Donnerstag, 29. Dezember 2022

Der Weihnachtsbaum muss raus

 

 

    

                    

Der Weihnachtsbaum muss raus!



Elke hielt mit beiden Händen die Kaffeetasse und sah glücklich lächelnd auf den leuchtenden Weihnachtsbaum.

Wie sie ihn liebte, diesen Duft nach Tanne und die bunten Lichter, die sie so sehr an früher erinnerten, als sie noch Kind war und glücklich. Noch nicht gefangen in einer kalten Ehe.

Die ersten Jahre waren noch schön, doch dann hatte sich etwas verändert. Es war genauso, als wäre sie ein Zombie.

Vielleicht war sie ja auch schuld, denn sie hatte viel zu viel aufgeben und sich zu sehr untergeordnet.

Erst war es ihr geliebter Beruf, denn Sebastian wollte, dass sie nur für ihn da war.

Dann hatte er nach und nach ihre Freundinnen vergrault, weil er sie ganz für sich haben wollte.

Und ihren Kinderwunsch hatte er einfach ignoriert, denn er war viel zu egoistisch, alles sollte sich nur um ihn drehen.

Und nun hatte sie erfahren, dass er auch noch eine Geliebte hatte, die neue Nachbarin, die in die Vogelvilla am Ende der Straße eingezogen war.

Aber seltsamerweise berührte sie das kaum, sie hatte sich schon lange innerlich von ihrem Mann entfernt.

Sie hörte ihn die Treppe herunter poltern und dann rief er auch schon.

Warum steht das Frühstück nicht auf dem Tisch!“

Elke nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und grinste.

Wieso sitzt du hier und glotzt den dämlichen Weihnachtsbaum an, statt mir ein Frühstück zu machen.“

Elke drehte sich um und warf ihrem Mann einen spöttischen Blick zu.

Der Kaffee ist in der Kanne, im Kühlschrank sind Eier und Speck, wie man einen Toast in den Toaster steckt wirst du ja wissen.“

Was soll das! Ich arbeite Tag und Nacht , damit du ein schönes faules Leben hast und da kann ich doch wenigstens verlangen, dass du mir ein gutes Frühstück bereitest!“

Elke zuckte nur die Schultern.

Sebastian wurde noch wütender.

Außerdem der Weihnachtsbaum muss raus, warum steht er immer noch hier, willst du vielleicht an Ostern die Eier dran hängen. Verrückt genug bist du ja, mit deinem dämlichen Weihnachtsfimmel!“

Langsam stellte Elke ihre Tasse ab und wandte sich ihrem Mann zu.

Ja, ich liebe Weihnachten, weil dieses Fest etwas Wärme in mein Leben bringt, denn sonst erfriere ich neben dir.



Vielleicht hätte ich weiter gemacht und

wäre nicht zur Vernunft gekommen. Aber da du dir nun eine Geliebte zu gelegt hast, finde ich, es ist Zeit für dich zu gehen.“

Sebastian wurde blass: „Du weißt von Angela!“

Denkst du wirklich, das bleibt geheim, wie naiv bist du denn,“ spöttisch zog Elke die Brauen hoch.

Übrigens deine Koffer stehen gepackt in der Diele, ich möchte, dass du noch heute das Haus verlässt. Wie du weißt, gehört dieses Haus meinen Eltern.

Und mein Anwalt wird sich demnächst mit dir in Verbindung setzen und die Scheidung besprechen.“

Elke schloss die Augen und dankte dem guten Geist, der sie davor bewahrt hatte, das Angebot ihres Vaters anzunehmen, der ihnen das Haus überschreiben wollte.

Aber du kannst mich doch nicht einfach raus schmeißen, wo soll ich denn hin.“

Nun deine Geliebte wird dich sicher mit offenen Armen empfangen,“ grinste seine baldige Exfrau.

Wütend drehte er sich um und knallte die Tür zu.

Der Tannenbaum ließ vor Schreck ein Häufchen Nadeln fallen.

Bedauernd sah Elke ihn an.

Armer Kerl ich denke auch wir beide müssen uns schön langsam trennen.“

Die Haustür fiel ins Schloss und gleich darauf heulte der Motor des Autos auf.

Elke sprang auf und tanzte ausgelassen durch das Wohnzimmer.

Frei endlich frei!


© Lore Platz

 

Montag, 19. Dezember 2022

Die kleine Schneeflocke *




Elli M.



Der Tanz der Schneeflocken

Hurtig Nordwind spiele auf,
stimme deine Geigen
Schneeflocken wollen dir
den neusten Tanz nun zeigen
In zartem Schmelz die weißen Flöckchen
so wirbeln sie hernieder
Und dreh`n vergnügt nach der Musik
die zarten feinen Glieder

