Schönen Sonntag wünsche ich und viel Spaß beim Lesen.
Wie ist es Eulenspiegel inzwischen ergangen?
Blind vor Angst ist er los galoppiert und instinktiv in den Wald und den Weg entlang, den er mit Patrick am Morgen gelaufen war.
Und plötzlich steht er vor der Bärenhöhle. Schnell schlüpft er hinein und bleibt schwer atmend stehen.
Eine Bewegung am Eingang lässt ihn zusammen zucken. Kiki kommt in schnellen Sprüngen herein und bleibt vor ihm stehen.
„Was ist denn geschehen? Ich sah dich wie von allen Hunden gehetzt durch den Wald jagen.“
Plötzlich kullern dicke Tränen aus den Augen des Esels und er erzählt seiner Freundin was geschehen ist. Das Eichkätzchen läuft aufgeregt von einer Seite der Höhle zur anderen.
„Schlimme Sache ist das! Was willst du nun machen? Zurück kannst du nicht und hierbleiben auch nicht.“
In der Ferne ist das langgezogene Pfeifen eines Zuges zu hören und Eulenspiegel erinnert sich plötzlich was Tobias zu Patrick gesagt hat.
„Heute Nachmittag geht ein Viehtransport vom Bahnhof in Neumünster ab,“ meint er zögernd „Prima, wenn du erst einmal weiter weg bist, dann kannst du dich vielleicht leichter durchschlagen.
Wann fährt der Zug?“
„Weiß nicht.“
„Dann komm, vielleicht ist er noch nicht weg.“
In großen Sprüngen laufen sie durch den Wald und erst als sie ins Dorf kommen, werden sie langsamer.
Auf dem Bahnsteig stehen einige Kühe und werden einzeln über die Rampe in den Viehwaggon getrieben.
Zwei Männer und der Zugbegleiter stehen dabei. „Wie soll ich an denen vorbei in den Waggon kommen?“ stöhnt der Esel.
„Lass mich nur machen! Ich werde sie ablenken.“
Kiki flitzt auf die Kühe zu und springt der ersten auf den Rücken und von dort von Rücken zu Rücken.
Die Herde wird unruhig und beginnt empört zu muhen und die drei Männer haben alle Hände voll zu tun, um die Tiere am Ausbrechen zu hindern. Diese Gelegenheit nützt Eulenspiegel um in den Waggon zu kommen.
Als Kiki dies bemerkt, springt sie vom Rücken der Kuh herunter und verschwindet in den Wald.
Zwei Kühe stehen bereits im Wagen und beobachten erstaunt was sich am Bahnsteig abspielt. Als nun der Esel die Rampe herauf galoppiert begrüßen sie ihn erstaunt.
„Was willst du denn hier? Bist du schuld an dem Getümmel?“
Eulenspiegel nickt verlegen. „Es ist wohl meine Schuld. Meine Freundin Kiki hat die Männer abgelenkt, damit ich unbemerkt in den Zug kommen kann. Ich bin nämlich auf der Flucht. Mein Name ist übrigens Eulenspiegel.“
„Angenehm, ich bin Martha und das ist Bernadette, aber weshalb musst du fliehen?“
Und der Esel erzählt ihnen seine traurige Geschichte. Die beiden Kühe betrachten ihn voller Mitgefühl, da ruft Bernadette: „Achtung, es geht weiter. Schnell in die Ecke!“
Eulenspiegel schlüpft in die Ecke und die beiden Kühe stellen sich schützend davor. Bald sind auch die restlichen Kühe, die sich als Anna, Lena, Lotte und Lorelei vorstellen, verladen.
Eulenspiegel muss seine Geschichte noch einmal erzählen und auch diese mütterlichen Tiere sind voller Mitgefühl.
Ein durchdringendes Pfeifen ist zu hören und mit einem Ruck setzt sich der Zug in Bewegung.
Das gleichmäßige Rattern und die Wärme machen Eulenspiegel schläfrig. Als die Kühe bemerken, dass ihr kleiner blinder Passagier eingeschlafen ist, unterhalten sie sich ganz leise.
Plötzlich wird der Zug langsamer und Martha stupst den Esel leicht an „Wach auf kleiner Freund, der Zug wird gleich halten.“
Schläfrig erhebt sich dieser und taumelt in die Ecke. Die Kühe stellen sich davor und verdecken ihn mit ihren Körpern.
Geräuschvoll rollt die Waggontür zur Seite und ein Mann stapft über die Rampe, der einen Stier hinter sich herzieht. Er bindet ihn an einem Haken fest und springt aus dem Zug.
