Montag, 30. September 2019

Hexenkind

Es liegt in der Natur des Menschen, dass alles was er nicht versteht ihm Angst macht.
Und Angst ist kein guter Ratgeber, denn es bringt die schlechtesten Eigenschaften im Menschen hervor.

Ich wünsche euch einen schönen Wochenanfang und viel Spaß beim Lesen!






Hexenkind

Vergnügt pfeifend schulterte der Holzfäller Andreas seine Axt und marschierte mit weit ausholenden Schritten durch den dämmrigen Wald.
Seine Kollegen waren schon längst nach Hause gegangen zu ihren Familien.
Aber auf ihn wartete niemand in der kleinen Hütte am Waldrand und so hatte er es nicht so eilig.
Es fing zu regnen an, aber das minderte seine gute Laune nicht.
Als er zu der großen Lichtung kam, blieb er abrupt stehen.
Ein wunderschönes graziles Mädchen tanzte selbstvergessen im warmen Sommerregen.
Als sie ihn erblickte lächelte sie heiter und winkte ihn heran.
Komm Andreas tanz' mit mir!“
Der junge Mann ließ die Axt fallen und ging wie im Traum auf die schöne Lichtgestalt zu und dann tanzten sie verliebt die ganze Nacht.
Einige Monate später.
Andreas konnte die schöne Fee nicht vergessen, aber so oft er auch zu der Lichtung lief, er traf sie nie wieder.
Heute war Sonntag und Andreas trat vor die Tür.
Er band die Ziege an den Pfahl, um sie zu melken und dann fütterte er die Hühner.
Als er zurück über den Hof ging nahm er eine Bewegung am Waldrand wahr.


Mit schnellen Schritten ging er auf die verhüllte Gestalt, die ihm so bekannt vorkam, zu.
Melisande, du bist es!“ jubelte er.
Die Fee lächelte traurig und trat einen Schritt zurück, als er sie umarmen wollte.
Sie hob ihm das Bündel, das sie in den Armen hielt entgegen und Andreas erblickte ein reizendes Baby, das ihn mit veilchenblauen Augen anstrahlte.
Das ist unsere Tochter Melody, ich vertraue sie dir an. Gib gut auf sie acht und schütze sie vor den Menschen.“
Warum bleibst du nicht bei mir und wir beschützen sie beide!“
Die Fee sah ihn mit einem traurigen Lächeln an.
Ich passe nicht in deine Welt, die Menschen würden mich zerstören. Außerdem hat mein Vater mich verbannt, denn es ist verboten, dass eine Fee sich mit einem Menschen vereint. Er hat mir nur erlaubt, dir unsere Tochter zu bringen. Lebe wohl!“
Mit Tränen in den Augen wandte sie sich ab und war verschwunden.



Das Baby gluckste und Andreas sah hinunter auf das bezaubernde Kind in seinen Armen.
Liebe zu dem kleinen Geschöpf zog in sein Herz und er flüsterte: „Meine Tochter, ich werde auf dich aufpassen!“
Es war nicht einfach für ihn, aber bald konnte er wunderbar mit dem Baby umgehen.
Er nahm es mit in den Wald, legte es auf eine Decke und bald sammelten sich die Tiere des Waldes um das kleine Mädchen, als wollten sie es beschützen.
Melody entwickelte sich prächtig und wuchs zu einem hübschen heiterem Kind heran, das gerne sang und lachte.
Wenn sie eine Pflanze berührte, dann wuchs diese besonders schön und prächtig und bald schon erkannte sie, dass sie die Sprache der Tiere verstand.



