Montag, 28. Oktober 2019

Irren ist menschlich






Irren ist menschlich


Hanna schlüpfte in den eleganten Hosenanzug und drehte sich schmunzelnd vor dem Spiegel.
Sie sah immer noch gut aus für ihre fünfundvierzig Jahre.
Naja ein paar graue Haare hatten sich eingeschlichen, aber die konnte man ja mit einer Tönung beseitigen.
Doch ihre gertenschlanke Figur hatte sie auch nach der Geburt ihrer Tochter Elvira behalten.
Daran waren wohl ihre guten Gene schuld, denn sie aß für ihr Leben gern.
Am Samstag feierten sie und Harald Silberhochzeit.
Kaum zu glauben wie schnell die Jahre doch vergangen waren und sie liebten sich noch wie am Anfang.
Ein zärtliches Lächeln flog über ihr Gesicht.
Ihr Harald, einen besseren Mann hätte sie nie bekommen können, dabei konnte sie ihn anfangs gar nicht leiden.
Sie hatte ihn damals auf einem Tanzfest kennen gelernt und er war ihr immer mächtig auf die Füße getreten.
Ganz blau waren ihre Zehen und sie hatte eine große Wut auf diesen Tolpatsch.
Doch immer wieder hatte er sie aufgefordert und als sie in seine guten lustigen und auch verlegenen Augen blickte, war es doch um sie geschehen.
Aber das Tanzen hatten sie dann sein lassen.
Hanna sah auf die Uhr.
Gleich kam ihre Freundin Carola, denn sie wollten zusammen ein Kleid für die Silberhochzeit aussuchen.
Harald machte wieder mal Überstunden, wie die letzten zwei Wochen bereits.
Da sie und Carola nach dem Einkaufsbummel noch mit ihren Freundinnen Ulrike und Erika einen Mädelabend machen wollten, würde es wohl spät werden.
Sie wollte Harald eine Nachricht schreiben.
Auf der Suche nach einem Blatt Papier ging sie in das Arbeitszimmer ihres Mannes.
Während sie in der Schublade kramte fiel ihr Blick auf den aufgeschlagenen Kalender.
Julia, 15.30 Cafe Bernauer“
Wer war diese Julia? Ging ihr Harald fremd, war ihre ganze Liebe eine einzige Lüge. Ja jetzt sah sie seine ständigen Überstunden in einem völlig anderem Licht.
Erschöpft ließ sie sich auf den Stuhl fallen.
Ihr Kopf war wie leer, sie konnte an gar nichts mehr denken und langsam wühlte sich der Stachel der Eifersucht in ihr Herz.
Ein laut anhaltendes Klingeln riss sie aus ihre Lethargie.
Müde schleppte sie sich zur Tür, öffnete ihrer Freundin und fiel ihr laut weinend um den Hals.
Diese tätschelte ihr erschrocken die Schulter.
Was ist denn los?“
Schluchzend berichtete Hanna ihrer Freundin von ihrem schrecklichen Verdacht.
Carola konnte es gar nicht glauben.
Sie kannte die Beiden doch schon viele Jahre und ein glücklicheres Paar gab es selten.
Weißt du was, wir fahren zum Cafe Bernauer und du wirst sehen, alles stellt sich als Irrtum heraus.“
Wenig später parkten sie in der Nähe des Cafes und warteten gespannt.
Dann fuhr der blaue Wagen vor und der Ahnungslose ging
hinein.
Hanna zerknüllte nervös das Taschentuch zwischen ihren Fingern und auch Caro trommelte nervös auf das Lenkrad.
Es dauerte nicht lange, dann kam Harald in Begleitung einer jungen Dame auf die Straße, hielt ihr charmant die Beifahrertür auf, beide lachten und dann fuhren sie weg.
Leichenblass lehnte sich Hanna zurück, Tränen liefen über ihre Wange.
Fahr mich bitte nach Hause. Ich kann jetzt nicht einkaufen, vielleicht sage ich die Silberhochzeit auch ab.“
Als ihr Mann spät abends nach Hause kam, stellte sie sich schlafend.
Harald wunderte sich zwar, dass seine Liebste so früh schon schlief, sonst wartete sie immer bis er nach Hause kam.
Aber sicher hatte der ganze Stress der Silberhochzeit sie müde gemacht.
Vergnügt pfeifend ging er ins Bad.
Am liebsten hätte Hanna sich die Ohren zugehalten, sie hatte sofort das fremde Parfüm an ihm gerochen.
Dieser Schuft.
Am nächsten Morgen hatte Hanna einen Entschluss gefasst.
Kampflos würde sie das Feld nicht räumen und als erstes würde sie sich ein atemberaubendes Abendkleid für die Feier kaufen.
Sie rief Caro an und wenig später zogen sie los.





