Der Weihnachtsbaum muss raus!
Elke hielt mit beiden Händen die Kaffeetasse und sah glücklich lächelnd auf den leuchtenden Weihnachtsbaum.
Wie sie ihn liebte, diesen Duft nach Tanne und die bunten Lichter, die sie so sehr an früher erinnerten, als sie noch Kind war und glücklich. Noch nicht gefangen in einer kalten Ehe.
Die ersten Jahre waren noch schön, doch dann hatte sich etwas verändert. Es war genauso, als wäre sie ein Zombie.
Vielleicht war sie ja auch schuld, denn sie hatte viel zu viel aufgeben und sich zu sehr untergeordnet.
Erst war es ihr geliebter Beruf, denn Sebastian wollte, dass sie nur für ihn da war.
Dann hatte er nach und nach ihre Freundinnen vergrault, weil er sie ganz für sich haben wollte.
Und ihren Kinderwunsch hatte er einfach ignoriert, denn er war viel zu egoistisch, alles sollte sich nur um ihn drehen.
Und nun hatte sie erfahren, dass er auch noch eine Geliebte hatte, die neue Nachbarin, die in die Vogelvilla am Ende der Straße eingezogen war.
Aber seltsamerweise berührte sie das kaum, sie hatte sich schon lange innerlich von ihrem Mann entfernt.
Sie hörte ihn die Treppe herunter poltern und dann rief er auch schon.
„Warum steht das Frühstück nicht auf dem Tisch!“
Elke nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und grinste.
„Wieso sitzt du hier und glotzt den dämlichen Weihnachtsbaum an, statt mir ein Frühstück zu machen.“
Elke drehte sich um und warf ihrem Mann einen spöttischen Blick zu.
„Der Kaffee ist in der Kanne, im Kühlschrank sind Eier und Speck, wie man einen Toast in den Toaster steckt wirst du ja wissen.“
„Was soll das! Ich arbeite Tag und Nacht , damit du ein schönes faules Leben hast und da kann ich doch wenigstens verlangen, dass du mir ein gutes Frühstück bereitest!“
Elke zuckte nur die Schultern.
Sebastian wurde noch wütender.
„Außerdem der Weihnachtsbaum muss raus, warum steht er immer noch hier, willst du vielleicht an Ostern die Eier dran hängen. Verrückt genug bist du ja, mit deinem dämlichen Weihnachtsfimmel!“
Langsam stellte Elke ihre Tasse ab und wandte sich ihrem Mann zu.
„Ja, ich liebe Weihnachten, weil dieses Fest etwas Wärme in mein Leben bringt, denn sonst erfriere ich neben dir.
Vielleicht hätte ich weiter gemacht und
wäre nicht zur Vernunft gekommen. Aber da du dir nun eine Geliebte zu gelegt hast, finde ich, es ist Zeit für dich zu gehen.“
Sebastian wurde blass: „Du weißt von Angela!“
„Denkst du wirklich, das bleibt geheim, wie naiv bist du denn,“ spöttisch zog Elke die Brauen hoch.
„Übrigens deine Koffer stehen gepackt in der Diele, ich möchte, dass du noch heute das Haus verlässt. Wie du weißt, gehört dieses Haus meinen Eltern.
Und mein Anwalt wird sich demnächst mit dir in Verbindung setzen und die Scheidung besprechen.“
Elke schloss die Augen und dankte dem guten Geist, der sie davor bewahrt hatte, das Angebot ihres Vaters anzunehmen, der ihnen das Haus überschreiben wollte.
„Aber du kannst mich doch nicht einfach raus schmeißen, wo soll ich denn hin.“
„Nun deine Geliebte wird dich sicher mit offenen Armen empfangen,“ grinste seine baldige Exfrau.
Wütend drehte er sich um und knallte die Tür zu.
Der Tannenbaum ließ vor Schreck ein Häufchen Nadeln fallen.
Bedauernd sah Elke ihn an.
„Armer Kerl ich denke auch wir beide müssen uns schön langsam trennen.“
Die Haustür fiel ins Schloss und gleich darauf heulte der Motor des Autos auf.
Elke sprang auf und tanzte ausgelassen durch das Wohnzimmer.
Frei endlich frei!
© Lore Platz ( 2022)