Die Leute im Dorf betrachteten die Kleine, die so anders als ihre Kinder war, mit scheelen Augen.
Und da Andreas ihnen nie die Frage nach der Mutter des Kindes beantwortete, stellten sie die abenteuerlichsten Vermutungen an.
Eines Tages, als sie wieder einmal auf dem Dorfplatz zusammen standen, meinte einer der Dörfler:
Vielleicht hat er sich ja im Wald mit einer Hexe eingelassen und nun hat er ein Hexenkind!“
Und der Name Hexenkind ward geboren.
Sie sprachen es leise und hinter vorgehaltener Hand, denn sie fürchteten den starken kräftigen Riesen Andreas.
Aber wenn sie Melody allein antrafen, dann riefen sie ihr schon Hexenkind und Ausgeburt der Hölle nach.
Am schlimmsten aber trieben es die Kinder, die ja von den Erwachsenen nichts anderes hörten.
Sie liefen sogar bis zum Häuschen am Waldrand und brüllten „Hexenkind! Hexenkind!“




Bis der große schwarze zottige Hund mit gefletschten Zähnen am Zaun hoch sprang und wütend bellte.
Dann liefen sie lachend und schreiend davon.
Der Hund Wolf kam zu ihnen als Melody ungefähr zwei Jahre alt war. Andreas hatte den Welpen im Wald gefunden und in relativ kurzer Zeit war er zu einem riesigen großen Wolf herangewachsen, der dem Mädchen nicht mehr von der Seite wich.
So konnte Andreas beruhigt in die Arbeit gehen, denn er wusste sein Kind hatte einen guten Beschützer.
So führten Vater und Tochter ein schönes beschauliches Leben.
Melody machte das Heim gemütlich und Andreas freute sich jetzt immer wenn er nach Hause kam.
Das Mädchen fühlte sich auch tagsüber nicht einsam, denn sie konnte sich mit Wolf unterhalten und auch die Tiere des Waldes besuchten sie täglich.
Die Dörfler aber mied sie.

Morgen geht es weiter

Freitag, 27. September 2019

Erlebnis im Zoo Ende

Mit dem Ende der Geschichte wünsche ich euch ein schönes Wochenende.
Übrigens habe ich diese Geschichte vor einigen Jahren für eines meiner kleinen Nachilfeschülerinnen geschrieben, das sehr unglücklich war, weil es eine Brille tragen musste.
Außerdem habe ich sie gefragt was ihr größter Wunsch wäre. Ihr werdet es hier erfahren.





Verdutzt starrt sie auf das Mädchen und fragt Rosalia.
Was ist denn das für ein Wesen?
Es trägt Fenster vor den Augen und prustet wie ein Drache!“
Petersilie, du Dummchen, das ist ein Menschenkind und sie trägt eine Brille, damit sie besser sehen kann. Weil du sie an der Nase gekitzelt hat, musste sie niesen," ließ sich ein feines Stimmchen vernehmen.