Und dann war er da, der einst so ersehnte, aber inzwischen gefürchtete große Tag.
Sie saßen noch beim Frühstück, als der Bote aus der Gärtnerei 25 rote Rosen brachte.
Für jedes wunderschöne Jahr mit dir eine Rose“, sagte Harald zärtlich.
Dieser Heuchler!

Stumm richtete Hanna die Blumen in die Vase.
Später als ihr Mann dann im Smoking aus dem Schlafzimmer kam, da klopfte ihr doch das Herz.
Wie gut er noch immer aussah, nur die Haare an den Schläfen waren grau geworden, aber das machte ihn nur noch interessanter.
Kein Wunder, dass die jungen Dinger auf ihn standen, dachte sie bitter.
Doch auch Harald sah seine Frau bewundernd an, was für ein Kleid.
Ja sie war noch immer schön, seine geliebte Hanna, einfach bezaubernd.
Bernd und Elvira holten sie ab.
Das Auto von Bernd war mit Blumen dekoriert und als sie dann den herrlich geschmückten Saal betraten, wurden sie von ihren Freunden freudig begrüßt.
Da sah sie Sie!
Welch eine Frechheit.
Er hatte seine Geliebte zu ihrer Silberhochzeit eingeladen und nun zwinkerte sie ihm auch noch zu und der Schuft zwinkerte vergnügt zurück.
Das war zu viel für Hanna!
Sie raffte ihr Kleid und lief schluchzend aus dem Raum.
In der zum Glück leeren Toilette flüchtete sie in ein Kabine und drehte den Schlüssel um.
Schluchzend ließ sie sich auf den geschlossenen Sitz fallen und nun brach das ganze Elend und die Anspannung der letzten Tage aus ihr heraus.
Es klopfte an der Tür.
Mama, mach doch bitte auf, was ist denn nur los.“
Als Hanna mit rot verweinten Augen und den Spuren der Wimperntusche auf den Wangen öffnet, rief Elvira erschrocken.




Wie siehst du denn aus, was ist nur geschehen?“
Dein Vater betrügt mich, mit einem ganz jungem Ding und hat sie sogar mitgebracht zu unserer Silberhochzeit. Die hübsche Blonde neben Bernds Mutter.“
Elvira sah sie einen Moment entgeistert an, dann fing sie schallend an zu Lachen.
Das arme Kind, nun hat sie vor Schreck den Verstand verloren,“ dachte Hanna entsetzt.
Elvira aber nahm beide Hände ihrer Mutter und sah sie ernst an.
Mama, das ist Julia, eine Kusine von Bernd und sie ist Tanzlehrerin. Papa hat bei ihr Nachhilfe im Tanzen genommen, denn er wollte dir bei eurem Ehrenwalzer nicht auf die Füße treten. Weißt du Julia meinte, er wäre ihr schwerster Fall und sie hat schon überlegt ob sie sich Stahlplatten in die Schuhe einbauen sollte.“
Die beiden Frauen prusteten los.
Dann aber meinte Elvira energisch.
Kühl, dir deine Augen, dann werde ich dein Make up auffrischen, eure Gäste warten.“
Als sie den Raum verließen stand Harald vor der Tür und sah ihnen besorgt entgegen.
Hanna stürzte sich in seine Arme und erzählte ihm von ihrem falschen Verdacht und all dem Kummer der letzten Tage.
Harald drückte sie ganz fest an sich und murmelte:
Ich liebe dich und es wird nie eine andere geben für mich.“
Dann grinste er verschmitzt und meinte: „Aber schön ist es doch, dass du nach all den Jahren noch eifersüchtig bist.“
Dann gab er ihr einen langen zärtlichen Kuss.
Elvira räusperte sich.
Hallo, ihr Turteltauben, es wird Zeit zurück in den Saal zu gehen, eure Gäste erwarten euch.“
Hanna aber war glücklich.


