Viel Spaß beim Lesen!
Reichtum: Fluch oder Segen ?
Diese Geschichte kann in jedem Land spielen, in dem die Schere zwischen arm und reich sehr groß ist.
Leise betrat die Dame die Kirche setzte sich ganz vorne in die erste Bank. Sie war nicht mehr ganz jung, denn durch ihr volles kastanienbraunes Haar zogen sich schon einige graue Strähnen.
Obwohl sie den Zenit ihres Lebens bereits überschritten hatte war ihr Gesicht faltenlos. Die elegante Kleidung und die kostbaren Ringe an ihren gepflegten Hände ließen auf Reichtum schließen.
Doch ihre Augen, die durch die Kirche wanderten, waren traurig.
Ein alter weißhaariger Mann kam aus der Sakristei und direkt auf sie zu.
“Darf ich mich zu ihnen setzen?“
Die Dame sah in die gütigen blauen Augen und nickte.
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. „Wollen sie mir nicht anvertrauen, was sie bedrückt? Manchmal tut es gut, wenn man sich seinen Kummer von der Seele redet.“
Ludwina, die schon lange das Vertrauen zu den Menschen verloren hatte, schüttete diesem freundlichen alten Mann ihr Herz aus. Erzählte ihm von ihrer einsamen Kindheit reicher Eltern, die ihr zwar alles schenkten was sie wollte, Dinge die oft überflüssig waren. Doch niemals hatten sie Zeit für sie. Als sie schulpflichtig wurde schickten ihre Eltern sie in ein teures Internat und nach dem Abitur wurde sie in die Gesellschaft eingeführt. Ausgehungert nach Liebe wie sie war, fiel sie auf den ersten Heiratsschwindler herein. Nach der Trennung begann sie zu reisen und stürzte sich in das oberflächliche Gesellschaftsleben.
Und nun saß sie hier und dachte über ihr leeres verpfuschtes Leben nach. Und sie hatte festgestellt, dass Reichtum ein Fluch ist.
Der alte Mann schüttelte lächelnd den Kopf. „Niemand kann bestimmen in welche Verhältnisse er hineingeboren wird.
Aber wir alle können bestimmen welchen Weg wir gehen. Reichtum kann auch ein Segen sein. Kommt mit!“
Er nahm sie an der Hand und führte sie aus der Kirche, vorbei an den wunderschönen Hotels und Anlagen, die für die Touristen gebaut sind. Je weiter sie gingen umso grauer wurden die Häuser bis sie eine Gasse betraten und Ludwina unwillkürlich stehen blieb. Was sie sah kam ihr vor wie der Vorhof zur Hölle. „Wo sind wir hier?“ flüsterte sie.
„Das ist das Elendsviertel, gut versteckt vor den Touristen. Ein Schandfleck des Ortes. Wie viel Segen könnten sie hier mit ein wenig Geld schon bringen.“
Erschüttert sah die Dame sich um. Not und Elend waren hier spürbar und der entsetzliche Geruch, den sie wahrnahm, raubte ihr fast den Atem
Nun hatten die Kinder die schöne reiche Dame entdeckt. Mit ausgestreckten Händen kamen sie bittend auf sie zu. Das Gemurmel wurde immer lauter und Ludwinda stieß einen Schrei aus.
Eine Hand rüttelte an ihrer Schulter. „Entschuldigen sie, ich wollte sie nicht erschrecken, aber sie sind eingeschlafen und gleich beginnt die Messe.“
Verwirrt sah die Dame den jungen Priester, der vor ihr stand, an. “Wo ist der alte weißhaarige Priester?“
„Ich bin der einzige Priester hier, mein Vorgänger hatte weiße Haare, aber er ist letztes Jahr verstorben.“
„Dann habe ich wohl geträumt,“ murmelte Ludwina.
„Oft schickt uns Gott Träume, um uns den Weg zu weisen.“
„Da haben sie wohl Recht!“ Die Augen der Dame blitzten, die Traurigkeit ist verschwunden. Sie öffnete ihre Tasche und holt das Scheckbuch heraus. Mit einem fröhlichem Lächeln füllte sie einen Scheck aus und drückt ihn dem jungen Mann in die Hand. „Kümmern sie sich um das Elendsviertel!“ Dann verließt sie mit beschwingten Schritten die Kirche.
Zwei Kinder gingen mit langsamen müden Schritten den mit Bäumen gesäumten Weg entlang.
Das etwa vierjährige Mädchen jammerte.
„Konrad , ist es noch weit, ich bin soooo müde und meine Füße tun mir weh.“
„Nein Veverl, siehst du da vorne ist schon das Haus zu sehen“ tröstete sie ihr zehnjähriger Bruder.
Die letzten Schritte mehr stolpernd als gehend erreichten sie die schöne weiße Villa.
Der Junge klingelt.
Eine Frau mit kastanienbraunen Haaren, die von einigen grauen Strähnen durchzogen sind, öffnete die Tür, im Hintergrund war das fröhliche Lachen von Kindern zu hören. „Guten Tag, ist das hier das Haus Sonnenschein?“ fragte Konrad. Die Dame lächelte sie liebevoll an.
„Ja kommt herein, hier seid ihr richtig.“
Haus Sonnenschein, ist das erste Gebäude eines großen Projekts, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Not in der Welt, besonders die der Kinder, zu lindern.
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Lore Platz (2021)
Eine wunderschöne Geschichte, liebe Lore,
AntwortenLöschensie hat mich sehr berührt!
Herzliche Grüße
Regina
Liebe Lore,
AntwortenLöschendas ist wieder eine sehr schöne Geschichte, die ich gerne gelesen habe. Ja, manchmal kann Reichtung ein Fluch sein, doch weiß man ihn richtig einzusetzen, dann kann er ein Segen für andere sein. Und noch etwas passiert: Die Freude, die man gibt, indem man Gutes tut, kommt zu einem zurück. So ist beiden Seiten geholfen.
Herzliche Grüße
Astrid
Ach, liebe Lore, was für eine schöne Geschichte. Wie gut, dass der Herrgott der reichen Frau eine Erleuchtung geschickt hat, was sie Gutes mit ihrem Geld anfangen kann. - LG Martina
AntwortenLöschenUnd wieder eine so herzergreifende Geschichte liebe Lore. Wunderbar.
AntwortenLöschenIch kann mich nur wiederholen liebe Lore. Sehr gut geschrieben!
AntwortenLöschenAstrid Berg
AntwortenLöschenLiebe Lore,
nach zwei Jahren, habe ich nun deine Geschichte wiederum gelesen und kann Dir abermals sagen, dass sie mir sehr gut gefällt. Ich kann meine damaligen Worte in meinem Kommentar oben nur nochmals bekräftigen.
Ganz herzliche Grüße
Astrid