Sie gehörte einer wunderschönen Elfe, die etwas größer als die anderen war.
Hallo, ich bin Birkenblüte, die Königin der Elfen. Herzlich willkommen in unserem Reich und wer bist du?“
Ich bin Ramona und habe mich verlaufen.“
Die Elfenkönigin spreizt ihre Flügel und fliegt auf Ramonas Hand.
Nun werden auch die Blumenelfen zutraulicher.
Sie fliegen auf das Knie, die Schultern, die Arme, ja selbst auf den Kopf des Mädchens und erzählen mit ihren zarten Stimmen vom Elfenreich und ihren Aufgaben die Blumen zu pflegen und zu behüten.
Ramona bekommt richtig Lust das Elfenreich auch einmal zu besuchen und spricht diesen Wunsch auch aus.
Plötzlich verstummt das Gezwitscher der kleinen Leute und es wird mucksmäuschenstill.
Das geht doch nicht. Du würdest mit deinen großen Füßen unsere Häuser zertrampeln!“ ruft eine kleine Elfe und die anderen murmeln zustimmend.
Birkenblüte aber lächelt.
Nun Ramona, wie du sicher weißt hat ein Menschenkind, dem es gelingt das Märchenreich zu betreten, drei Wünsche frei. Ich kann dir deinen Wunsch erfüllen.“
Unwilliges Murren ringsum ertönt.
Birkenblüte hebt die Hand: „Vertraut mir!“
Ramonas Augen aber leuchten.
Du hast noch zwei Wünsche frei.“
Das Mädchen braucht nicht lange zu überlegen.
Ich möchte zu meinen Eltern und meiner Oma zurück!“
Dabei kann ich dir helfen, dein dritter Wunsch?“
Nun wird Ramona etwas verlegen, sie geniert sich den dritten Wunsch auszusprechen.
Aufmunternd lächelt die Elfenkönigin ihr zu.
Ich möchte so gerne vom Hals einer Giraffe rutschen.“
Die kleinen Leute fangen herzlich an zu lachen.
Birkenblüte schmunzelt:
Ein ungewöhnlicher Wunsch, aber ich kann ihn dir erfüllen. Doch nun will ich dir unser Reich zeigen.“
Die kleinen Leute scharren sich om ihre Königin und Ramona.
Birkenblüte hebt ihren Zauberstab ein goldener Sternenregen fällt auf Ramona herab.
Sie spürt ein Kribbeln und Ziehen in ihren Gliedern und beginnt zu schrumpfen.
Die Elfen schütten sich aus vor Lachen, als das Mädchen in Jeans und T-Shirt und festen Schuhen, aber nicht größer als eine Elfe unter ihnen weilt.
Ramona aber staunt.
Wie anders sieht die Welt aus, wenn man nur daumengroß war. Jeder Grashalm erschien wie
ein Baum. Ein Käfer, der schwerfällig vorbei krabbelt hat die Größe eines Pferdes und ein Regenwurm, der gerade aus seinem Loch krabbelt kommt ihr vor wie eine Schlange.
Birkenblüte nimmt Ramona an der Hand und fliegt mit ihr über eine Mauer in einen großen wunderschönen Garten voller prächtiger Blumen.
Unter jeder Blume befindet sich ein zierliches hübsches Häuschen und mitten in einem duftendem Rosenbusch liegt ein Schloss.
Wie staunt Ramona, als die Elfenkönigin sie von Zimmer zu Zimmer führt.
Im Arbeitszimmer wird sie dem König vorgestellt und im Salon mit Honigtee und Blumenkuchen bewirtet.
Viel zu schnell vergeht die Zeit, aber Birkenblüte drängt zum Aufbruch, denn bald würde der Zoo schließen.
Mit Ramona an der Hand fliegt die Elfenkönig über die Mauer zurück zum Zoo.
Bald tauchen unter ihnen die Käfige und Tiergehege auf. Auch die Menschenmassen sind wieder zu sehen und es wird lauter.
Sie landen auf einem Baum.
Eine schwarze Nase taucht zwischen dem Blättergewirr auf und eine breite rosa Zunge angelt nach dem Blatt auf dem die Beiden sitzen.
Birkenblüte schlägt mit dem Zauberstab auf die Nase des Ungetüms.




Die Blätter teilen sich und zwei samt braune Augen
blinzeln sie an.
Ach, du bist es Birkenblüte, warum schlägst du mich?“
Weil du großer Dummerjan uns beinahe mit den Blättern verschlungen hättest.“
Verzeihung!“
Guck das nächste Mal, was du frisst, Gerlinde!
Übrigens darf ich dir meine Freundin Ramona vorstellen.“
Guten Tag,“ grüßt das Mädchen schüchtern.
Guten Tag, du bist ein wenig ungewöhnlich angezogen.“
Nun sie ist ja auch ein Menschenkind und sie hat einen großen Wunsch, bei dem du uns helfen kannst.“
Gerne, was wünscht du dir denn Kleine?“
Wieder ist es Birkenblüte, die antwortet, denn Ramona bleibt vor lauter Verlegenheit stumm.
Sie möchte gerne auf deinem Hals hinunter rutschen.“
Gerlinde lacht herzlich.
Was für ein ungewöhnlicher Wunsch, aber bitte ich erfülle ihn dir gerne.“
Gutmütig streckt sie ihre Nase nach vorn und die beiden kleinen Wesen klettern auf ihr entlang bis hinauf zur Stirn.
Zwischen den Ohren setzen sie sich nieder.
Nun los, Ramona, lacht Birkenblüte und die Giraffe macht einen extra langen Hals, damit eine schöne steile Rutschbahn entsteht.


Hurra! War das ein Spaß den langen Hals hinunter zu rutschen. Doch Ramona hat soviel Schwung. Dass sie über den Rücken der Giraffe schlittert und diese ganz schnell den Schwanz hebt, damit das Mädchen nicht zu Boden stürzt.
Birkenblüte taucht neben ihr auf.
Wie war es!“
Wundervoll!“ jubelt Ramona
Doch nun komm, der Zoo wird bald schließen.“
Sie danken Gerlinde, sagen Lebewohl und Ramona wird auf einmal sehr, sehr müde.