Sie steckte mit ihrer guten Laune und Fröhlichkeit alle an.
Und als dann der Ehrenwalzer getanzt wurde, staunte sie über ihren sonst so tolpatschigen Mann.
Er wirbelte sie durch den Ballsaal, ohne ihr auch nur einmal auf die Füße zu treten.


© Lore Platz




Mittwoch, 23. Oktober 2019

Die alte Uhr

Eine wahre Geschichte erzählt von Roswitha Borgfeld










Die alte Uhr



Da meine Eltern beide arbeiten mussten, um das Haus abzuzahlen, durfte ich nach der Schule zu meiner Oma zum Mittagessen.
Unsere Schule war oben auf dem Berg neben der Wallfahrtskirche Maria Dorfen.
An dieser musste ich vorbei, über Stufen den Berg hinunter und bis zu einer Straße, die ich vorsichtig überquerte. Schön nach rechts und links schauen, bevor man eine Straße, so hatte man es mir beigebracht.
Vorbei ging es dann an dem Geschäft meiner Tante, einer Schwester meines Vaters. Zu gerne hätte ich die Spielsachen in dem Schaufenster betrachtet, doch ich musste mich sputen.
Zu oft war ich schon geschimpft worden, weil ich so gerne trödelte.
Und heute hatten wir nachmittags auch noch Unterricht, sodass ich um 15Uhr den langen Weg zurück musste.
Also sputen Roswitha!
Vorbei ging es an der Bäckerei Maier, am Kaufhaus Schmederer, doch beim Goldschmied Josef Wilm
konnte ich mir nicht verkneifen vor dem Schaufenster stehen zu bleiben. Es gab hier so schöne glitzernde Dinge zu bestaunen.
Nur mühsam konnte ich mich losreißen.
Weiter ging es an der Marktkirche, am kleinen Supermarkt Fenk, weiter zum Brugger Bäcker, dann über die Straße an der Hubertusapotheke vorbei.
Nachdem ich noch das Schuhgeschäft Schmid, die alte Schmiede und den Bäcker Numberberger, der so tolle Anisplätzchen machte. hinter mir gelassen hatte, musste ich nur noch den ganzen Bahnweg entlang, vorbei beim Omnibus Weber und endlich war ich am Haus meiner Oma.

Warum ich meinen Weg so ausführlich beschreibe, weil ich möchte, dass ihr euch ein Bild machen könnt, wie lang wir damals zur Schule laufen mussten. Und wenn wir nachmittags nochmal Unterricht hatten, mussten wir die Strecke zweimal zurück legen.

Heute undenkbar!







Wenn ich die Augen schließe, sehe ich heute noch die Küche meiner Oma, der Mutter meines Vaters, vor mir.
Die Küche meiner Oma war funktionell, würde man sagen, eingerichtet.
Kam man durch die weiß lackierte Tür stand links das Küchenbuffett, daneben eine kleine Kommode, auf der, der Volksempfänger stand, darüber hing das Soldatenbild von Omas ältestem Sohn Georg, der in Afrika gefallen war und dann das Küchenfenster zur Straße.
Die linke Ecke füllte der quadratische Tisch und die Eckbank aus, eingerahmt von einer Holzvertäfelung in dunklem Holz.
Über dem Tisch hing eine Lampe, die man herunter ziehen konnte.
In der Ecke war der Herrgottswinkel, mit dem Kreuz und einem Heiligenbild.
Links neben der Eckbank stand das Sofa mit Kissen, Omas Lieblingsplatz.
Aus der Schwingkommode daneben konnte man die Schubladen umdrehen und es erschienen zwei große emaillierte Schüsseln, die man heraus nehmen konnte. Man benutzte sie zum Abwaschen.
Der große weiße Küchenherd hatte seitwärts ein Wasserschiff, in dem immer heißes Wasser war.
Auf diesem Ofen, der hauptsächlich mit Holz geheizt wurde entstanden viele leckere Gerichte.
Vorne gab es ein Klappe, das sogenannte Ofenrohr, für Kuchen, Plätzchen oder auch leckeren duftenden Braten.
Der Küchenofen hatte unten eine geteilte Schublade für Holz und Kohle.