Knarrend rollt die Tür wieder zu und schnappt ins Schloss. Der Riegel rastet klirrend ein und mit einem Ruck setzt sich der Zug wieder in Bewegung.
Neugierig treten die Kühe näher und scharren sich um den Neuankömmling. Dieser stellt sich als Leo vor und erzählt ihnen, dass er zu einer Ausstellung in die nächste Stadt unterwegs ist. Auch dass er schon öfter prämiert wurde und einige Preise gewonnen hat.
Die Kühe seufzen verzückt und Eulenspiegel verdreht die Augen.
Dann will Leo wissen, wohin die werten Damen denn reisen, doch nicht in den Schlachthof? „Nein, nein,“ beruhigt ihn Martha, „ wir sind unterwegs nach Schleswig Holstein, um dort mit einem Stier verheiratet zu werden.“
Leo runzelt die Stirn.
„Ich glaube kaum, dass so ein Holsteiner besser ist als ein prächtiger, bayrischer Stier,“ dabei zwinkert er Lena, der Jüngsten vergnügt zu.
Diese errötet sanft.
Wieder bleibt der Zug mit einem Ruck stehen und Eulenspiegel verschwindet schnell hinter den Kühen. Als die Tür geöffnet wird, bringt der kalte Luftzug auch einen Schwall Schnee mit herein und die Kühe drängen sich fröstelnd zusammen. Leo wird losgebunden und hinaus geführt.
Als er an den Kühen vorbei geht zwinkert er frech. „Auf Wiedersehen meine Damen und vergesst mich nicht.“Lena seufzt tief und sieht ihm hinterher. Die Anderen lachen gutmütig.
Die eiserne Tür wird zugeschoben und verriegelt und der Rest der Nacht verläuft ohne Störung.
Der Morgen dämmert bereits, als die Zugtür sich erneut öffnet. Die Rampe wird vorgeschoben und ein Mann tritt in den Waggon.
„Hohohoooo!“ treibt er die Kühe an. Martha, die Eulenspiegel am nächsten ist, flüstert ihm zu. „Nun musst du alleine sehen wie du weiter kommst. Viel Glück!“
„Viel Glück! Viel Glück!“ rufen die Kühe und für den Mann, der vor ihnen die Rampe hinunter geht, hört es sich nur, wie ein vielstimmiges Muhen an.
Unten angekommen, stellt er sich neben seinen Kollegen, der eine Liste in der Hand hält, und beobachtet wie die Kühe eine nach der anderen langsam herunter trotten.
Plötzlich sieht er zwischen den Leibern einen kleinen grauen Esel auftauchen.
Er stößt den Mann neben sich in die Seite. „He Kuddel hast du auch einen Esel auf deiner Liste?“ „Nö!“
Jens wendet sich wieder der Rampe zu, doch kein Esel war mehr zu sehen.
Vielleicht hatten ihm seine Augen einen Streich gespielt?
Eulenspiegel aber läuft durch den Bahnhof, der um diese Zeit noch menschenleer ist und erreicht die Straße, die ins Dorf führt.Klick, klack, klick, klack tönen seine kleinen Hufe auf dem geräumten Gehweg.
Sein Magen knurrt vor Hunger und so bleibt er überrascht stehen, als er in einem Garten ein Glashaus sieht hinter dem es grünt und blüht.
Er zwängt sich durch die angelehnte Gartentür und trabt auf das Häuschen zu. Die Tür steht offen und begeistert macht er sich über den reich gedeckten Tisch her. Ein entsetztes Kreischen lässt ihn aufblicken.
Ein Mädchen steht an der Tür und ruft laut: „Mama, Mama, ein Esel frisst unser ganzen Pflanzen!“
Erschrocken galoppiert Eulenspiegel auf sie zu, schießt an dem Mädchen vorbei, das in den Schnee purzelt und rast durch die Gartentür. Er läuft und läuft, bis er das Geschrei hinter sich nicht mehr hören kann.
Er hat das Dorf schon längst hinter sich gelassen und vor ihm breitet sich eine weite weiße in Schnee gehüllte Fläche aus. In der Ferne sieht er etwas Buntes leuchten und neugierig trabt er darauf zu.
Auf einer großen geräumigen Fläche steht ein riesiges Zelt und daneben sind einige bunte Wohnwagen aufgereiht. Etwas abseits davon steht noch ein kleineres Zelt.
Der
Platz ist menschenleer und mutig geworden trottet Eulenspiegel auf
das große Zelt zu und wendet sich enttäuscht ab, als er nur leere
Holzbänke darin vorfindet.
Als er sich dem zweiten Zelt nähert, steigt ihm der vertraute Duft nach Stall in die Nase. Hier ist er richtig.