Sie hört die Stimme ihre Mutter.
Manfred, Sonja ich habe sie gefunden, beim Giraffenhaus, sie schläft!“
Mühsam öffnet Ramona die Augen, dann lächelt sie ihre Mutter an.
Mama ich hatte einen wunderschönen Traum!“

© Lore Platz

Donnerstag, 26. September 2019

Erlebnis im Zoo



Nun da es wieder kälter wird, die Badesaison vorbei, ist stellt sich die Frage, was unternehmen wir mit unseren Kindern oder Enkelkindern.
Da bietet sich doch ein Besuch im Zoo an.
Manchmal kann das auch ganz schön aufregend sein und man begegnet Wesen, die man im Zoo überhaupt nicht vermutet.
So ist es der kleinen Ramona ergangen, deren Geschichte ich euch erzählen möchte.
Macht es euch bequem und hört gut zu.






Erlebnis im Zoo



Ramona, trödle nicht, wir müssen noch die Oma abholen,“ ruft Gerda ungeduldig, während Jan schon hinaus zum Auto geht.
Ich komm ja schon!“ brüllt Ramona, schnappt ihre Tasche und verlässt das Zimmer.
Hübsch sieht sie aus in der hellblauen Jeans und dem pinkfarbenen T-Shirt.
Auf der kecken mit Sommersprossen übersäten Nase
sitzt eine niedliche Brille.
Die dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, wippen fröhlich auf und ab, als sie die Treppe hinunter springt.
Vor dem Haus der Oma, springt das quirlige Persönchen aus dem Auto und läutet Sturm.
Tante Nadine öffnet.
Nicht so stürmisch, Ramona!“ lacht sie.
Wir fahren heute in den Zoo, kommst du mit, biiiitte!“
Das geht nicht, ich muss noch arbeiten,“ bedauert die Tante.
Schade!“ mault das Mädchen.
Und dass ich mitkomme, bedeutet wohl gar nichts!“
Oma Sonja, eine jugendlich wirkende Frau in den Fünfzigern, betritt den Flur.
Natürlich!“ jubelt Ramona und wirft sich der geliebten Oma in die Arme.
Ein fröhliches übermütiges Winken für die Tante, dann verlassen die Beiden das Haus.
Im Auto steht das kleine Plappermäulchen keinen Augenblick still, so aufgeregt und glücklich ist sie.
Endlich ist der Parkplatz zum Zoo erreicht, der Weg zum Zoo überstanden, die Kasse passiert und nun kann es losgehen.
Die Sonne strahlt hell und warm vom Himmel, als hätte sie sich extra blank geputzt für Ramonas Zoobesuch.
Sie lacht über die Schimpansen, die auf den Bäumen turnen und von dort oben frech auf die Besucher herab sehen.
Die Gorillas mit ihrer gedrungen Gestalt und den tiefliegenden kleinen Augen flößen ihr etwas Furcht ein.
Doch die Paviane daneben, die ihre feuerroten Hintern verächtlich den Besuchern zeigen, bringen sie wieder zum Lachen.
Bei den Zebras erklärt ihr der Vater, dass kein Zebra
die gleichen Zeichen hätte.
Die verschiedenen Musterungen helfen den Tieren sich wiederzuerkennen und zu unterscheiden.
Zebrafohlen prägen sich das Muster ihrer Mutter ein, damit sie diese immer wieder finden.
Ramona hört aufmerksam zu, denn sie ist ein kluges und lernbegieriges Kind.
Doch allmählich wird sie müde und etwas maulig.
Gerda und Sonja gehen mit ihr zu einem Kiosk, vor dem Stühle und stehen, während der Vater zum Reptilienhaus weiter geht.
Nach einem Hamburger und einem Eis geht es Ramona bedeutend besser.
Ausgeruht und unternehmungslustig macht sie sich auf die Suche nach ihrem Papa.
Leider allein.
Oma und Mama haben vor lauter Ratschen nicht mit bekommen, dass Ramona verschwunden ist.
Vergnügt marschiert das kleine Fräulein durch die Menschenmassen auf der Suche nach dem Reptilienhaus.
Doch der Zoo ist groß und immer wieder führen Wege nach rechts und links ab.
Ramona hat sich hoffnungslos verirrt.
Mutlos und verzweifelt irrt sie vorwärts.
Da weiter vorne führt wieder ein Weg nach rechts ab.
Sie läuft sie in den Seitenweg.
Je weiter sie geht, umso leiser wird der Lärm, bis er plötzlich ganz verstummt.