Manchmal wurde das Fach für Holz mit Holzwolle ausgepolstert, wenn Oma kleine Enten- oder Hühnerküken aufziehen musste, die von den Müttern abgelehnt wurden.
Am liebsten aber war mir den Regulator, eine Pendeluhr in einem braunen Gehäuse. Jedes Mal wenn ich Omas Küche betrat fiel mein Blick sofort auf diese Uhr.
Und dann eines Tages!
Wie immer fiel mein Blick als erstes auf den Regulator, als ich Omas Küche betrat, aber… er war nicht mehr da.






Statt dessen hing eine weiße quadratische Uhr an der Wand von Junghans, die man nicht mehr aufziehen musste, da sie mit Batterien ging.
Oma strahlte voll Stolz und meinte;
Gell, da schaugst, wie modern i bin und des oide Drum ist im Schupfa, des werd zsammghaut, damit mas verhoazn ko.“
(da schaust wie modern ich bin und das alte Teil ist im Holzschuppen und wird zerkleinert, dass es verheizt werden kann)
Ich drückte meine Hand auf das wild klopfende Herz und fragte : „Ist sie noch ganz?“
Oma zuckt mit den Schulter.
Wenn‘s der Rull (Onkel Rudolf) no net zu Klohoz (Kleinholz) gmacht hoat.“ (gemacht hat)
Als wäre der Teufel hinter mir her, rannte ich aus der Küche, durch den Flur, aus dem Haus und in den Schuppen.
Atemlos und strahlend sah ich sie liegen, unversehrt, inmitten von altem Holz und Sägespänen.
Ich hob sie auf, befreite sie liebevoll von Staub und Dreck, drückte sie an mich und schleppte sie zurück in die Küche.
Meine Oma fragte erstaunt.
Wos wuist denn mit dem oiden Drum?“
(was willst du denn mit dem alten Teil.)
Flehend sah ich sie an.
Bitte Oma lass sie nicht kaputt machen, darf ich sie haben?“
Um Gott‘s Wuin, wenn dei Herz so dro hängt!“
(Um Gottes Willen, wenn dein Herz so dran hängt.)





Ich hätte weinen können vor Glück.
Gleich nach dem Unterricht rannte ich nach Hause und konnte es nicht erwarten, dass meine Eltern von der Arbeit kamen.
Als mein Vater zur Tür reinkam, überfiel ich ihn gleich mit der Bitte, die Uhr zu holen.
Papa sagte:
„Setz dich erst mal und erzähl.“
Meine Mutter war sauer, weil so kurz nach Feierabend wollte sie erst mal eine Tasse Kaffee und sonst nix - heute versteh ich das - damals nicht
Als ich Papa die ganze Geschichte erzählt hatte, sagte er: „Komm wir holen die Uhr gleich.“
Mama war nicht glücklich darüber.






Aber ein Papa, ein Wort.
So fuhren wir in unserem 12er FORD zur Oma.
Die staunte nicht schlecht, als sie uns sah.
Dann lachte sie und sagte:
Des Drum liegt in da Schlafkamma“ ( Das Teil liegt in der Schlafstube)
Papa holte es, legte es vorsichtig auf die Decke im Kofferraum und wir fuhren es nach Hause, das Drum.
Im Keller suchte er nach einem passenden Nagel und dann wurde die Uhr aufgehängt.
Mama bestand darauf, dass sie, wenn sie denn unbedingt aufgehängt werden musste, nur an eine Wand auf dem Speicher .

