Einen schönen Wochenanfang wünsche ich euch und viel Spaß beim Lesen!
Eine Herbstgeschichte
Still ist es im Zimmer, man hört nur das Ticken der Uhr, die an der Wand hängt und ab und zu das Rascheln der Zeitung, wenn Opa umblättert.
Ina lümmelt im Sessel und liest ein Buch.
Plötzlich hebt sie den Kopf.
"Opa, was sind Hexenringe?" Der alte Mann legt bedächtig seine Brille auf den Tisch.
"Hexenringe sind Pilze die im Kreis wachsen, manche nennen sie auch Elfenringe.
Der Name kommt wohl daher, weil runde Formen immer als Versammlungsort von Hexen und Elfen galten und daher magisch und verboten waren."
"Kann man sie essen?" "Weiß ich nicht so genau. Noch Fragen?" Ina schüttelt den Kopf und Opa wendet sich wieder seiner Zeitung zu.
"Du Opa?", fragt Ina erneut. "Hexen und Elfen werden sich doch nicht am gleichen Ort versammelt haben, oder? Mögen die sich denn leiden? Also ich habe vor Hexen ja Angst!"
Der Opa hebt den Kopf.
"Warum?"
"Nun, weil sie böse sind und den Menschen böses antun und Kinder aufessen, wie man ja von Hänsel und Gretel weiß."
Der alte Mann schmunzelt.
"Das ist eine Geschichte, aber bist du schon einmal einer Hexe begegnet.
Ina schüttelt den Kopf.
"Heute gibt es doch gar keine Hexen mehr, die wurden doch im Mittelalter alle ausgerottet."
Das Gesicht ihres Opas wurde ernst.
"Das waren keine Hexen, das waren liebe gute Frauen, viele von ihnen waren Heilerinnen."
Erstaunt schaut Ina ihren Großvater an. Davon hat sie noch gar nichts gewusst und nun möchte sie es genauer wissen.
"Erzähl schon, Opa. Das interessiert mich wirklich sehr."
"Das Mittelalter war noch voller Aberglauben und und alles brachten sie gleich mit dem Teufel in Verbindung. Irgendwann fingen sie an, Frauen als Hexen anzuklagen und dies breitet sich über ganz Europa aus.
Eine Vorfahrin von Ludwig van Beethoven wurde 1595 in Brüssel auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Beenden wir das Thema ich höre die Oma kommen."
(c) BONMOMO |
Oma kommt mit einem Teller leckerer Plätzchen herein. Sie hat gerade noch gehört, wie Opa sagte, dass er sie kommen höre.
"Habt ihr etwa Geheimnisse vor mir?", fragt sie scherzend.
"Natürlich nicht!", meint Opa verschmitzt.
"Aber du weißt ja, dass man nicht lauschen darf, nicht wahr? Es könnte um Weihnachtsgeschenke gehen und dann nimmt man sich alle Freude!"
Bist du nicht ein wenig früh dran noch haben wir Herbst?"
"Ach und du sind das nicht Weihnachtsplätzchen auf dem Teller."
Oma wird etwas rot. "Wir haben in unserem Damenkränzchen neue Rezepte ausprobiert und ich habe euch welche mit gebracht."
"Plätzchen kann man immer essen!", meint Ina und nimmt sich gleich noch eins. "Die sind aber auch lecker, Oma. Da hast du dich wieder selbst übertroffen!"
"Ina weißt du, dass am Sonntag deine Eltern wieder vom Urlaub zurück kommen, unterwegs habe ich den Postboten getroffen und er gab mir eine Ansichtskarte mit. Wo habe ich sie bloß?"
Die alte Frau kramt in ihrer Tasche.
Zuerst befördert sie ihr Strickzeug aus der Tasche, dann folgten nacheinander: eine Packung Taschentücher, ein dicker Apfel, falls es unterwegs mal ein Hüngerchen geben sollte, eine Haarbürste und ein Kosmetiktäschchen. Eine Postkarte war nicht auffindbar!
Ina tritt an den Tisch und lässt ihren Blick über das Durcheinander gleiten, dann grinste sie und zieht eine bunte Ansichtskarte hervor.
"Wo hast du sie gefunden?" "Du hast sie zusammen mit dem Strickbeutel herausgezogen und darunter lag sie." "Na so was."
Oma schüttelte den Kopf. Opa kommt grinsend näher. "Oma, Oma du wirst langsam alt."
Diese funkelt ihn wütend an! "Ich bin immer noch fünf Jahre jünger als du!" Ina kichert.
"Und außerdem bin ich Inas Oma und nicht deine, mein lieber Ehemann. Es darf doch nicht einfach jeder Oma zu mir sagen!"
Das hat nun doch ein wenig verärgert geklungen. Ina zieht es vor, die Ansichtskarte vorzulesen, um vom Thema abzulenken.
"Zwei wunderschöne Wochen liegen hinter uns. Wir werden am Samstag zurück fliegen und am Sonntag dann zu euch kommen. Bis bald!"
"Aber Ina, du wirkst ja gar nicht begeistert, freust du dich denn nicht?"