Auch keine Käfige sind mehr zu sehen, nur brachliegendes Land voller Steine und Bauschutt.
Vereinzelt sprießen noch einige Grashalme.
Weiter hinten aber liegt eine große Wiese mit vielen bunten Blumen.
Dorthin läuft das Mädchen und lässt sich ins Gras sinken.
Sie fühlt sich einsam und ängstlich.
Dicke Tränen kullern über ihr Gesicht und sie beginnt laut nach ihrer Mutter zu rufen.
Bist du verrückt, so laut zu kreischen!“ zetert ein feines Stimmchen.
Doch Ramona hört es nicht.
Da wird sie in die Wade gezwickt und erschrocken verstummt sie, wischt sich die Tränen ab und besieht sich ihr Bein, auf dem ein winzig kleiner blauer Fleck sichtbar wird.
Das hast du nun davon!“ hört sie eine ärgerliche
Stimme piepsen.




Ein daumengroßes pummeliges Wesen steht zu ihren Füßen und sieht ziemlich grimmig drein.
Wer bist denn du?“
Ich? Ich bin Rosalia die Kinderfrau der Elfenkinder, die du mit deinem Geschrei aufgeweckt hast und nun haben meine Mädchen alle Hände voll zu tun die Kleinen wieder zu beruhigen.“
Ramona sieht sich suchend um.
Blumenelfen, wo sind sie denn?“
Wo sie sind!“ ruft das Persönchen vorwurfsvoll.
Versteckt haben sie sich. Sie haben ein feines Gehör und du mit deinem Gebrüll hast sie in Angst und Schrecken versetzt.“
Entschuldige, das wollte ich nicht. Ich war nur so verzweifelt, weil ich mich verlaufen habe,“ meint Ramona und wieder treten Tränen in ihre Augen. 
Schon gut, schon gut, fang bloß nicht wieder an.“
Das Mädchen lächelt unter Tränen.
Keine Angst, ich werde nicht mehr laut werden, versprochen.“
Das ist gut,“ seufzt die Kinderfrau erleichtert,
ich werde jetzt die anderen holen.“
Darf ich mit gehen?“
Entsetzt schüttelt Rosalia den Kopf.
Nein, du würdest mit deinen Riesenfüßen womöglich noch ein paar Elfen zertreten. Bleib lieber hier!“
Du kommst auch bestimmt wieder zurück?“
Keine Sorge!“
Die Elfe verschwindet im Gras und Ramona sieht nur wie die Grashalme sich schnell bewegen, als würde der Wind sie streifen.
Es dauert nicht lange, da vibriert die Luft von feinen Schwingen und Ramona sieht eine dunkel Wolke, die auf sie zukommt.
Erst als diese näher kommt, kann sie viele Elfenfrauen und Elfenmänner erkennen.



Sie lassen sich in einem Kreis um das Mädchen im Gras nieder.
Nur ein paar besonders Kecke schwirren um Ramonas Kopf, zupfen sie an den Haaren, streifen ihre Wangen, was das Mädchen zum kichern bringt, weil es kitzelt.
Ein besonders freches Ding setzt sich sogar auf ihre Nase und klopft gegen die Brille.
Ramona muss niesen und das kleine Ding stürzt herunter, schlägt einen Salto in der Luft und landet mit wild schlagenden Flügeln im Gras.