Das war mir egal. Hauptsache, ich hatte sie gerettet.


Dort hing sie bis ich auszog, umzog und dann wegzog und heute hängt sie hier bei uns.

Ich liebe das alte Teil so sehr und hoffe, der es mal erbt, liebt es ebenso.


© Roswitha Borgfeldt

Dienstag, 22. Oktober 2019

Können Träume wahr werden?






Können Träume wahr werden?


Die Tür flog auf und knallte gegen die Wand.
Frederike stürmte ins Zimmer und Beatrice zuckte erschrocken zusammen.
Mensch Fredy musst du immer so einen Lärm machen!“
Wir warten schon alle, hast du vergessen, dass wir heute zum Blaubeeren pflücken gehen wollen! Nun komm schon Trixi“!
Bedauernd schließt Beatrice die Zeitung „Pflanzenwelt“, eben hatte sie noch einen spannenden Artikel von der
Königin der Nacht“ einer Blume die fünf Jahre brauchte, um zu blühen und das nur für eine Nacht, gelesen.
Das Mädchen liebte Pflanzen und diese dankten es ihr, denn das Stück Garten, das ihr der Vater zur Verfügung gestellt hatte, blühte am schönsten.
Bald saß sie eingequetscht zwischen ihrer Kusine Fredy und deren Freundin Kerstin im Rücksitz des Wagens ihres Onkels.
Während dieser dann einen Parkplatz suchte gingen die Kinder mit der Tante in den Wald.
Jede trug ein Körbchen und bald fanden sie eine Lichtung mit Blaubeersträuchern soweit das Auge reicht.
Trixi hatte ihr Körbchen fast voll und schlenderte suchend immer weiter in den Wald hinein.
Ohne es zu bemerken entfernte sie sich immer mehr von den Anderen.
Ein Käuzchen schrie durchdringend und das Mädchen ließ vor Schreck das Körbchen fallen und rannte durch das Dickicht.
Schwer atmend blieb sie stehen und sah sich um
Sie hatte sich verlaufen!
Tränen liefen ihr über die Wangen und sie rief laut nach ihrer Tante und ihrem Onkel.




Endlich ließ sie sich erschöpft unter einen Baum ins weiche Moos sinken.
Die Vögel, die verstummt waren, als sie durch den Wald stolperte, begannen wieder ihr fröhliches Lied zu singen.
Ein Eichkätzchen betrachtete sie aus neugierigen Augen und huschte den Stamm hinauf und verschwand zwischen den Blättern.
Beatrice hatte auf einmal keine Angst mehr, eine friedliche Stimmung hüllte sie ein.
Müde kuschelte sie sich ins Moos und schlief ein.



Wer sie wohl ist? Sie schläft? Ich finde sie sieht nicht böse aus. Ist sie ein Mensch?“
Trixi hörte feine Stimmen wispern, öffnete die Augen und sah direkt über sich ein Wesen, mit langen spitzen Ohren und einer Zipfelmütze auf dem Kopf und fing an zu schreien.
Das Wesen fuhr zurück und brüllte ebenfalls los.
Jetzt erst sah das Mädchen die Zwerge, die sie aus sicherer Entfernung ängstlich beobachteten.
Bist du ein Mensch oder ein Riesenkind?“ fragte das mollige Zwergenmädchen und trat mutig einen Schritt näher, wurde aber von von einem Zwergenjungen nach hinten gezogen.
Beatrice lächelte. „Ich bin ein Menschenmädchen und ihr müsst keine Angst vor mir haben.“
Pah, haben wir auch gar nicht, „ behauptete der Zwergenjunge, der eben noch so laut gebrüllt hatte.
Das ist mein Bruder Prahlhans,“ das pausbäckige Mädchen trat näher und zögernd folgten ihr die Anderen.
Ich bin Petronella, meinen Bruder Prahlhans kennst du ja.
Der Junge, der meine Schürze nicht loslässt ist Angsthase
und der Kleine ist Schlafmütze.“
Freut mich, ich bin Beatrice auch Trixi genannt.“
Wir waren Kräuter und Pilze sammeln und als wir zurück kamen, lagst du vor unserem Eingang.
Das Mädchen sprang auf und erschrocken wichen die Zwerge wieder zurück.
Schnell setzte sich Trixi auf einen Baumstumpf und zutraulich kamen die kleine Leutchen wieder näher.
Sie setzten sich zu ihren Füßen ins Moos und erzählten aus ihrem Leben unter dem Baum.
Den Kopf in die Hände gestützt lauschte das Mädchen den zwitschernden Stimmen.
Blätter raschelten und Schritte waren zu hören und die Zwerge versteckten sich in den Falten von Trixis Kleid.