"Natürlich, ich hab doch meine Eltern lieb, aber bei euch ist es so schön, Oma." "Dann wirst du dich freuen, wenn ich dir sage, dass dein Vater noch eine Woche Urlaub hat und wir sie alle zusammen hier verbringen."
Nun war der Jubel groß! Ina ist rein außer sich vor lauter Übermut, küsst ihren Opa stürmisch und dann kam Oma an die Reihe.
Als Ina später im Bett liegt, denkt sie wie schön sie es doch hatte.
Dann bevor sie einschlief, dachte sie daran, dass Opa gesagt hatte Hexen wären nicht so schrecklich wie sie im Märchenbuch beschrieben wurden.
Über dem grübeln schlief sie ein.
Irgend etwas weckt sie. Es war noch dunkel, nur ein kleines Licht leuchtete direkt vor ihrem Gesicht.
Es ist eine kleine Laterne, von einem zierlichen Wesen mit Flügeln gehalten. Ina richtet sich auf.
"Wer bist du?" "Ich bin eine der Elfen, die mit den Hexen zusammen im Wald lebt und heute Nacht werden wir ein Herbstfest im Hexenring feiern und du bist herzlich eingeladen.
Als sie Inas abwehrenden Gesichtsausdruck sieht, meint sie vorwurfsvoll.
"Solltest du die Hexen nicht erst kennen lernen, bevor du sie verabscheust."
"Du hast Recht!" Ina springt aus dem Bett, zieht sich an und bald reisen sie durch Zeit und Raum.
Plötzlich stehen sie in einem großem Kreis auf einer Wiese die von schrumpeligen Pilzen eingegrenzt ist. „ Der Hexenring,“ flüstert Ina erschrocken.
Eine Frau mit langen weißen Haaren, faltenlosem gütigen Gesicht kommt auf sie zu.
„Willkommen Ina auf unserem Fest. Ich weiß, dass du dich fürchtest und bewundere deinen Mut, dass du trotzdem gekommen bist.
Obwohl noch nie ein Mensch einer Hexe begegnet ist, schreiben sie böses über uns. Wir sind Naturgeister und haben die Aufgabe die Natur zu schützen und sind unsichtbar. Alles was böses auf der Erde geschieht verursachen die Menschen selbst.
Nun feiere mit uns und bilde dir deine eigene Meinung. Prissi,“ wendet sie sich an die Elfe, „ du begleitest sie."
Was gibt es viel zu sehen, überall nur fröhliche freundliche Gesichter und auch Ina wird von der glücklichen Stimmung ergriffen.
Sie tanzt und singt mit den anderen im Kreis. Plötzlich hört man ein dumpfes Stampfen.
“Was ist das?“ fragt Ina ängstlich. Prissy kichert und zieht das Mädchen mit sich an den Rand des Kreises. Sechs Bäume marschieren im Gleichschritt den Weg entlang.
„ Die Bäume marschieren auf, um zu tanzen.“ Ina kichert, „ Vorausgesetzt sie kommen in den Hexenring!“ Auch Prissy beobachtet besorgt wie die sechs Riesen schnaubend und stöhnend versuchten über die Pilze zu steigen.Einige Hexen eilen herbei,um zu helfen.
Bald standen alle schwer schnaufend im Kreis.
Der Ahorn mit seinen roten Blättern, die Kastanie in ihrem schlichten braunem Kleid, der Birnbaum in hellem gelb, die Buche glänzte in gelbgrün, und der Apfelbaum rotbraun und der Kirschbaum gelbbraun vollendeten das Sextett.
Ina hat sich umgewendet und beide Hände auf den Mund gepresst, um das Kichern zu unterdrücken.
„Reiß dich zusammen,“ zischt Prissy, "oder willst du die alten ehrwürdigen Herrn beleidigen."
Nein, das wollte Ina nicht, also reißt sie sich zusammen, atmet ruhig durch und dreht sich um, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Bäume sich aufstellen zum Tanz.
Von irgendwo ertönt Musik und Ina beginnt zu staunen, die alten Herren, die eben noch so tollpatschig wirkten, tanzen anmutig und elegant.
Und als der Tanz zu Ende war, klatscht Ina begeistert.
Prissy wirft ihr einen wissenden Blick zu und Ina
errötet leicht.
Nun wurde gefeiert bis zum Morgen und das Mädchen
feierte fröhlich mit.
Esmeralda, die Hexe mit den langen weißen Haaren,
kommt zu ihr. „Ina, es ist Zeit in deine Welt zurück zu
kehren.
Ich hoffe es hat dir gefallen und denke daran,
Vorurteile sind keine guten Ratgeber.“
Als Ina erwacht steht die Sonne hoch am Himmel.
Was für ein Traum. Aber irgendwie auch schön und
seltsam sie fürchtete sich nicht mehr vor Hexen.
Die Oma kommt ins Zimmer. „ Kind willst du nicht zum Frühstück kommen?“ Ina springt aus dem Bett, umarmt die alte Frau stürmisch und hüpft ins Bad.
© Lore Platz 5.10.2024
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