Vorsichtig streckt er seinen Kopf hinein und erblickt zwei edle schwarze Pferde und mutig tritt er näher.
Erschreckt zuckt er zusammen, als plötzlich ein seltsames Tier mit einem ohrenbetäubendem Kreischen sich auf seinen Rücken schwingt und wild die gelben Zähne fletscht und ihn an den Ohren zieht.
Erschrocken macht der Esel einen Luftsprung und galoppiert durch das Zelt. Wütend schüttelt er sich, um das lästige Ding auf seinem Rücken los zu werden.
Die beiden Pferde wiehern vergnügt, der Ziegenbock meckert begeistert, die Hunde springen vor Vergnügen am Gitter hoch und das Pony fletscht grinsend die Zähne.
Durch den Lärm angelockt kommen die Zirkusleute angelaufen.
Lachend bleiben sie am Eingang stehen. Ein dicker Mann tritt hinter sie. „Was ist denn hier los?“
„Sehen sie selbst, Direktor Quirin,“ grinst Don Fernando und tritt zur Seite, um den Zirkusdirektor vorbeizulassen.
Nun muss auch dieser grinsen. „Befreit den armen Kerl von Gina,“ lacht er. Kasimir, der Clown versucht an den bockenden Esel heran zu kommen und schnappt sich schnell das Schimpansenweibchen.
„Gina, Gina, behandelt man so einen Gast, schäm dich,“ tadelt er. Der Affe fletscht nur seine Zähne und stößt seltsame Laute aus.
Don Fernando hat inzwischen seine Pferde beruhigt, Angela, die Seiltänzerin redet beruhigend auf die Hunde ein und Herrman der Ziegenbock frisst wieder weiter, nachdem es nichts mehr zu sehen gibt.
Muck und Puck, die Liliputaner aber gehen vorsichtig auf den völlig verängstigten Esel zu und stoßen lockende Laute aus.
Und Eulenspiegel gewinnt langsam Vertrauen zu den beiden Menschen, die nicht größer sind als er. Direktor Quirin, der die Drei beobachtet hat, meint: „Bringt ihn zu Gerlinde in die Box und gebt ihm zu Fressen und zu Trinken.“
Das Pony wiehert begrüßend, als Eulenspiegel noch immer zitternd in seine Box kommt. „ Der arme Kerl hat sich wohl verlaufen und das bei der Kälte und dann musste ihn Gina auch noch erschrecken,“ meint der Direktor mitleidig und wendet sich an Kasimir.
„Nimm den Schimpansen mit in deinen Wohnwagen.“ Der Clown verzieht das Gesicht und stöhnt:
„Als ich Gina das letzte Mal in meinem Wohnwagen hatte, da hat sie mit meiner Schminke die ganzen Wände verschmiert.“
„Ich nehme sie mit, bei mir kann sie nur mit den Gewichten spielen und keinen großen Schaden anrichten,“ meint Samson der Muskelmann gutmütig.
Bevor der Direktor das Zelt verlässt wirft er noch einen nachdenklichen Blick auf den Esel. „Wenn ihr heute im Dorf die Reklamezettel verteilt, erkundigt euch, ob jemand einen Esel vermisst.“ Doch niemand vermisste einen Esel und Patrick war weit weg.
So blieb Eulenspiegel bei dem Zirkus und fühlte sich bei der kleinen großen Zirkusfamilie sehr wohl. Als Hieronymus zum Zirkus kam durfte er mit dem Kasperle und Kasimir eine neue Nummer einstudieren und das Lachen und Jubeln der Kinder war seine größte Freude.
Er war dabei, als die kleine Zirkusfamilie den Kasperle zu dem großen Schiff begleitete, das ihn zur Puppeninsel bringen sollte. Nun trat Fridolin anstelle von Hieronimus mit Kasimir und Eulenspiegel auf.
Und so vergingen sechs Jahre, in denen es dem Esel gut ging, bis zu dem Tag, an dem ein wütender Sturm das große Zirkuszelt zerstörte und wieder einmal hatte Eulenspiegel eine Heimat verloren.
Morgen geht es weiter
Wieder so schön! Ich freue mich schon auf die Fortsetzung !
AntwortenLöschenDanke, liebe Lore, für diese spannend Folge. Also ich bin begeistert, wie Du aus einem so tief traurigen Anfang mehrere tolle Geschichten ausdenkst und wie da ein Lebenslauf in einen anderen greift.
AntwortenLöschenNun bin ich weiter gespannt.
Dir auch einen schönen Sonntag.schnell noch diese Folge weiterleiten an meine lieben Freunde, die sicher auch schon warten.
Das ist ja wieder einmal eine so schöne Geschichte 🥰 liebe Grüße aus Hunsheim
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