Erwartungsvoll beobachtete diese das Gebüsch das sich nun teilte und staunte als ein schneeweißes Pferd mit einem goldenem Horn auf der Stirn die Lichtung betrat.
Eine überirdisch schöne Dame in einem Kleid aus weißer zarter Seide, bestickt mit zahlreichen Blumen, folgte dem Einhorn.
Ihr braunes Haar, dass ihr bis zur Hüfte reichte, zierte ein bunter Blumenkranz.
Die Zwerge krabbelten aus Trixis Rockfalten und jubelten.
Das ist ja die Blumenfee!“ und tanzten ausgelassen um diese herum.
Die Blumenfee betrachtet sie schmunzelnd, dann wandte sie sich an das Mädchen und grüßte freundlich.
Guten Tag Beatrice.“
Diese wurde rot und stammelte: „Ihr kennt mich?“
Aber ja, du hast doch einen kleinen Garten und behandelst meine Blumen und Pflanzen mit besonderer Liebe.“
Trixi lächelte schüchtern: „ Ich liebe Pflanzen.“
Ich weiß und freue mich, dich endlich einmal persönlich zu treffen, um dir zu danken für all die Liebe und Pflege, die du meinen Kindern schenkst.“

Das Mädchen strahlte vor Freude über das Lob und die Zwerge, die sich wieder zur ihren Füßen nieder gelassen hatten, kicherten.
Die Blumenfee kam nun näher und winkte dem Einhorn, ihr zu folgen.
Beatrice, ich möchte dir drei Wünsche erfüllen, als Dank für deine Liebe zur Natur.“
Das Einhorn tänzelte mit graziösen Schritten näher, senkte den Kopf und ein kleiner goldener Ring fiel in Tixis Schoß.
Das ist ein Wunschring, er wird dir drei Wünsche erfüllen. Leider ist die Erfüllung eines jeden Wunsches nur auf eine halbe Stunde begrenzt.“
Bewundernd betrachtete das Mädchen den Ring und steckt ihn an den Finger, dann fiel ihr Blick auf die Zwerge.
Ich möchte gern sehen wie meine kleinen Freunde leben.“
Die Blumenfee lächelte. „Dreh den Ring.“
Kaum hatte Beatrice dies getan, spürte sie ein Kribbeln am ganzen Körper und die Welt ringsum begann zu wachsen.
Jubelnd fiel Petronella ihr um den Hals.
Nun bist du genauso groß wie ich. Ich habe mir schon immer eine Schwester gewünscht!“
Prahlhans hatte das Laub unter der Wurzel des Baumes beiseite gefegt und eine kleine Tür wurde sichtbar.
Trixi kletterte hinter ihren neuen Freunden durch einen schmalen Gang und sie gelangten in ein reizendes kleines Stübchen.