Morgen geht es weiter

 

Mittwoch, 25. September 2019

Der kleine Zwerg






Der kleine Zwerg


Die achtjährige Lenerl stapft mit tief gesenktem Kopf die Auffahrt entlang und betritt das Haus. Sie nimmt den Schulranzen ab und stellt ihn auf den Boden neben den Schuhen, die aufgereiht wie die Soldaten nebeneinander stehen.
Die Mutter steckt den Kopf durch die Küchentür und begrüßt sie lächelnd, doch dann wird ihr Gesicht ernst.
Sie sieht der Kleinen an, dass etwas schief gelaufen ist, doch sie spricht sie nicht darauf an. Lenerl wird darüber selbst sprechen, wenn sie dazu bereit ist.
Im Gegensatz zu der zwölfjährigen Elsa, die mit beiden Beinen fest auf der Erde steht, ist Lenerl ein empfindsames Kind, das man anders behandeln muss, als ihre Schwester.
Schweigsam löffelt sie dann auch ihre Suppe, während Elsa aufgeregt von ihrem Projekt erzählt, das sie für Schule basteln muss. Sie sollten aus den Materialien die der Herbst schenkt etwas bauen und sie will einen Märchenwald basteln.
Heute Vormittag sind sie mit ihrer Klasse zwei Stunden durch den Wald gestreift und haben Moos, Tannenzapfen, Blätter und kleine Äste gesammelt und Kastanien durften sie von dem großen Baum im Schulhof schütteln.
Lachend erzählt sie wie sie mit dem großen Max fast um die Kastanien gerauft hat.

Die Mutter hört nur mit einem Ohr zu, denn sie sieht wie dicke Tränen in Lenerls Suppe tropfen und gibt Elsa mit der Hand ein Zeichen.
Diese bemerkt nun auch das traurige Gesicht ihrer Schwester.
Was hast du denn?“
Die andern haben gesagt ich darf heute Nachmittag nicht mitkommen zum spielen, weil ich ein Feigling und Angsthase bin und deshalb ein Spaßverderber,“
schluchzt Lenerl, springt auf und verlässt laut weinend die Küche.
Elsa will ihr nachlaufen, doch die Mutter hält sie zurück.
Lass sie, du weißt Lenerl muss sich erst ausweinen bevor man wieder vernünftig mit ihr sprechen kann.“
Und so ist es auch. Nach einiger Zeit kommt die Kleine wieder in die Küche und schmiegt sich an die Mutter und nach einer Tasse heißen Kakao sieht alles schon wieder besser aus.
Und als Elsa ihrer Schwester vorschlägt, ihr beim Basteln zu helfen, da ist die Welt für Lenerl wieder in Ordnung.
Glücklich sitzt sie neben ihrer Schwester vor sich den Korb mit den heute gesammelten Materialien, die so herrlich nach Wald duften.
Unter den geschickten Händen von Elsa entstehen nun Zapfenbäume, aus Klorollen, Ästchen und Zapfenschuppen.
Die Klorollen darf Lenerl aus der großen Schatztruhe ihrer Schwester holen.




Die Kleine liebt diese Truhe, in der Elsa alles sammelt, was sie zum basteln brauchen konnte.
Auf einer großen Platte, die sie von der Schule bekommen hatte. klebt die Künstlerin nun die Bäume auf. Lenerl darf das duftende Moos verteilen, dann sieht sie staunend zu, wie ihre Schwester mit geschickten Händen einen großen Bär aus Kastanien bastelt. Eine Kastanie schnitzt sie zu einem Bärenkopf.



Hier, mal die gelb an.“
Elsa reicht Lenerl eine große Kastanie. Und voll konzentriert, die Zungenspitze zwischen den Lippen, bemalt diese die Kastanie.
Was wird das?“
Elsa lächelt und bemalt mit dünnen Pinselstrichen die gelbe Kastanie.
Ein Kürbis?“
Ja ich bastle einen Märchenwald und dies ist der Kürbis, aus der die Fee die Kutsche von Aschenputtel zaubert.“
Elsa deutet auf den Bär, der bereits zwischen den Bäumen steht.
Das ist der Prinz, den der böse Zwerg aus Schneeweißchen und Rosenrot, verzaubert hat.“
Nun wird der Märchenwald immer schöner.
Aus Hagebutten, Blättern und Gewürznelken, entstehen Aschenputtel, Schneewittchen, Hänsel und Gretel, Rotkäppchen.




