Meine
erste Liebe
Meiner
ersten Liebe begegnete ich, als ich gerade mal acht Jahre alt war.
Er
war hässlich, hatte ein beschädigtes Ohr und war so mager, dass man
die Rippen zählen konnte.
Unsere
erste Begegnung fand im Heu statt.
Mit
meinen Freunden Klaus, Rita, Vroni und Heinzi spielte ich
„Verstecken“.
Klaus
musste mit dem Rücken zu uns an einen Baum gelehnt laut bis Hundert
zählen und wir schwirrten auseinander, um uns zu verstecken.
Ich
wählte den Heustadl gegenüber, schlich vorsichtig die knarrende
Holztreppe hinauf und kroch dann unter das aufgeschichtete Heu.
Mit
angehaltenem Atem wartete ich nun, dass Klaus mit dem Zählen fertig
war.
Am
Quietschen von Rita und Vroni hörte ich, dass sie entdeckt worden
waren und kicherte leise vor mich hin.
Die
zwei lernten es nie. Immer machten sie alles gemeinsam, so auch das
Verstecken.
Neben
mir raschelte es plötzlich und ich dachte schon an eine Maus, da
ragte der Kopf eines Katers aus dem Heu.
Dass
es ein Kater war erfuhr ich erst später.
Er
sah mich aus grünen traurigen Augen an und ich begann ihn
auszugraben.
Erschrocken
sah ich, dass das halbe rechte Ohr fehlte und bedeckt war mit
verkrustetem Blut.
Als
ich seine rechte Hinterhand streifte, miaute er qualvoll auf und
vorsichtig streichelte ich seinen Kopf, den er drehte, um mir die
Hand zu lecken.
Viel
zu sehr mit dem verletzten Kater beschäftigt, überhörte ich, dass
Klaus die Treppe hoch trampelte. „Gefunden!“
Da
sah er die Katze und kniete sich mitleidig neben sie.
„Glaubst
du sie stirbt?“ fragte ich ängstlich.
Er
zuckte mit den Schultern.
„Am
besten bringen wir sie zum Tierarzt.“
Er
zog seinen Janker aus und wickelte das verletzte Geschöpf hinein und
trug es vorsichtig die Treppe hinunter.
Vroni
und Rita kamen angelaufen und streichelten mitleidig den Kopf der
Katze, der aus der Jacke ragte.
Klaus
aber steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen schrillen Pfiff
ertönen.
Wie
ich ihn darum beneidete, mir gelang es nie einen Ton heraus zu
bekommen.
Es
raschelte in der alten Kastanie, zwei Beine wurden sichtbar und
Heinzi sprang herunter.
Er
grinste übers ganze Gesicht.
„Gibst
du auf?“
Dann
sah er die die Katze und das Spiel war vergessen.
Wir
standen alle um den Tisch herum, als Dr. Berger den Kater
untersuchte.
Das
gebrochene Bein wurde geschient, das Ohr gereinigt und er bekam
noch eine Spritze.
Dann
wurde er in das Hinterzimmer getragen in denen einige Käfige
standen.
Hier
durften die Tiere sich erholen bis sie wieder gesund waren.
Zum
Spielen hatte ich keine Lust mehr und lief nach Hause.
Jeden
Tag besuchte ich nun mein Katerle, so hatte ich ihn getauft, und es
kam mir vor, als würde er schon auf mich warten.
Anfangs
hob er nur müde den Kopf, doch von Tag zu Tag ging es ihm besser und
eines Tages humpelte er an das Gitter und als ich meinen Finger durch
den Maschendraht steckte und ihn streichelte, begann er laut zu
schnurren.
Als
ich eines Tages wieder in die Praxis kam winkte mich der Tierarzt in
das Hinterzimmer, öffnete die Tür des kleinen Verschlags und
Katerle kam noch etwas steifbeinig, aber ohne Gips auf mich zu
gehumpelt, schmiegte sich an meine Beine und schnurrte laut.
Ich
bückte mich und nahm ihn auf den Arm und sein Schnurren wurde noch
lauter und ich bekam nasse Küsschen ins Gesicht.
Doktor
Berger lachte vergnügt: „Wenn das nicht Liebe ist!
Hast
du deine Eltern gefragt, ob du ihn behalten darfst?“
Ich
nickte glücklich.
Einfach
war es nicht gewesen und eigentlich hatte ich es meiner Oma zu
verdanken.
Die
meinte nämlich: „Wenn man jemand das Leben rettet, ist man für
ihn verantwortlich!“
Katerle
blieb viele Jahr bei uns und war ein guter Mäusefänger.
Einmal
hat er sogar meine Tante Anna erschreckt.
Als
sie mal wieder bei uns für einige Tage zu Besuch war und am Sonntag
frühmorgens in die Kirche gehen wollte, lagen auf dem Fußabtreter
vor der Tür fein säuberlich aufgereiht drei tote Mäuse.
Der
gellende Schrei meiner Tante hat auch den letzten Langschläfer aus
dem Bett geworfen.
Katerle
aber marschierte stolz mit hoch erhobenem Schwanz an ihr vorbei, als
wollte er sagen:
„Wozu
die Aufregung, ich wollte euch doch bloß zeigen wie fleißig ich die
Nacht war.“
©
Lore Platz