig zu dir und das tut mir leid, willst du mir
verzeihen?“
Erika
nickte stumm, nahm den Kringel und biss herzhaft hinein.
Sonja
lachte und umarmte das Mädchen. „Lass uns Freundinnen sein.“
Dann
nahm sie einen Kringel aus dem Korb und ging zur Großmutter, drückte
ihn ihr in die Hand und strich ihr zart über die Wange.
„Lasst
es euch schmecken, liebe Großmutter.“
Wie
ein Wirbelwind lief sie dann zu der Truhe und bat Erika, diese zu
öffnen.
In
der Truhe waren Blätter, Tintenfässchen, gespitzte neue Federn und
ein Menge Bücher mit wundervollen Bildern und Geschichten.
„ Nun
kannst du lernen, damit du im Winter deiner Großmutter vorlesen
kannst.“
Die
Freude in dem kleinen Häuschen, aber auch im ganzen Elendsviertel
brauche ich wohl nicht zu beschreiben.
Und
wenn die Leute von ihrer Prinzessin sprachen, dann hieß es, sie wäre
wunderschön, aber auch sehr klug und vor allem hatte sie ein gutes
mitfühlendes Herz.
©
Lore Platz 1.4.2022