Ein Zwerg mit einem langen weißem Bart saß auf einem Schaukelstuhl und schlief, wobei er leise Schnarchtöne von sich gab und der Bart sich hob und senkte.
Hinter ihm prasselte ein lustiges Feuer im Kamin und eine mollige Zwergin rührte eifrig in einem schwarzen gusseisernem Topf.
Ohne sich umzudrehen rief sie: „Da seid ihr ja endlich, hurtig, hurtig, bringt mir die Pilze und Kräuter!“
Die Kinder stellten ihre Körbe neben den Ofen und die Zwergenmutter schnippelte mit flinken Fingern die Zutaten in die Suppe.
Ein köstlicher Duft zog durch den Raum.
Der Zwergenvater erwachte blinzelnd, hob schnuppernd die Nase und meinte vergnügt: „Ach Tildchen, das duftet wieder köstlich, wann können wir essen?“
Dann wandte er sich an die Kinder.
Ihr habt euch ja reichlich Zeit gelassen, wo habt ihr nur wieder gesteckt, aber Moment mal...?“
Stirnrunzelnd betrachtete er die kleinen Zwerge.
Tildchen, wie viel Kinder haben wir ?“
Vier, Brummbär, ein Mädchen und drei Jungen.“
Kopfschüttelnd begann der Zwergenvater zu zählen.
Eins, zwei, drei, vier … fünf? Tildchen bist du sicher? Es sind drei Jungen und zwei Mädchen.“
Die Zwergenfrau drehte sich um und die Kinder prusteten los.
Papa, das ist unser Menschenfreundin Trixi, sie wollte euch kennen lernen, deshalb hat die Blumenfee ihr für eine halbe Stunde unsere Größe geschenkt.“
Trixi wurde nun herzlich umarmt und musste sich mit an den Tisch setzen und aus Walnussschalen Suppe löffeln und aus Haselnussschalen Honigmet trinken und viele viele Fragen beantworten.
Viel zu schnell verging die Zeit.
Alle waren traurig, doch die Zwergenmutter drängte zur Eile.
Wenn der Zauber vorbei ist während sie noch in unserem Gang steckt, dann...“
Nun begannen alle zu laufen, doch der Eingang war von einer Maus versperrt.
Schlafmütze, hast du wieder vergessen die Tür zu schließen.“ grollte der Zwergenvater.
Der kleine Zwerg wurde rot und begann zu stottern.
Was sollen wir tun! Mein Arme und Beine beginnen bereits zu kribbeln!“ rief Trixi verzweifelt.
Mäuse sind sehr schreckhaft, „überlegte Tildchen, „ wir
müssen nur alle so laut wie möglich schreien.“
Und nun begann ein ohrenbetäubender Lärm!
Die Maus verschwand blitzschnell durch die Tür und Trixi kroch hinterher und blieb stecken, denn sie war bereits ein Stück gewachsen.
Mit vereinten Kräften schoben die Zwerge an und das Mädchen schoss plötzlich durch die Tür und landete mit dem Kopf auf einer Wurzel.
Aua!“
Empört blickte sie zurück.
Die Zwerge winkten fröhlich, dann schloss sich die Tür und wie durch Zauberhand wirbelten Blätter und Sand auf und es war nur noch die Wurzel des Baumes zu sehen.
Das Mädchen aber begann zu wachsen und hatte bald wieder ihre normale Größe.
Hat es dir gefallen?“ fragte die Blumenfee.
Es war schön, alle waren so lieb und herzlich.“
Dein zweiter Wunsch?“
Nachdenklich betrachtete Trixi das Einhorn.
Ich würde gerne mit dem Einhorn reiten.“
Dreh den Ring.“
Und dann saß das Mädchen auf dem Rücken des Pferdes, das seine Flügel ausbreitet und sich in die Luft erhob.
Trixi kreischte und klammerte sich an der Mähne fest.
Das Pferd wandte den Kopf und bleckte grinsend die Zähne.
Vertrau mir, du wirst nicht herunterfallen, außerdem tut es mir weh, wenn du so an meinen Haaren zerrst.“
Entschuldige,“ stammelte das Mädchen und setzte sich aufrecht.
Und langsam begann sie den Flug zu genießen.