Die gute Fee bekommt ein Kleid aus Federn, die Lenerl aus der Schatztruhe holen darf.
Diese Federn hatten einst Tante Luises Hut geschmückt, bevor die Katze ihn in die Pfoten
bekam.
Froschkönig und den Wolf schnitzt Elsa wieder aus Kastanien und bemalt sie.
Zufrieden betrachtet sie ihr Werk.
Nun fehlen nur noch die sieben Zwerge, suche mir bitte sieben gleich große Tannenzapfen.“
Lenerl kramt im Korb und holt sieben Zapfen heraus.




Ein ganz kleiner Zapfen liegt ganz versteckt zwischen dem Moos und es ist Lenerl als hört sie ihn flüstern. "Nimm mich auch mit."
Vorsichtig hebt sie ihn heraus und reicht ihn ihrer Schwester.
Der ist viel zu klein, wirf ihn wieder in den Korb!“
Darf ich ihn behalten?“
Ihre Schwester lächelt gutmütig und mit flinken Fingern bemalt sie den Kümmerling und reicht ihn ihrer Schwester.
Danke !“ Glücklich drückt Lenerl das Zwergerl an sich.
Und als sie abends ins Bett geht darf er auf ihrem Nachtisch stehen.





Lenerl erwacht mitten in einer blühenden Wiese. Bienen um schwirren summend die Blumen. Schmetterling gaukeln durch die Luft und ein Heuhüpfer landet direkt auf ihrer Nase.
Lenerl muss niesen und der kleine grüne Kerl landet im Gras und hüpft in großen Sprüngen davon.
Das Mädchen setzt sich auf und erblickt einen Zwerg, der sie vergnügt angrinst.
Wer bist du denn du?“


Kennst du mich nicht mehr, ich bin der kleine Zwerg, den deine Schwester dir gebastelt hat.“
Und wo sind wir hier?“
Der Zwerg deutet auf den Wald gegenüber.
Das ist der Märchenwald, wollen wir ihn uns ansehen?“
Lenerl nickt eifrig und sie laufen in den Wald. Stille umgibt sie, nur ab und zu raschelt es, wenn ein kleines Tier durch die Büsche läuft.
Plötzlich ist ein lautes Brummen zu hören und ein großer Bär taucht zwischen den Bäumen auf.
Das Mädchen hat keine Angst, weiß sie doch, dass es der verzauberte Prinz ist.
Der kleine Zwerg, der sich hinter ihr versteckt hat, zupft sie am Kleid und flüstert.
Komm lass uns weitergehen, der Bär hat nämlich Zwerge zum Fressen gern.“
Lachend winkt Lenerl dem Bär und folgt dem Kleinen.



Sie kommen an einen Teich, in dessen Mitte auf einem Seerosenblatt ein dicker Frosch mit einer goldenen Krone sitzt,
Schönes Fräulein,“ ruft er,“kommt näher, wollt ihr mich küssen!“
Lernel winkt ab.
Da müsst ihr schon warten, bis die Prinzessin mit
dem goldenen Ball kommt.“
Als sie weiter gehen kommen ihnen zwei Kinder entgegen.
Wir haben großen Hunger, habt ihr was zu Essen für uns.“
Bedauernd schüttelt Lenerl den Kopf.

Komm Gretel, ich habe gehört hier gibt es irgendwo ein Lebkuchenhaus.“ „Ja Hänsel.“
Hand in Hand laufen die Geschwister weiter.
Auch Lenerl und ihr kleiner Begleiter wandern weiter.
Es raschelt und seine spitze Nase voran schiebt sich ein großer grauer Wolf durch das Gebüsch.
Hallo, kleines Mädchen, wohin des Weges?“
Er kommt näher, die Lefzen heben sich und große spitze Zähne sind zu sehen.
Ängstlich weichen Lenerl und der kleine Zwerg zurück.
Der Wolf kommt immer näher.