© Lore Platz


Die kleine Schneeflocke

Glitzerchen sieht bewundernd an sich herunter. Wie wunderschön ihr Kleidchen doch ist.
Zum ersten Mal ist sie nun eine Schneeflocke.
Vor kurzem noch lag sie mit ihren Geschwistern in einer schmutzigen Pfütze.
Doch dann kam Mutter Sonne und saugte sie alle auf.
Ach wie herrlich warm war es da, doch je höher sie stiegen umso kälter wurde es, bis es richtig schrecklich war und sie für einen Moment das Bewusstsein verlor.
Als sie wieder erwachte befand sie sich in dieser Wolke und trug ein herrlich glitzerndes weißes Kleid.
Mit spitzen Fingern hebt sie das Röckchen und dreht sich wie ein kleine Ballerina.
Fröhliches Lachen reißt sie aus ihrer Verzückung.
Kristalla, die schon oft den Kreislauf der Natur durchlebt hat und zur Schneeflocke wurde, fragt lächelnd.
Es gefällt dir wohl dein neues Kleid, das ging mir genauso beim ersten Mal, aber nun komm, das große Wolkentor wird geöffnet.“
Sie nimmt die Jüngere an der Hand und sie laufen zum Tor, an dem sich tausende von zarten weißen Flöckchen kichernd und schwatzend versammelt haben.
Frau Holle kommt aus ihrem Zimmer und klatscht in die Hände.
Ruhe meine Damen, etwas mehr ernst bitte!“
Sie drängt sich durch die kleine Schar nach vorne und winkt ungeduldig die naseweisen Flöckchen etwas zurück.
Tretet zur Seite, sonst kann ich ja das Tor nicht öffnen,“ ruft sie ärgerlich.
Langsam schwingen die beiden Flügel des schneeweißen Wolkentores auf und vor ihnen erscheint der graue Himmel.
Das lustige Gesicht des Windes taucht auf und fröhlich ruft er.
Nun denn auf, wir wollen tanzen!“
Mit einem Jubelschrei stürzen sich tausend und abertausend weiße zarte Schneeflocken in die Tiefe.
Frau Holle tritt schnell zurück, damit sie nicht mitgerissen wird.
Kristalla aber fasst Glitzerchen fest an der Hand, damit sie nicht getrennt werden.
Diese jubelt begeistert, wie schön war dieser freie Fall in die Tiefe.
Unter ihnen wird ein Wald sichtbar und Kristalla zieht ihre Freundin zu einem Baum, auf dessen Ast sie sich nieder lassen.
Viele ihrer Schwestern haben dieselbe Idee und bald sind die Bäume schneebedeckt.
Ein Eichkätzchen lugt neugierig aus seinem Kober und springt dann von Ast zu Ast und kichernd fallen die Schneeflocken, die dort geruht haben zu Boden.
Auch Kristalla und Glitzerchen sind unter ihnen.
Glitzerchen gefällt das gar nicht, von hier unten konnte man doch gar nichts sehen.
Kristalla aber winkt dem Wind.
"Wir wollen in die Stadt lieber Freund"
Zu Diensten meine Damen.“
Und er pustet in den Schneehaufen, wirbelt die vergnügten Flöckchen empor und treibt sie vor sich her in die Stadt.
Auf einem Dach lassen sie sich nieder.
Glitzerchen sitzt neben ihrer Freundin und sieht hinunter auf die beleuchteten Straßen, dann deutet sie auf den Weihnachtsbaum, der mitten auf dem Marktplatz steht.
Oh wie bunt und schön, ganz anders als die Bäume im Wald.“
Das ist ein Weihnachtbaum!“
Und Kristalla erzählt nun der aufmerksam lauschenden Glitzerchen, dass die Menschen jedes Jahr am
24. Dezember die Geburt des Herrn Jesus Christus, dem Sohn Gottes feiern.
Dass sie geschmückte Tannenbäume in ihren Zimmern aufstellen und Geschenke darunter legen.
Das Schreien von Kinderstimmen lässt sie zusammen zucken und vorsichtig lugen sie hinunter.
Eine Menge Kinder stürmt jubelnd aus dem Haus und bewirft sich mit Schneebällen.
Hier wohnen aber viele Kinder,“ staunt Glitzerchen.
Kristalla lacht. „Wir sitzen auf dem Schulhaus“ und geduldig erklärt sie , was eine Schule ist.
Ein Mädchen fängt laut zu weinen an und Glitzerchen ruft staunend:
Sieh, es kommt Wasser aus ihren Augen.“
Das sind Tränen, du weißt aber auch gar nichts,“ lacht ihre Freundin.
Na entschuldige, wenn man die erste Zeit seines Lebens in einer Wasserpfütze verbracht hat bekommt man nicht so viel von der Welt zu sehen.“ ruft Glitzerchen empört.
Das Klingen einer Glocke ertönt und leise murrend verschwinden die Kinder im Schulhaus.
Komm wir wollen mal in das Klassenzimmer sehen!“
Kristalla nimmt ihre Freundin an der Hand und sie rutschen zum Fenster.
Die Kinder stürmen lärmend in den Raum und nach einigem Gerangel sitzen sie bald alle auf ihrem Platz.
Die Tür öffnet sich und ein Mann mit einer Gitarre in der Hand kommt ins Zimmer.
Die Kinder stehen auf und brüllen im Chor.
Guten Morgen Herr Berger!“
Dieser winkt ab und meint nur: „Setzt euch!
Heute studieren wir ein Lied für die Weihnachtsfeier ein.“
Und er erzählt den aufmerksam lauschenden Kindern von der schlesischen Lehrerin Hedwig Haberkern (1837 – 1902) die als „Tante Hedwig“ Erzählungen für Kinder schrieb.
Und in der „Geschichte von der Schneewolke „ kam dieses Lied vor, das sie heute einstudieren wollten.
Ein Junge teilt nun die Zettel mit dem Text aus, der Lehrer lässt einige Akkorde auf seiner Gitarre erklingen und dann singen die Kinder:

Schneeflöckchen, Weißröckchen, jetzt kommst du geschneit.
Du kommst aus den Wolken dein Weg ist so weit“

Die singen ja ein Lied über uns,“ staunt Glitzerchen.
Der Wind taucht neben ihnen auf.
Wollen die Damen weiter fliegen?“

Und bald wirbeln sie wieder durch die Luft!

© Lore Platz