Der Himmel kam immer näher, die Erde unter ihnen wurde immer kleiner.
Trixi begann laut zu jubeln und genoss den Wind in ihrem Gesicht.
Das Einhorn tauchte ein in eine weiße Wolke, die weich wie
Watte war und vorbei an funkelnden Sternen flogen sie
dahin, bis der Mond vor ihnen auftauchte.
Das Mädchen umschlang den Hals des Pferdes, als sie landeten.
Mit staunenden Augen sah es sich um, während die goldenen Hufe des Einhorns mit fröhlichem Klick, klack über den steinernen Boden trabten.
Der Anblick des Mondes war enttäuschend. Keine Spur von Romantik und auch der Mann im Mond war nirgends zu sehen.
Soweit das Auge reichte nur steinerne große Ebenen, abgelöst von zackigen Bergmassiven und riesigen Kratern.
Nur Steine und Sand.
Warum ist es so still hier?“ flüsterte Trixi dicht an dem Ohr des Pferdes.
Weil es hier keine Luft gibt, die den Schall überträgt.“
Aber warum können wir dann atmen?“
Weil ich ein Zauberpferd bin und dies hier Zauberei ist.
Wir müssen zurück.“
Das Einhorn breitete die Flügel aus und vorbei an funkelnden Sternen und durch zarte Wolkengebilde ging es zurück auf die Erde.

Die Blumenfee saß im Gras und band einen Blumenkranz.
Wie hat es dir gefallen?“
Ein wunderbares Erlebnis, obwohl auf dem Mond alles kahl und hässlich ist. Wenn man bedenkt, dass die ersten Raketen für den Flug zum Mond drei Tage brauchten und wir dies alles in einer halben Stunde schafften, wow!“
Das glockenhelle Lachen der Fee ließ die Blumen ringsum die Köpfe heben.
Pegasus fliegt mit Lichtgeschwindigkeit und die braucht nur eine Sekunde bis um Mond.“
Die Fee setzte ihr den Blumenkranz auf den Kopf und betrachtete sie kritisch.
Hübsch sieht es aus, hast du dir deinen letzten Wunsch überlegt.“




Trixi nickte heftig.
Ich möchte die Königin der Nacht blühen sehen.“
Dreh deinen Ring!“
Und dann war das Mädchen plötzlich in einem wunderschönen Garten.
Eine Vielzahl von Blumen in allen Farben breitete sich vor ihr aus, umschwirrt von Bienen und Schmetterlingen.
Auf einem kleinen kunstvoll angelegten Teich schwammen Seerosen, zogen Enten ihre Kreisen und silberne Fische schnellten durch das Wasser.
Dahinter breitete sich eine Wiese aus mit roten Klatschmohn, blauen Kornblumen, Ackerlichtnelken und roten Taglichtnelken.
Auf einer Anhöhe stand ein gläserner Pavillon in dem nur eine einzige Pflanze stand.
Die Königin der Nacht!
Langsam stieg das Mädchen den Hang hinauf und wie durch Zauberhand öffneten sich die Glastüren.
Das Mädchen wagte kaum zu atmen und betrachtete ehrfürchtig die Knospe.
Eine kurze ruckartige Bewegung und langsam wie in Zeitlupe öffnete sich die Blüte, Blatt für Blatt.
Die Sonne brach durch die Scheiben und verstärkte das strahlende Leuchten der Blüte.
Trixi hatte die Hände gefaltet und betrachtet staunend das Wunder der Natur.
Vorsichtig streckte sie die Hand aus und berührte die zarte Blüte und diese schmiegt sich leicht an ihre Finger.
Eine Uhr begann zu schlagen.

Trixi, Trixi , wach auf!“
Benommen öffnete diese die Augen und sah direkt in Fredys Gesicht, hinter ihr standen ihr Onkel und ihre Tante und wirkten sehr erleichtert.
Wo ist das Einhorn und die Blumenfee?“ murmelte Trixi und setzte sich langsam auf.

Hahaa sie träumt noch,“ kicherte ihre Kusine.
Ein Traum, alles nur ein Traum, aber es war ein schöner
Traum.
Hier liegt ein Ring!“ rief Kerstin.
Zeig her!“
Nachdenklich betrachtete Trixi den Ring.
Sie lächelte versonnen.
Nur ein Traum?


© Lore Platz