Eine goldene Sonnenkugel erscheint zwischen den Bäumen und eine wunderschöne Fee steht zwischen dem Wolf und Lenerl.
Das ist nicht Rotkäppchen, lass sie in Ruhe!“ sagt sie streng
Weiß ich, aber ein zarter Leckerbissen.“
Soll ich den Jäger rufen?“
Spielverderberin!“
Der Wolf dreht sich um und verschwindet im Gebüsch.
Danke liebe Fee.“
Diese lächelt.
Nun lebt wohl, ich muss zu Aschenputtel und ihr beim Ankleiden für den Ball heute Nacht helfen.“
Sie verwandelt sich wieder in den Sonnenball und schwebt durch die Bäume davon.
Auch die Beiden wandern weiter.
Eine wunderschöne junge Frau mit pechschwarzem Haar steht vor einem Häuschen, die Hand über den
Augen, als würde sie nach jemanden Ausschau halten.
Lächelnd grüßt sie und fragt:
Seid ihr unterwegs sieben Zwergen begegnet?“
Nein, sind wir nicht,“ meint Lenerl.
Das sie doch nie pünktlich sein können, das Essen ist längst fertig.“
Kopfschüttelnd kehrt sie in das Haus zurück.
Lenerl und der kleine Zwerg sehen sich an und kichern.



Nebel steigt auf einmal auf, wird immer dichter und ein lauter durchdringender Wutschrei ertönt.
Ein wilder Wind fährt durch den Wald und wirbelt Sand und Blätter auf.
Lenerl und der Zwerg drängen sich erschrocken aneinander.
Kommt mit, die gute Fee schickt mich, ich soll euch in meine Höhle mitnehmen.“
Ein Eichkätzchen taucht aus der Nebelwand auf, dreht sich um läuft los, die beiden folgen ihm bis zu einem großen Baum.
Das putzige Tier springt auf den Stamm und saust nach oben. Der kleine Zwerg kann sich gerade noch an ihren buschigen Schwanz festklammern.
Lenerl aber bleibt unten stehen und sieht ängstlich nach oben.
Der kleine Zwerg dreht sich um und ruft.
Beeile dich, du musst den Baum heraufklettern.“
Ich habe Angst!“
Du darfst bloß nicht nach unten schauen, dann geht es schon!“


Zitternd vor Angst steht das Mädchen da.
Hinter sich hört sie es ächzen und stöhnen und als sie sich umblickt, sieht sie wie der Boden des Waldes sich erhebt und wellenartig auf sie zukommt.
Mit einem Quietschen springt sie hoch und fasst den ersten Ast und dann klettert sie flink wie ein Eichkätzchen den Stamm entlang. Der kleine Zwerg streckt ihr die Hand entgegen und hilft ihr in die Baumhöhle.
Nachdem sie sich beruhigt hat fragt sie erstaunt ihre Gastgeberin.
Was ist denn das?“
Das Eichkätzchen winkt lässig mit der Pfote.
Die dreizehnte Fee aus Dornröschen hat wieder mal einen ihrer Wutanfälle.“
Ganz schön heftig,“ brummt der kleine Zwerg.
Dauern dies Anfälle lange?“ will Lenerl wissen.
Nein!“
Schweigend sehen sie nun der aufgebrachten Natur zu.
Dann wird es still, der gewölbte Boden streckt sich, die abgerissen Blätter wirbeln zurück an die Bäume.
Es ist vorbei, wir können wieder hinunter.“
Das Eichkätzchen verlässt seinen Bau und rast den Stamm hinunter. Der kleine Zwerge hat Mühe sich an ihrem Schwanz festzuhalten.
Lenerl atmet tief durch und macht sich an den Abstieg.

Lenerl, aufstehen, du musst in die Schule.“
Verwirrt blickt das Mädchen in die lachenden Augen ihrer Mutter.





Nach dem Frühstück geht Lenerl zur Schule. Doch je näher sie dem Schulhaus kommt , umso langsamer wird sie.
In der ersten Stunde hatten sie Sport und die anderen würden sie wieder auslachen, weil sie sich
nicht auf die Kletterwand traute.
Ihre Brotzeittasche klappert und der kleine Zwerg sieht sie an.
Wer vor der bösen Fee schnell wie ein Wiesel auf einen großen Baum geklettert ist, der wird doch vor so einer kleinen Kletterwand keine Angst haben.“
Lenerl strahlt: „Du hast Recht!“

© Lore Platz