Vorsichtig öffnete sich die Tür und Lena spähte herein Als sie
sah, dass Oma strickte, hüpfte sie ins Zimmer.
„Ich dachte du schläfst noch.“
Denn nach dem Mittagsschlaf erzählte ihr Oma immer eine
Geschichte.
Neugierig betrachtete das Mädchen das flauschige Gebilde.
„Was wird das?“
„Du weißt doch, dass Tante Christine bald ein Baby bekommt,
das wird ein Jäckchen und eine Mütze.“
Oma Emma deutete auf die Wolle, die auf der Kommode lag,
„ und daraus stricke ich eine Decke. Aber nun erzähle mal,
wie war es denn heute im Kindergarten? Und welche
Geschichte möchtest du heute hören?“
Lena grinste und begann zu singen „ Oh du lieber Augstin ...“
Die Oma stimmte mit ein und dann lachten beide.
„ Dieses Lied haben wir heute im Kindergarten gesungen und
Toby hat dazu Grimassen geschnitten und ist herum gehüpft.
Fräulein Erika schimpfte und sagte er soll nicht so
übertreiben.
Toby erklärte, dass er im Zirkus einen dummen Augustin
gesehen hat und der wäre die Sensation dort gewesen.“
„ Und du willst nun eine Geschichte vom Augustin?“
„Aber nicht von einem dummen, sondern von einem lieben.“
Nachdem sich Lena ein Stück Konfekt aus der Dose
genommen hatte, denn das gehörte auch zu ihrem täglichen
Ritual, kuschelte sie sich auf Omas Schoß und lauschte der
Geschichte.
"Oh
du lieber Augustin, Augustin, Augustin", sang der kleine Wichtel
Augustin. Das war sein Lieblingslied und er sang es, wo er ging und
stand. Er war nicht zu überhören und alle Waldbewohner wussten
stets, wo Augustin anzutreffen war.
Augustin war überhaupt ein
liebenswertes Kerlchen, immer gut gelaunt, immer hilfsbereit und
fröhlich.
Und da er eine schöne Stimmer hatte, hörten alle es
gern. Naja, vielleicht nicht alle.
Eulalia, die Eule, die in der
Nähe des Wichteldorfes in einer Baumhöhle hauste, brummte manchmal
ärgerlich, wenn sie nicht einschlafen konnte, Aber das ist nun mal
so, wenn man Nachtschicht hat.
Augustin hatte auch eine große
Schwäche, er war zu neugierig und das sollte ihm einmal zum
Verhängnis werden.
Eines Tages nämlich hatte er seltsame Geräusche in einer Baumhöhle wahrgenommen. Zuerst hatte er noch überlegt, ob er nicht einfach weitergehen sollte. Doch dann hatte zum einen die Neugier, aber auch die Hilfsbereitschaft gesiegt. Es hätte ja sein können, dass da jemand in Not war.
Das hätte er mal lieber nicht getan. Als er in die Höhle kroch sah ihm eine schreckliche Gestalt mit wütendem Gesicht entgegen und schnauzte ihn an.
"Was willst du hier!"
"Dasselbe könnte ich wohl auch fragen," empörte sich Augustin, der die Gestalt sofort als einen Kobold erkannt hatte. Kobolde waren die Erzfeinde von den Wichteln und durften deren Reich nicht betreten.
"Du, du Wicht! Geh mir aus den Augen, oder ...", brüllte der Kobold.
"Oder?", fragte Augustin mutig. Er sah gar nicht ein, dass dieser Kerl ihn vertreiben wollte. Das war sein Reich und der Kobold hatte nichts hier zu suchen, aber auch gar nichts.
Das wollte er ihm auch sagen. Doch da bemerkte er wie die Augen des Kobolds sich zu Schlitzen verengten, verspürte einen Schlag und es wurde ihm schwarz vor Augen.
Als er aufwachte, lag er in einer Höhle. Ene Maus beugte sich neugierig über ihn, verschwand aber blitzschnell, als ein Schlüssel rasselte und ein grimmig aussehender Kobold herein kam. Wortlos warf er ihm einige essbare Pilze hin, ein Brot und einen Krug mit Wasser.
„ He, warum habt ihr mich eingesperrt, lasst mich sofort frei.“
Der Kobold antwortet nicht und hinter ihm fiel die Tür krachend zu.
„Du bist hier, weil du den Kobold, der bei euch spionierte gesehen hast. Sie wollen nämlich die Wichtel überfallen und euer Gold stehlen. Kann ich etwas von den Pilzen haben? “
„Wir müssen meine Freunde warnen.“
„Du kannst hier nicht raus und für mich ist der Weg zu weit. Kann ich ein Stück von deinem Brot haben?“
Augustin nickte, denn er hatte keinen Hunger.
Traurig begann er zu singen:
„Oh du lieber Augustin, wo soll ich nur hin, bin hier gefangen, warte voll bangen, Kobolde wollen überfallen, meine Freunde alle. Oh du lieber Augustin, Augustin.“
Immer wieder wiederholte er dieses Lied und es drang hinüber in den Wald und die Tiere lauschten, doch niemand wusste was es bedeuten sollte.
Die Wichtel hatten Augustin schon längst vermisst und suchten ihn überall. Auf einmal hörten sie ihn singen. Sie liefen in den Wald, der Stimme nach, konnten ihn nirgend entdecken.
Fips der Kleinste deutete auf einen Baum. „Die Stimme kommt von dort oben.“
Doch wie sollte der kleine Wichtel so weit auf den Baum geklettert sein.
Wurzel strich über seinen Bart und sah genauer sind. „Das ist nicht Augustin, das ist eine Amsel, Amseln können Stimmen nachahmen. Aber hört, was ist das für ein Text?“
Ganz still lauschten sie und sahen sich erschrocken an. „Die Kobolde haben ihn gefangen und wollen uns überfallen.“
Sie liefen los zum Koboldreich. Auf der Hälfte des Weges kam ihnen Augustin entgegen. Mit Hilfe der Maus hatte er sich unter der Tür hindurch gegraben.
Als die Kobolde nachts kamen wurden sie von den Wichteln schon erwartet.
Sehr lange mussten sich die bösen Buben verstecken, denn die schwarze Farbe, mit der die Kanonen geladen waren, ging so schnell nicht ab.
©
Lore Platz 26.09.23